Das jüngste Weißbuch der Volksrepublik China (VRC) zu Tibet sagt zum aller ersten Mal deutlich und konkret aus, dass die Position des mittleren Weges für die VRC völlig inakzeptabel und sogar irrational ist. Bei sorgfältiger Analyse dieses Papiers zeigt sich keinerlei Hinweis auf oder Weg zu einer Lösung der Tibet-Frage, die für die Tibeter in Tibet oder im Exil befriedigend wäre. In den Augen Chinas haben die Tibeter weder ein einzigartiges oder historisches Recht über die Zukunft Tibets zu entscheiden noch haben sie ein Recht eine Lösung vorzuschlagen oder lediglich ihre inneren Angelegenheiten zu regeln.
Dadurch, dass sie die "ein Land-zwei Systeme" Lösung des mittleren Weges der tibetischen Regierung-im-Exil und Seiner Heiligkeit des Dalai Lama strikt abgelehnt hat, gibt die VRC den Tibetern und den Tibetunterstützern eine ausgezeichnete Gelegenheit ihre Strategien und Ziele im Hinblick auf ein zukünftiges freies Tibet zu überprüfen. Wahrhaftigkeit, Gewaltlosigkeit und Mitgefühl sollten weiter unsere Bemühungen leiten, während Gerechtigkeit nun eine viel bedeutendere Rolle spielen sollte. Hoffnung ist wichtig, aber wir müssen viel realistischer und eindringlicher sein. Hoffnung kann äußerst destruktiv, kontraproduktiv und erschöpfend sein. An einem gewissen Punkt müssen speziell die tibetischen Lamas in Führungspositionen ihr ruhiges, geduldiges und respektvolles Auftreten und Benehmen hinter sich lassen und ein zornigeres Verhalten als mitfühlende Methode zur Erleichterung des Leidens des tibetischen Volkes zeigen. Palden Lhamo und Mahakala zusammen mit anderen Schutzgottheiten, zu respektieren und herbeizurufen ist unabdingbar, aber es ist nicht genug. Wir müssen alle lernen die Philosophie und Strategien dieser Schutzgottheiten BALD angemessen in die Tat umzusetzen. Das heißt nicht, dass wir alle praktizierende Buddhisten sein müssen. Eher können die tibetischen Lamas durch ihr Beispiel es sehr erleichtern uns zu lehren, wie man auf mitfühlende, aber drängende Art mit Stärke, Überzeugung, Vernunft und rechtem Handeln Gerechtigkeit, Wahrheit und Gewaltlosigkeit üben kann.
Es ist Zeit, dass wir aufhören China zu bitten, aufhören China zu beruhigen, aufhören China zu stärken und aufhören zu träumen, zu hoffen und darauf zu warten, dass China die Wahrheit akzeptiert oder den Tibetern gerade mal ein bisschen von dem gibt, was ihnen zusteht, was sie leidenschaftlich wünschen und wovon sie träumen. Statt dessen müssen wir aufstehen und selbst im Namen der Wahrheit sprechen und dafür sorgen, dass andere sie ebenfalls erkennen und aussprechen.
Wir haben es unseren weltlichen Führungspersonen ermöglicht der Wahrheit aus dem Weg zu gehen, weil wir nicht verlangt haben, dass sie öffentlich zugeben, dass Tibet vor 1949 ein unabhängiges Land war und dass Tibet gegenwärtig unrechtmäßig besetzt ist. Wir haben unseren Führern auch geholfen der Wahrheit auszuweichen, weil wir nicht gefordert haben, dass sie für die überwältigende Mehrheit der Tibeter im Exil und eine noch größere Anzahl Tibeter innerhalb Tibets eintreten, die ganz entschieden NUR Unabhängigkeit für Tibet wollen und andere Lösungen für inakzeptabel halten. Traurigerweise hatte die VRC bisher Recht mit ihrer Einschätzung unseres diplomatischen Vorgehens. Unglücklicherweise gründete unsere Diplomatie weltweit in einer Teilwahrheit und, noch wichtiger, sie wurde geleitet von der unrealistischen und idealistischen Annahme, dass das Streben nach einer Lösung, die weniger als die volle Wahrheit ist, in Anbetracht der Normen der Welt zu diesem Zeitpunkt erreichbar, ehrenhaft, dauerhaft und für alle Beteiligten von gegenseitigem Nutzen sei. Vom Standpunkt der absoluten Wahrheit oder des Abstrakten aus ist es klar, dass Nationen und Menschen alle voneinander abhängen. Es ist ebenso wahr, dass wir alle bestrebt sein müssen einen Zustand bloßen Menschseins ohne willkürliche Grenzen und Länder zu erreichen. Die irdische Realität an diesem Punkt unserer zyklischen Existenz verlangt jedoch, dass wir unsere Grenzen und unsere Länder schützen und bewahren, sie nähren, unterstützen, für sie sprechen und für unsere persönliche und nationale Unabhängigkeit eintreten, und auch friedlich mit unseren Nachbarländern zusammenarbeiten.
Daher ist es Zeit, dass wir ein Satyagraha (Bestehen auf der Wahrheit) ins Leben rufen, das die historische Realität eines unabhängigen Tibet offen bekennt und ebenso das gegenwärtige Ziel der Mehrheit der Tibeter bestätigt, das heißt, Rangzen (Unabhängigkeit). Tibeter und Tibetunterstützer können davon nur inspiriert werden. Außerdem werden wir der VRC und den Führern der Welt helfen die Wahrheit zu akzeptieren und sich schließlich die Wünsche der Tibeter, speziell derer in Tibet, zu eigen zu machen. Chinas Weißbuch kann dazu dienen unsere Bewegung neu zu beleben oder unsere Notlügen untermauern.
Heute, an dem glücksverheißenden Jahrestag von Buddhas Geburt, Erleuchtung und Tod, bete ich, dass mehr von uns den Mut und die Weisheit haben werden, uns Gerechtigkeit und zornvolles Mitgefühl als humane Strategien zu eigen zu machen, um unsere Bewegung und unser Bemühen, Tibet den Tibetern zurückzugeben, zu leiten.
Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama!
Lang lebe Seine Heiligkeit der Panchen Lama!
Lang lebe Taktser Rinpoche!
Lang leben all die andern lebenden Buddhas!