October 5, 2004

Tibet Justice Center
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Aus: TRIN-GYI-PHO-NYA: TIBET'S ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT DIGEST
Vol. 2, Issue 5

Natürliche Schätze werden im Namen des Fortschritts zerstört

von Wen Huang in South China Morning Post, 16. August 2003 (aus Platzgründen redigiert)

Der Mugecuo See - bei den dort ansässigen Tibetern als der Megoe Tso oder Yeti See bekannt - ist einer der wenigen noch makellosen ökologischen Kostbarkeiten Chinas. Gelegen in der Autonomen Tibetischen Präfektur Ganzi in der Provinz Sichuan, ist dieser See von anderen unberührten aus der Eiszeit stammenden Seen, Urwäldern und heißen Quellen umgeben. Seine Umgebung bildet den Lebensraum von mehr als 1.000 Arten seltener tropischer Pflanzen und 2.000 Arten von Tieren und Vögeln.

Aber dieses unberührte Fleckchen Erde ist Ziel eines Staudamm-Projektes zur Energieerzeugung durch Wasserkraft, bei dem sich die "Huaneng Power International", also Chinas größter unabhängiger Energiekonzern mit dem Sohn des ehemaligen Premiers Li Peng an der Spitze und Umweltschützer sowie die örtliche Bevölkerung diametral gegenüberstehen. Die Kontroverse hat sich in den letzten Monaten verschärft, besonders nachdem die neue chinesische Führungsriege im März die Regierung übernahm. Sowohl "Huaneng Power International" als auch die Gegner des Projekts hoffen auf die Unterstützung von Präsident Hu Jintao und Premier Wen Jiabao.

[Huaneng's] erklärte Absicht, Strom zu erzeugen, um den zunehmend steigenden Bedarf an Elektrizität infolge der rasanten Wirtschaftsentwicklung in der Region zu decken, mag legitim sein. Besorgniserregend ist hingegen das Fehlen einer öffentlichen Anhörung oder Debatte.

In den letzten Jahren wurde von Seiten der chinesischen Regierung die Forderung erhoben, dem Volk gegenüber mehr Verantwortungsbewußtsein an den Tag zu legen. Sowohl Hu als auch Wen haben wiederholt betont, wie wichtig es sei, die Regierungsgeschäfte in transparenter Weise zu führen. Wenn wir dieses Prinzip auf das Mugecuo Projekt anwenden, folgt daraus, daß die Öffentlichkeit, besonders aber Experten und die dort lebenden Tibeter, am Entscheidungsprozeß beteiligt werden müssen. Außerdem erfordert das kürzlich revidierte chinesische "Gesetz zur Technikfolgenabschätzung für die Umwelt", das im nächsten Monat in Kraft treten wird, daß alle Konstrukteure von Staudamm-Projekten dazu verpflichtet sind, die Ansichten von Experten und Einheimischen in den Auswertungs- und Berichtsprozeß mit einzubeziehen. Für größere Projekte erfordert das Gesetz öffentliche Anhörungen. Das Mugecuo Projekt darf hier keine Ausnahme sein.

Die Mugecuo Region gilt als eine der artenreichsten Gegenden der Erde. Um die Auswirkungen auf die Umwelt zu beurteilen, sollte unbedingt ein internationaler Ausschuß gebildet werden, dem sowohl chinesische und als auch ausländische Experten angehören.

Darüber hinaus sollte, falls das Ziel dieses Staudammbaues wirklich die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung ist, die ortsansässige Bevölkerung zuerst gefragt werden. Beamte in Sichuan äußerten China Youth Daily (Jugend-Tageszeitung) gegenüber, daß sich der Tourismus in der Gegend des Mugecuo Sees - ein von der Regierung ausgewiesener Nationalpark - zufriedenstellend entwickle, womit die Bevölkerung unmittelbar von den einzigartigen ökologischen Ressourcen zu profitieren beginnt. Darüber hinaus erklärten die dort tätigen Beamten, es gebe bereits eine Vielzahl von Wasserkraftwerken in der Region und die Versorgung sei mehr als ausreichend. Falls dies tatsächlich der Fall ist und das Projekt ohne eine Anhörung oder Berücksichtigung der Meinung der einheimischen Tibeter vorangetrieben wird, könnten die ethnischen Spannungen weiter zunehmen.

Professor Tang Xueshan von der Universität für Forstwirtschaft in Beijing war ein Mitglied des Berichtsausschusses. Er sagt, er verstehe die von der Regierung gesetzten Prioritäten, nämlich die ökonomische Entwicklung und die Förderung der ethnischen Einheit in der tibetischen Region, glaube aber, daß es ebenso wichtig sei, Chinas ökologische Ressourcen zu erhalten. "Kein anderes Land der Welt würde gestatten, daß ein Staudamm innerhalb eines Nationalparks gebaut wird", erklärte er gegenüber China Youth Daily. "Wenn die kostbaren ökologischen Ressourcen in der Umgebung des Mugecuo erst einmal verschwunden sind", so fuhr er fort, "ist dies nie wieder gut zu machen".