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Update zu abgeschobenen Tibetern: Nepal, China geben Verlautbarungen heraus
Gegen Abgeschobene soll in Tibet "ermittelt" werden
Abschiebung von Uighuren, die in Kathmandu festgehalten wurden
Chinas Propaganda Kampagne in Nepal
Sowohl Nepal als auch China gaben zur Verteidigung ihrer Handlungsweise im Zusammenhang mit der Abschiebung von 18 Tibetern am Sonnabend, 31. Mai, aus Kathmandu zurück nach Tibet scharf formulierte Verlautbarungen heraus. Möglicherweise wurden diese Verlautbarungen durch die heftigen Reaktionen der Regierungen Großbritanniens und der USA und der internationalen Medien auf die Abschiebung provoziert. Das nepalesische Innenministerium teilte dem Flüchtlings-Hochkommissariat der Vereinten Nationen in Kathmandu jetzt mit, daß diese Gruppe Tibeter ein "besonderer Fall" sei, obwohl es nicht sagte, warum. Womit es scheinbar einer früheren Aussage des nepalesischen Außenministeriums widersprach, die die Abschiebungen als "übliche Praxis" beschrieb.
Das UNHCR, das die Abschiebungen verurteilte, führt in Nepal die formale Bestimmung des Flüchtlingsstatus nicht durch, sagte aber gestern, daß es Ursache gebe anzunehmen, daß aufgrund seines Mandates die Tibeter "seine Angelegenheit" seien. Das bedeutet, daß sie hinsichtlich ihres Schutzes als de facto Flüchtlinge betrachtet worden wären. Nach Angaben des Tibetbüros in Kathmandu waren zwölf aus der Gruppe der Tibeter ins Exil gekommen, um Bildung zu suchen, und fünf von ihnen - vier Mönche und eine Bäuerin - wollten ihre Religion in Klöstern in Indien ausüben.
Die 18 Tibeter wurden um 5 Uhr früh am 31. Mai gewaltsam aus dem Hanuman Dhoka Gefängnis im Zentrum Kathmandus weggeschafft. Nach Quellen in Kathmandu wurden sie in chinesischen Gewahrsam übergeben, nachdem Beamte der chinesischen Botschaft in Kathmandu ihre Geldstrafen in Höhe von $1.713 gezahlt hatten, um ihre Entlassung aus dem Gefängnis sicher zu stellen. Die Entfernung der Tibeter, von denen acht unter 18 Jahren alt sind, dauerte Berichten zufolge wegen des Widerstands der Gruppe, die man an jenem Morgen im Gefängnis schreien und brüllen gehört hat, eine Stunde oder länger. Es wird berichtet, daß der Befehl die Abschiebungen durchzuführen von den höchsten Ebenen der nepalesischen Regierung kam.
Der nepalesische Außenminister, Narendra Bikram Shah, sagte der Kathmandu Post am Montag (2. Juni), daß die nepalesischen Behörden im Umgang mit der Gruppe von 18 Tibetern das übliche Verfahren angewendet hätten. "Das Standardverfahren ist, dass wir, jedes Mal wenn wir Tibeter schnappen, die aus der Autonomen Region Tibet (TAR) Chinas fliehen, ihre Behauptungen von Folterungen und Verfolgung in Tibet gründlich untersuchen und sie entweder abschieben oder dem UNHCR übergeben. Auch dieses Mal wurde so vorgegangen", sagte er der englischsprachigen Zeitung. Gulia Ricciarelli-Renawat, Schutzoffizier beim UN-Flüchtlingshochkommissariat in Kathmandu, sagte: "Wenn der Minister richtig zitiert wurde, dann bin ich überrascht. Natürlich führt jede Regierung in gewissem Umfang ihre eigenen Untersuchungen durch, aber ich habe nichts davon gehört, daß die Dinge bisher in Nepal so gehandhabt wurden. Normalerweise ist der Ablauf so, daß die Tibeter, die tatsächlich in Nepal ankommen, vom UNHCR befragt werden, und wenn ihr Fall unserem Mandat entsprechend unsere Angelegenheit ist, werden sie nach Indien weiter geschickt." Ricciarelli-Renawat sagte, es sei zu früh zu sagen, ob die jüngsten Abschiebungen einen Politikwandel darstellten, und daß das Innenministerium nicht näher angegeben habe, warum dies ein "spezieller Fall" sei.
Ein Sprecher des US State Departments sagte am 3. Juni, daß die Abschiebungen "nicht nur internationale Normen und Gepflogenheiten in Bezug auf die humane Behandlung Asylsuchender verletzen, sondern auch Nepals lange währenden und wohl verdienten Ruf der Toleranz und Gastfreundschaft trüben." Obwohl Nepal das Flüchtlingsabkommen nicht unterzeichnet hat (das Abkommen von 1951, das auf den Status von Flüchtlingen Bezug nimmt, siehe Anmerkung unten), u.a. um seine Beziehungen zu China nicht zu gefährden, gab es doch seit Januar 1990 ein mündliches 'Gentleman's agreement' zwischen der nepalesischen Regierung und dem UNHCR, das es Tibetern, die Nepal erreicht haben, erlaubt, nach einem Aufenthalt im tibetischen Aufnahmezentrum für Flüchtlinge (Tibetan Refugee Reception Centre) in Kathmandu nach Indien weiter zu reisen. Dieses tibetische Zentrum wird vom tibetischen Wohlfahrtsbüro (Tibet Welfare Office) geleitet und betrieben und vom UNHCR überwacht und bezahlt.
Die Abschiebungen geschahen zu einer Zeit, als Nepals Premierminister zurückgetreten, der politische status quo diese Woche jedoch dadurch aufrecht erhalten worden war, daß der König von Nepal einen anderen Premierminister von der regierenden monarchistischen Partei, Surya Bahadur Thapa, eingesetzt hat. Dem König Nepals sind die Fragen bezüglich der Tibeter, die aus Tibet durch Nepal zu reisen versuchen, wahrscheinlich bewußt. Nepal, ein verzweifelt armes Land, hat Jahre politischer Turbulenzen hinter sich mit andauernden maoistischen Aufständen und den Auswirkungen des Massakers an der königlichen Familie 2001, und die Notlage tibetischer Exilanten in Nepal wird allgemein nicht als eine Frage von hoher politischer Priorität betrachtet. Einige höhere nepalesische Beamte haben ihre Verärgerung über das Ausmaß des Interesses westlicher Regierungen an dieser Frage deutlich gemacht.
Eine Verlautbarung, die von der chinesischen Botschaft in Nepal am 3. Juni herausgegeben wurde, stellte fest, daß die 18 Tibeter "keineswegs Flüchtlinge seien, sondern illegale Einwanderer, die die Einwanderungsgesetze und -vorschriften beider Länder verletzt haben. Die Regierung Seiner Majestät von Nepal traf in Übereinstimmung mit ihren einschlägigen Gesetzen die Entscheidung, diese Leute zurückzuführen. Dies ist eine Angelegenheit innerhalb Nepals souveräner Rechtssprechung und eine übliche internationale Praxis". Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Zhang Qiyue, sagte gestern bei einem Pressegespräch in Peking, daß die Frage nicht "politisiert" werden sollte, und nannte sie einen einfachen Fall von "illegaler Einwanderung", weil die Tibeter China illegal verlassen und Nepal illegal betreten haben. "Kürzlich ergriff die nepalesische Polizei 21 illegale Immigranten aus China. Sie verließen China illegal via Tibet. Und entsprechend der normalen Praxis des Umgangs mit illegalen Einwanderern weltweit wurden 18 von ihnen nach Feststellung ihrer Identität am 31. Mai nach China zurückgeführt," sagte Zhang. "Was die Handhabung dieses Falles durch China betrifft, so ist das eine innere Angelegenheit, und ich bin nicht so genau darüber im Bilde."
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Gegen die Abgeschobenen wird in Tibet "ermittelt"
Ein Bericht von Radio Free Asia am 5. Juni zitierte die Aussage eines Beamten in Shigatse (chinesisch: Xigaze) in der Autonomen Region Tibet, daß die Gruppe von 18 Tibetern in einem Haftzentrum festgehalten werde. Der Beamte sagte RFA: "Wir werden ihre illegalen Handlungen gründlich untersuchen."
Acht Mitglieder litten vor ihrer Abschiebung unter Krankheit und allgemeiner Schwäche, wahrscheinlich infolge einer Kombination der physischen Auswirkungen ihrer Reise ins Exil über den Himalaja und der Bedingungen und des Stresses in der Haft. Drei von ihnen brauchten beim Gehen Hilfe, und die meisten von ihnen hatten Durchfall und Magen-Darm-Infektionen, die in Nepal in den Sommermonaten grassieren. Im selben Bericht zitierte RFA einen Beamten in Tibet, der anonym bleiben wollte und der sagte, daß zwei Gruppenmitglieder Fieber bekommen hätten und daß Beamte besorgt seien, daß sie Symptome von SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) haben könnten. Dieser Bericht konnte jedoch nicht bestätigt werden. Es ist möglich, daß sich der Zustand der kranken Tibeter seit ihrer Abreise aus Nepal weiter verschlechtert hat; Fieber kann eine Begleiterscheinung von Magen-Darm-Infektionen sein. Offiziell wurde von keinen SARS-Fällen in der TAR berichtet, und in Nepal gab es auch keinen bestätigten Fall von SARS.
Tibeter, die den Behörden in Grenzgebieten ausgeliefert werden, werden häufig von den chinesischen Behörden festgehalten und können daraufhin für mehrere Wochen oder Monate in Haftzentren oder Gefängnissen festgesetzt werden. Das Überschreiten der Grenze ohne offizielle Papiere oder der Versuch dazu ist nach chinesischem Gesetz ein ernsthaftes Vergehen. Schläge, Verhöre und andere Formen von Einschüchterung und Mißhandlung sind während dieser Haftzeiten üblich.
Die Sicherheitsmaßnahmen auf beiden Seiten der Grenze sind in den letzten paar Jahren dramatisch erhöht worden, was zu einer Verringerung der Anzahl tibetischer Neuankömmlinge in Nepal und zu einem höheren Risiko für nach Indien durchreisende Tibeter geführt hat. Es gibt viele zuverlässige Berichte darüber, daß Nepals Polizei Tibeter, die in Nepal Zuflucht suchten, zurück über die Grenze abschob. Berichte von Tibetern, die aus Nepal über die chinesische Grenze zurück geschickt wurden, denen es aber später gelang zu entkommen, weisen darauf hin, dass nepalesische Grenzposten oft freundliche Beziehungen zu ihren Kollegen auf der anderen Seite der Grenze pflegen und daß sie Honorare für das Zurückbringen von Tibetern kassieren können. Bei dieser kürzlichen Abschiebung wurden nepalesische Polizeioffiziere von westlichen Beobachtern dabei fotografiert, wie sie eine Kiste Qian Kun (Himmel und Erde)-Schnaps aus Sichuan von der chinesischen Seite der Grenze herübertrugen - ein Geschenk im Austausch für ihre Dienste.
Das UNHCR erstellt gegenwärtig ein internes Gutachten über die Situation der tibetischen Ankömmlinge und darüber, wie das UNHCR auf die unterschiedlichen Gruppen von Tibetern in Nepal reagieren soll, sowohl auf diejenigen, die auf der Durchreise nach Indien sind, als auch auf die, die schon vor 1990 im Königreich ansässig waren.
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Abschiebung in Kathmandu festgehaltener Uighuren
Obwohl es das erste bekannte Beispiel direkter Einmischung chinesischer Behörden in die Abschiebung von Tibetern aus Nepal auf dieser Ebene ist - einschließlich der Bezahlung der Strafen für die Inhaftierten -, ist es, wie man hört, nicht das erste Mal, dass China mit Nepal bei der Abschiebung solcher Personen aus Kathmandu kooperiert, die es als chinesische Staatsangehörige betrachtet. Letztes Jahr wurden drei ethnische Uighuren aus der Uighurischen Autonomen Region Xinjiang (früher Ost-Turkestan) trotz Besorgnis des UNHCR gewaltsam aus Nepal nach China zurück gebracht. Laut Amnesty International bleibt das Schicksal von zwei der Abgeschobenen, Shaheer Ali und Abdu Allah Sattar, unklar, aber Quellen lassen vermuten, daß der dritte, Kheyum Whashim Ali, gegenwärtig in der Regionshauptstadt Urumqi in Haft ist. Amnesty International sagte in einer Verlautbarung am 2. Juni, daß es "weiterhin in großer Sorge um seine Sicherheit ist".
Kheyum Whashim Ali wurde ursprünglich im Zentralgefängnis von Kathmandu festgehalten und dann nach Hanuman Dhoka gebracht. UNHCR-Beamten, denen erlaubt worden war, ihn im Gefängnis zu besuchen, hatten ihn als eine Person, die "Grund zur Besorgnis gibt", erkannt und Pläne für seine Umsiedlung in ein anderes Land gemacht. Mitte Mai 2002 wurde Kheyum Whashim aus dem Gefängnis weggebracht, UNHCR konnte seinen Aufenthaltsort jedoch nicht ausfindig machen. Berichte aus Xinjiang bestätigten seine Rückkehr nach China. Die beiden anderen Uighuren, Shaheer Ali und Abdu Allah Sattar, hatten in Kathmandu gelebt und auf ihre Umsiedlung gewartet. Ihre Wohnungen wurden von der Polizei durchsucht, und seit Dezember 2001 wurden sie dann im Hanuman Dhoka Gefängnis festgehalten. Man nimmt an, daß sie im Januar 2002 nach China zurück gebracht wurden, und es ist nicht bekannt, ob sie von nepalesischer Polizei oder von Beamten der chinesischen Botschaft aus dem Gefängnis abgeholt worden waren. Das politische Klima, das auf den 11. September 2001 folgte, soll bei der Inhaftierung dieser drei Uighuren und ihrer Entfernung aus Nepal eine Rolle gespielt haben. Die Unterdrückung von uighurischen Muslimen in Xinjiang wurde nach dem 11 September verstärkt, da China sich bemühte, 'ethnischen Separatismus' mit 'Terrorismus' gleichzusetzen.
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Chinas Propagandakampagne in Nepal
China hat seinen Einfluß in Nepal in den letzten Jahren stetig vergrößert, und die beiden Länder haben Handel und diplomatische Verbindungen verstärkt. Während eines Besuchs in Tibet im April sagte der nepalesische Generalkonsul in Tibet, Shankar Prasad Pandey, dass Nepal, da die Situation im Lande stabiler wird, bereit ist seinen Handel mit China auszuweiten und seine Wirtschaft zu entwickeln (Xinhua, 18. April). Xu Minyang, ein Vize-Vorsitzender der Regierung der Autonomen Region Tibet, sagte: "China und Nepal sind freundliche Nachbarländer mit einer tiefen Freundschaft, und Nepal hat immer das Ein-China-Prinzip unterstützt."
Die nepalesischen Behörden gestatten seit einigen Jahren keinerlei anti-chinesische Aktivitäten in Nepal mehr, wodurch ein wachsender Druck auf der dortigen tibetischen Gemeinschaft lastet. Am 10. Dezember letzten Jahres, dem internationalen Tag der Menschenrechte, untersagte die nepalesische Polizei den Tibetern, während einer Gebetszeremonie Lautsprecher zu verwenden, Broschüren zu verteilen oder Reden mit negativen Bemerkungen zu China zu halten. Die nepalesische Polizei hat auch eine Kulturveranstaltung mit einem tibetischen Opernensemble am 17. März diesen Jahres gestoppt. An Losar, dem tibetischen Neujahrsfest, ebenfalls im März, wurde Tibetern nicht erlaubt, in einer Prozession ein Portrait des Dalai Lama zu tragen, obwohl dies viele Jahre ohne jegliche Einmischung der Behörden geschehen war. Am 6. Juli letzten Jahres wurde ein Empfang für die ausländische diplomatische Gemeinde anläßlich des Geburtstags des Dalai Lama weniger als 24 Stunden vor dem geplanten Termin abgesagt. Das Radisson Hotel, das den Empfang ausrichten sollte, teilte dem Vertreter des Dalai Lama mit, daß sie von den nepalesischen Behörden angewiesen wurden, das Ereignis abzusagen.
China hat auch aktiv versucht nepalesische Intellektuelle und die Medien entsprechend der Haltung Pekings zu Tibet zu beeinflussen. Am 17. August letzten Jahres flogen sechs in Kathmandu stationierte Journalisten für eine 17-tägige, von der Regierung der TAR bezahlte Reise nach Lhasa. Einige der Artikel darüber waren inhaltlich denen ähnlich, die in der offiziellen Pekinger Presse erschienen. Zum Beispiel erzählte in einem Artikel mit dem Titel 'Der Leibeigene von gestern ist heute ein würdevoller Bürger' der Herausgeber des Kantipur Daily, Yubaraj Ghimire, die Geschichte einer Mutter von sieben Kindern, die das elende Leben einer Leibeigenen geführt hatte, bis der Dalai Lama 1959 aus Tibet floh - und jetzt in einem modernen Haus mit Telefon und Fernsehen lebt, als Folge der Entwicklung ihrer Gegend durch die chinesischen Behörden. Ein zweiter Artikel desselben Journalisten behauptete, daß "Popularität uns Akzeptanz" des Dalai Lama "in Tibet sichtbar abnehmen". Viele Nepalesen schrieben an den Herausgeber, um sich über diese Artikel zu beschweren, aber die Briefe wurden nicht veröffentlicht.
Anmerkung: Artikel 1A(2) der Vereinbarung zum Status von Flüchtlingen von 1951 stellt fest, dass der Begriff Flüchtling auf eine Person angewendet wird, die sich aufgrund einer gut begründeten Angst vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Angehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten außerhalb des Landes ihrer Staatsangehörigkeit befindet und nicht in der Lage oder wegen solcher Angst, nicht bereit ist, von dem Schutz ihres Landes Gebrauch zu machen; oder die keine Staatsangehörigkeit hat und sich aufgrund solcher Ereignisse außerhalb des Landes ihres früheren gewohnheitsmäßigen Wohnorts aufhält und nicht in der Lage oder aus Gründen solcher Befürchtungen nicht willens ist, dorthin zurückzukehren. Unter den Unterzeichnern der Vereinbarung gibt es eine große Variationsbreite hinsichtlich der Interpretation dieser Definition.
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