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Der Preis des Widerstandes: Meine Geschichte
von Ngawang Sangdrol
Aus "Incomparable Warriors"
von Kate Saunders
S. 35 - 39: The Cost of resistance: My Story by Ngawang Sangdrol
Photo von Andreas Hilmer, Free Tibet Campaign
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Ich wurde 1977 in Lhasa, Tibet, geboren. Meine Familie war zwar arm, aber wir standen uns alle sehr nahe und ich liebte es, mit meinen zwei älteren Schwestern und den vier Brüdern allerlei Spiele zu spielen und mit ihnen zusammen zu sein. Wenn wir alle gemeinsam zu Hause zu Mittag aßen, pflegte mein Vater uns viele Geschichten über Tibet und das tibetische Volk zu erzählen. Tibet ist seit 1949 von China besetzt, meine Familie hat wirklich sehr unter der chinesischen Herrschaft gelitten.
Mein Vater, Namgyal Tashi, erzählte uns des öfteren von dem Volksaufstand in Lhasa 1959, an dem auch er beteiligt war und der zum Tod und der Verhaftung von Zehntausenden von Tibetern geführt hatte. Meine Mutter berichtete mir, daß er während der Kulturrevolution in den Siebzigern bei den politischen "Kampfsitzungen" oft so sehr geschlagen wurde, daß er dann bewußtlos nach Hause gebracht worden war. Später wurde ihm noch einmal viel schlimmer zugesetzt, weil er sich weigerte, ein offizielles Schriftstück zu unterschreiben, das die chinesische Politik in Tibet befürwortete. Ich war voller Bewunderung für seinen Mut und seine Entschlossenheit und hegte dieselben tiefen Gefühle für unser Land wie er.
In Tibet ist es Brauch, daß in einer Familie mindestens ein Kind ins Kloster geschickt wird, um eine religiöse Ausbildung zu erhalten, und so trat ich im Alter von 12 Jahren in das Kloster Garu ein. Meine Familie war tief religiös und dem tibetischen Buddhismus innig verbunden, weshalb ich es als ein großes Glück empfand, Nonne zu werden. Sofort fühlte ich mich in der kleinen eng zusammengewachsenen Gemeinschaft richtig wohl.
Ab meinem 12. Lebensjahr begann ich mir bewußt zu werden, wie wahr die Erzählungen meiner Mutter und meines Vaters darüber, wie sehr die Tibeter von den Chinesen unterdrückt werden, eigentlich sind. Die Tatsache, daß Tibet von den Chinesen besetzt ist, wurde für mich eine sehr persönliche Angelegenheit. Es reifte in mir der Entschluß heran, etwas zu tun, auf irgendeine Weise Widerstand zu leisten. Es ist nicht so, daß mich der Ärger dazu gebracht hätte, es ging um etwas viel Tieferes. Eines Tages sprachen einige der Nonnen davon, daß sie gegen die Chinesen protestieren wollten. Ich entschloß mich, mich diesen Nonnen bei ihrer politischen Demonstration anzuschließen.
Eines Morgens machten wir uns auf den Weg, um bei einem religiösen Fest im Norbulingka, dem ehemaligen Sommerpalast Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, unseren Plan in die Tat umzusetzen. Ich war damals erst dreizehn und die Jüngste und Kleinste in unserer Gruppe von 13 Nonnen. Wir wußten, daß unsere Aktion viel Aufmerksamkeit erwecken würde, denn bei dem Fest kommen gewöhnlich sehr viele Leute zusammen. Ebenso war es uns bewußt, daß zahlreiche bewaffnete chinesische Polizisten anwesend sein würden. Wir marschierten mutig in die Mitte der Menge und begannen "Lang lebe der Dalai Lama" und "Free Tibet" zu rufen. Fast noch im selben Augenblick schleiften uns chinesische Polizisten in Uniform und in Zivil weg. Sie zwängten uns in einen Lastwagen, der uns zur Haftanstalt Gutsa außerhalb der Stadt fuhr.
Als wir in Gutsa ankamen, wurden wir viele Stunden lang unter Gewaltanwendung vernommen. Die Gefängnisaufseher erklärten uns, wir seien "Konterrevolutionäre", die Tibet von China abspalten wollten. Die Vernehmungsbeamten schlugen uns mit Eisenrohren und manchmal auch mit elektrischen Viehstöcken. Sie banden elektrisch geladene Drähte an unsere Zungen. Sie fesselten uns sogar in der sehr schmerzhaften sogenannten "Flieger-Stellung", bei der einem die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden werden und man an der Decke aufgehängt wird. Mir war, als ob meine Arme aus den Schultergelenken gezerrt würden.
Die Aufseher versuchten hartnäckig herausfinden, welche von uns Nonnen den Protest angeführt hätte. Sie wollten uns unbedingt dazu bringen, daß wir uns gegenseitig denunzierten und eingestanden, daß das, was wir meinten für Tibet zu tun, falsch gewesen sei. Aber wir hielten alle fest zusammen, um ihnen Widerstand zu leisten. Jede einzelne von uns sagte, sie sei die Anführerin. Und natürlich schlugen sie uns um so mehr, weil wir nicht klein beigaben.
In der Nacht froren wir ständig und litten Hunger. Ich versuchte Regenwasser aufzufangen, indem ich meine Tasse aus dem Zellenfenster hinaushielt, aber ich war so klein, daß mein Arm kaum durch die Gitterstangen reichte.
Über Nachbarn, die von der Demonstration gehört hatten, fanden meine Eltern heraus, wo ich war, und einmal durfte mich meine Mutter, Jampa Choezom, sogar besuchen. Als ich sie sah, zwang ich mich, nicht zu weinen, denn sie sollte wissen, daß ich stark bin; ich wollte sie nicht unglücklich machen. Wir sprachen fast nichts, meine Mutter konnte keinen Ton herausbringen, so erschüttert war sie, und natürlich waren wir von bewaffnetem Gefängnispersonal umgeben. Als sie gegangen war, brach ich tränenüberströmt in meiner Zelle zusammen.
Neun Monate später wurde ich, ebenso wie die anderen Nonnen, entlassen und durfte nach Hause zurückkehren. Aber meine bisherige Welt war zerbrochen. Während ich inhaftiert war, waren auf einen Zwischenfall hin, bei dem im Kloster Samye die tibetische Flagge gehißt worden war, auch mein Vater und einer meiner Brüder, Tenzin Sherab, ins Gefängnis gekommen. Diese zu zeigen ist nämlich in Tibet verboten. Nur wenige Wochen später starb meine Mutter, wie man mir sagte, an Herzversagen. Ich denke, daß der Schock der Verhaftung meines Vaters und meines Bruders und all die langen Jahre des Leidens die Ursache für ihren Tod gewesen sind. Sie war erst 52 Jahre alt.
Ich blieb mit meinen Brüdern und Schwestern in unserem Haus wohnen, aber wir fühlten uns verlassen. Als ehemalige politische Gefangene wurde mir die Rückkehr in mein Kloster verweigert, so daß ich nicht einmal einen Halt an der Gemeinschaft der Nonnen hatte. Ich wurde ständig von der Polizei überwacht, und es war mir unmöglich, mich mit meinem Freunden zu treffen ich mußte befürchten, sie dadurch in Schwierigkeiten zu bringen. Einige Zeit lang brachte ich Opfergaben und Gebete für meine Mutter dar und war sonst viel mit der Familie zusammen. Doch während dieser ganzen Zeit wünschte ich mir, politisch etwas tun zu können hauptsächlich, weil ich Freunde hatte, die noch im Gefängnis saßen, andere Nonnen, die weiter leiden mußten, und ich wollte etwas tun, um zu zeigen, daß ich zu ihnen halte. Als ich etwa 15 war, ging ich mit einigen anderen Nonnen in das Viertel um den Barkhor, dem eigentlichen tibetischen Wohnviertel in Lhasa. Kaum hatten wir begonnen, nach Freiheit für Tibet zu rufen, packten uns die Polizisten, und ich wurde abgeführt. Dieses Mal sollte es 11 Jahre dauern, bis ich wieder aus dem Gefängnis herauskam.
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Widerstand in Drapchi
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Das berüchtigte Drapchi Gefängnis
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Ich wurde verurteilt und in Tibets "Gefängnis Nummer eins", auch als Drapchi bekannt, verlegt. Das Reglement dort ist sehr hart. Jeden Tag hatten wir in der Fabrik im Gefängnis eine bestimmte Anzahl an Teppichen zu weben. Deshalb mußten wir, kaum waren wir morgens aufgewacht, sofort mit der Arbeit beginnen, und es dauerte oft bis spät abends, bis wir unsere Quote erfüllt hatten. Wenn wir das von den Gefängnisbeamten festgesetzte Soll nicht erreichten, wurden wir geschlagen oder bekamen nichts zu essen. Spinnen und riesige Ratten suchten unsere Zellen heim, und bei Nacht krochen diese Tiere über uns und bissen uns manchmal, wenn wir zu schlafen versuchten. Wir hatten alle große Angst vor den Ratten.
Kurz nach meiner Verhaftung wurden einige von uns Nonnen in einer kleinen dunklen Zelle zusammengelegt. Ein Mitgefangener hatte einen Cassetten-Recorder eingeschmuggelt, und wir vierzehn nahmen uns vor, nachts heimlich einige Lieder aufzunehmen und sie dann irgendwie aus dem Gefängnis hinauszuschmuggeln. Wir wollten auf diese Weise unseren Angehörigen mitteilen, daß wir noch am Leben sind, wir wollten auch, daß das tibetische Volk von unserer Lage und unserer Liebe zu unserem Heimatland erfährt.
Erst im Oktober letzten Jahres (2002), als ich entlassen wurde, erfuhr ich, daß unsere Tonbandaufnahme in der ganzen Welt Verbreitung gefunden hatte. Sogar eine CD wurde aus den Liedern gemacht. Aber wir zahlten einen teuren Preis. Uns allen wurde die Gefängnisstrafe um mehrere Jahre verlängert. Und dennoch sollten sie meinen Geist nicht brechen. Kurz darauf protestierte ich wieder, als eine offizielle chinesische Delegation das Gefängnis besuchte. Als die Offiziellen ankamen, rief ich laut "Freiheit für Tibet"
. Und ich schleuderte ihnen entgegen: "
Uns wird es nicht erlaubt, Respekt für unsere eigenen religiösen Würdenträger zu zeigen, warum sollten wir dann Respekt vor chinesischen Beamten haben?" Zur Strafe wurde ich in eine dunkle Isolationszelle gesperrt, bloß mit einem Hemd am Leibe, ohne Mantel oder Decke. Die Zelle war sehr klein, mir war, als befände ich mich in einer Kiste. Sie war nach oben hin offen, damit die Wachen mich beobachten konnten. Bei Nacht knipsten sie das Licht an, weshalb ich keinen richtigen Schlaf finden konnte. Zu essen bekam ich täglich nur einen Dampfwecken und eine Schale Wasser mit ein paar Gemüsebrocken darin. Gelegentlich gaben sie mir eine Tasse Tee. Ich erhielt mich aufrecht, indem ich fortwährend meine Gebete sprach; ich rezitierte sie so leise, daß die Wachen mich nicht hören könnten. Ich webte auch ein paar Mala-Perlen (Gebetskette) aus Fäden, die ich aus meinem Hemd gezogen hatte. Es war zu der Zeit Winter und in der Nacht so kalt, daß das Wasser in dem Wasserhahn in meiner Zelle zu Eis erstarrte. Jeden Tag mußte ich draußen im Hof im Schnee stehen. Wenn ich in mich zusammensackte, schlugen sie auf mich ein. Ich reagierte darauf, indem ich wieder nach Freiheit rief. Als die anderen Nonnen dies sahen, waren sie so besorgt um mich, daß sie in den Hungerstreik traten, um mich zu unterstützen. Nach sechs Monaten Einzelhaft wurde ich wieder in den normalen Zellentrakt zurückgebracht.
Die Gefängniswärter in Drapchi forderten die anderen Gefangenen ständig dazu auf, ihnen diejenigen anzuzeigen, die einen politischen Hintergrund hätten. In einer Zelle wurde eine junge Strafgefangene sehr vertraut mit uns Nonnen, doch sie stand unter ständigem Druck, sie zu denunzieren. Sie erkrankte schwer, litt große Schmerzen und blutete aus dem Mund, aber die Wachen meinten bloß: "Du denkst doch, die Nonnen seien so gut und freundlich, also laß dir doch von ihnen helfen". Die Nonnen sagten, die Gefangene müßte unbedingt ins Krankenhaus gebracht werden, aber die Aufseher erlaubten es nicht und forderten sie statt dessen auf, die Nonnen auszuhorchen. Sie wußte ganz genau, daß die Nonnen ihr helfen wollten. Ihre Verzweiflung war so groß, daß die Nonnen sie eines Tages, als sie in ihre Zelle zurückkehrten, erhängt vorfanden.
Die allerschlimmste Zeit, die ich im Gefängnis erlebte, war im Mai 1998. Der erste Mai wird in China als der "Tag der Arbeit" begangen, und die Gefängnisleitung hatte deshalb eine Zeremonie angesetzt, bei der die kommunistische Flagge aufgezogen werden sollte. Als alle Gefangenen versammelt waren, begannen zwei Strafgefangene Freiheitsparolen und "Lang lebe der Dalai Lama" zu rufen. Alle Mönche und Nonnen fielen ein. Ein Chaos entstand. Soldaten und bewaffnete Polizisten packten die Gefangenen und zogen sie weg, um sie zu schlagen. Drei Tage später die Atmosphäre war immer noch sehr gespannt wurde den Gefangenen befohlen, einer weiteren von der Gefängnisleitung organisierten Zeremonie beizuwohnen. Wir empfanden es als unsere Pflicht, etwas Patriotisches für Tibet zu tun. Die zu der Zeremonie versammelten Gefangenen begannen Freiheitsparolen zu skandieren; wir schlossen uns an, indem wir von unseren Zellen aus durch die Gitterstäbe schrien. Ich erinnere mich noch gut, wie ich "Hißt keine chinesischen Flaggen auf tibetischem Boden!" rief. Da begannen die Aufseher, auf die Gefangenen zu schießen.
Wir sahen Häftlinge, die von Gewehrkugeln getroffen, zuckend und blutend auf dem Boden lagen. Wachen stürmten in unsere Zellen und packten uns. Im Hof warfen sie ein paar von uns mitten in die schreiende Menge. Wutentbrannt schlugen die Polizisten mit elektrischen Schlagstöcken und Gewehrkolben auf uns ein. Alles war blutüberströmt.
Es war tatsächlich so, als wollten sie uns umbringen. Mit all ihrer Kraft droschen sie auf uns ein. Ich weiß nicht, wie lange dieser Exzeß dauerte, später hörte ich, es seien zwei oder drei Stunden gewesen. Auf einmal traten mehrere Wachen nach meinem Kopf und hauten mit ihren Schlagstöcken auf meinen Körper, bis ich bewußtlos wurde. Später hörte ich, daß sich eine andere Nonne, Phuntsog Peyang, über mich geworfen hatte, um die Schläge abzufangen, denn sie fürchtete, ich würde sterben. Sie wurde daraufhin selbst entsetzlich geschlagen. Phuntsog hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet.
Danach wurden wir alle in winzige Isolationszellen gesperrt; nachts holte die Polizei einzelne Nonnen der Reihe nach heraus, um sie zu vernehmen. Oft mußten sie in ihre Zellen zurückgeschleift werden, denn sie hatten durch die brutalen Mißhandlungen das Bewußtsein verloren.
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Tod der Nonnen in Drapchi
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Die Nonnen, die im Juni 1998 in Drapchi starben, sind:
Tsultrim Zangmo (bürgerlicher Name: Choekyi),
Lobsang Wangmo (bürgerlicher Name: Tsamchoe Drolkar),
Drugkyi Pema (bürgerlicher Name: Dekyi Yanzom);
Khedron Yonten (bürgerlicher Name: Tsering Drolkar) und
Tashi Lhamo (bürgerlicher Name: Yudron).
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Tashi Lhamo
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Drukyi Pema
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Tsultrim Zangmo
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Lobsang Wangmo
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Eines Nachmittags, etwa einen Monat später, vernahm ich plötzlich einen entsetzlichen Schrei aus dem nächstgelegenen Zellentrakt. Er war ganz anders als die Schreie, die ich zuvor gehört hatte, als wir gefoltert wurden, er war viel schlimmer. Dieses Schreien ließ mich innerlich erstarren. Das war ein Schrei der Todesangst, den jemand ausstößt, der weiß, daß er getötet wird.
Erst 2002, also vier Jahre später, erfuhr ich, was geschehen war. Fünf Nonnen, alle in den Zwanzigern, die wegen ihres friedlichen Aufbegehrens gegen die Chinesen im Gefängnis saßen, waren in jenem Zellentrakt gestorben. Die Behörden gaben Selbstmord an, aber ich bin davon überzeugt, daß die wahre Todesursache die exzessive Folterung war. Ich hörte, daß ihre Körper und Gesichter dermaßen geschwollen und entstellt waren, daß man sie kaum identifizieren konnte.
Diese fünf Nonnen, die getötet wurden, hatten von uns allen am meisten Widerstand geleistet. Sie sollten in ihrem Zellentrakt die chinesische Nationalhymne singen, aber sie hatten sich geweigert, und andere Gefangene taten es ihnen daraufhin gleich. Später hörte ich, daß ihre Weigerung, die chinesische Nationalhymne zu singen, wohl der Grund war, warum sie umgebracht wurden.
Im Buddhismus ist Selbstmord das Schlimmste, was man tun kann, und falls diese Nonnen sich tatsächlich selbst getötet haben, dann kann es nur um der anderen Nonnen willen gewesen sein. Sie hätten sich gewiß nicht nur deshalb das Leben genommen, weil sie so viele Qualen erdulden mußten. Sie wußten, daß ihre Weigerung, die chinesische Hymne zu singen, die Bestrafung aller Nonnen bedeutete. Sie fürchteten sich nicht vor dem Tod. Alle Nonnen in Drapchi hatten zu jener Zeit keine Angst zu sterben.
Ich werde nie die gräßlichen Schreie vergessen, die ich an jenem Tag vernahm, sie hörten sich an wie Geisterstimmen in der Nacht. Ich wußte, daß etwas Schreckliches geschehen war.
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Begegnung mit meinem Vater im Gefängnis
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Damals befand sich auch mein Vater im Gefängnis, aber wir durften einander nicht sehen. Ein Jahr später, 1999, wurde er entlassen, es ging ihm jedoch gesundheitlich schlecht, denn er hatte ein Nierenleiden und hohen Blutdruck. Nach seiner Entlassung wurde ihm ein einziges Mal gestattet, mich im Gefängnis zu besuchen.
Nachruf auf Tashi Namgyal von TIN
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Wir waren von den Aufsehern umringt und die Atmosphäre war sehr angespannt. Wir wußten ganz genau, daß sie jedes unserer Worte mitbekommen würden, weshalb wir nicht darüber reden konnten, wie es uns ging, noch über Politik oder meine Lage im Gefängnis. Wir sprachen nur über ganz allgemeine Dinge. Für mich war es einfach wichtig, meinen Vater zu sehen. Am 20. September 2001 starb er zu Hause. Er soll später gesagt haben, es sei ihm vor seinem Tod ein Trost gewesen und es habe ihm Frieden gebracht, daß er mich im Gefängnis noch einmal sehen konnte.
Es gab so viel Trauriges. Einer meiner Bekannten verlor den Verstand in der Haft, ein anderer ist durch die brutalen Schläge von der Hüfte an abwärts gelähmt. Drei der Nonnen, mit denen ich befreundet war, starben als Folge ihrer schweren Folterung.
Im Oktober 2002 wurde ich schließlich aus Drapchi entlassen, nachdem eine internationale Kampagne zu meinen Gunsten stattgefunden hatte. Ich war erstaunt, als ich später erfuhr, daß sich sogar US Präsident Bush bei dem chinesischen Staatsmann Jiang Zemin für meine Freilassung eingesetzt hatte. Fünf Monate später durfte ich ins Exil ausreisen. Als das Flugzeug in Chicago landete, war ich so dankbar und überglücklich.
Nachdem ich in den Westen kam, war das Wichtigste für mich, Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama zu begegnen. Einige Tibet-Unterstützer flogen mit mir nach Europa, wo er gerade Belehrungen gab, und es wurde für mich ein Treffen mit ihm in Kopenhagen arrangiert. Als ich ihn umgeben von Mönchen und westlichen Anhängern die Hotel-Eingangshalle betreten sah, fiel ich flach auf den Boden und lag ihm zu Füßen. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu weinen. Dann hielt er meine Hände in den seinen und sprach zu mir. Ich war völlig überwältigt. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, empfand ich nun endlich, daß ich nach Hause gekommen war.
Ich lebe jetzt in Washington, DC, und bin für die International Campaign for Tibet tätig, denn ich möchte mich der Sache Tibets widmen. Solange ich im Gefängnis war, hatte ich nicht den geringsten Schimmer davon, daß sich so viele Menschen in der Außenwelt um mich sorgten und jahrelang für meine Entlassung Kampagnen machten. Einige Leute im Westen haben mich eine Heldin genannt. Doch ich fühle mich nicht als eine besondere Person. Was ich getan habe, war für mich fast wie meine Pflicht als Tibeterin. All mein Tun war von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama inspiriert Seine Gegenwart war immer mit mir. Jetzt ist es mein größter Wunsch, daß mir meine vertrauten Freunde, die immer noch im Gefängnis sitzen, bald in die Freiheit nachfolgen werden.
Kate Saunders führte dieses Gespräch mit Ngawang Sangdrol. Eine Aufnahme der Lieder, die Ngawang Sangdrol und die anderen Nonnen sangen, wurde aus dem Gefängnis geschmuggelt und in den Westen gebracht; daraus entstand eine CD "Seeing nothing but the sky", die bei Free Tibet Campaign, www.freetibet.org, erhältlich ist.
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