31. Mai 2003
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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Pressemitteilung

Tibetische Häftlinge auf Druck der Chinesen deportiert

Einer bestätigten Information zufolge wurden die 18 tibetischen Häftlinge am 31. Mai unter dem Druck der chinesischen Botschaft in Nepal nach Tibet deportiert. Um 6 Uhr früh setzten Polizisten der Hanuman Dhoka Polizeistation die Flüchtlinge gewaltsam in einen Polizeiwagen. Es heißt, sie hätten sich widersetzt, seien dann aber einfach gepackt und hineingestoßen worden.

Die Gruppe wurde zum Police Club in der Nähe des Immigration Department gefahren, wo bereits ein Bus der chinesischen Botschaft auf sie wartete. Dessen Nummernschild sei verdeckt und die Fenster seien mit Vorhängen verhängt gewesen. Der Bus startete in Richtung Dram (nepalesisch-tibetische Grenze), wo die Gruppe dem chinesischen Grenzschutzpersonal übergeben wird.

Tashi, der nach vorübergehender Inhaftierung im Dili Bazaar Jail in das Central Badhra Jail verlegt worden war, wurde ebenfalls abgeschoben, so daß die Gesamtzahl der Deportierten 18 beträgt. Am Freitag Abend um 18 Uhr wurde er in die Hanuman Dhoka Polizeistation gebracht.

Bei den deportierten Tibetern handelt es sich um: Yeshi (weiblich), 13, Tenzin Nyima, 14, Rinchen Dhondup, 14, Gyaltsen Wangchuk, 14, Lobsang Jampa (weiblich), 16, Yonten (weiblich), 17, Rinzin Dolma (weiblich), 17, Tsultrim Gyatso, 17, Thupten Tsering, 18, Kelsang Wangdue, 19, Tashi Choedon (weiblich), 19, Lobsang Phuntsok, 21, Tashi, 22, Lobsang Tenpa, 23, Yeshe Sangpo, 23, Lobsang, 25, Lobsang Tenphel, 28, und Gelek, 30. Wie verlautet, wurden die drei Kinder (Tenzin Dolkar, 6, Lobsang Dawa, 6, und Pasang Diki, 9), die sich in der Obhut des TRRC (Tibetan Refugee Reception Centre) befinden, nicht mit der Gruppe abtransportiert.

Neun der 18 Festgenommenen sind Jugendliche im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. Die Tatsache, daß hier Minderjährige betroffen sind, steht in direktem Widerspruch zu der Konvention der Rechte des Kindes (CRC), die auch Nepal unterzeichnet hat. Artikel 22 der CRC legt ausdrücklich fest: "Die Vertragsparteien haben Maßnahmen zu ergreifen, damit ein Kind, das den Flüchtlingsstatus sucht... angemessenen Schutz und humanitären Beistand erfährt, gemäß den in der vorliegenden Konvention verbrieften Rechten...". Und Art. 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erkennt "jedem Menschen das Recht zu, in anderen Ländern vor Vorfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen".

Soweit dem TCHRD bekannt, ist dies die erste Deportation von Tibetern, die auf die direkte Intervention und auf das Geheiß der chinesischen Botschaft erfolgt. Im Juni 1995 deportierte die nepalesische Polizei gewaltsam 39 Tibeter, aber es wurde damals kein Druck von China ausgeübt. Die 39 Personen kamen zuerst mehrere Tage lang in ein Haftzentrum in Dram und auf ihrem Weg nach Lhasa in verschiedene andere. Seit ihrer gewaltsamen Rückführung nach Tibet stehen sie unter ständiger Überwachung durch die chinesischen Behörden.

Dem Art. 3.1 des nepalesischen Immigrationsgesetzes von 1992 zufolge "wird einem Ausländer, der keinen Paß und kein Visum hat, nicht gestattet, das Königreich Nepal zu betreten oder sich darin aufzuhalten". Im Fall von Zuwiderhandlung wird mit den Schuldigen entsprechend verfahren. Der zuständige Immigrationsbeamte muß nach dem Art. 8.2 des Immigrationsgesetzes eine Untersuchung hinsichtlich einer etwaigen Verletzung dieses Gesetzes einleiten. Danach ist er bevollmächtigt, Aussagen der angeklagten Person zu Papier zu bringen, ihr einen Strafurlaub zu gewähren, sie gegen eine Kaution freizulassen oder sie nach gerichtlicher Billigung bis zu 25 Tagen zu inhaftieren, falls genügender Grund dazu vorliegt".

Der Art. 8.2 enthält eine Vorkehrung, die eine längere Festhaltung zuläßt, falls die geforderte Bürgschaft nicht gezahlt wird. Doch diese 17 Tibeter, die anfänglich die Kaution nicht zahlen konnten, wurden mit Haftstrafen von drei bis sieben Monaten belegt. Als Vertreter des TRRC in Kathmandu die Geldstrafen bezahlen wollten, um ihre Freilassung zu erwirken, vereitelte das chinesische Botschaftspersonal ihre Bemühungen, indem es die Übergabe und Deportation der Tibeter verlangte.

Dem Gesetz zufolge muß die inhaftierte Person, sobald die Kaution entrichtet wird, freigelassen werden. Daß ein Vertreter eines anderes Staates ihre Deportation fordert, ist nur dann möglich, wenn ein Auslieferungsvertrag mit diesem Staat vorliegt. Damit ein Ausländer, der sich einer Gesetzesübertretung schuldig gemacht hat, abgeschoben werden kann, muß der zuständige Immigrationsbeamte zuerst dem Generaldirektor einen schriftlichen Bericht einreichen, der zur Deportation des Ausländers wiederum die Zustimmung der Regierung Seiner Majestät (His Majesty's Government = HMG) benötigt.

Das TCHRD ist schwer betroffen über diese krasse Verletzung des Gesetzes. Nirgends im nepalesischen Recht werden Personen, die gegen das Einwanderungsgesetz verstoßen haben, als Kriminelle klassifiziert, doch die Tibeter wurden in die Distrikt-Polizei-Station Hanuman Dhoka transferiert, wo sie mit gewöhnlichen Verbrechern zusammengelegt wurden, und nach den vorliegenden Informationen zu schließen, sind die Dinge, die in den letzten zwei Tagen mit ihnen geschahen, weit davon entfernt, mit dem nepalesischen Recht in Einklang zu stehen.

Obwohl die nepalesische Regierung keine offizielle Flüchtlingspolitik betreibt, sieht das TCHRD in der Deportation der Tibeter einen Bruch mit der üblichen Verfahrensweise und der Einhaltung des "Gentlemen's Agreement" von 1989 zwischen der Regierung Nepals, dem UNHCR und der tibetischen Regierung-im-Exil, das die sichere Durchreise der Flüchtlinge nach Indien garantierte. Nepal gehört nicht zu den Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, doch es ist ein Vertragsstaat der Internationalen Übereinkunft über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR), sowie ihres ersten und zweiten fakultativen Zusatzprotokolls. Nepal ist daher verpflichtet, das Recht der tibetischen Flüchtlinge auf Asylsuche vor Verfolgung zu schützen und zu gewährleisten.

Das TCHRD ist schockiert, daß die chinesische Regierung in ihrer Druckausübung auf Nepal so weit geht, in das nepalesische Rechtsverfahren einzugreifen, um die Tibeter ihrer grundlegenden Rechte und Freiheiten zu berauben. Nepals Politik hinsichtlich der Flüchtlinge wird in letzter Zeit nur noch von den bilateralen Beziehungen zwischen Nepal und China bestimmt. Es ist grotesk, daß tibetische Flüchtlinge jetzt in ein Land deportiert werden, aus dem sie geflohen sind, um der Verfolgung zu entgehen. Das TCHRD macht sich große Sorge um das Schicksal der 18 Tibeter, da ihr Akt des "Landesverrats" ihnen schwer geahndet werden könnte.