22. Dezember 2003
News Update von Kate Saunders

Anlass zur Sorge um inhaftierte Schuldirektorin eines Kinderheims

Verlautbarungen der chinesischen Behörden zufolge wurde die Schuldirektorin des ehemaligen Gyatso Kinderheims in Lhasa, Nima Choedron, aus politischen Gründen zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die 35 Jahre alte Nima Choedron wurde am 26. August 1999 zusammen mit ihrem Partner Jigme Tenzin Rinpoche (auch als "Bangri" Rinpoche bekannt), der die Leitung des Kinderheims innehatte, verhaftet. Es scheint, daß dieser eine 15-jährige Haftstrafe zu verbüßen hat. Eine westliche Regierung erhielt diese Information bei der jüngsten Sitzung im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit China. Den Behörden zufolge wurde die frühere Nonne Nima am 26. September 2000 wegen "Spaltung des Landes" vor Gericht gestellt. Weil sie scheinbar "Reue" bekundet hatte, wurde ihre Strafe am 26. September 2002 um 18 Monate reduziert, womit ihr voraussichtlicher Haftentlassungstermin der 2. Februar 2008 sein wird. In der Verlautbarung wurden gesundheitliche Probleme erwähnt, insbesondere Nima Choedrons Sehschwäche.

Die Umstände, welche zur Verhaftung von Nima Choedron und Bangri Rinpoche führten, sind nicht eindeutig. Berichte, die zu dieser Zeit aus Tibet kamen, weisen auf eine eventuelle Verbindung mit dem Fall des Bauunternehmers Tashi Tsering hin, der im August 1999 während der National Minority Games in Lhasa seinen Protest kundtat, indem er versuchte, die chinesische Flagge auf dem Potala Square herunterzuholen und anschließend einen Sprengsatz zur Explosion zu bringen. (Siehe hierzu: www.tibetinfo.co.uk/news-updates/nu230300.htm). Nima Choedron und Bangri Rinpoche wurden im selben Monat verhaftet. Der im Februar 2000 nach grausamen Schlägen im Gefängnis verstorbene Tashi Tsering hatte bekanntermaßen mit dem Rinpoche mehrere Gespräche über Bauarbeiten für das Kinderheim geführt. Andere Berichte deuten auf einflußreiche Gegner bei seiner Arbeit für das Kinderheim hin, welches die finanzielle Unterstützung von mehreren ausländischen Wohltätigkeitsorganisationen, darunter einer US-amerikanischen und einer weiteren aus Europa genoß.

Auf die Inhaftierung von Bangri Rinpoche und Nima im Jahr 1999 hin wurde die Gyatso-Schule geschlossen; des weiteren wurde den Berichten der Hilfsorganisationen zufolge das Konto der Schule eingefroren. Mindestens fünf Lehrer und Erzieher wurden festgenommen, einige davon verbüßten Gefängnisstrafen. Es wird befürchtet, daß mindestens zwei der inhaftierten Mitarbeiter immer noch nicht freigelassen wurden. Der bei der Schule beschäftigte Thangka-Maler Geleg Nima verbüßte offenbar eine Haftstrafe in einer Anstalt zur "Umerziehung-durch-Arbeit". Während manche Kinder in die Gegenden, aus denen sie stammten, zurückgeschickt wurden, hatten andere offensichtlich keinen Platz, wo sie hätten hingehen können und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihr Dasein als Bettler in den Straßen von Lhasa zu fristen. Einige der Kinder wurden von der Polizei in Lhasa verhört, bis sich ihre Vorgesetzten dazu entschlossen, den Verhören Einhalt zu gebieten, damit die Kinder keinen psychischen Schaden nehmen.

Die Länge der Haftstrafen von Bangri Rinpoche und Nima sowie die Tatsache, daß auch Mitarbeiter des Heimes inhaftiert und Kinder verhört wurden, decken sich mit früher auf Fragen verschiedener westlicher Regierungen erfolgte Antworten, denen zufolge sowohl Bangri Rinpoche wie auch Nima wegen als "staatsgefährdend" eingestufter politischer Vergehen verurteilt wurden. Dies gilt in der VR China als eine schwerwiegende Anklage. Die jüngsten Verlautbarungen aus Peking bestätigen die Anklage wegen "spalterischer Aktivitäten" gegen Nima, hingegen wurden bezüglich der Anklagepunkte gegen Bangri Rinpoche keine weiteren Einzelheiten bekannt.

Die frühere Nonne Ngawang Sangdrol, welche vor ihrer dank massivem internationalem Druck auf Peking erfolgten Freilassung im Jahr 2002 die Frau mit der längsten Haftstrafe in Tibet war, erinnert sich, Nima Choedron im Drapchi-Gefängnis (TAR) begegnet zu sein, und bestätigt die Berichte über ihr schlechtes Sehvermögen und ihren miserablen Gesundheitszustand. Ngawang Sangdrol, die sich heute in den USA befindet, sagte: "Trotz ihrer Augenprobleme und der dadurch verursachten Schmerzen zwingt man Nima zu stundenlangem Stricken, damit sie das vorgeschriebene Arbeitspensum erfüllt. Die Beleuchtung in der Zelle ist sehr schlecht". In einer kürzlich erfolgten Notiz an eine westliche Regierung bestätigten die chinesischen Behörden, Nima sei in Drapchi zu "leichter Handarbeit" verpflichtet worden, denn bereits bei ihrer Einlieferung in die Haftanstalt sei sie kurzsichtig gewesen und trüge jetzt eine Brille. Ngawang, die Nima Choedron als gebildete Frau, die sogar Englisch spricht, bezeichnete, berichtete weiter, Nima sei nach ihrer Ankunft in Drapchi über ein Jahr lang in Einzelhaft gehalten worden, ein Zeichen dafür, daß die Behörden sie möglicherweise als zusätzliche Bestrafung von anderen Gefangenen fernhalten wollten.