Wachsende Feindseligkeit gegenüber tibetischen Flüchtlingen in Nepal
Kathmandu, 3.9.2005: Da China seine Beziehungen zu Nepal verstärkt und die maoistischen Rebellen für Aufruhr und politische Unsicherheit sorgen, wird aktuellen Berichten zufolge für Tibeter die Flucht aus ihrem von China kontrollierten Heimatland in das Himalaya-Königreich immer gefährlicher.
In dem von der NGO International Campaign for Tibet, Washington, kürzlich herausgegebenen Bericht "Dangerous Crossing" heißt es: "Im letzten Jahr ist die Lage für Tibeter, die durch Nepal ins Exil fliehen wollen, ebenso wie für die in Nepal lebenden Tibeter noch gefährlicher geworden." Es gab 2004 und 2005 erneut Fälle, wo Flüchtlinge nach China zurückgeschickt wurden, sowie Schikane und Mißhandlungen bis hin zu schweren Schlägen durch nepalesische Polizei- und Militärkräfte zu erdulden hatten.
In dem in diesem Monat veröffentlichten Report heißt es, Peking nutze das durch den Aufstand der Maoisten und die Konflikte innerhalb der nepalesischen Regierung entstandene Durcheinander aus, um seinen politischen Einfluß auf das Land zu verstärken.
"Seit König Gyanendra, der Peking bekanntermaßen recht nahe steht, im Februar die Macht an sich gerissen hat, sind tibetische Flüchtlinge und in Nepal ansässige Tibeter deutlich gefährdeter. Sowohl die Vertretung des Dalai Lama als auch das Tibetische Flüchtlings-Wohlfahrtsbüro in Kathmandu, das für das Wohlergehen der Tibeter in Nepal von entscheidender Bedeutung ist, wurden Anfang des Jahres von der nepalesischen Regierung zur Schließung gezwungen, was hauptsächlich auf den chinesischen Einfluß auf die nepalesischen Behörden zurückgeht und eine ungeklärte Lage schafft."
Jedes Jahr fliehen über 2.500 Tibeter über Nepal nach Indien. Es gibt eine stillschweigende Vereinbarung des Hochkommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) mit der nepalesischen Regierung, die Durchreise der Flüchtlinge zu erleichtern. Dieser Vereinbarung zufolge wäre es die Pflicht der nepalesischen Polizei, tibetische Neuankömmlinge nach Kathmandu zum UNHCR-Büro zu geleiten, damit ihnen dort die notwendigen Dokumente ausgestellt werden können.
"Aber die ungewisse und gefährliche Lage, die durch die blutigen Zusammenstöße der Maoisten mit den nepalesischen Armee- und Polizeieinheiten entstanden ist, führte dazu, daß letztere immer häufiger Grenzpolizei in ihrer unmittelbarer Nähe stationieren: Damit ist es wesentlich bequemer für sie, Tibeter an chinesische Grenzposten auszuliefern, als sie nach Kathmandu zu geleiten", so der Bericht.
"Die chinesischen Grenzsoldaten arbeiten mit der nepalesischen Grenzpolizei zusammen, damit Tibeter leichter zurückgeführt werden können. Es gibt auch Anzeichen dafür, daß Tibeter auf ihrem Fluchtweg neuerdings das Empfangszentrum für tibetische Flüchtlinge in Kathmandu meiden, denn die Lage für die dort ankommenden Tibeter wird immer prekärer."
Mehr als ein Drittel der Neuankömmlinge im vergangenen Jahr waren Kinder unter 14 Jahren. Die meisten sind von ihren Eltern ins Exil geschickt worden, weil diese davon überzeugt sind, daß ihre Kinder nur so eine Chance auf eine angemessene Bildung und ein besseres Leben haben.
Die Mehrzahl der erwachsenen Tibeter, die in Nepal eintreffen, sind Mönche und Nonnen auf der Suche nach fundierter religiöser Ausbildung. Diese können sie auf Grund der vom chinesischen Staat eingeführten Restriktionen in Tibet nicht mehr erhalten. Andere fliehen, weil sie wegen der Konkurrenz, die ihnen die chinesischen Zuwanderer machen, keine Arbeit finden, oder weil sie von ihrem Grund und Boden vertrieben wurden, um den Weg freizumachen für Entwicklungsprojekte und Urbanisation im Rahmen von Chinas Programm zur Entwicklung der westlichen Regionen, zu denen auch Tibet gehört.
China, das Tibet als einen untrennbaren Bestandteil seines Staatsgebietes betrachtet, erkennt die Flüchtlingsproblematik nicht an. "Es gibt keine tibetischen Flüchtlinge, sondern nur illegale Einwanderer, mit denen gemäß den Gesetzen des Landes zu verfahren ist", legte der chinesische Botschafter in Nepal, Sun Heping, die Haltung Pekings gegenüber tibetischen Flüchtlingen dar.
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