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Personelle Veränderungen in Peking - die für die Sonderbeauftragten des Dalai Lama zuständige Abteilung wurde neu besetzt
Es hat einige personelle Veränderungen im "United Front Work Department" (UFWD) gegeben. Das ist die Untergliederung der Partei, die für die Kontaktpflege mit Personen, die nicht zu den gesellschaftlich bestimmenden Gruppen gehören, wie den ethnischen Volksgruppen, den Angehörigen unterschiedlicher Religionen und den Intellektuellen, zuständig ist - also auch für die Betreuung von Besuchen der Gesandten des Dalai Lama. Gut informierte Kreise schätzen diese Veränderungen positiv ein, denn die neuen Mitarbeiter scheinen, ihrem Werdegang nach zu schließen, nicht auf eine ausgesprochen harte Linie gegenüber Tibet fixiert zu sein. Da die Verantwortung für Taiwan einer anderen Abteilung übertragen wurde, ist anzunehmen, daß der Tibetarbeit jetzt insgesamt eine wichtigere Rolle in dem UFWD zukommen wird.
Der frühere Chef des Nationalitäten- und Religionsbüros der Abteilung, Zhu Xiaoming, der einige Male auf Besuchen in den USA und Europa für die Tibetpolitik der Partei geworben hatte, wurde unerwartet auf einen Posten an einem als "Sozialistische Universität" bekannten Institut in Peking abgeschoben. Er wurde vom bisherigen Leiter des UFWD-Büros für die Beziehungen der Partei zu Intellektuellen, Chang Rongjun, ersetzt. Eine Frau namens Bihua, die ehemalige stellvertretende Leiterin des zweiten Büros des UFWD, die häufig an bilateralen Gesprächen mit westlichen Regierungsvertretern im Rahmen des Menschenrechtsdialogs beteiligt war, wurde ebenfalls aus der Abteilung wegversetzt und ist jetzt am „Chinesischen Zentrum für Tibetische Studien" in Peking tätig.
Ausgegangen sind die personellen Veränderungen im UFWD vermutlich von dessen neuer Leiterin Liu Yandong, die wohl einen neuen Mitarbeiterstab um sich scharen will. Liu Yandong, Ende fünfzig, ist eine höhere Verwaltungsbeamtin und soll dem chinesischen Parteisekretär und Präsidenten Hu Jintao nahe stehen - so waren sie doch beide früher zusammen in der Kommunistischen Jugendliga. Die chinesische Presse berichtete im Dezember 2002 über ihre Ernennung zur Leiterin der Abteilung als Nachfolgerin von Wang Zhaoguo. Zhu Weibi wurde zum neuen stellvertretenden Leiter des UFWD ernannt, und in dieser Funktion wird er bei der Tibetarbeit mit Liu Yandong zusammenarbeiten. Zhu war früher einmal der persönliche Sekretär des hohen Funktionärs Li Ruihuan, der als politischer Reformer bekannt war, ehe er im Vorfeld zu Hu Jintaos Aufstieg zum Staatspräsidenten und Parteisekretär der KPC in den Ruhestand geschickt wurde.
Drei der fünf Unterabteilungen des Nationalitäten- und Religionsbüros des UFWD, das Chang Ronjun untersteht, sind jetzt für Tibet zuständig.
Mit Zhu Xiaomings neuem Posten an der Sozialistischen Universität ist eine Ernennung zum Vizeminister verbunden, was bedeutet, daß er nicht mehr denselben Einfluß auf die Tibetpolitik wie bisher hat. Zhu erlangte einen gewissen Bekanntheitsgrad, weil er als Sprecher für die chinesische Tibetpolitik verschiedenen Delegationen in die USA und nach Europa angehörte. Im Verlauf einer USA-Reise im Jahr 2002 traf er mit amerikanischen China-Experten zusammen und nahm an einer Tibetkonferenz an der Harvard-Universität teil. Bei diesem Besuch bezog er die übliche Hardliner-Position hinsichtlich des Dialogs zwischen dem Dalai Lama und Peking und sagte: "Das Hauptthema der Verhandlungen sollte meiner Auffassung nach sein: Daß der Dalai Lama und seine Gefolgschaft ihr Bestehen auf Unabhängigkeit aufgeben, ihren separatistischen Aktivitäten ein Ende setzen und zur Einheit des Mutterlandes sowie zur nationalen Einheit und zum Fortschritt beitragen, und nicht etwa Fragen nach dem legalen und politischen Status Tibets aufzuwerfen. Tibet ist ein unveräußerlicher Bestandteil von China... Was für Fragen sollten wir denn nach Ansicht des US-Kongresses mit dem Dalai Lama verhandeln? Den Status Tibets etwa, die ‚weitreichende Autonomie' oder andere Fragen? Alle diese Punkte stehen überhaupt nicht zur Debatte" (veröffentlicht als Gespräch mit Alfred J. Wilhelm Jr. auf der Website http://www.china.org.cn/baodao/english/newsandreport/2002sep/17-1.htm). Im Jahr 2001 war Zhu Leiter einer Arbeitsgruppe, die den Lhasa-Besuch von Hu Jintao - ehemals Parteisekretär in der TAR - anläßlich des 50. Jahrestags der "Befreiung" Tibets vorbereitete.
Lodi Gyari, der Sondergesandte des Dalai Lama, sagte während eines London-Aufenthalts in der vergangenen Woche, er habe die Gespräche mit der neuen Führung des UFWD im Mai letzten Jahres in Peking auf Grund ihrer "Offenheit und Ehrlichkeit" als ermutigend empfunden, dennoch sei es noch ein weiter Weg bis zu einer ernsthaften Diskussion der Tibetfrage, und der Prozeß befinde sich noch in einem sehr frühen Stadium. Weiter sagte er: "Wir befinden uns gegenwärtig an einem entscheidenden Punkt unserer Geschichte, denn am Horizont erscheint ein Silberstreif der Hoffnung für das tibetische Volk. Wir sollten zwischen Dialog und Verhandlungen unterscheiden. Als Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, mich bat, an diesem Prozeß mitzuwirken, machte ich deutlich, daß die wichtigste Aufgabe im Anfangsstadium des Dialogs der Aufbau von direkten Beziehungen zu der chinesischen Regierung wäre. Wir befinden uns immer noch am Anfang. Dies ist kein leichter oder schneller Prozeß".
Der Sondergesandte fügte hinzu, er habe durch das Auftreten der "vierten Generation" der chinesischen Politiker unter der Führung von Hu Jintao Hoffnung geschöpft, und seit dem 10. Nationalen Volkskongreß im letzten März gäbe es einen spürbaren Wandel bei der politischen Elite. Der Umgang mit der Tibetfrage sei mehr institutionalisiert und weniger personenbezogen geworden: "Die Haltung der neuen Führungsschicht ist wesentlich formeller, nicht mehr der Küchen-Kabinettsstil früherer Zeiten - es wird noch etwas dauern. Ich meine jedoch, sie wird sich letztlich als stabiler erweisen und weniger von der Laune von ein paar Einzelpersonen abhängig sein".
Dies ist ein weiterer aus einer Reihe von unabhängigen Berichten von Kate Saunders (ks@insidetibet.net), beauftragt von Australia Tibet Council, Free Tibet Campaign und International Campaign for Tibet. Diese Berichte erscheinen auch auf den TSG-Listen, einem internationalen Mailservice für Tibet-Unterstützer, und in World Tibet News, einer Sammlung von Nachrichten zu Tibet, archiviert unter: www.tibet.ca/wtnnews.htm.
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