August 2005
Human Rights Update
August 2005
Inhalt

  1. UN Hochkommissarin für Menschenrechte spricht nach ihrem China-Besuch sowohl von Fortschritten als auch von Problemen
  2. Verschärfung der Kontrolle in Lhasa während der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der TAR
  3. Drei Tibeter bei Fluchtversuch festgenommen
  4. Die patriotische Umerziehungs-Kampagne im Kloster Sera wird weiter fortgesetzt
  5. Sonam Gyalpo verhaftet
  6. Porträt eines politischen Gefangenen: 11 Jahre Haft für Hissen der tibetischen Flagge

Teil 1

UN Hochkommissarin für Menschenrechte spricht nach ihrem China-Besuch sowohl von Fortschritten als auch von Problemen

Peking, 2. September 2005 – Obwohl es in einer ganzen Reihe von Bereichen noch schwere Bedenken gebe und beängstigende Aufgaben zu bewältigen seien, verfüge ein rasch sich wandelndes China über ein großes Potential, was die Menschenrechte betreffe, sagte die UN Hochkommissarin für Menschenrechte. Zum Abschluß ihres einwöchigen Besuchs in China äußerte sich Louise Arbour lobend über den Fortschritt bei der Verwirklichung wirtschaftlicher und sozialer Rechte, insbesondere darüber, wie das wirtschaftliche Wachstum dort zu einer erhöhten Lebenserwartung, dem Rückgang der Kindersterblichkeit und des Analphabetismus geführt habe.

Frau Arbour wies auch auf Chinas Ratifizierung von fünf der sieben wichtigsten internationalen Menschenrechtsverträge und seine Kooperation mit den Organen der UN zur Wahrung der Menschenrechte hin. Unter Bezug auf die Vereinbarung (Memorandum of Understanding = MOU), die während ihres Besuchs mit der Regierung unterzeichnet wurde, meinte Frau Arbour, das Büro des UN Hochkommissars (ONCHR) würde China dabei behilflich sein, die Hindernisse zu beseitigen, welche der Ratifizierung der Internationalen Übereinkunft über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCRP) noch im Wege stünden.

Die Hochkommissarin betonte die Gemeinsamkeiten der beiden Menschenrechtsverträge "Internationale Übereinkunft über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte" (ICESCR) und "Internationale Übereinkunft über Bürgerliche und Politische Rechte" (ICCRP) und meinte, die Achtung beider sei wesentlich, um die durch "wirtschaftlichen Wandel hervorgerufenen immer größeren und deutlicheren Ambitionen" der chinesischen Bevölkerung zu befriedigen. "Diese Bestrebungen manifestieren sich im Ruf nach Transparenz, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit in ihrem vollem Umfang". Frau Arbour sagte, sie habe mit ihren chinesischen Gesprächspartnern auch eine Reihe von bedenklichen Themen erörtert, etwa eine gerichtliche Überprüfung aller den Freiheitsentzug betreffenden Entscheidungen. Ebenso forderte sie die unverzügliche Überprüfung des Systems der Administrativhaft, das in China als Umerziehung-durch-Arbeit bekannt ist.

Die Hochkommissarin äußerte sich besorgt über das ungeheure Ausmaß der Anwendung der Todesstrafe, sogar bei Verstößen, die nach internationalem Verständnis noch lange keine "Kapitalverbrechen" sind. Sie begrüßte, daß in Aussicht gestellt wurde, bei allen die Todesstrafe betreffenden Fällen die letzte Entscheidung der Zuständigkeit des Obersten Volksgerichtshof zu unterstellen*. Sie beklagte den Mangel an zuverlässigen Daten über die Anwendung der Todesstrafe und meinte: "Transparenz ist entscheidend im Hinblick auf eine sachkundige öffentliche Diskussion in dieser Frage". Die Hochkommissarin sprach die Regierungsvertreter auch auf individuelle Fälle an, die exemplarisch sind für die Punkte, die einer Änderung bedürfen. "Ich ersuchte China, im Hinblick auf die Verbesserung der Menschenrechte eine proaktive Führungsrolle zu übernehmen, nicht nur im Sicherheitsrat, sondern allgemein auch in anderen Organen, wo es seinen Einfluß in konstruktiver Weise nutzen könnte".

Was die Einschätzung ihres Besuches anging, so sagte die Hochkommissarin, sie glaube die Reise, die Unterzeichnung des MOU und die beiderseitigen Bemühungen um Kooperation könnten als Beweis für den Wunsch der OHCHR und Chinas gewertet werden, ihre Zusammenarbeit zur Verbesserung der Menschenrechte in dem Land fortzusetzen. "Und das wird nicht immer einfach sein", fügte sie hinzu. "Zum Geist der Kooperation und Konstruktivität gehört, daß wir zuweilen auch kritisch sind. Ich verlasse China in der Hoffnung, daß unsere Arbeit Fortschritte macht, ermutigt von der Aussicht, dem Land bei den beängstigenden Problemen, denen es sich gegenüber sieht, helfen zu können und mit verhaltenem Optimismus wegen des enormen Potentials für einen positiven Wandel".

* Dem Art. 48 des chinesischen Strafrechts zufolge müssen alle Todesurteile dem Obersten Volksgericht zur Überprüfung und Billigung vorgelegt werden. 1980 beschloß der ständige Ausschuß des Nationalen Volkskongresses Chinas jedoch, die Entscheidung über Todesurteile bei Mord, Raub, Vergewaltigung, Brandstiftung und anderen Verbrechen, welche der öffentliche Sicherheit Abbruch tun könnten, auch niedrigeren Instanzen zu übertragen.

Teil 2

Verschärfung der Kontrolle in Lhasa während der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der TAR

Die Behörden der VR China verschärften in den Tagen um das 40. Gründungsjubiläum der Autonomen Region Tibet (TAR) herum ihre Wachsamkeit und die Kontrolle in Lhasa und anderen Teilen Tibets. Die Feierlichkeiten gingen mit Repression und Razzien, verstärkter Überwachung und vorbeugenden Maßnahmen einher, um einen glatten und störungsfreien Ablauf zu garantieren und auch um das Bild eines "glücklichen, modernen und erfolgreichen Tibets" zu vermitteln. Alle diese Maßnahmen bedeuten eine schwere Verletzung der grundlegenden Menschenrechte der Tibeter.

Am 28. August 2005 nahmen chinesische Sicherheitskräfte Sonam Gyalpo, einen ehemaligen politischen Gefangenen, in seiner Wohnung in Lhasa fest. Über den Ort seiner Inhaftierung ist nichts bekannt. Der 43-jährige Sonam Gyalpo stammt aus der Region Lhoka. Er war einer der 21 Mönche des Klosters Drepung, die am 27. September 1987 friedlich für die Befreiung Tibets demonstriert hatten. Sonam verbrachte drei Jahre im Gutsa Haftzentrum und im Drapchi Gefängnis.

Die chinesischen Behörden legen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Stabilität in der Region ein geradezu paranoides Verhalten an den Tag. Um während größerer Feierlichkeiten und Ereignisse einem etwaigen Aufbegehren der Tibeter zuvorzukommen, ergreifen sie diverse Vorsichtsmaßnahmen, wie die verstärkte Überwachung verdächtiger Personen und ehemaliger politischer Gefangener, wobei sie auch nicht vor willkürlichen Verhaftungen zurückschrecken. Tibeter, zu deren Vorgeschichte politische Aktivitäten gehören, werden aus der Stadt entfernt und einem Verhör unterzogen. Ihre Angehörigen müssen dafür bürgen, daß sie keine unerwünschten Aktivitäten ausführen. All das schuf in weiten Teilen Tibets eine Atmosphäre der Furcht.

Am 22. Juli 2005 begannen das "Anti-Separatismus Komitee der TAR und das Sicherheitsbüro mit der Durchführung der Hartdurchgreifkampagne für den Sommer, damit es während der Feiern des 40. Jahrestags der Gründung der TAR zu keinerlei politischen Zwischenfällen käme. Personen, die früher einmal politisch aktiv waren und ehemalige Gefangene sind ebenso wie Strafgefangene die Hauptzielscheibe der Kampagne. Einem Bericht des China Tibet Information Centre aus der Zeitung Tibet Daily zufolge sei es den gemeinsamen Bemühungen des "Tibet Affairs Bureau" und des "Security Bureau Committee" zu verdanken, daß die Hartdurchgreif-Kampagne in der gesamten TAR so erfolgreich verlief. In dem Artikel wird auch gefordert, daß die Tibeter sich diszipliniert und ordentlich verhalten.

Am 14. August 2005 gab es in Lhasa eine große Militärübung unter der Bezeichnung "Task Force 05", um für einen eventuellen Ausbruch von Unruhen gut vorbereitet zu sein. An der Militärübung nahmen die Polizei des Sicherheitsbüros von Lhasa, die bewaffnete Volkspolizei und die Abteilung für nationale Sicherheit teil. Hohe Funktionäre wie Yang Chuantang, Parteisekretär der TAR, und der Vorsitzende des Komitees für "Sicherheit und Stabilität" hielten Ansprachen, sie ermahnten die Bevölkerung, größere Anstrengungen zu unternehmen, um eine lange Periode des "Friedens und der Stabilität" in Tibet zu erreichen.

Am 18. August 2005 fand ein "Motivations-Meeting" des Sicherheitsbüros von Lhasa statt, bei dem das Sicherheitspersonal ermahnt wurde, alles zu tun, um politische Vorfälle während der Feierlichkeiten im Keim zu ersticken. Die Vorgesetzten machten den Sicherheitskräften klar, daß sie bei dieser Feierlichkeit eine wichtige politische Verantwortung trügen, ginge es doch um weit mehr als die bloße Aufrechterhaltung von Stabilität und Sicherheit.

Am 31. Juli 2005 entfernte die Volksverwaltung von Lhasa gewaltsam die Bettler von den Straßen und schickte sie an ihre Heimatorte zurück, um die Stadt von unerwünschten Elementen zu säubern. Ab der ersten Juliwoche mußten sich auch Touristen und auswärtige Besucher zusammen mit ihren Gastgebern beim Sicherheitsbüro melden. Letztere mußten für das Wohlverhalten ihrer Gäste bürgen. Auch die Restriktionen für die Klöster in der Umgebung der Stadt wurden verschärft, sie wurden noch stärker überwacht als in der Vergangenheit. Tibetern wurde das morgendliche und abendliche Umschreiten der heiligen Stätten untersagt. Im Kloster Sera traf in der ersten Juliwoche ein zusätzliches Kontingent an chinesischen Kadern ein, um die Mönche der "patriotischen Umerziehung" zu unterziehen.

In Lhasa selbst halten Sicherheitskräfte und Soldaten der bewaffneten Volkspolizei rund um die Uhr Wache und patrouillieren auf den Straßen. Alle Einfallsstraßen werden kontrolliert und die Checkpoints sind Tag und Nacht besetzt. Tibetern aus der umliegenden Gegend war es am Tag der Feierlichkeiten verboten, nach Lhasa zu gehen. Ihre Bewegungsfreiheit wurde empfindlich eingeschränkt.

Auch weiterhin werden dem tibetischen Volk seine grundlegenden Menschenrechte von der chinesischen Regierung vorenthalten und verletzt. Die Tibeter leben daher in einer Atmosphäre der Furcht, Anspannung und Unterdrückung. Der 40. Jahrestag der Gründung der sogenannten "Autonomen Region Tibet" war von Restriktionen und intensiver Kontrolle durch die chinesischen Behörden gekennzeichnet.

Teil 3

Drei Tibeter bei Fluchtversuch festgenommen

Wie dem TCHRD aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt wurde, haben chinesische Grenzschutzkräfte drei Tibeter festgenommen, die versuchten ins Exil zu fliehen.

Zwölf Personen aus Lhasa, die mit ihren Guides in zwei Gruppen reisten, wollten über die Grenzregion Kyirong, Präfektur Shigatse, nach Nepal fliehen. Als sie einen steilen Berg namens Drachen Lhamo erklommen, wurden sie von etwa 10 Grenzschutzsoldaten angehalten. Diese bewarfen sie mit Steinen, um sie an der Flucht zu hindern. Bei dem Zusammenstoß wurden drei Personen festgenommen, während die übrigen entkommen und nach Nepal fliehen konnten.

Bei den Festgenommenen handelt es sich um Lobsang Choephel (Laienname Drakpa), einen etwa 19 Jahre alten Mönch aus Minyak, Kham, eine 20-jährige Frau aus dem Dorf Rishoel, Kreis Markham, Präfektur Chamdo, und um einen Jugendlichen aus Markham. Die übrigen Flüchtlinge erreichten am 3. August das Tibetan Refugee Reception Centre in Kathmandu.

Um den Strom tibetischer Flüchtlinge nach Nepal zu stoppen, haben die chinesischen Behörden einen Armeestützpunkt in der Nähe der Grenze unweit des Dorfes Zongkar, Kyirong, eingerichtet. Kyirong war bisher ein wichtiger Durchgangspunkt für die Tibeter, die ins Exil fliehen wollten.

Drei Jungen und drei Mädchen aus Kyirong, die kürzlich im TRRC in Kathmandu eintrafen, bestätigten die Festnahme der oben genannten drei Tibeter. Sie seien in dem dicht bei der Stadt Kyirong gelegenen Armeelager eingesperrt worden. Dieses verfüge auch über ein Gefängnis, in das gewöhnliche Kriminelle sowie Personen kommen, die bei dem Versuch, ins Exil zu fliehen, gefaßt werden.

Weiter kam heraus, daß die Behörden des Kreises Kyirong seit geraumer Zeit in den Dörfern Gon, Shak und Tsalung je zehn Grenzschutzsoldaten stationiert haben, um die Anzahl der ins Exil fliehenden Tibeter möglichst gering zu halten. Es wurden ihnen lukrative Belohnungen in Aussicht gestellt, wenn sie tibetische Flüchtlinge abfangen.

Die Jugendlichen berichteten auch von der Verhaftung eines Mönchs namens Namdol im Juni 2005, der versuchte, aus Tibet zu fliehen. Im Dorf Gon wurde er vom Grenzschutzpersonal festgenommen. Nach mehreren Tagen im Gewahrsam wurde er dann gegen Zahlung einer Kaution freigelassen. Wie hoch der Betrag war, den er hergeben mußte, ist nicht bekannt. Bei seinem zweiten Fluchtversuch, den er zusammen mit seinem Freund Tenzin unternahm, hatte Namdol mehr Glück.

Teil 4

Die patriotische Umerziehungs-Kampagne im Kloster Sera wird weiter fortgesetzt

Die Kampagne zur patriotischen Umerziehung, mit welcher die Chinesen 1996 begannen, ist in Sera, einem der drei größten Klöster Tibets, immer noch im Gang.

Ringa (Laienname Samdup), der kürzlich aus Tibet floh, berichtete dem TCHRD: "Im Kloster Sera wurden jetzt permanent 15 Sicherheitskräfte einquartiert, um die Mönche zu überwachen. Fünf oder sechs sind am Haupttor des Klosters stationiert, wo sie rund um die Uhr Wache stehen. Während wichtiger religiöser Feste dürfen die Mönche das Kloster nicht mehr verlassen, ganz besonders nicht um den 6. Juli herum, den Geburtstag des Dalai Lama."

Im Kloster Sera gibt es 700 registrierte Mönche, die dort Bleiberecht haben; annähernd 300 von ihnen kommen aus Kham und Amdo. Im Zuge der "patriotischen Umerziehungs-Kampagne" halten die Arbeitsteam-Kader viermal wöchentlich in der Hauptversammlungshalle des Klosters Unterricht für die Mönche ab. Diese werden verpflichtet, sechs Bücher über Politik intensiv zu studieren, wobei sie den Dalai Lama denunzieren und ihren Willen, gegen die feindlichen und separatistischen Kräfte im Ausland zu kämpfen, deutlich machen müssen. Wenn sie sich nicht an die offiziellen Anordnungen halten, laufen sie Gefahr, das Kloster verlassen zu müssen oder strafrechtlich verfolgt zu werden. Bei der Kampagne müssen alle Mönche an den Kursen teilnehmen, ganz gleich wie alt oder gelehrt sie sind.

Bisher hörte man nichts von Ausweisungen von Mönchen, obwohl die Kampagne in den religiösen Einrichtungen Tibets unverändert weitergeht. Es wird angenommen, daß die intensive Kontrolle und Wachsamkeit der Behörden diesen Sommer mit den Feierlichkeiten zum 40. Gründungstag der TAR in Zusammenhang steht. In Lhasa wurde die Hartdurchgreif-Kampagne wieder aufgenommen, um politische Aktivitäten zu unterbinden.

Die Schilderung des Mönches Ringa verdeutlicht, wie sehr China die grundlegenden Menschenrechte, besonders das der Religionsfreiheit, verletzt. Obwohl China die Internationale Übereinkunft über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (ICESCR) unterzeichnet hat, werden die Menschenrechte des tibetischen Volkes weiterhin mit Füßen getreten.

Teil 5

Sonam Gyalpo verhaftet

Wie das TCHRD erfuhr, wurde Sonam Gyalpo, ein ehemaliger politischer Gefangener aus Lhoka, am 28. August 2005, kurz vor den Feiern zum 40. Gründungstag der TAR am 1. September 2005 festgenommen. Man nimmt an, daß seine Festnahme im Zuge der Hartdurchgreif-Kampagne im Sommer erfolgte, die Monate vor den Feierlichkeiten gestartet wurde, um jeglichen Protest während der Feiern zu vermeiden und der Außenwelt das Bild eines glücklichen und wohlhabenden Tibets zu bieten. Chinesisches Sicherheitspersonal nahm Sonam Gyalpo am 28. August 2005 im Haus seiner Familie fest. Bis heute weiß man nichts über sein weiteres Schicksal oder wo er inhaftiert wurde.

Sonam Gyalpo ist Anfang vierzig und stammt aus der Region Lhoka. Nach seiner Entlassung aus Drapchi 1990 wohnte er in Lhasa. Er gehörte der ersten Gruppe von 21 jungen Mönchen aus dem Kloster Drepung an, die am 17. September 1987 in Lhasa friedlich für die Unabhängigkeit demonstriert hatten. Nach seiner Verhaftung kam er in die Gutsa Haftanstalt und wurde dann zu drei Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er 1990 entlassen.

Teil 6

Porträt eines politischen Gefangenen: 11 Jahre Haft für Hissen der tibetischen Flagge

Lobsang Khedup, 23, wurde in einer Bauernfamilie der Gemeinde Dhada, Distrikt Kardze, TAP Kardze, geboren. Seine informelle Erziehung begann, als er sechs Jahre alt war, zu Hause in seinem Dorf durch einen privaten Lehrer.

Im Herbst 1992 floh er ins Exil und trat in Südindien ins Kloster Sera ein. Nach sieben Jahren buddhistischer Studien kehrte er nach Tibet zurück. Eines Nachts im Mai 2004 wurde Khedup zusammen mit Gyalpo (ein 26-jähriger Mönch aus der Gegend Shungten in Kardze) in seinem Haus von den örtlichen Kräften des Public Security Bureau (PSB) festgenommen, weil er angeblich eine tibetische Nationalflagge auf einem Funkübertragungsmast in seinem Dorf aufgezogen haben soll. Bei ihrer Razzia fanden die Sicherheitskräfte einige Gegenstände, die er von seinen Vorfahren geerbt hatte: eine selbstgebaute Flinte, ein hochwertiges Schwert, fünf gewöhnliche Schwerter und ein Porträt Seiner Heiligkeit des 14. Dalai Lama. Das Bücherregal wurde ebenfalls durchstöbert und viele Bücher wurden konfisziert.

Khedup und Gyalpo wurden in einem Polizeiwagen abtransportiert und an einen unbekannten Ort gebracht. Seither hat niemand mehr etwas von ihnen gehört. Khedups Angehörige machten sich große Sorgen wegen seiner Inhaftierung ohne Verbindung zur Außenwelt. Auf seine Festnahme hin gingen seine Eltern zur Polizeistation des Ortes, um sich nach seinem Verbleib zu erkundigen, aber keiner der Beamten wollte ihnen Auskunft geben.

Zwei Wochen nach der Festnahme kamen zwei Sicherheitspolizisten zu Khedups Haus und befahlen seinen Eltern, sich bei der Polizeistation von Kardze zu melden. Sie erhielten den Auftrag, einige Kleidungsstücke für Khedup und 100 Yuan zu bringen. Als sie jedoch mit diesen Dingen zur Polizeistation kamen, wurden ihnen die Kleider und die 100 Yuan abgenommen, ohne daß sie Khedup zu Gesicht bekamen.

Am 10. März 2005 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Kardze Lobsang Khedup und Gyalpo zu 11 Jahren Gefängnis. Da ihn nicht einmal seine Eltern sehen durften, weiß niemand, wie Khedups derzeitiger Zustand ist und wo er sich befindet.