27. Juli 2004
Tibet Information Network
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"Wir hoffen, dass dies ein Neuanfang ist..."

Petition zum Schutz des Namtso-Sees erfolgreich!

Der chinesische Athlet Zhang Jian hat seine Absicht, den heiligen Namtso-See (chin: Namco) zu durchschwimmen, zurückgenommen. Eine Vereinigung für tibetische Kultur hatte am 22. Juli 2004 in einem an die chinesischen Behörden gerichteten und in deutlichen Worten abgefaßten offenen Brief Zhangs ursprünglich für den 31. Juli geplante Aktion verurteilt. In ihrer am 20. Juli 2004 veröffentlichten Verlautbarung, in der die Vereinigung die mittlerweile erfolgte Absage begrüßt, wird ebenso auf die breite öffentliche Unterstützung für die Petition wie auf das neu entstehende Umweltbewußtsein in der VR China hingewiesen. Doch den politischen Gegebenheiten in der VR China wird ebenso Rechnung getragen.

In der Verlautbarung wird betont, daß der offene Brief an die Staatliche Ethikkommission, das Staatsbüro für Religiöse Angelegenheiten, die Allgemeine Staatliche Sportverwaltung, die Regierung der TAR, die Sportuniversität Peking und an Zhang Jian selbst gerichtet worden sei. Am 19. Juli bestätigte die Eingangsstelle (chin. xinfang) des Staatsrats (chinesisches Kabinett) der Gruppe per Telefon, nach einer Prüfung ihres Schreibens sei Zhangs Vorhaben "verhindert" worden; Einzelheiten könnten sie bei der für den Schwimmsport zuständigen Abteilung der Allgemeinen Staatlichen Sportverwaltung erfahren. Daraufhin setzte sich die Gruppe mit dem Direktor der betreffenden Abteilung, Jing Zhi, in Verbindung, welcher wie folgt zitiert wird: "Wir haben Zhang Jian bereits davon in Kenntnis gesetzt, daß er sein Vorhaben absagen muß, denn wir sind verpflichtet, die Einheit aller Nationalitäten zu wahren und wir respektieren die Gefühle unserer tibetischen Landsleute". Weiter drückte er die Hoffnung aus, die Gruppe werde "die Öffentlichkeit hierüber gebührend informieren".

Die Autoren der Petition vom 22. Juni hatten ihre klare Ablehnung von Zhangs Plan wie auch ihre Entschlossenheit, dessen Umsetzung zu verhindern, in deutliche Worte gefaßt. In ihrer Verlautbarung vom 20. Juli preisen sie hingegen die Handlungsweise der Behörden, die "dieses Problem schnell und korrekt gelöst" hätten, wobei sie zuweilen sogar die "Political Correctness" überbetonen:

"Unserer Überzeugung nach kann unsere Regierung durch die Behandlung dieser Angelegenheit der Welt ihre wahre Haltung in Fragen Umweltschutz wie auch in ethnischen und Religionsangelegenheiten vor Augen halten und somit die einseitige und falsche Sicht einiger westlicher Länder über unsere Regierung hinsichtlich dieser Probleme entkräften."

Durch die Erwähnung "des über das Internet bekundeten Interesses und der Unterstützung von über zehntausend Menschen aus unterschiedlichen Regionen, Nationalitäten und aus allen Schichten und Berufen" (folglich also nicht ausschließlich Tibeter) grenzt die Erklärung fast schon an politische Speichelleckerei. Die daraus folgende "eingehende rationale Diskussion" hätte das Verständnis für die Angelegenheit gestärkt und zu neuen, allgemeingültigen Erkenntnissen auf hoher Ebene geführt (chin: zai geng gao de ceng mian shang qu de gong shi). Der Gruppe zufolge demonstriert diese Reaktion, daß die Sache "weit die über Bedeutung ethnischer oder religiöser Fragen hinausgeht, daß sie "ein Teil des globalen Trends zum Umweltschutz ist und sich auf dem Niveau des Schutzes des Natur- und Kulturerbes sowie der heiligen Stätten der Menschheit befindet".

Die Verlautbarung bezieht sich auch mehrmals auf die gegenwärtig unter den Chinesen populären "grünen" Tendenzen: "(wir hoffen), immer mehr Menschen werden von nun an lernen, in Harmonie mit der Natur zu leben". In diesem Zusammenhang wird, wie es bei den Chinesen allgemein üblich ist, die tibetische Kultur als in enger Verbindung mit der Natur stehend gesehen. "Diese Angelegenheit konnte in Übereinstimmung mit den Wünschen unserer Freunde, welche die Natur und die tibetische Kultur schätzen, zum Abschluß gebracht werden". Die Behörden haben dem wachsenden Umweltbewußtsein der "Massen" kürzlich offiziell beigepflichtet, indem sie ihr Bestreben kundtaten, Chinas wichtigstes Prestigeobjekt in den kommenden Jahren - die Olympischen Spiele 2008 - zur ersten "grünen" Olympiade zu machen, womit sie diesen, von ihnen als global und "modern" empfundenen Trend anerkennen.

Obwohl die Erklärung von "grünem" Enthusiasmus geprägt ist und ausdrücklich die breite gesellschaftliche Unterstützung erwähnt, hat sie dennoch nichts mit "people's power" (Macht des Volkes) zu tun. Wie bereits im offenen Brief vom 22. Juni hält man sich eher an das Leitmotiv des herrschenden politischen Diskurses in China, der die Pflicht der verantwortungsvollen, gesetzestreuen Bürger, sich innerhalb der existierenden Strukturen zu engagieren und aktiv zur Umsetzung der von der Partei gesetzten nationalen und entwicklungspolitischen Ziele beizutragen, betont.

"Wir ...und unsere Freunde aus anderen Ländern haben unsere Anliegen stets respektvoll innerhalb des gesetzlichen Rahmens vorgebracht und uns um die Einheit und Stabilität des Landes bemüht.

Von nun an wird immer mehr Menschen klar werden, daß die wichtigste Grundlage für die Entwicklung einer wohlhabenden und glücklichen Familie vieler Nationalitäten und Kulturen der gegenseitige Respekt für Kultur, Tradition und Religion sowie den Lebensstil der jeweils anderen ist.

Von nun an werden immer mehr Menschen lernen, daß eine auf Recht und Stabilität und vernünftige Diskussion gegründete Gesellschaft am besten geeignet ist, Widersprüche zu lösen.

Wir hoffen aufrichtig, daß dies ein Anfang sein wird, ein Anfang, der zu einer gemeinsamen und wohlhabenden Zukunft führen wird!"

Der allgemeine Tenor der Erklärung ist, daß "diese wahrhaftig lang erwartete und aufregende Neuigkeit" Vorbote einer besseren Zukunft sein möge: "Wir hoffen, daß dies ein Neuanfang ist...".