22. März 2005 |
Der Damm in der Schlucht des Springenden Tigers weckt heftigen Widerstand bei den Minderheiten
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Ray Cheung, Zhongdian South China Morning Post
(Gesendet von Tashi Tsering, e-mail: peacetrees@yahoo.com) Am Oberlauf des Jangtse, der, wenn er durch das im Südwesten Chinas gelegene Yunnan fließt, Jinsha heißt, gehen jetzt die Wogen hoch. Diese werden allerdings nicht durch die 2.290 km lange Wasserstraße verursacht, die den Mittellauf des Jangtse bildet, sondern von den an seinen Ufern lebenden Menschen, die sich von Ackerbau und Fischfang ernähren. Es sind hauptsächlich Angehörige der Minderheiten der Naxi, Tibeter, Bai, Yi, Miao und Lisu, die gegen den Vorschlag der Provinzregierung und der Huaneng Energy AG, an der berühmten Schlucht des Springenden Tigers einen 276 Meter hohen Damm zu bauen, Sturm laufen. Befürworter des Projektes preisen den Damm in der Schlucht des Springenden Tigers als die Maßnahme zur Energie- und Wasserversorgung der Region an. Bai Enpei, der Parteisekretär von Yunnan, erklärte, die Dämme würden dazu beitragen, den Wasserbedarf der Provinzhauptstadt Kunming zu decken und den in der Stadt gelegenen Dianchi-See von seinen Schadstoffen zu befreien. Der Gesamtplan wurde 2002 von der Staatlichen Reform- und Entwicklungskommission vorläufig genehmigt. Noch in diesem Jahr solle mit den Baumaßnahmen begonnen werden. Doch die Dorfbewohner oberhalb der Schlucht des Springenden Tigers sehen in dem Dammbau nur die rücksichtslose Landenteignung, die ihre Existenz und ihre Kultur zerstören wird. Ein Bauer mittleren Alters vom Volk der Bai aus dem Dorf Chezhou, das 200 km oberhalb der für den Dammbau vorgesehenen Stelle liegt, fragte: Wie kommen die Befürworter des Damms dazu, uns einfach unser Land wegnehmen zu wollen und es uns nicht mehr bebauen zu lassen? Das ist unser Leben! Sogar die japanischen Invasoren haben es nicht gewagt, unser Land anzutasten. Mit seiner Frau, seiner dreiundachtzigjährigen Mutter und zwei Söhnen lebt er in einem geräumigen Haus mit Innenhof zwischen einem bewaldeten Berghang, Weizen- und Reisfeldern nur 100 Meter vom Ufer des Jinsha entfernt. Das Quellgebiet des Jinsha wurde zusammen mit den Flüssen Lanchang und Nu von den Vereinten Nationen als Weltnaturerbe klassifiziert. Wie ein Anthropologe vom Volk der Naxi aus dem nahe gelegenen Landkreis Zhongdian bemerkte, leben Menschen all dieser verschiedenen Kulturen hier harmonisch zusammen, weil das Land sie vereint. Diese Harmonie wird für immer vernichtet sein, wenn das Land verschwindet und die Menschen entwurzelt sind. Er sagte, der Plan sei ein weiteres Beispiel dafür, wie die Mehrheit der Han-Chinesen ethnische Minderheiten tyrannisieren. Die Behörden in Yunnan und Huaneng haben sich für eine Politik der Geheimhaltung entschieden, um den Widerstand gegen den Dammbau möglichst geringzuhalten. Sie unterrichten die Ortsansässigen kaum über ihre Pläne. Die einzige öffentliche Stellungnahme zu dem Plan stellte eine kurze Ankündigung dar, die letzten Februar in einer unbedeutenden Provinzzeitung veröffentlicht wurde. Auch haben die Behörden in der Schlucht mit geologischen Untersuchungen und im Gebiet des Jinanqiao mit den eigentlichen Bauarbeiten begonnen. In der Schlucht des Springenden Tigers können Arbeiter beobachtet werden, wie sie Dutzende tiefe Tunnel in die steilen Felsen über dem Jinsha Fluß bohren. Wie ein dort Beschäftigter erklärte, dienen die Bohrungen dazu, Aufschluß über die geologischen Gegebenheiten zu erhalten, um so die günstigste Stelle für den Dammbau herauszufinden. Ein Sprecher von Huaneng weigerte sich, auf Details der Pläne für den Dammbau einzugehen. Er sagte lediglich, das Unternehmen ginge in Übereinstimmung mit dem Gesetz und der Politik der Zentralregierung vor. Doch die Anwohner haben sich gewehrt. Nach dem Vorbild anderer vor kurzem durchgeführter Anti-Damm-Kampagnen schlossen sich die Ortsansässigen mit Umweltgruppen in Kunming und Beijing zusammen. Sie organisierten eine viel beachtete landesweite Medienkampagne, hielten Pressekonferenzen ab und organisierten für Journalisten Besichtigungen des Jinsha und der Schlucht des Springenden Tigers. Sie informierten die übrigen Dorfbewohner über die Gefahren des Plans und berichten von den Erfahrungen anderer Dammprojekte in der Vergangenheit, bei denen die Anwohner die ihnen versprochenen Entschädigungen nie erhalten haben. Ein Bauer aus Zhongdian, der sich in der Kampagne engagiert, meinte dazu, daß es nicht nur ihr Recht sei zu erfahren, wie die Pläne der Regierung aussähen, sondern ihre Stimme auch gehört und sie am Entscheidungsprozeß beteiligt werden müßten. Die entscheidende Waffe in ihrem Kampf gegen das Projekt ist ein Erlaß des chinesischen Staatsrats, der im Juni verabschiedet wurde und besagt, daß alle Projekte in ländlichen Gebieten veröffentlicht und die Anwohner konsultiert werden müssen. Die Bemühungen haben sich gelohnt: Im September berichtete die einflußreiche Zeitung Southern Weekend, daß die Baumaßnahmen im Gebiet des Jinanqiao ohne Genehmigung der Zentralregierung begonnen hätten. Der Bericht löste eine Untersuchung durch den chinesischen Staatsrat aus, in deren Folge sich die Pekinger Beamten verpflichteten, die Entscheidung über den Dammbau bis 2008 aufzuschieben und zuvor gründliche wissenschaftliche Gutachten auch über die sozialen Folgen erstellen zu lassen. Ungeachtet der heftigen Opposition rechnen Experten damit, daß die Dämme gebaut werden, weil mächtige Interessen hinter dem Projekt ständen. Huaneng wird von Li Xiaopeng geleitet, dem Sohn des ehemaligen Premierministers Li Peng. Anwohner berichteten, daß die in der Provinz für die öffentliche Sicherheit zuständige Behörde damit begonnen hätte, die Dammgegner einzuschüchtern. Doch diese haben geschworen, sich bis zum Ende gegen das Projekt zu wehren. |
Kurzer Hintergrund zur Schlucht des Springenden Tigers oder “Tak-Chong-Gak" auf Tibetisch
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