August 2004
Human Rights Update
August 2004


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  1. Aus dem Exil zurückgekehrte Tibeter werden immer öfter willkürlich inhaftiert
  2. Telefongespräche nach und aus Tibet werden überwacht
  3. Loyalität zum Staat als Voraussetzung zur Erlangung des höchsten religiösen Gelehrtentitels in Tibet
  4. Für die letzte der "singenden Nonnen" bedeutet Freiheit Überwachung rund um die Uhr
  5. Infolge der hohen Schulgebühren ist Bildung für normale Tibeter unerschwinglich
  6. Die Direktorin von UNICEF übt Kritik an dem Erziehungssystem in Tibet
  7. Mönche, die sich nicht vom Dalai Lama abkehren wollten, des Klosters verwiesen
  8. Chinesischer Funktionär leugnet das Verbot von Dalai Lama Bildern
  9. China umwirbt ausländische Journalisten
  10. Nomaden in der Provinz Qinghai durch hohe Steuerbelastung in ihrer Existenz gefährdet
  11. Portrait eines politischen Gefangenen: Fünf Jahre Arbeitslager wegen geheimer Fotoaufnahmen

Teil 1

Aus dem Exil zurückgekehrte Tibeter werden immer öfter willkürlich inhaftiert

Dem Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) liegen bestätigte Informationen darüber vor, daß die chinesischen Behörden in Tibet immer häufiger aus dem indischen Exil heimgekehrte Tibeter willkürlich verhaften und ihnen hohe Geldstrafen auferlegen, ohne daß sie irgendwelcher politischer Vergehen angeklagt worden wären.

Gedun Tsundue, ein Mönch aus dem Kloster Ragya, TAP Golog, Provinz Qinghai, der ins Exil geflohen und dort ins Kloster Kirti in Dharamsala eingetreten war, sowie Jamphel Gyatso, ein Mönch des südindischen Sera Jhe Klosters, kehrten im Februar 2004 nach Abschluß ihrer Studien nach Tibet zurück. Das TCHRD verfügt über bestätigte Informationen, daß beide vier Monate lang willkürlich inhaftiert wurden, bevor man sie den zuständigen Behörden in Golog übergab und ihnen je 4.500 Yuan Geldstrafe abverlangte.

Ein weiterer Fall von willkürlicher Inhaftierung ist derjenige der beiden Mönche Gedun Rabgyal und Woeser Thaye, die ebenfalls ins Exil gegangen waren und im Kloster Sera Jhe studiert hatten. Bei ihrer Rückkehr nach Tibet wurden sie zusammen mit einigen Laien und einer weiteren Gruppe Mönche vier Monate lang festgehalten, bevor sie ihren Heimatbehörden übergeben wurden, die ihnen je 4.000 Yuan Strafe auferlegten. Auch Sherab, ein Mönch aus demselben Kloster, war 2003 im Exil angelangt. Als er dieses Jahr wieder in seine Heimat zurückkehren wollte, wurde er in Dram an der nepalesisch-tibetischen Grenze verhaftet. Bisher liegen keine Informationen über seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort oder sein Befinden vor.

Willkürliche Verhaftung und Geldstrafen widersprechen sowohl dem Artikel 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem es heißt "Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden", als auch dem Artikel 13(2): "Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen, sowie in sein Land zurückzukehren". Als ständiges Mitglied der Vereinten Nationen ist China verpflichtet, das Recht der Tibeter auf Freizügigkeit auch in bezug auf das Ausland zu respektieren und von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen Abstand zu nehmen.

Kloster Ragya: Zielscheibe der behördlichen Verfolgung

Das Kloster Ragya ist seit geraumer Zeit zu einem Hort friedlicher politischer Aktivitäten geworden. Viele der dort lebenden Mönche wurden verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. 2001 verhafteten die chinesischen Behörden vier ehemalige Mönche dieses Klosters (Kunchok Dhargay, Mathok Damchoe, Tsultrim Phuntsok und Sonam Gyatso) auf ihrer Rückreise von Indien in ihre Heimat. Die vier wurden beschuldigt, mit einer geheimen Organisation "Freedom in Tibet" sowie dem verstorbenen Lobsang Dargyal in Verbindung gestanden zu haben. Weiter sollen sie Bilder des vom Dalai Lama anerkannten Panchen Lama, Gedun Choekyi Nyima, verteilt haben. Sie wurden zu fünf bzw. sechs Jahren Haft verurteilt.

Exilrückkehrer können keine Arbeit finden

Nicht nur aus dem Exil zurückkehrende Mönche und Nonnen werden mit Argwohn betrachtet. Infolge des Verbots von 1994 für Kader oder Regierungsangestellte, ihre Kinder auf Schulen der tibetischen Regierung-im-Exil zu schicken, verließen im Jahr 2000 mehrere Gruppen von im Exil lebenden Schülern ihre Schulen. Insgesamt kehrten 37 Kinder nach Tibet zurück. Tibetische Rückkehrer aus Indien werden unweigerlich als "spalterisch", der "Dalai Clique" zugehörig und "politisch verdächtig" betrachtet. Ihren Eltern wurden Strafmaßnahmen wie Verlust der Arbeitsstelle, Ausschluß aus der Partei, Beförderungsstop, Einfrieren ihrer Bezüge und Verfall des Wohnrechts ihrer Kinder angedroht. Nach ihrer Rückkehr nahmen die meisten dieser Jugendlichen Jobs als Reiseführer an. Infolge der unmittelbar darauf folgenden Sanktionen der Regierung gegen tibetische Guides verloren 29 dieser aus dem Exil heimgekehrten Fremdenführer wieder ihren Arbeitsplatz. Obwohl immer mehr Druck auf Eltern, deren Kinder im Exil zur Schule gehen, ausgeübt wird, daß sie die jungen Leute wieder zurückholen, wird den von dort Zurückgekehrten jede Beschäftigungsmöglichkeit verbaut.

Klöster werden von den Behörden besonders aufs Korn genommen

In den Augen der Behörden in Peking ist der Dalai Lama die Wurzel der Instabilität in Tibet, und die Klöster sind ihnen die "Brutstätten politischen Abweichlertums". Im Anschluß an das Dritte Tibet-Arbeitsforum im Jahr 1994 wurde die Anti-Dalai-Lama-Kampagne auf verschiedene Weise intensiviert. Dazu gehört das Verbot von Portraits des Dalai Lama und der Feier seines Geburtstags sowie harte Strafen für diejenigen, die ihrem Glauben und ihrer Unterstützung für den Dalai Lama Ausdruck verleihen. Das Ziel dieser Kampagne ist die Reduzierung bzw. Ausmerzung des Einflusses des Dalai Lama, denn für Peking steht der tibetische Buddhismus in enger Verbindung mit dem tibetischem Nationalismus. Aus diesem Grunde gelten Exil-Rückkehrer allgemein als verdächtig, man beschuldigt sie, den politischen Ideen des Dalai Lama nahezustehen oder sogar an Aktivitäten beteiligt zu sein, die in den Augen der Chinesen eine "Gefährdung der Staatssicherheit" darstellen. Für Peking steht die nationale Stabilität an oberster Stelle, und um sie sicherzustellen, schrecken die Behörden weder vor der Verletzung grundlegender Menschenrechte noch der Einschränkung der Freiheit der Tibeter zurück.

Teil 2

Telefongespräche nach und aus Tibet werden überwacht

Aus zuverlässiger Quelle erhielt das TCHRD bestätigte Informationen, daß die Zentralregierung in Peking im Juli dieses Jahres verschiedene Behörden in der TAR angewiesen hat, Telefongespräche von in tibetischen Klöstern lebenden Mönchen nach Indien, bzw. aus Indien eingehende Anrufe intensiver zu überwachen.

Wie uns aus zuverlässiger Seite bestätigt wurde, werden Telefonate von Exiltibetern mit ihren Verwandten in Tibet, vor allem wenn sie in Klöstern leben, mittlerweile sehr streng überwacht. In Tibet lebende Personen haben ihren Angehörigen und Freunden geraten, bei Telefongesprächen keine politischen Themen anzusprechen.

Die chinesischen Behörden benützen Kontrollmechanismen, wie die oben genannten, zur Überwachung von Privatgesprächen, ebenso wie des Informationsflusses in seiner Gesamtheit. Dies steht in direktem Widerspruch zu Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: "Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, sein Heim oder seinen Briefwechsel noch Angriffen auf seine Ehre und seinen Ruf ausgesetzt werden. Jeder Mensch hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen derartige Eingriffe oder Anschläge."

Hier liegt eine klare Verletzung der grundlegenden Rechte des tibetischen Volkes vor. China als ein ständiges Mitglied des UN Sicherheitsrates muß von der internationalen Staatengemeinschaft für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden. Das TCHRD mißbilligt Chinas Übergriffe in Sachen Menschenrechte der Tibeter. Selbstherrliche Eingriffe in die fundamentalen Rechte von Menschen, die seiner Gerichtsbarkeit unterstehen, widersprechen Chinas eigenen Gesetzen und seiner erklärten Politik.

Teil 3

Loyalität zum Staat als Voraussetzung zur Erlangung des höchsten religiösen Gelehrtentitels in Tibet

Der höchste akademische Grad der Gelugpa-Schule des tibetischen Buddhismus, der Titel eines Geshe Lharampa, der in der Vergangenheit bereits zweimal verboten worden war, wurde, wie von Xinhua.net am 28. Juli berichtet, wieder eingeführt - allerdings mit einem wenig erfreulichen Zusatz.

Zusätzlich zu der traditionellen Prüfung in den fünf Haupttexten (tib. shung chen kabod nga) müssen die Anwärter auf diesen Titel nun auch im Rahmen der Kampagne "Liebe dein Land, liebe deine Religion" (tib. rgyal khches ring lugs bsam bloi slob gso), die in den Klöstern Tibets durchgeführt wird, sechs Bücher politischen Inhalts studieren.

Am 20. August wurde ein Ausschuß von 77 Personen für die Vergabe akademischer Titel für buddhistische Studien gebildet, der die Prüfungen begutachten und die Auszeichnungen verleihen wird. 1959 hatte die chinesische Regierung den Geshe Lharampa-Titel als eine "abergläubische und feudale Praxis" geächtet. 1986 wurde die Auszeichnung nach wiederholten Appellen des 10. Panchen Lama wieder eingeführt. Auf eine Reihe von Unabhängigkeits-Demonstrationen in Lhasa hin wurde sie jedoch 1988 erneut verboten.

Die Einführung einer Loyalitätsprüfung dem Staat gegenüber als eine Vorbedingung für den Erwerb des Geshe-Titels ist ein außerordentlich schwerer Eingriff in die religiösen Belange des tibetischen Volkes. Zuverlässige Quelle berichten, daß die 7 Anwärter (zwei je aus Sera, Drepung, Gaden und einer aus dem Kloster Ratoed) für die diesjährige Verleihung des Geshe Lharampa-Titels von der Klosterbehörde angewiesen wurden, an der Überprüfung teilzunehmen. Dies ist die jüngste in einer langen Reihe derartiger Maßnahmen im Gefolge der patriotischen Umerziehungs-Kampagne, die im Mai 1996 in der TAR begonnen und später auch auf Klöster in anderen tibetischen Gebieten ausgeweitet wurde.

Teil 4

Für die letzte der "singenden Nonnen" bedeutet Freiheit Überwachung rund um die Uhr

Wie von Human Rights Watch berichtet, steht Phuntsog Nyidrol, 37, die als letzte von den "14 Drapchi -Nonnen" aus dem Gefängnis entlassen wurde, in ihrem Heimatdorf unter ständiger Überwachung der chinesischen Behörden.

Phuntsog Nyidrol wurde 1989 im Alter von 20 Jahren in Lhasa verhaftet, nachdem sie an einer friedlichen Protestaktion teilgenommen hatte. Ursprünglich wurde sie zu acht Jahren Haft verurteilt. Ihre Strafe wurde um weitere acht Jahre verlängert, weil sie mit dreizehn ihrer Leidensgenossinnen heimlich Kassetten mit Liedern für die Unabhängigkeit Tibets aufgenommen hatte, die 1993 aus dem Gefängnis geschmuggelt wurden. Alle Beteiligten wurden deshalb mit Haftverlängerungen bestraft. Phuntsog Nyidrol wurde 2001 ein Jahr Haftverkürzung zugestanden, weil sie sich angeblich reuig gezeigt habe.

Infolge internationaler Kampagnen zahlreicher Menschenrechtsgruppen wurde Phuntsog Nyidrol am 16. Februar 2004, ein Jahr vor Ablauf ihrer 16-jährigen Haftstrafe, entlassen. Seither wird jeder ihrer Schritte von mindestens zwei Sicherheitsbeamten überwacht, und sie darf ihr Haus nicht ohne Bewachung verlassen.

Wie so vielen anderen Mönchen und Nonnen, die politischer Vergehen wegen im Gefängnis gesessen hatten, ist es auch Phuntsog Nyidrol verboten, in ihr ehemaliges Kloster zurückzukehren. Ihr Gesundheitszustand gibt nach wie vor Anlaß zur Besorgnis, denn man weiß nicht, ob sie nach ihrer Entlassung in angemessener Weise medizinisch versorgt wird; jedenfalls ist anzunehmen, daß sie immer noch an den Folgen eines Nierenschadens und unter Gedächtnisstörungen leidet, die durch die zahlreichen schweren Schläge, die sie während der Haft erdulden mußte, verursacht wurden.

Teil 5

Infolge der hohen Schulgebühren ist Bildung für normale Tibeter unerschwinglich

Die 20-jährige Dorjee Dolma stammt aus dem Kreis Toelung, TAR. Sie berichtete dem TCHRD, wie die schlechten Lebensbedingungen und die überhöhten Gebühren sie veranlaßten, in Indien nach besseren Bildungsmöglichkeiten Ausschau zu halten.

"Mit acht Jahren kam ich auf die örtliche staatliche Grundschule, an der alles ziemlich miserabel war, sowohl die Lehrer wie auch die Ausstattung der Schule. Wir brauchten zwar keine Schulgebühren in Bargeld zu zahlen, mußten aber Kartoffeln, Weizen, Brennholz und geröstete Gerste liefern. Die Schulbehörden verlangten von jedem Schüler pro Halbjahr zwei Säcke mit Naturalien.

Nachdem ich die Grundschule durchlaufen hatte, kam ich auf die Mittelschule Nr. 8 von Lhasa. Dies ist eine große Schule mit 150 Lehrern, von denen 50 Tibeter waren, der Rest Chinesen. Ich erinnere mich ganz genau, daß die Klassenzimmer der chinesischen Schüler viel besser ausgestattet waren als die der tibetischen. Die Mittelschule umfaßte drei Stufen - 10 Klassen im ersten Schuljahr, 8 im zweiten und 9 im dritten.

Jeder Schüler mußte bei der Aufnahme 250 Yuan für die Schuluniform entrichten, wozu noch die Unterrichtsgebühren von 400-500 Yuan pro Semester kamen. Darüber hinaus gab es noch andere Kosten, so wurden uns etwa 25 Yuan abverlangt für einen Stellplatz fürs Fahrrad, und 15 Yuan für die Reinigung des Klassenzimmers. Und im dritten Jahr mußten die Schüler noch für die Prüfung und etwas für medizinische Untersuchungen zahlen.

Nach Abschluß der Mittelschule ging ich drei Jahre zur "Peking Oberschule" in Lhasa. Im ersten Jahr gab es 10 Parallelklassen und im zweiten und dritten je 12. Und auf jeder Stufe gab es zwei Klassen "nur für Chinesen" mit rund 70 Schülern in jeder. Zusätzlich zu den Semestergebühren, die 500-600 Yuan betrugen, mußten die Schüler 250 Yuan für eine neue Schuluniform und 15 Yuan für die Instandhaltung des Klassenzimmers zahlen. Nur 20 von den 200 Lehrern an der Schule waren Tibeter.

Selbst wenn sie die hohen Schulgebühren aufbringen können, schaffen es nur sehr wenige tibetische Studenten nach Abschluß der Oberschule zur Universität. Es stimmt zwar, daß die für die Zulassung zur Tibet Universität erforderlichen Noten etwas niedriger als bei anderen Universitäten in China liegen. Aber viele chinesische Studenten, deren Noten für eine Zulassung zum Studium in ihren Heimatprovinzen nicht ausreichend sind, kommen nach Tibet und beschaffen sich mittels falscher Wohnregistrierungszertifikate Zugang zu der Tibet Universität. So nehmen die chinesischen Studenten allmählich die meisten der an der Tibet Universität zur Verfügung stehenden Plätze ein".

Teil 6

Die Direktorin von UNICEF übt Kritik an dem Erziehungssystem in Tibet

Die Leiterin von UNICEF kritisierte, daß tibetische Kinder nur beschränkt Zugang zur Grundschulbildung haben. In einer vor ihrem Besuch in Tibet Ende August abgegebenen UNICEF-Presseerklärung sagte Carol Bellamy, daß "nur 31% der Kinder in Tibet die Möglichkeit haben, die neun vorgeschriebenen Schuljahre zu absolvieren". Obwohl sich die Verhältnisse in Westchina und in Tibet ihrer Ansicht nach in den letzten Jahren erheblich gebessert haben, äußerte sie sich besorgt darüber, daß "das Wachstum viel langsamer als im Osten Chinas erfolgt, womit eine noch größere Kluft zwischen Arm und Reich zu befürchten ist".

Ihre Ausführungen haben den selben Tenor wie die von der UN Sonderbeauftragten für Bildung, Catarina Tomasevski, Ende letzten Jahres gemachte Aussage, in der sie das von den Chinesen für das tibetische Volk geschaffene Erziehungssystem als "erbärmlich" bezeichnete. Laut einer Pressemeldung vom 30. August 2004 hielt sich Frau Bellamy, die Direktorin von UNICEF, auch kurz in Chengdu auf, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, wo sie mit den dortigen UNICEF Partnern Gespräche im Hinblick auf eine bessere Kooperation im Erziehungswesen führte.

Frau Bellamy besuchte am 29. August 2004 die Präfektur Lhoka (chin. Shannan), um sich "ein direktes Bild von der Lage in Westchina" zu machen. Sie traf dort mit den für Gesundheit und Bildung in der Präfektur zuständigen Funktionären, sowie dem Vize-Gouverneur der Präfektur, Chang Zhen, zusammen. Der UNICEF-Vertreter für China, Dr Christian Voumard, war bei dem Gespräch, bei dem es vor allem um Mutterschutz, Grundschulerziehung und die bessere Ausbildung von Lehrern und Erziehern ging, ebenfalls zugegen.

Teil 7

Mönche, die sich nicht vom Dalai Lama abkehren wollten, des Klosters verwiesen

Jampel Rinchen (bürgerlicher Name Sonam Choegyal), ein 20-jähriger Mönch, wurde aus dem Kloster Gongkar Choede hinausgeworfen, weil er sich geweigert hatte, den Dalai Lama zu verunglimpfen. Er sah sich zur Flucht aus Tibet gezwungen, um seine monastische Ausbildung in Indien fortsetzen zu können. Am 5. August erreichte er Nepal. Jampel berichtete dem TCHRD:

"Wir sind eine achtköpfige Familie armer Bauern. Als das Land verteilt wurde, zählte der Haushalt nur 3 Personen, weshalb wir nur 3 mu Ackerland erhielten. Über die Jahre ist die Familie größer geworden, aber wir mußten trotzdem mit den ursprünglichen 3 mu auskommen. Es war sehr schwierig und wir lebten von der Hand in den Mund.

Mit 11 Jahren wurde ich im Kloster Gongkar Choede aufgenommen, wo ich etwa 10 Jahre verbrachte. Mitte 1997 kam ein aus 10 Kadern bestehendes chinesisches Arbeitsteam von den Distrikten Gongkar und Lhatse in unser Kloster und rief alle neu zugelassenen Mönche zusammen. Wir waren etwa 40 an der Zahl. Wir mußten eine Art Test machen und dabei Aufsätze schreiben, in denen wir den Dalai Lama kritisieren und die Dalai-Clique des Versuchs der Abspaltung Tibets von China bezichtigen mußten. Ebenso mußten wir die Herrschaft der VR China über Tibet und dieses als einen untrennbaren Teil Chinas seit undenklichen Zeiten akzeptieren. Ich und weitere acht Mönche schrieben jedoch nicht das, was die Behörden von uns erwarteten. Das Ergebnis war, daß ich aus dem Kloster geworfen wurde.

Wir kehrten in unser Dorf zurück, doch nach Ablauf von zwei Jahren beschlossen wir trotz des Verbots der Behörden, wieder in unser Kloster zu gehen. Anfang August 2004 erfuhren wir jedoch, daß bald wieder ein Arbeitsteam kommen würde, um politische Umerziehungskurse abzuhalten. Aus Angst, festgenommen zu werden, flohen wir aus dem Kloster und begaben uns nach Indien, wo ich jetzt hoffe, meine monastische Ausbildung fortsetzen zu können".

Teil 8

Chinesischer Funktionär leugnet das Verbot von Dalai Lama Bildern

Wu Jilie, der zweite Vorsitzende der Regierung der Autonomen Region Tibet stritt bei einem Interview ab, daß Bilder des Dalai Lama in Tibet verboten seien, wie Reuters am 18. August 2004 meldete. Im Laufe der Jahre hat das TCHRD zahlreiche Fälle von Verhaftungen in Tibet im Zusammenhang mit dem Besitz von Bildern und Ton- oder Video-Cassetten des Dalai Lama dokumentiert.

Doch Wu Jilie erklärte: "Keine Dalai Lama Bilder im Haus zu haben, ist meiner Ansicht nach die freiwillige Entscheidung der großen Mehrheit der Bauern und Hirten. Es gibt keine diesbezügliche Regierungsverordnung".

Obwohl der Dalai Lama vor 40 Jahren ins Exil floh, verehren die Tibeter ihn weiterhin als ihr geistiges und weltliches Oberhaupt. Bei dem dritten Arbeitsforum zu Tibet, das 1994 in Peking stattfand, wurde der Dalai Lama als ein "Spalter des Mutterlandes" und als "der Kopf der Schlange, der abgehauen werden muß", gescholten. 1996 setzte die Anti-Dalai-Lama Kampagne unter dem Vorzeichen der patriotischen Umerziehung in den Klöstern ein. Der monastischen Gemeinschaft wurde als Teil der politischen Indoktrinierung auferlegt, den Dalai Lama zu denunzieren. Hunderte von Mönchen und Nonnen und Laien-Buddhisten mußten die Klöster verlassen, und viele von ihnen wurden zu langen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich der offiziellen Linie der Partei nicht gefügt hatten.

Im November 2003 drohten die Behörden in Kardze und Lithang der dortigen Bevölkerung mit der Konfiszierung ihres Grund und Bodens, falls sie nicht alle Dalai-Lama Portraits, die sie bei sich zu Hause aufgestellt haben, unverzüglich ablieferten. Populäre religiöse Gestalten wie Tulku Tenzin Delek, Geshe Sonam Phuntsok und der verstorbene Khenpo Jigme Phuntsok wurden alle wegen ihrer Treue zum Dalai Lama Opfer der staatlichen Verfolgung.

Teil 9

China umwirbt ausländische Journalisten

China versucht verstärkt durch Einladungen an ausländische Journalisten, sich selbst an Ort und Stelle ein Bild von der Situation in Tibet zu machen, die internationalen Medien für sich zu gewinnen. Das internationale Pressezentrum des Außenministeriums der VR China organisierte vom 12. bis 19. August für 32 Reporter, die 22 ausländische Medien vertreten, eine Reise nach Lhasa und Nyingtri. Im Mittelpunkt dieser Medienoffensive stand der Versuch Chinas, den von Peking erkorenen Panchen Lama, Gyaltsen Norbu, zu legitimieren, indem den Journalisten nahegelegt wurde, über dessen dritten Besuch in Tibet zu berichten.

1995 hatte die chinesische Regierung trotz ihres offiziellen Bekenntnisses zum Atheismus das Recht für sich in Anspruch genommen, Norbu als den Panchen Lama zu inthronisieren, nachdem sie den vom Dalai Lama ausgewählten 6-jährigen Gedhun Choekyi Nyima abgelehnt hatte. Der von dem geistlichen Oberhaupt des tibetischen Buddhismus als der wahre Panchen Lama identifizierte kleine Junge verschwand kurz darauf mit seiner Familie. Die chinesische Regierung weigert sich seitdem hartnäckig, seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben - angeblich damit "sein Familienleben nicht gestört werde".

Teil 10

Nomaden in der Provinz Qinghai durch hohe Steuerbelastung in ihrer Existenz gefährdet

Exzessive Steuern, das Einzäunen der Weiden und der Zwang zum Seßhaftwerden haben viele Nomadenfamilien in der Provinz Qinghai gezwungen, sich zu verschulden. Das Leben der Nomaden wird infolge der rücksichtslosen Durchsetzung einer verfehlten Regierungspolitik immer härter. Drei Neuankömmlinge aus der Provinz Qinghai, die vom TCHRD interviewt wurden, klagten über die offizielle politische Linie und äußerten ihre tiefe Besorgnis.

Sonam Tsering, ein 25 Jahre alter Nomade aus Qinghai, sah sich wegen der hohen Abgabenlast, die das Nomadenleben unerträglich hart für ihn gemacht hat, zur Flucht aus Tibet gezwungen. Er erzählte: "Wir sind zu sechst in unserer Familie, ich bin das jüngste von fünf Geschwistern. Wir hatten 30 Yaks und 100 Schafe zu unserem Lebensunterhalt. Bis 2003 mußten wir jährlich zwei oder drei Schafe als "Fleischtaxe" an die örtlichen Behörden liefern. Außerdem mußten wir noch 1.500 Yuan in bar abgeben. Alle Nomadenfamilien versuchen, ihre Steuern fristgerecht zu zahlen, andernfalls wird im nächsten Jahr doppelt so viel von ihnen gefordert.

2003 teilten die Behörden jeder Nomadenfamilie ein Stück Grasland zu. Wir bekamen fünf mu (1 mu = 67 m2) für unser Vieh zum Grasen. Die Behörden befahlen uns, das Weidestück einzuzäunen; unsere Familie mußte 2.000 Yuan von anderen leihen, um Stacheldraht zu diesem Zweck kaufen zu können. Das uns zugeteilte Stückchen Erde wird in kürzester Zeit von unseren Tieren leer gefressen, so daß sie schwächer und schwächer werden. Immer mal wieder sterben uns zwei oder drei Schafe weg, weil sie nichts zu fressen haben. Die Sache wird dadurch noch verschlimmert, daß wir 2.000-3.000 Yuan Steuern an die Behörden entrichten müssen. Darin sind die Abgaben auf Fleisch, Besitz und Weideland enthalten. Weil wir als Nomaden dermaßen in die Enge getrieben werden, floh ich aus Tibet und hoffe nun in Indien eine Ausbildung machen zu können".

Der 19-jährige Nomade Ngawang Palden, ebenfalls aus der Provinz Qinghai, erzählte dem TCHRD: "Ich komme aus dem Dorf Marong, Gemeinde Rusho, Distrikt Jyekundo, Provinz Qinghai. Die Menschen in der Nomadengegend von Marong ernährten sich von der Viehzucht und hatten ein glückliches Leben. Letztes Jahr, im Juli oder August, erhielten die Distriktsbehörden plötzlich eine Direktive von der Zentralregierung, daß die Anzahl der Tiere pro Haushalt reduziert werden müsse. Diese neue Verordnung über die vorgeschriebene Zahl an Tieren, die jede Familie halten darf, hat uns in eine sehr schwierige Lage gebracht und macht den Nomaden allgemein große Sorgen.

Vor der Einführung der neuen Regelung nannte meine Familie über 80 Haustiere ihr eigen, doch die neue Regelung beschränkte die Anzahl der Tiere pro Familienglied auf drei, so daß unsere Familie nur noch 18 Tiere behalten durfte. Am 13. August 2003 kamen sieben Beamte von der Distrikts- und zwei von der Gemeindeverwaltung, begleitet von 13 Polizisten, zu unserem Haus und transportierten 62 Tiere zum Verkauf an diverse chinesische Schlachthäuser ab.

Die Nomadenfamilien von Chushon, Chachok, Dora, Sanye, Thola und Morong, alle im Distrikt Jyekundo, wurden gezwungen, von staatseigenen Betrieben Draht im Wert von mindestens 8.000 Yuan zu kaufen, um Grenzzäune zu errichten, wozu noch weitere 1.500 Yuan an Transportkosten kamen. Es wurde ihnen erklärt, daß sie saftige Geldstrafen von bis zu 10.000 Yuan zu erwarten hätten oder für zwei Monate ins Gefängnis müßten, falls sie sich dem Befehl zur Einzäunung widersetzten. Den meisten Familien blieb daher nichts anderes übrig, als den Draht zu kaufen."

Ngawang Palden berichtete auch, daß die Regierung von den Nomadenfamilien diverse jährliche Steuern für die Weidetiere fordere - 700 Yuan für Pferde, 500 Yuan für Ziegen, 700 für Schafe, 1.500 für Rinder, dazu noch eine jährliche Personensteuer von 200 Yuan, 700 für Wasser und 1.000 für Futtergras. Dadurch wurden die einzelnen Familien sehr belastet. Ngawang Palden mußte der chinesischen Regierung zum Beispiel 6.200 Yuan an Steuern entrichten.

Der 25-jährige Dhondup aus der TAP Golog, Provinz Qinghai, erzählte dem TCHRD: "Die von der Regierung angeordnete Land-Verteilung an die nomadischen Haushalte basiert nicht auf der Anzahl der Tiere, die jede Familie besitzt, sondern auf der Anzahl der Personen der einzelnen Haushalte.

Grundsätzlich hat jedes Familienglied das Recht auf die Haltung von fünf Tieren, trotzdem ist die neue Regelung einfach widersinnig. Denn eine Familie mit einer großen Herde zählt vielleicht nur wenige Personen und umgekehrt. Diejenigen mit großen Rinderherden haben nicht mehr genügend Weidefläche und Wasser, so daß ihnen jedes Jahr 6-7 Stück Vieh sterben. Viele Familien wurden dadurch in die Armut getrieben. Darüber hinaus verlangt die Regierung von jeder Familie eine Mindeststeuer von 1.500 Yuan auf Futtergras, Land und Wasser. Der Chef der Landwirtschafts-Abteilung pflegte diejenigen, welche die erwähnte Steuer nicht bezahlten, ernst zu verwarnen. Wenn jemand daraufhin die Steuer immer noch nicht zahlte, wurde er vom zuständigen Volksgericht in Gewahrsam genommen und seine Geldbuße jeden Monat verdoppelt. Fast alle Haushalte sind in Not geraten und müssen nun ihr Vieh verkaufen, um die Schuldenlast abzutragen".

2003 richtete die Regierung eine neue Aufsichtsabteilung im Gebiet Golog ein. Ihre Aufgabe besteht in der Kontrolle des Graslandes in der Nomadengegend. Diese Behörde hat zwei neue Verordnungen erlassen und sie in den diversen Landkreisen der Region bekanntgegeben. Die erste besagt, daß jedes Familienglied nur ein Anrecht auf fünf Rinder hat, und daß Personen mit mehr als fünf Tieren zu einer Geldstrafe von 500 Yuan pro zusätzliches Stück Vieh herangezogen werden. Die zweite Verordnung macht es für jede Familie obligatorisch, das ihr zugeteilte Land einzuzäunen".

Teil 11

Portrait eines politischen Gefangenen: Fünf Jahre Arbeitslager wegen geheimer Fotoaufnahmen

Sherab, 42, stammt aus dem Dorf Arik, Bezirk Hainan, Provinz Qinghai. Als Kind besuchte er ein paar Jahre lang die dortige Grundschule und half dann seiner Familie bei ihrer Arbeit als Nomaden. 1981 wurde Sherab als Mönch im Kloster Tsang ordiniert und studierte danach buddhistische Philosophie. Im Kloster versuchte er oft, seine Freunde zu inspirieren und schärfte ihnen ein, wie notwendig es sei, ein starkes Gefühl ihrer tibetischen Identität zu bewahren und ihre tibetische Bildung zu erweitern.

1986 begab sich Sherab nach Indien, um den Segen des Dalai Lama einzuholen. Er blieb noch einige Zeit in Indien, um Englisch zu lernen. Nach ein paar Jahren kehrte er nach Tibet in sein Kloster zurück. Dort schloß er seine buddhistischen Studien ab und begann sich dann für tibetische Medizin und Astrologie zu interessieren. So wurde er zum Hausarzt für seine Mönchsgemeinschaft, und in seiner Freizeit behandelte er außerdem viele Laien. Er widmete sich auch der Erforschung der Geschichte des Klosters und dessen Artefakten. Wenn Touristen oder interessierte Tibeter zu Besuch kamen, fungierte er oft als Guide. Allmählich wurde er zu einer wichtigen Person im Kloster.

1992 unternahm er eine Pilgerreise nach Indien, wobei er auch Spenden für den Bau einer Schule in seinem Heimatort sammeln wollte. Leider hatte er bei diesem Unterfangen keinen Erfolg und kehrte daher in sein Kloster zurück.

Anfang 2002 begannen die Chinesen, auf dem Gashar Hügel in der Nähe von Sherabs Kloster nach Gold zu graben. Als er sah, welche Bedrohung der Goldabbau für die Umwelt darstellt, machte er insgeheim einige Aufnahmen und schrieb einen detaillierten Bericht über die Goldschürf-Aktivitäten der Regierung und ihre Auswirkungen. Er wollte die Außenwelt über die Umweltschäden informieren, die in seiner Heimat angerichtet werden. Bedauerlicherweise nahmen Sicherheitsbeamte aus Xining Sherab im November 2002 fest, denn wegen seines zweimaligen Besuches in Indien hatten sie Verdacht gegen ihn geschöpft und ihn seit geraumer Zeit überwacht.

Sherab wurde ohne Gerichtsverhandlung inhaftiert und während der Vernehmungsphase grausam gefoltert. Seine Angehörigen waren lange Zeit völlig im Ungewissen über seinen Verbleib. Nach wiederholten Versuchen, ihn ausfindig zu machen, informierte ein Beamter der Kreisverwaltung von Thunde die Familie, daß Sherab in ein Arbeitslager für Ziegelherstellung am Rande des Bezirks Xining verlegt worden sei.

Als seine Familie ihn schließlich besuchen konnte, erzählte er ihr, daß er nach der Festnahme bei den Verhörssitzungen brutal gefoltert worden sei. Anfang 2003 erhob das Mittlere Volksgericht der Stadt Xining Anklage gegen Sherab wegen "Gefährdung der Staatssicherheit" und verurteilte ihn zu 5 Jahren Haft. Sherab verbüßt gegenwärtig seine Strafe in dem Arbeitslager, in dem Ziegel gefertigt werden. Es heißt, daß sein gesundheitlicher Zustand sich infolge der Inhaftierung und der Zwangsarbeit in dem Lager erheblich verschlechtert habe.