Seite drucken |
TRIN-GYI-PHO-NYA: TIBET'S ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT DIGEST
Vol. 3, Issue 1
Umweltschutz und einheimische Nomadenkultur sind durchaus miteinander vereinbar
China hat mit einem Projekt begonnen, das angeblich dem Schutz des Quellgebiets der drei größten Flüsse Asiens (Jangtse, Gelber Fluß und Mekong), die alle auf dem tibetischen Hochplateau ihren Ursprung nehmen, dient, und das als der "Quellgebietspark der drei Flüsse" (Three Rivers' Headwaters Park) oder "Sanjiangyuan" auf Chinesisch bekannt ist. Während es sich dabei zweifellos um ein wichtiges und dringendes Ziel handelt, weist die geplante Umweltschutzmaßnahme jedoch gravierende Mängel auf.
Erstens sieht der Plan die Umsiedlung der Bevölkerung vor, denn, so wird argumentiert, die Anwesenheit der dort lebenden Hirten und Herden sei dem erklärten Ziel der Maßnahme, nämlich der Erhaltung der Natur, abträglich. Der 152.300 qkm große Park soll also durch die zwangsweise Umsiedlung der dort seit Jahrhunderten mit ihren Herden in nachhaltiger Weise lebenden Nomaden vor allen menschlichen und tierischen Aktivitäten geschützt werden. Den Planungen zufolge soll das Kerngebiet des Parks "innerhalb von fünf Jahren in eine vollkommen menschenfreie Zone" umgestaltet werden (China Ethnic News). Berichte lassen darauf schließen, daß 1.738 Familien bereits im September 2004 in neu erbaute Häuser umgezogen sind die meisten von ihnen unfreiwillig. Vermutlich werden aber wesentlich mehr Menschen weichen müssen, denn der tatsächliche Umsiedlungsplan betrifft insgesamt 7.921 Haushalte der Tibetisch Autonomen Präfektur Golog, also etwa 43.600 Menschen mit ihrem Vieh.
Angesichts der geschilderten Situation ist es dringend erforderlich, daß die chinesische Regierung einen wichtigen strategischen Aspekt ihrer Umweltpolitik überprüft: Ist im Hinblick auf die Erhaltung der Natur die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung aus dem "Sanjiangyuan-Park" wirklich ein wünschenswerter oder notwendiger Schritt? Dabei sollte bedacht werden, daß die Umwelt in dieser Gegend Jahrtausende lang intakt blieb, obwohl die Menschen dort ständig Land- und Viehwirtschaft betrieben haben.
Die gegenwärtige Planung beruht auf der Annahme, daß die ansässige Bevölkerung mit ihrem Viehbestand die hauptsächliche Bedrohung für die Integrität des Ökosystems von Sanjiangyuan darstelle. Umweltschützer hingegen sehen die Hauptursache für die immer schlechter werdenden Umweltbedingungen in der Entwicklungspolitik der Regierung. Beispielsweise wurden zahlreiche Nomaden und Hirten erst durch die nationale Politik der Produktivitätssteigerung der 70er Jahre und die Viehwirtschaftspolitik der 80er Jahre dazu motiviert, im Quellgebiet der drei Flüsse intensive Weidewirtschaft zu betreiben. In jüngster Zeit wurden in der Region immer mehr Projekte für den Abbau von Gold, Silber und Kupfer genehmigt. Des weiteren plant die Regierung, sobald das "Quellgebiet der drei Flüsse" erst einmal zur "menschenfreien Zone" umgewandelt wurde, ausgerechnet in dem "Naturschutzgebiet" den Bau eines der höchsten Staudämme der Welt.
Die chinesische Regierung vertritt immer noch eine veraltete Auffassung von Ökologie, nach der die Menschen grundsätzlich etwas anderes als die Natur seien, weshalb sie von Naturparks und Schutzgebieten ferngehalten werden müßten. Es gibt mittlerweile jedoch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die alternative Formen des Managements von Naturschutzgebieten empfehlen und gerade für Entwicklungsländer mit einer großen indigenen, ländlichen Bevölkerung geeignet sind. In vielen dieser Länder sind die Naturschutzgebiete und die Bewohner aufeinander angewiesen, um zu überleben, insoweit die traditionell mit der Verwaltung betraute Bürokratie sich häufig als korrupt und ineffektiv erweist. Im Gegensatz hierzu haben die Menschen, die dort wohnen und eng mit dem zu schützenden Land verbunden sind, sowohl ein ureigenes Interesse als auch die Fähigkeit, die Integrität ihres lokalen Ökosystems zu bewahren. Im Fall der tibetischen Nomaden konnten Experten tatsächlich nachweisen, daß die traditionellen Methoden der nomadischen Viehhaltung von sich aus nachhaltig wirken − man denke nur an die Rotation bei der Nutzung verschiedener Weidegründe.
Der gegenwärtige Plan der chinesischen Regierung, die dort lebende Hirtenbevölkerung zu entwurzeln und das Schutzgebiet gleichzeitig für den Abbau von Bodenschätzen und die Stromgewinnung aus Wasserkraft zu öffnen, wird nichts anderes als die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts des bedeutendsten "Wasserreservoirs" der Erde zur Folge haben. Ehe es zu spät ist, muß die chinesische Regierung die Kontrolle und das Management des Sanjiangyuan-Naturparks seinen traditionellen Kustoden den tibetischen Hirten − zurückgeben! Durch Erfahrung, ihre althergebrachte Praxis und mündliche Überlieferung haben die tibetischen Nomaden ihnen eigenen Wissensschatz bewahrt, und sie verstehen, wie man das Ökosystem des alpinen Graslandes von Sanjiangyan bewahren kann. In Dörfern wie zum Beispiel Mochun im Distrikt Dritoe (Zhiduo Xian) gibt es seit Jahrhunderten bewährte Umweltschutzmechanismen, sowie herkömmliche Übereinkünfte zwischen den Nomaden über die optimale Bewirtschaftung des Graslandes. Leider werden auch die Bewohner von Mochun samt ihrem Vieh im Namen des Umweltschutzes das Land ihrer Vorfahren verlassen müssen, und der kanadischen Firma Inter Citic wurde obendrein die Genehmigung erteilt, ganz in der Nähe ihres Dorfes, in Chumarleb (chin: Dachang Xian), nach Gold zu suchen.
Herausgeber: Tringyiphonya. Tashi Tsering ist für den Bereich Umwelt und Entwicklung des Tibet Justice Center zuständig.
|