27. Oktober 2004
Human Rights in China, www.hrichina.org
Gesandt vom Tibet Büro, Genf

Tibetische Schriftstellerin wegen positiver Erwähnung des Dalai Lama verfolgt

Press Release: Tibetan Writer Persecuted for Praising Dalai Lama

Human Rights in China (HRIC) hat erfahren, daß eine tibetische Schriftstellerin namens Wei Se (auch als Oser oder Woeser bekannt) ihre Arbeitsstelle und Wohnung verloren hat und in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt wird, weil die chinesischen Behörden ihre Werke als dem Dalai Lama gegenüber zu freundlich empfanden.

HRIC weiß aus Quellen in China, daß die Einheitsfrontarbeit-Abteilung und das "Publikationsbüro" zu dem Schluß gekommen sind, daß die Schriften von Wei Se "politische Entgleisungen" enthalten, was sich höchstwahrscheinlich auf ihre positive Erwähnung des im Exil lebenden Oberhaupts der Tibeter bezieht. Die Folge war, daß Wei Se ihren Arbeitsplatz verlor, und ihre bisherige Arbeitseinheit, die Vereinigung für tibetische Kultur, sie zur Räumung ihrer Wohnung gezwungen und die Beiträge zur Gesundheits- und Altersversorgung gestrichen hat. Außerdem wurde ihr untersagt, einen Reisepaß zu beantragen, um das Land zu verlassen.

Die Hauptquelle für die Kritik an der Schriftstellerin wegen angeblicher politischer Irrtümer ist ihr Buch "Tibet Journal" (Xizang Biji), das 2003 von dem Huacheng Verlag in Guangzhou gedruckt wurde. Das Buch enthält eine Sammlung von Essays über die Geschichte, die Lebensweise und die Menschen Tibets. Es wurde inzwischen von dem "Publikationsbüro" der Provinz Guangdong verboten, und eine offizielle äußerst kritische Besprechung des Buches erschien im Band 22 des amtlichen Newsletters für Verlagswesen (Tushu Chuaban Tongxun).

HRIC wurde mitgeteilt, daß der Direktor des Huacheng Verlags und der Herausgeber des Buches auf die Veröffentlichung des Buches hin einen Verweis bekamen und die Angelegenheit untersucht wurde. Die Arbeitseinheit von Wei Se, die Tibetan Cultural Association, bildete ein besonderes Komitee, um Wei Se einer "Korrektur des Denkens" zu unterziehen, während die Parteiorgane mehrere Kader entsandten, die täglich mit Wei Se und ihren Angehörigen sprechen werden. Wei Se selbst wurde damit beauftragt, einen lobenden Artikel über die Qingzang [Qinghai-Tibet] Eisenbahn zu schreiben, und aufgefordert, von ihrer Ausübung des tibetischen Buddhismus Abstand zu nehmen. Nachdem sie von allen Seiten unter Druck gesetzt wurde, sah sich Wei Se, um der weiteren Verfolgung zu entgehen, dazu gezwungen, Lhasa zu verlassen und bei Freunden in Peking Unterschlupf zu suchen.

Die 1966 geborene Wei Se ist eine der wenigen tibetischen Schriftstellerinnen, die auf Chinesisch schreiben. Sie stammt aus einer der Tibetisch-Autonomen Präfekturen in Sichuan und schloß das Südwestliche Institut für Nationale Minderheiten mit einem Magistergrad in Chinesisch ab. Sie war auch als Journalistin tätig. Wei Se wurde 1990 Herausgeberin der Zeitschrift Tibetische Literatur (Xizang Wensue) und in der Folge als Gastgelehrte auf die Lu Xun Akademie für Schöne Künste in Peking berufen. Auf die offizielle Verurteilung ihres Tibetan Journal hin wurde sie sofort nach Lhasa zurückbeordert.

Wei Se beteiligte sich auch an einer Reihe von Petitionen, die zur Erhaltung der traditionellen tibetischen Kultur und der Achtung ihrer ethischen Werte aufriefen. Auf eine ihrer Petitionen hin gab der Schwimmer Zhang Jian, der ein Han-Chinese ist, seine Pläne zur Durchschwimmung des Namucuo Sees [Namtso], eines der drei heiligen Seen Tibets, auf. Weiterhin erreichte sie, daß eine Darbietung des Sängers Han Hong, der vor dem Potala Palast in Lhasa auftreten sollte, gestrichen wurde. Aus derselben Überzeugung heraus hat Wei Se ständig gegen den Bau der Qingzang Eisenbahn nach Lhasa protestiert.

"Die Verfolgung von Wei Se durch die chinesische Regierung stellt nicht nur eine Verletzung internationaler Menschenrechtsnormen, sondern sogar Chinas eigener Verfassung dar, welche die Meinungs- und Religionsfreiheit schützt und die Gleichstellung der ethnischen Minderheiten mit allen anderen garantiert", sagte der Präsident von HRIC, Liu Qing. "Die chinesischen Behörden sollten aus den Einsichten, die uns Schriftstellerinnen wie Wei Se bieten, lernen, um den Standpunkt der Tibeter besser zu verstehen und so dem Ziel einer Entspannung in dem schon so lange bestehenden Konflikt zwischen den Volksgruppen der Han und Tibeter in China näherzukommen".

Übersetzung aus dem Englischen

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