4. Dezember 2003
International Campaign for Tibet
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Ausbau der Strasse zum Nangpa-La Pass, damit der Flüchtlingsstrom nach Nepal eingedämmt kann

(ICT, Kathmandu) Informationen von ICT zufolge hat die chinesische Regierung in ihrem Bemühen, dem Flüchtlingsstrom aus Tibet Einhalt zu gebieten, vor kurzem eine befestigte Straße nach Gyaplung, das in sechs Kilometern Entfernung vom gletscherbedeckten Nangpa-La (Nangpa-Paß) an der nepalesisch-chinesischen Grenze liegt, fertiggestellt. Für tibetische Flüchtlinge führt die wichtigste Fluchtroute nach Nepal über den 19.000 Fuß (5.716 m)über dem Meeresspiegel liegenden Nangpa-La.

Im über 16.000 Fuß (4.800) m hoch gelegenen Gyaplung soll der höchstgelegene chinesische Grenzposten errichtet werden. Die neue Straße dorthin ermöglicht den ungehinderten Transport von Baumaterial in diese Bergregion. Zur Zeit müssen die Grenztruppen in Zelten schlafen, wenn sie auf Patrouille sind, denn es gibt dort keine festen Häuser. Gyaplung ist ein traditioneller tibetischer Lagerplatz mit niedrigen Steinhütten, wie sie von Händlern entlang der historischen Yak-Karawanen-Handelsroute benutzt werden.

Händler, die in der Gegend unterwegs sind, berichten, der Straßenbau sei in den vergangenen drei Monaten vollendet worden, und die Straße reiche nun bis zum Lagerplatz von Gyaplung am Fuß des Nangpa-La Gletschers. Letztes Jahr wurde im Dorf Dzibuk eine Brücke errichtet, damit die schweren Baumaschinen überhaupt vor Ort gebracht werden können.

Nach Aussagen der örtlichen Bevölkerung ist der Straßenbau ein gemeinsames Unternehmen der Volksbefreiungsarmee (PLA) und der bewaffneten Volkspolizei (PAP). Die PAP ist eine paramilitärische Einheit, die in den frühen 80er Jahren aus Angehörigen der PLA gebildet wurde, und sie ist für die innere Sicherheit, den Schutz staatlicher Einrichtungen, einschließlich der Gefängnisse, sowie für Grenzkontrollen zuständig. Die PAP ist das wichtigste Instrument zur Überwachung der hochgelegen Bergpässe, über welche die Tibeter nach Nepal zu flüchten versuchen.

Die zur Zeit wichtigste Grenzkontrollstation der PAP befindet sich in Tragmar, ungefähr 25 km nordwestlich vom Nangpa-La. Tibetische Flüchtlinge sind im Gebiet zwischen Tragmar und dem Nangpa-La meistens nachts unterwegs (2-3 Tage), um so den Grenzpatrouillen zu entgehen. In der Regel sind sie zu diesem Zeitpunkt bereits vier Tage bis zu einer Woche gelaufen. Wie ICT kürzlich von Händlern und Flüchtlingen erfuhr, wurde vergangenes Jahr bei Tragmar Flutlicht angebracht, um das Gebiet zu beleuchten, in dem das Sicherheitspersonal patrouilliert.

Der Grenzposten Tragmar verfügt über kleine Betonzellen, in denen die bei dem Fluchtversuch nach Nepal festgenommenen Tibeter eingesperrt werden. Tibeter berichten, sie seien dort 2-3 Tage festgehalten worden, bevor man sie in die Haftanstalt Nyari in Shigatse überführte, wo sie 2-3 Monate verbrachten. Dies hörte ICT von Flüchtlingen, die erst bei ihrem zweiten Fluchtversuch ins Exil erfolgreich waren.

Die chinesischen Sicherheitsmaßnahmen an der nepalesisch-tibetischen Grenze wurden in den letzten beiden Jahren auffallend verschärft. Vor allem die Sicherheitskräfte in der Nangpa-La Region sind dafür bekannt, daß sie auf Flüchtlinge, welche über die Berge entkommen wollen, schießen.

Am 2. Januar 2002 zitierte TIN einen Bericht von Xinhua wie folgt: "Während der Hart-Durchgreif-Kampagne mußten die Offiziere und Milizionäre der tibetischen Grenzpatrouilleeinheiten - getreu ihrer Verpflichtung zum Erhalt der Stabilität in den Grenzregionen des Mutterlands - eisige Kälte und extreme Härten ertragen. Für Leute, die sich über die Grenze stehlen wollen, war der Nangpa-La schon immer der "goldene Pfad'. Den Gebirgspaß am Nangpa-La zu kontrollieren ist eine Pflicht, die jede Nacht von den Offizieren und Männern der Einheit wahrgenommen werden muß und die einen zweistündigen Marsch vom temporären Lager der Einheit zum Nangpa-La bedeutet. Mit Lederhüten gewappnet und eingehüllt in dick gefütterte Soldatenmäntel müssen sie durch drei hüfttiefe Bäche waten und zwei Bergrücken überqueren, die selbst im Sommer schneebedeckt sind."

Chinesische Grenzpolizei schießt auf Tibeter

(ICT Kathmandu) Vergangenes Jahr haben nach voneinander unabhängigen Augenzeugenberichten westlicher Bergsteiger chinesische Grenzpolizisten nicht nur auf tibetische Flüchtlinge gefeuert, sondern sie sogar noch ein Stück über den Nangpa-La bis auf nepalesisches Territorium verfolgt. Kurz nach dem Vorfall sprachen nepalesische Polizisten in Namche Bazaar, der Hauptortschaft südlich des Nangpa-La, mit Menschenrechtsbeobachtern von ICT.

"Als wir die chinesische Grenzverletzung in Augenschein nahmen, fanden wir mindestens ein Dutzend Patronen - und das auf der Höhe von Khanjung auf unserer Seite des Passes", berichtete ein Polizist in Namche den Beobachtern von ICT. Die nepalesische Regierung hat bisher keine öffentliche Beschwerde bei den Chinesen eingelegt.

Mitte Oktober dieses Jahres schoß die chinesische Grenzpolizei auf eine Gruppe von 34 Flüchtlingen, als diese den Nangpa-La nach Nepal zu überqueren versuchte. Dieser Vorfall ereignete sich am Gletschersee von Tso Tangyura, zwei Kilometer oberhalb von Gyaplung, nachdem die Grenzpatrouillen die Flüchtlinge aufgespürt hatten. "Als die Kugeln aus den Maschinengewehren um uns herum einschlugen, stiebten wir in alle Richtungen davon", berichtete ein 25 Jahre alter Flüchtling ICT in Kathmandu. "Wir liefen sogar zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren, nur um der Armee zu entgehen. Nachdem wir uns viele Stunden lang vor dem Gewehrfeuer versteckt hatten, kletterten wir mitten in der Nacht über den Nangpa-La und marschierten den ganzen nächsten Tag auf der nepalesischen Seite ohne Unterbrechung, weil wir solche Angst hatten". Derselbe Fünfundzwanzigjährige berichtete ICT, nur 17 Mitglieder der Gruppe von 34 Personen hätten es über den Nangpa-La geschafft; die anderen seien von den Grenztruppen gefaßt worden. Es ist nicht bekannt, ob jemand von ihnen erschossen wurde.

Ein 17-jähriges Mädchen ist Anfang September bei Tragmar auf der Flucht vor der Grenzpolizei ums Leben gekommen, als sie auf der tibetischen Seite des Nangpa-La in eine Gletscherspalte fiel. "Wir beschlossen, es wäre sicherer bei Nacht unterwegs zu sein, aber wir verirrten uns", erzählte im Oktober ein Begleiter des verstorbenen Mädchens ICT in Kathmandu. Meine Begleiterin rutschte aus und stürzte in die tiefe Gletscherspalte. Wir banden unsere Gürtel und Hemden zusammen und versuchten sie herauszuziehen, aber das Behelfsseil riß immer wieder. Nach einiger Zeit war ihre Stimme verstummt."

Am 14. November 2003 bekräftigte der chinesische Botschafter in Nepal, Sun Heping, den Standpunkt seiner Regierung, sie werde alles Erforderliche tun, um der Flucht von Leuten aus Tibet ein Ende zu setzen. "Es gibt kein tibetisches Flüchtlingsproblem zwischen uns (China und Nepal); diejenigen, die Probleme verursachen, sind die illegalen Immigranten, die nach Nepal einreisen", zitierte AFP Suns Aussage. Die pro-chinesische nepalesische Zeitschrift "The People's Review" zitierte den chinesischen Gesandten weiter, tibetische Flüchtlinge "dringen gewaltsam und ohne wirklichen Grund in Nepal ein" und seien "bereits zu einer internationalen Plage und einem weltweiten Problem geworden".

Schätzungsweise flüchten jedes Jahr 2.500 Tibeter nach Indien. Ungefähr ein Drittel von ihnen sind Kinder unter 18 Jahren, die Schulunterricht in tibetischer Sprache erhalten wollen, was für sie unter chinesischer Herrschaft unmöglich ist. Ungefähr ein Drittel der Flüchtlinge, die aus Tibet entkommen, sind Mönche und Nonnen, welche auf Grund der chinesischen Repressionen gegenüber ihrer Religion fliehen.