Juli 2005
Human Rights Update
Juli 2005

Inhalt

  1. Die "Liebe Deine Religion, liebe Dein Land" – Kampagne im Kloster Sera
  2. Sechs Tibeter infolge von Plakaten für die Unabhängigkeit inhaftiert
  3. Kampagne "Hartes Durchgreifen" auch im Sommer 2005
  4. Festnahme von Tibetern an der nepalesisch-tibetischen Grenze, die "belastendes Material" mit sich führten
  5. Frau auf der Flucht wegen eines Telefonverzeichnisses und Fotos vom Dalai Lama verhaftet
  6. Abbau von Bodenschätzen beeinträchtigt Nomaden in ihrem Lebensunterhalt
  7. Das Aussterben der Nomadenkultur
  8. Porträt eines politischen Gefangenen: Sieben Jahre Haft für das Anbringen von Postern

Teil 1

Die "Liebe Deine Religion, liebe Dein Land" – Kampagne im Kloster Sera

1996 fingen die Behörden damit an, Kampagnen unter dem Motto "Liebe Dein Land, liebe Deine Religion" in den Klöstern Tibets durchzuführen. Das monastische Leben wurde durch diese Kampagnen sehr beeinträchtigt, zahlreiche Mönche und Nonnen wurden verhaftet oder mußten ihr Kloster verlassen, weil sie sich ihr widersetzten. Die Kampagne, die in aller Härte durchgeführt wird, um die Mönche und Nonnen zur Loyalität gegenüber dem Staat zu erziehen, steht in direktem Widerspruch zu zahlreichen internationalen Menschenrechtsverordnungen.

Am 10. Juli 2005 begannen Kader vom Büro für religiöse Angelegenheiten mit der Kampagne in Sera, einem der drei großen Klöster Lhasas. Die Mönche wurden erheblich in ihren religiösen Studien behindert. Es heißt, viele von ihnen seien eiligst in ihre Heimat abgereist, als sie von der Durchführung der Kampagne erfuhren. Die verbliebenen Mönche wurden in Zweiergruppen eingeteilt und bekamen sechs verschiedene Bücher ausgehändigt, die sie durcharbeiten mußten. Die Kader setzten vier Schulungen pro Woche an und stellten ihnen nach dem Zufallsprinzip Fragen zu den Texten. Zum Abschluß der auf drei Monate angesetzten Kampagne wird eine Prüfung abgehalten, um die Mönche zu testen, inwieweit sie dem Staat loyal sind.

Ein paar Tage vor dem Geburtstag des Dalai Lama am 6. Juli 2005 wurden Kräfte des Public Security Bureau am Haupttor des Klosters stationiert, um zur Unterbindung eventueller politischer Aktivitäten die Mönche rund um die Uhr zu bewachen. Am Tag des 6. Juli durfte niemand das Kloster verlassen. Sogar den Mönchen, die sich bereits zu Gebetsriten in Privathäusern in die ausgelegten Listen eingetragen hatten, wurde das Verlassen des Klostergeländes untersagt.

Wie die Zeitung Lhasa Evening am 1. November 2004 berichtete, gab es vom 31. Oktober 2004 an einen siebentägigen Workshop für Kader, die für die "Patriotische Erziehung" in den Klöstern zuständig sind. Bei der Eröffnungszeremonie waren der stellvertretende Parteisekretär der Stadt Lhasa, der Präsident des Nationalen Volkskongresses von Lhasa, der Vorsitzende des Komitees für Patriotische Erziehung der Stadt Lhasa, Mitglieder der Chinesischen Politischen Konsultativen Volkskonferenz, Kader der Einheitsfrontabteilung und des Büros für Religiöse Angelegenheiten, sowie der Vorsitzende der Abteilung für Patriotische Erziehung der TAR anwesend. In seiner Eröffnungsrede erklärte der Vorsitzende des Komitees für "Patriotische Erziehung", Lobsang Gyurmey: "Im Hinblick auf die Unterbindung von separatistischen Aktivitäten sollten in allen Klöstern gründliche Schulungen in Patriotischer Erziehung abgehalten werden. Ferner müssen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um die Infiltration durch Literatur aus dem Exil von der dortigen spalterischen Gruppierung zu verhindern" (womit er auf Dharamsala, den derzeitigen Sitz des Dalai Lama, anspielte).

Das Kloster Sera zählt über 700 registrierte Mönche aus der TAR, wozu noch 300 unregistrierte aus Provinzen wie Qinghai und Sichuan kommen.

Teil 2

Sechs Tibeter infolge von Plakaten für die Unabhängigkeit inhaftiert

Wie aus zuverlässigen, dem TCHRD zugegangenen Informationen hervorgeht, wurden im Mai 2005 sechs Tibeter verhaftet, weil sie an öffentlichen Plätzen Plakate angebracht hatten, auf denen die Unabhängigkeit Tibets gefordert wurde.

Drei Mönche und drei Nonnen sollen am 14. Mai 2005 verhaftet worden sein, nachdem das PSB in den Distrikten Sangchu, Luchu, Machu und anderen wichtigen Orten der Provinz Gansu intensive Ermittlungen eingeleitet hatte, weil dort Plakate mit der Forderung nach Unabhängigkeit aufgetaucht waren.

Bei den inhaftierten Nonnen handelt es sich um Yonten Dolma (Laienname Dukar Kyi), 22, Tamdin Tsoma, 23, und Choekyi Dolma, 23, aus dem Kloster Gendun Tengeyling, bei den Mönchen um Dargay Gyatso, 25, aus dem Kloster Tsang, Jampa Samdup, 27, und Lobsang, 25, aus dem Kloster Labrang Tashikyil.

Fotokopien von Plakaten mit der Forderung nach Unabhängigkeit waren in mehreren Distrikten der Provinz Gansu aufgetaucht. Das PSB durchsuchte im Zuge der Ermittlungen sämtliche Geschäfte, die Fotokopier-Dienste anbieten, um die "Übeltäter" dingfest zu machen. Auf Hinweis eines Ladeninhabers hin verhafteten sie schließlich zuerst die Nonnen und danach die Mönche. Yonten Dolma und Choekyi Dolma sind derzeit im Haftzentrum der TAP Gannan (Kanlho) inhaftiert. Über den Verbleib der anderen ist nichts bekannt.

Teil 3

Kampagne "Hartes Durchgreifen" auch im Sommer 2005

Die VR China begeht am 1. September 2005 den 40. Jahrestag der Gründung der sogenannten "Autonomen Region Tibet (Tibet Autonomous Region = TAR). Um einen störungsfreien Ablauf der Feierlichkeiten zu gewährleisten, wurde die Kampagne des harten Durchgreifens (wörtlich: "Schlag-hart-zu", chin. Yanda) am 22. Juli 2005 wieder aufgenommen.

Die gegenwärtige Kampagne, die auf Veranlassung des Sicherheitskomitees für das Gründungsjubiläum der TAR und der Entwicklungsabteilung der TAR durchgeführt wird, verfolgt den Zweck, politische Aktivitäten in Lhasa, aber auch in anderen Gegenden der TAR, zu unterdrücken. In erster Linie richtet sie sich gegen ehemalige politische Gefangene und Tibeter, die politischer Aktivitäten verdächtigt werden. Auch die Strafgefangenen werden extra scharf überwacht.

Das China Tibet Information Centre (www.tibetinfor.com) zitierte am 22. Juli die Zeitung Tibet Daily wie folgt: "Das Sicherheitskomitee für das TAR-Gründungsjubiläum und die TAR-Entwicklungsabteilung forderten, daß die Kampagne des "Harten Durchgreifens" im Sommer 2005 wieder aufgenommen wird. Sie wird nun ab dem 22. Juli 2005 in der gesamten TAR durchgeführt, um sicherzustellen, daß die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der TAR erfolgreich und ungestört verlaufen".

2004 kündete die Regierung der VR China ihre Absicht an, das 40. Jubiläum der TAR zu einem großartigen Anlaß werden zu lassen. Vorsichtshalber nahmen sich die Sicherheitsbehörden ehemalige politische Gefangene und politischer Aktivitäten verdächtigte Tibeter vor, von denen viele bereits willkürlich inhaftiert oder verhört wurden.

Das TCHRD erhielt erstmals Anfang Juli 2005 Informationen über die Intensivierung der Überwachung von ehemaligen politischen Gefangenen. Es hieß, diese sowie politisch Verdächtige würden festgenommen und verhört oder sogar inhaftiert. Einige wurden aufgefordert, während des gesamten Jubiläumsmonats Lhasa zu verlassen, während bei anderen die Angehörigen die Verantwortung dafür übernehmen mußten, daß sie sich jeglicher politischer Aktivitäten enthalten. Ehemalige politische Gefangene, deren Leben ohnehin schon schwer genug ist, werden durch die intensivierte Überwachung und die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit noch mehr schikaniert.

Bereits im Jahr 1995 wurden im Vorfeld zum 30. Jahrestag der Gründung der TAR tibetische Ex-Gefangene wie Rinzin Wangyal und Sholpa Dawa willkürlich verhaftet und verhört.

Mit ihrer Kampagne des "Harten Durchgreifens" ("Schlag-hart-zu", chin. Yanda) verstoßen die Chinesen in gravierender Weise gegen internationale Menschenrechtsbestimmungen. Die Sicherheitskräfte erhalten im Rahmen der Kampagne außergewöhnliche Befugnisse und können Verdächtigte verhaften, verhören, Häuser durchsuchen und illegale Drohungen und Warnungen aussprechen. Wie der Name der Kampagne besagt, wird hart und schnell zugeschlagen, was zur Folge hat, daß fundamentale Menschenrechte verletzt werden.

Die VR China hat in den vergangenen Jahren im Hinblick auf die Durchsetzung einer sozialen Ordnung diverse Kampagnen durchgeführt, die alle im Widerspruch zu internationalen Rechtsnormen stehen. Bereits im November 2004 gab es eine "Schlag-hart-zu"-Kampagne, die den ganzen Winter über fortgeführt wurde. Die Neuauflage dieser Kampagne erhöht den Druck auf die Tibeter und erlegt ihnen noch mehr Einschränkungen auf.

Das TCHRD macht sich große Sorgen um das Schicksal von ehemaligen politischen Gefangenen und derjenigen Tibeter, die sich gewaltfrei politisch engagierten. Es verurteilt die gegenwärtige Kampagne und fordert die chinesische Führung zu deren Einstellung auf.

Teil 4

Festnahme von Tibetern an der nepalesisch-tibetischen Grenze, die "belastendes Material" mit sich führten

Der Besitz von Niederschriften von Belehrungen des Dalai Lama und von Exemplaren der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte führte zur Inhaftierung von Exil-Rückkehrern.

Drei Mönche, die mehrere Jahre lang in einem tibetischen Kloster in Südindien studiert hatten und 2001 nach Tibet zurückkehrten, landeten wegen des Besitzes von "belastender" Literatur im Gefängnis. Jigme Gyatso (Laienname Kelsang Jigme), 26, war zwei Jahre lang inhaftiert, während Lungtok (Laienname Tsedor), 32, und Tenam vier Jahre hinter Gittern saßen. Alle drei wurden nach Verbüßung ihrer Strafen freigelassen. Jigme und Lungtok sind Brüder und kommen aus dem Dorf Bama, Gemeinde Nyima, Distrikt Machu, Provinz Gansu, während Tenam dem Distrikt Chamdo, Präfektur Chamdo, TAR angehört.

Nach seiner zweiten Flucht aus Tibet traf Jigme Gyatso im Juli 2005 im Flüchtlings-Empfangszentrum in Kathmandu ein. Er berichtet: "Im Alter von zwölf Jahren wurde ich Mönch. Mein älterer Bruder Lungtok und ich waren beide im selben Kloster, Bheshing. Nach sieben Jahren gingen Lungtok und ich 1997 nach Indien, denn wir wollten im Kloster Drepung in Südindien buddhistische Schriften studieren. Vier Jahre später bat uns unsere Mutter, nach Tibet zurückzukehren, denn unsere Großmutter wollte uns noch einmal sehen, ehe sie sterben würde. Wir fuhren also nach Nepal und erreichten am 30. Juni 2001 den nepalesisch-tibetischen Grenzort Dram. Unsere Angehörigen hatten für die nötigen Reisegenehmigungen gesorgt, damit wir auf der Reise in unsere Heimat keine Schwierigkeiten bekämen. In Dram schlossen wir Bekanntschaft mit Tenam aus dem Distrikt Chamdo und reisten nun gemeinsam mit ihm weiter. Wir mieteten einen Jeep, der uns nach Shigatse bringen sollte. Kurz bevor wir die Stadt erreicht hatten, hielten wir an einer Tankstelle, weil unser Treibstoff zur Neige ging. Ein chinesischer Polizist kam auf uns zu, stellte jedoch keine weiteren Fragen, nachdem er unsere Reisegenehmigungen gesehen hatte.

Wir hatten uns gerade wieder auf den Weg gemacht, als etwa 15 Minuten später zwei Polizeifahrzeuge von hinten angerast kamen und vor unserem Jeep anhielten. Drei uniformierte Polizisten mit Gewehren holten uns drei aus dem Wagen und fesselten uns die Hände auf dem Rücken. Dann durchsuchten sie unser Gepäck. Sie entdeckten Bilder Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, die wir in einer Seifenschachtel versteckt hatten. Es waren insgesamt 30 Stück, die man als Anhänger tragen konnte. Im Gepäck meines Bruders fanden sie zwei Niederschriften von Reden Seiner Heiligkeit, sowie mehrere Tonbandkassetten und zwei weitere Exemplare von Belehrungen Seiner Heiligkeit, die dieser in Dharamsala, Nordindien, gegeben hatte. Auch in Tenams Gepäck wurden Hefte mit Belehrungen Seiner Heiligkeit und mehrere Exemplare der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in tibetischer Sprache gefunden.

Drei Tage lang wurden wir verhört und schwer geschlagen, wobei sie uns hungern ließen. Die Polizeibeamten wollten wissen, wer uns beauftragt habe, die Bücher nach Tibet mitzunehmen und warum wir es getan hätten. Als wir erwiderten, wir hätten sie mitgenommen, um darin zu lesen, ohrfeigten und traten sie uns. Nach drei Tagen wurden wir nach Lhasa gebracht und kamen ins dortige Haftzentrum des Public Security Bureau. Wir wurden in getrennten Zellen untergebracht und während der folgenden 16 Tage dreimal täglich verhört. Wann immer der Vernehmungsbeamte mit meinen Antworten nicht zufrieden war, schlug er auf mich ein und versetzte mir Elektroschocks, bis ich das Bewußtsein verlor. Meinem Bruder und Tenam erging es nicht besser.

Anschließend wurden wir nach Shigatse zurückgeschafft und im dortigen PSB-Haftzentrum inhaftiert. Nach vier Monaten wurde ich vom Mittleren Volksgerichtshof Shigatse zu zwei Jahren Haft und gleichzeitiger Aberkennung meiner politischen Rechte für diesen Zeitraum verurteilt. Mein Bruder Lungtok und Tenam wurden zu vier Jahren und Aberkennung ihrer politischen Rechte für vier Jahre verurteilt. Alle drei kamen wir nach Drapchi, um dort unsere Strafe zu verbüßen. Ich wurde im Trakt No. 8 inhaftiert, Lungtok im Trakt No. 1 und Tenam kam in den vierten Trakt. Wir mußten zwar keine körperliche Arbeit verrichten, waren aber von zwei Toilettenpausen abgesehen den ganzen Tag in unseren Zellen eingesperrt. Politische Gefangene müssen während ihrer Zeit im Gefängnis drei Bücher durcharbeiten: "Straftaten von Staatsbürgern", "Wie werde ich ein gesetzestreuer Bürger?", "Geschichte Tibets und Ausrottung des Separatismus". Sie müssen diese auswendig lernen, und wenn sie es nicht tun, werden ihnen die Mahlzeiten gestrichen.

Ich wurde am 3. Juli 2003 entlassen, nachdem meine Haftstrafe zu Ende war. Mein Bruder kam zwei Jahre danach, nach Verbüßung seiner Strafe am 3. Juli 2005 frei. Tenam wurde am 18. Juli 2005 entlassen, obwohl er eigentlich am selben Tag wie mein Bruder hätte freigelassen werden sollen. Nach meiner Entlassung lebte ich bis zu meiner Flucht zu Hause; in mein altes Kloster konnte ich nicht zurückkehren, denn die Klosterleitung hatte Anweisung erhalten, mich nicht mehr aufzunehmen."

Jigme Gyatso möchte nun seine buddhistischen Studien im Exil fortzuführen.

Teil 5

Frau auf der Flucht wegen eines Telefonverzeichnisses und Fotos vom Dalai Lama verhaftet

Die 39 Jahre alte Dolker Tsering (Name aus Sicherheitsgründen geändert) aus Lhasa verbüßte wegen ihres im Jahr 2002 mißglückten Versuchs, aus Tibet zu fliehen, eine zweijährige Haftstrafe im PSB-Haftzentrum von Nyalam und in Drapchi; im März 2005 wurde sie entlassen. Ihr zweiter Fluchtversuch verlief glücklich, und im Juli 2005 traf sie im Flüchtlings-Empfangszentrum (TRRC) in Kathmandu ein.

Dolker berichtet: "Im Oktober 2002 verließ ich meine Heimatstadt zusammen mit den Kindern meiner Verwandten, die nach Indien gebracht werden sollten, um dort zur Schule zu gehen. In Lhasa fanden wir einen nepalesischen Guide, der versprach, die Kinder, die keine Reisegenehmigungen hatten, dennoch sicher nach Nepal zu bringen. Ein Preis von 2.700 Yuan wurde mit ihm ausgehandelt. Ich machte mich etwas später gemeinsam mit 15 anderen Tibetern auf den Weg.

Die Kinder und der Guide wurden jedoch im Grenzort Dram festgenommen. Ich wandte mich sofort an einen Freund, der in Dram wohnt, er möge versuchen, die Kinder freizubekommen. Unglücklicherweise wurde auch ich in Dram festgenommen, wobei die Polizisten mir die Reisedokumente sowie alles nepalesische Geld abnahmen. Anschließend brachten sie mich ins PSB-Haftzentrum, wo ich durchsucht wurde. In meinem Geldbeutel fanden sie ein Telefonverzeichnis mit Telefonnummern verschiedener Ressorts der tibetischen Regierung-im-Exil. Sie nahmen mir auch das Bild des Dalai Lama und das des Karmapa weg, die ich an einem Bändchen um den Hals trug.

Nachdem sie uns vier Tage lang ohne Nahrung und Wasser gelassen hatten, brachten sie uns ins PSB-Haftzentrum von Nyalam, wo wir drei Tage festgehalten wurden. Außer mir und den Kindern wurden alle anderen auf freien Fuß gesetzt und angewiesen, in ihre jeweiligen Heimatorte zurückzukehren. Wir wurden in das in Shigatse neu gebaute Gefängnis verlegt. Es trägt den offiziellen Namen "Empfangszentrum für Tibeter auf der Durchreise nach Nepal", aber in Wirklichkeit werden dort Personen inhaftiert, die an der nepalesisch-tibetischen Grenze aufgegriffen werden. Wir waren dort vier Monate lang eingesperrt, die Kinder wurden später freigelassen.

Dann kam ich nach Lhasa ins Sangyip-Gefängnis, wo ich einen weiteren Monat verhört wurde. Danach wurde ich wieder nach Shigatse und anschließend wieder ins PSB-Haftzentrum von Nyalam verlegt. Nach zwei weiteren Monaten ständiger Vernehmungen verhängte das Distriktgericht Nyalam eine zweijährige Haftstrafe über mich. Als Strafantritt setzte es meine Ankunft im Nyalam-Haftzentrum an; die sechs Monate, die ich in den anderen Haftanstalten verbracht hatte, wurden nicht angerechnet. Nun kam ich wieder ins Nyari-Gefängnis in Shigatse, wo sie mich drei Monate lang festhielten, und anschließend in den Trakt No 3 des Drapchi-Gefängnisses in Lhasa, wo ich den Rest meiner Strafe verbüßte. Nach einem Jahr und fünf Monaten in Drapchi wurde ich schließlich am 30. März 2005 aus der Haft entlassen. Da erfuhr ich, daß mein Mann inzwischen eine andere Frau geheiratet hatte. Weil ich nun nirgendwo mehr hingehörte, entschloß ich mich, ins Exil zu gehen und ein neues Leben zu beginnen."

Teil 6

Abbau von Bodenschätzen beeinträchtigt Nomaden in ihrem Lebensunterhalt

Jamyang Jinpa, 27, aus dem Dorf Theko, Gemeinde Ngura, berichtete dem TCHRD, wie in seiner Gegend nach Gold gegraben wird. Wie er sagt, wirken sich die Aktivitäten der Bergarbeiter verheerend für den Lebensunterhalt der Nomaden in dieser Gegend aus.

Um ihn zu zitieren: "Seit Juli 2004 bauen die Chinesen Bodenschätze an dem Berg Dokri ab, der zum Gebiet der Gemeinde Nyima gehört und 15 km vom Kreis Machu entfernt ist. Niemand durfte dem Berg mehr nahekommen. Das ganze Areal wurde mit Stacheldraht abgezäunt und außerhalb wurden Polizisten aufgestellt, die das Gelände bewachen. Die Nomaden, die im Zuge ihrer saisonbedingten Wanderungen mit ihren Herden zu diesem Berg zu kommen pflegten, müssen ihr Vieh nun woandershin bringen, da ihnen verboten wurde, es jenseits dieses Geländes zu führen. Chinesische Bergbau-Experten entdeckten reiche Goldlager in der Gegend und verwendeten Dynamit und andere Sprengstoffe, um das Golderz abzubauen. Infolge des Einsatzes der Sprengstoffe sind die Flüsse nun verschmutzt und das Wasser ist wegen seines hohen Chemikaliengehalts untrinkbar geworden. Gegen Ende letzten Jahres verendeten 40 Stück Vieh, nachdem sie aus dem verunreinigten Fluß getrunken hatten. Die hiesige Bevölkerung appellierte an die Behörden, den Erzabbau zu stoppen, weil ihr Lebensunterhalt dadurch bedroht sei. Diese schlugen das Ansuchen jedoch in den Wind und erklärten den Dorfbewohnern und Nomaden, das Land, auf dem sie wohnten, gehöre der Regierung und diese könne tun, was immer sie für angemessen halte.

Dieser Berg war traditionellerweise eine Quelle des Lebensunterhalts für die ganze Bevölkerung. Wegen der durch den Sprengstoff freigesetzten Chemikalien ist der gesamte Berg jetzt als Viehweide nutzlos geworden. Nicht nur auf dem Berg selbst, sondern auch um ihn herum wächst kein Gras mehr. Da die Tiere nicht mehr genug zu fressen haben, sterben sie der Reihe nach und bringen die Nomaden zur Verzweiflung."

Teil 7

Das Aussterben der Nomadenkultur

"Die Behörden sagten den Nomaden, sie sollten ihre Lebensweise ändern und als Alternative irgendein Geschäft betreiben. Als Anreiz versprachen sie ihnen, sie würden von Steuern befreit und ihre Kinder könnten zur Schule gehen. Weiter rieten sie ihnen, feste Häuser auf ihrem Grund und Boden zu bauen, denn die Regierung würde die Hälfte der Baukosten übernehmen. Als die Häuser dann jedoch fertig waren, mußten die Nomaden 70% der Kosten selbst tragen. Darüber hinaus beanspruchte die Regierung das obere Stockwerk eines jeden Hauses und ließ dort chinesische Zuwanderer einziehen."

Im Laufe der letzten Jahre wurden dem TCHRD zahlreiche Fälle dieser Art berichtet. Es ist eine Taktik der Regierung, den Tibetern Versprechungen zu machen, um sie für ihre Projekte zu gewinnen, aber nach Fertigstellung der Projekte erhalten die betroffenen Haushalte entweder keinen einzigen Groschen oder sie müssen mehr bezahlen, als vereinbart war. Die Behörden überreden die Nomaden und Bauern, daß sie ihr Land für Entwicklungsprojekte räumen und statt dessen ein Geschäft anfangen, welches letzten Endes dem Staat mehr Einkommen verschafft.

Das TCHRD ist entsetzt über das gewissenlose Handeln der chinesischen Regierung, die unbedarfte Nomaden und Bauern dazu animiert, für staatliche Projekte von ihrem angestammten Land zu weichen. Die Nomaden und Bauern sind einer solch plötzlichen Veränderung ihres Lebensstils nicht gewachsen, sie können ihren Unterhalt nicht mehr bestreiten und enden oft als Bettler in den Städten.

Teil 8

Porträt eines politischen Gefangenen: Sieben Jahre Haft für das Anbringen von Postern

Der 29-jährige Sonam Ngodup aus Senge Chu, Kreis Kardze, TAP Kardze, Provinz Sichuan, war Mönch im Kloster von Kardze.

In jungen Jahren besuchte er die Grundschule in seinem Dorf. Seine Eltern nahmen ihn jedoch bald von der Schule, da er abgesehen von ein wenig Tibetisch in seiner Schule, der es an Lehrern und der notwendigen Einrichtung mangelte, nicht viel lernte. Sonam half nun auf dem Bauernhof der Familie, er hütete das Vieh und versah andere Pflichten. Sein Wunsch war jedoch, Mönch zu werden, und 1990 trat er in das Kloster Kardze ein. Er war sehr eifrig in seinem Studium der religiösen Schriften und buddhistischen Philosophie.

Das in dem gleichnamigen Landkreis gelegene Kloster Kardze ist in der Gegend berühmt. Es zählt um die 500 Mönche. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Unabhängigkeits-Bekundungen in dem Kloster, und viele seiner Mönche befinden sich im Gefängnis.

Nach sechs Jahren im Kloster begann Sonam 2001 mit politischen Aktivitäten. Er klebte Poster mit der Forderung nach Unabhängigkeit in der Kreisstadt Kardze und an anderen wichtigen Orten an. Nach intensiven Ermittlungen nahmen Sicherheitsbeamte des dortigen Public Security Bureau Sonam in seinem Kloster fest. Im Gewahrsam des PSB Haftzentrums wurde er gefoltert, um Geständnisse aus ihm herauszupressen und herauszubekommen, wer ihm geholfen habe.

Ende 2001 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Kardze ihn zu 7 Jahren Gefängnis für "Aufhetzung der Volksmassen durch regierungsfeindliche Propaganda" und "Gefährdung der Staatssicherheit".

2002 wurde er in das Gefängnis Mok in der Präfektur Ngaba verlegt. Infolge der ständigen Schläge und Mißhandlungen soll sich Sonam in einem bedrohlichen Gesundheitszustand befinden. Mehrmals bereits fiel er bewußtlos um. Als er einmal dabei mit dem Gesicht zur Erde fiel, verlor er seine Vorderzähne. Im Gefängnis wird ihm die medizinische Betreuung verweigert, weshalb große Sorge um ihn besteht. Falls seine Strafe nicht verlängert wird, soll Sonam Ngodup 2007 nach Verbüßung seiner siebenjährigen Haftstrafe entlassen werden.