Tibetischer Mönch wegen Gebets für den Dalai Lama aus dem Kloster ausgeschlossen
Kathmandu, 27. April 2004 - Wie der tibetische Nachrichtendienst von RFA mitteilt, haben die chinesischen Behörden einen bekannten tibetischen Mönch aus einem großen Kloster in der Nähe der Hauptstadt Lhasa von seinem Posten als Gesangsmeister entfernt, nachdem er für das im Exil lebende Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, Gebete gesprochen hatte.
"Das Problem begann, als die Mönche des Klosters Sera Seine Heiligkeit, den Dalai Lama, in einem Gebet priesen und ein weiteres für sein langes Leben sprachen", berichtete ein tibetischer Informant. "Irgend jemand muß die Sache dem chinesischen Überwachungsteam im Kloster zugetragen haben."
Der Tibeter, der anonym bleiben wollte, fuhr fort: "Im Oktober 2002 wurde der etwa 40 Jahre alte Khenpo Lobsang Chodak, der Gesangsmeister des Klosters Sera, ausgewiesen und nach Hause zurückgeschickt. Sein heute 24-jähriger Schüler Tulku Thokme verließ das Kloster im Dezember 2003 auf eigenen Wunsch und zog sich in die Präfektur Lhoka, TAR, zu spiritueller Praxis zurück (Retreat).
Lobsang Chodak stammt aus dem Distrikt Amdo, Präfektur Nagchu, während Thokme Rinpoche aus Yakha Choling im Distrikt Zangri, Präfektur Lhoka, kommt. Aus anderer Quelle verlautet, das Tun beider Mönche würde nun überwacht, und ihre Bewegungsfreiheit sei eingeschränkt worden.
Ein Mitglied des Demokratischen Managementkomitees des Klosters Sera, einem von der Regierung eingesetzten Aufsichtsgremium, lehnte es ab, mit dem tibetischen Nachrichtendienst von RFA über den Fall zu reden.
Dem ersten tibetischen Informanten zufolge haben die chinesischen Behörden bereits 1990 in allen großen tibetischen Klöstern spezielle Polizeieinheiten zur Überwachung jedweder politischer Aktivitäten sowie zur Durchführung von Schulungen für "patriotische Erziehung" eingesetzt. "Im Jahr 1996 bildeten sie dann aus jeweils fünf Personen bestehende Überwachungsteams, die alle Aktivitäten der großen Klöster kontrollieren. So müssen beispielsweise außergewöhnliche Gebetszeremonien, in deren Verlauf die Gläubigen Opfergaben darbringen, von besagtem Komitee genehmigt werden."
Auf der Suche nach verdächtigen Aktivitäten würden die Überwachungskomitees in den Klöstern, für die sie zuständig sind, häufig Inspektionen durchführen. Bilder des Dalai Lama sind in Tibet ebenso verboten wie jegliche mit ihm in Verbindung stehende religiöse Handlung.
Weiter sagte der Informant, die Überwachungskomitees hätten sich besonders gegen diejenigen Mönche gewandt, die ausländische Radiosendungen wie den tibetischen Dienst von RFA hörten. "Sie schränken die Mönche stark ein; das Hören der Radiosendungen aus den USA ist absolut verboten. Jeder, den sie dabei erwischen, wird bestraft, und das Radiogerät wird beschlagnahmt."
Sera, ein wichtiges Kloster, das die chinesische Regierung als touristisches Vorzeigeobjekt für ihre angeblich so einfühlende Kulturpolitik in Tibet nutzt, wird mit auswärtigen Mönchen vollgestopft, die drei bis fünf Jahre lang bleiben, um das Absinken der Anzahl der regulären Mönche zu kaschieren. Mit dieser Maßnahme sei bereits um 1996 begonnen worden, als die Kritik an den zurückgehenden Zahlen der Mönche in den tibetischen Klöstern besonders groß war. "Mönchen von außerhalb Tibets wurde der zeitlich begrenzte Aufenthalt sehr leicht gemacht, die Zahl der regulären Mönche durfte jedoch nicht ansteigen", fuhr der Informant fort. Sera, dessen Geschichte bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, ist eines der wichtigsten Klöster des tibetischen Buddhismus und dem Dalai Lama eng verbunden.
In seinem jüngsten jährlichen Report über die Menschenrechtssituation in aller Welt erwähnt das US-State Department auch die permanente Anwesenheit der sogenannten Demokratischen Managementkomitees (DMCs) in den tibetischen Klöstern, die in den späten 50er und frühen 60er Jahren gebildet wurden. Als zusätzliche Ergänzung zu ihnen wurden noch Überwachungsteams eingesetzt.
Auch 2003 überwachte dem Bericht zufolge die Regierung weiterhin die täglichen Aktivitäten der großen Klöster. Obwohl sie in keiner Weise zum Unterhalt der Klöster beiträgt, übt sie mittels der DMCs und der örtlichen Büros für religiöse Angelegenheiten Kontrolle über deren Verwaltung aus. Den Bestimmungen gemäß muß die Führung der DMCs in den Händen "patriotischer und ergebener" Mönche und Nonnen liegen, außerdem müssen alle Mitglieder dieser Komitees von der Regierung bestätigt werden. In manchen Klöstern sitzen auch Regierungsbeamte in den Komitees.
Des weiteren suche die Regierung vielerorts, besonders aber in der TAR, die Vergrößerung bzw. Neugründung von Klöstern zu verhindern, weil diese angeblich die lokalen Ressourcen ausbeuteten und einen Nährboden für die politische Infiltration durch die tibetische Exilgemeinde bildeten, heißt es weiter in dem Bericht.
Der Regierung zufolge gebe es keine Begrenzung der Anzahl von Mönchen und Nonnen in den großen Klöstern, und jedes DMC entscheide unabhängig, wie viele Mönche und Nonnen das Kloster aufnehmen könne. Viele dieser Komitees werden jedoch von der Regierung kontrolliert, und die tatsächliche Regierungspolitik besteht in der strikten Limitierung der Zahl von Mönchen und Nonnen in den großen Klöstern, vor allem in der TAR. Die Regierung behält sich das Recht vor, den Antrag einer Person auf Eintritt ins Kloster zu verweigern, was jedoch nicht überall gleichermaßen streng gehandhabt wird.
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