Teil 1 |
Neue Festnahmen im Zusammenhang mit Tulku Tenzin Delek
Zuverlässigen Quellen zufolge wurden zwei Tibeter aus dem Distrikt Karze, Provinz Sichuan, im Zusammenhang mit dem Fall von Tulku Tenzin Delek und Lobsang Dhondup festgenommen - wahrscheinlich unter dem Verdacht der Weitergabe von Informationen über den Tulku und Lobsang Dhondup.
Am 12. Februar wurde der Geschäftsmann Taphel um 19.00 Uhr von sechs Polizeibeamten in seiner Wohnung verhaftet. Taphels Frau, die aus der Gemeinde Lithang Zampa stammt, ist die Nichte des Tulku. Die Familie zählt acht Personen, darunter auch Taphels Vater Wangdu.
Der zweite Festgenommene ist der Geschäftsmann Dhedhe aus der Gemeinde Lithang Derge. In der Nacht des 14. Februar wurde er im Distrikt Nyagchuka von der Polizei verhaftet. Der 42-jährige Dhedhe ist ein Cousin von Tulku Tenzin Delek, und einschließlich seines Vaters Apak zählt seine Familie vier Personen. Dhedhe war einer der zwei Verwandten, die bei der nicht-öffentlichen Gerichtsverhandlung, bei der der Tulku und Lobsang für schuldig befunden wurde, anwesend waren.
Unlängst wurde bekannt, daß eine dritte Person, nämlich Tsering Dhondup, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Tsering Dhondup wurde etwa zwei Monate nach Tulku Tenzin Deleks Festnahme am 7. April 2002 verhaftet. Er ist Dorfchef von Othok im Distrikt Nyakchuka. Einer zuverlässigen Information zufolge befindet sich Tsering Dhondup derzeit in dem Haftzentrum von Dartsedo. Dem TCHRD wurde bisher noch nichts über den Aufenthaltsort von Taphel und Dhedhe oder die gegen sie erhobenen Anklagen bekannt.
Lobsang Dhondup wurde am 26. Januar 2003 hingerichtet, und Tulku Tenzin Delek wurde zum Tod mit zwei Jahren Aufschub verurteilt. Die Urteile wurden am 2. Dezember 2002 von dem Mittleren Volksgericht von Karze verkündet. Die Gerichtsverhandlung entsprach nicht den internationalen Standards und fand hinter geschlossenen Türen statt. Wie verlautet, wurden Lobsang Dhondups Familienangehörige am 17/18. Februar von der Polizei der TAP Karze aufgefordert, seinen Leichnam abzuholen, aber nachdem sie die einen halben Tag dauernde Busfahrt nach Dartsedo unternommen hatten, wurde ihnen nur ein Sack voll Asche ausgehändigt, die angeblich die von Lobsang Dhondup stammte.
Acht Personen sind derzeit im Zusammenhang mit dem Fall des Tulku inhaftiert, darunter Taphel, Dhedhe und Tsering Dhondup, außerdem werden zwei Personen vermißt. Vier, nämlich Asher Dhargyal, Tamding Tsering, Dhondup und Tsultrim Dhargyqal, wurden in der Nacht des 7. April zusammen mit dem Tulku verhaftet. Luzi Tashi Phuntsok, der Zuchtmeister (tib. gaekoe) und ehemalige Verwalter des von dem Tulku gegründeten Klosters Thekchen Jangchup Choeling, wurde wahrscheinlich im Juli oder August 2002 festgenommen. Als Zuchtmeister des Klosters oblag Luzi Tashi eine große Verantwortung, wozu auch die Organisation von Gebetszeremonien und Festen gehörte. Über den Verbleib der beiden jugendlichen Waisen (Namen nicht bekannt), die in der direkten Obhut des Tulku standen und ihm dienten, weiß man nichts. Seit Mai/Juni 2002 sind sie verschwunden, und niemand soll sie seitdem gesehen haben.
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Teil 2 |
Das TCHRD verurteilt die Hinrichtung von Lobsang Dhondup und die Bestätigung des Todesurteils über Tulku Tenzin Delek
Am Sonntag, den 26. Januar 2003, wurde Lobsang Dhondup unmittelbar nach einer geheimen Sitzung des Höheren Volksgerichts der Provinz Sichuan hingerichtet. Dasselbe Gericht bestätigte auch das über Tulku Tenzin Delek verhängte Todesurteil mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub. Das TCHRD verurteilt streng die schockierende und unmenschliche Handlung der Hinrichtung Lobsang Dhondups und drückt seine tiefe Trauer darüber aus. Ebenso ist es erschüttert über die Bestätigung des aufgeschobenen Todesurteils von Tulku Tenzin Delek. Es ist überzeugt, daß es bei dem Prozeß gegen die beiden ungerecht zuging, denn er fand hinter verschlossenen Türen statt.
Die Freilassung einiger prominenter politischer Gefangener im letzten Jahr weckte Hoffnungen, daß sich die allgemeine Menschenrechtslage in Tibet verbessert haben könnte, doch die unlängst ergangenen Urteile machten sie alle wieder zunichte. Die Urteile kamen völlig überraschend und sie sind ungerecht.
Am 2. Dezember 2002 trat das Mittlere Volksgericht in der TAP Karze insgeheim zusammen und verurteilte Lobsang Dhondup zum sofortigen Tode mit lebenslangem Verlust der politischen Rechte und Tulku Tenzin Delek zum Tode mit einem Vollstreckungsaufschub von 2 Jahren. Beide wurden der angeblichen Beteiligung an einem Sprengstoffattentat am 3.April auf dem Hauptplatz der Stadt Chengdu, Provinz Sichuan, angeklagt. Andere gegen sie erhobene Anklagepunkte waren "illegaler Waffenbesitz" und "spalterische Aktivitäten".
Wegen des großen Aufschreis, den diese Urteile weltweit hervorriefen, fand die Exekution jedoch nicht wie geplant statt. Es wurde Berufung eingelegt und der Fall an das Höhere Volksgericht von Sichuan verwiesen. Das TCHRD ist fest davon überzeugt, daß sowohl der Hingeschiedene als auch der Tulku falsch beschuldigt wurden. In der offiziellen chinesischen Presse wurde die Bombenexplosion ganz unterschiedlich dargestellt, was zeigt, daß die Anschuldigungen erfunden sind.
So berichtete die Huo xin Zeitung in Sichuan am 5. April 2002, einige verdächtige Personen seien nach intensiver Ermittlung innerhalb von 10 Stunden festgenommen worden. Und das Ren min wang (Volks-Internet) von Xinhua ließ am 4. April 2002 verlauten, mit Hilfe eines Augenzeugen sei ein Verdächtiger innerhalb von 10 Minuten 200 m von dem Schauplatz entfernt festgenommen worden. Weiter heißt es dort, die Polizei habe Rückstände von Batterien, Zeitungen und Kleiderfetzen an dem Ort des Geschehens gefunden. Drei Personen seien bei dem Unfall verletzt worden: ein junges Mädchen, eine ältere Frau und ein Junge. Keine Rede war davon, daß an der Explosionsstelle tibetische Flugblätter politischen Inhalts gefunden wurden.
Der Prozeß war unfair, weil den Angeklagten keine gesetzliche Vertretung gestattet wurde. Einer aus Tibet zu uns gedrungenen Information zufolge soll der inzwischen exekutierte Lobsang Dhondup im Gerichtssaal "Weder der Tulku noch ich haben irgend etwas mit den Bombenexplosionen zu tun, die Gerichtsverhandlung war ungerecht" gerufen haben.
"Während das TCHRD seine tiefste Betroffenheit über den Tod Lobsang Dhondups ausspricht, macht es sich große Sorgen um das Schicksal von Tulku Tenzin Delek. Wir bitten um die sofortige Intervention der internationalen Gemeinschaft in dieser Sache", kommentierte die Vorsitzende des TCHRD Tsewang Lhadon.
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Teil 3 |
Nachruf auf den Märtyrer Lobsang Dhondup (1975-2003)
Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie entbietet dem Märtyrer Lobsang Dhondup seine Ehrerbietung und seine tiefsten Trauergefühle Der 28-jährige Lobsang Dhondup wurde am Sonntag Abend, den 26. Januar, in Ganzi (Kanze), einer Stadt in der Nähe der tibetischen Grenze in der Provinz Sichuan hingerichtet. Diese Hinrichtung erfolgte nach einem geheimen Gerichtsverfahren bei dem Obersten Volksgericht. Dasselbe Gericht bestätigte auch das über Tulku Tenzin Delek verhängte Todesurteil mit zweijährigem Aufschub.
Obendrein zu dieser schockierenden und entsetzlichen Nachricht drang die Information aus Tibet zu uns, daß Lobsang Dhondup vorher noch die Ohren abgeschnitten und Mund und Nase schrecklich entstellt worden waren. Der Körper des Hingerichteten wurde bisher nicht seiner Familie ausgehändigt. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfuhren, starb Lobsang Dhondup nach grausamer Folterung.
Am 2. Dezember 2002 fand vor dem Mittleren Volksgericht in der TAP Karze in der Provinz Sichuan ein Verfahren statt, bei dem Lobsang Dhondup zum unmittelbaren Tode mit lebenslangem Entzug der politischen Rechte und Tulku Tenzin Delek zum Tode mit einem Vollstreckungsaufschub von zwei Jahren verurteilt wurden. Beide wurden der angeblichen Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag am 3. April auf dem Hauptplatz (Tianfu) in Chengdu, Sichuan, beschuldigt. Weitere Anklagepunkte waren illegaler Waffenbesitz und spalterische Aktivitäten.
Infolge der zahlreichen Appelle erfolgte die Hinrichtung jedoch nicht sofort, und der Fall wurde an das Oberste Volksgericht von Sichuan verwiesen. Nach unseren Quellen aus Tibet soll der Angeklagte bei dem Prozeß am 2. Dezember geschrieen haben: "Weder der Tulku noch ich haben irgend etwas mit den Bombenattentaten zu tun, der Prozeß ist ungerecht!".
Trotz Chinas internationaler Verpflichtungen als Unterzeichnerstaat der Konvention gegen Folter, "wirksame legislative, administrative, juristische und andere Maßnahmen zu ergreifen, um Akte von Folterung an jedem seiner Jurisdiktion unterstehenden Ort zu unterbinden", werden regelmäßig Fälle von absichtlich zugefügter grausamer und demütigender Folter in den Gefängnissen berichtet. Das TCHRD ruft daher China auf, die Anwendung von Folter während der Verhöre und in der Untersuchungshaft zu verbieten und sich an die gesetzlich bindenden Vorschriften der UN Konvention zu halten.
Lobsang Dhondup wurde 1975 in Ngyachu, Kreis Lithang, TAP Kanze, Provinz Sichuan, geboren, seine Eltern sind Palden Phuntsok und Gathar Lhamo aus der Dudon Katsatsang Familie. In dem Dorf gab es keine Schule, weshalb Lobsang schon früh seinen Eltern bei der Landwirtschaft halt. Mit 20 heiratete er und wurde Vater zweier Kinder. Später verließ er seine Familie und wurde in einem von Tulku Tenzin Delek geleiteten Kloster Mönch. Dort blieb er etwa ein Jahr und wandte sich dann dem Geschäftsleben zu. Von einem Hotelzimmer in Ngyachu, Kreis Lithang, aus begann er mit Heilpflanzen und anderen Waren zwischen Kreis Nyagchuka und Chengdu Handel zu treiben. Wegen seiner nationalistischen Einstellung wurde er bald Zielscheibe der Verfolgung durch die Kreispolizei und die Verwaltungsorgane.
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Teil 4 |
Ergreifende Schilderung eines ehemaligen politischen Gefangenen
Der 29-jährige Phuntsok Tsering aus Karze ist ein Künstler, der Metallstatuen von Gottheiten anfertigt. Wegen seines Aufbegehrens gegen die widerrechtliche Gefangennahme von Geshe Sonam Phuntsok, einem angesehenen Religionslehrer im Distrikt Karze, am 25. Oktober 1999 mußte er eineinhalb Jahre lang hinter Gittern verbringen. Phuntsok Tsering, der nach seiner Entlassung nach Indien floh, berichtet über die Schrecknisse, die er in der Haft erlebte.
"Am Morgen des 26. Oktober 1999 hörte ich auf meinem Weg zur Arbeit, daß Geshe Sonam Phuntsok am Tag zuvor festgenommen worden war. Ich traf mich mit einigen Arbeitskollegen und Freunden, und wir beschlossen, daß wir uns für den Geshe einsetzen und seine Entlassung fordern sollten. Da alles spontan und ungeplant erfolgte, wußte ich nicht, wie viele Leute teilnehmen würden. Einmal drehte ich mich während des Protestes um und sah schätzungsweise 300 Leute hinter mir stehen. Alle hatten sie sich vor dem Tor der Polizeistation des Distrikts Karze versammelt. Zuerst flehten wir mit zusammengelegten Händen um die Freilassung des Geshe, doch die Antwort der Offiziere war grob. Yarga, der jüngere chu-trang, erklärte uns drohend, sie hätten direkten Befehl von oben erhalten, auf jeden zu schießen, der ungehörig seine Stimme gegen die Verhaftung des Geshe erheben sollte. Ich entgegnete Yarga: ""Töte mich auf der Stelle oder laß den Geshe frei, andernfalls werde ich mich selbst umbringen". Weil ihre strengen Warnungen uns nicht beeindruckten, versuchten sie, fünf von uns hineinzulocken, um "offen über das zu sprechen, was uns auf dem Herzen liegt". Ich traute ihnen nicht und sagte, keiner von uns würde seinen Fuß in das Gebäude setzen.
Um diese Zeit, es war etwa 10.30 morgens, umstellten uns ca. 100 bewaffnete Milizen vom PAP und dem PSB. Sie droschen wild auf die Menschenmenge ein. Ein Polizist des PSB Karze haute mir mit seinem Revolver auf die Nase. Ich schmeckte Blut im Munde und fiel bewußtlos um. Mein Freund wurde auch getroffen. Als ich zu mir kam, war ich blutüberströmt und wurde durch das Tor hineingeschleift. Dort mißhandelten sie weiter meinen Freund und mich. Wie die Hunde verdroschen sie uns. Als sie fertig mit uns waren, versuchte ich aufzustehen, konnte mich jedoch fast nicht auf den Füßen halten.
Fünf Tage und Nächte lang behielten sie uns in dem PSB Haftzentrum. Die ganze Zeit über schlugen sie uns abwechselnd. Wir litten unsäglich. Sie schütteten heißes Wasser auf unser Gesicht, traktierten uns mit Elektroschlagstöcken und schlugen uns mit Gewehrläufen und dicken Holzstöcken. Manchmal nahmen sie sogar einen Felsbrocken, den sie uns auf den Kopf schmetterten.
Nach fünf Tagen wurde ich in eine kleinere, etwa 11 x 11 Fuß messende Zelle verlegt. Einen Tag lang war ich alleine darin, aber dann wurden immer mehr Leute hineingepfercht. Alle waren sie wegen ihres Widerstandes gegen die Verhaftung des Geshe festgenommen worden. Insgesamt 12 Personen waren wir schließlich in dem winzigen Raum. Auch drei ältere Frauen waren darunter. Mit 25 war ich er Jüngste der Gruppe. Mein Freund und ich wurden am meisten mißhandelt, weil wir unmittelbar bei der Demonstration verhaftet wurden. Die übrigen wurden später, nachdem Ermittlungen angestellt wurden, aus ihren Wohnungen abgeführt. Die Älteste in der Gruppe war eine etwa 55-jährige Frau.
Es war uns verboten, miteinander zu sprechen, doch wir fühlten uns ohnehin zu erschöpft und krank um zu sprechen. Manchmal wurden wir aneinander gekettet, und dann wurden uns wieder die Hände hinter dem Rücken in Handschellen gelegt. Während der zwei Monate, die ich dort inhaftiert war, wurde ich 4-5 Mal täglich unter Schlägen vernommen. Anderthalb Monate lang gaben sie mir überhaupt nichts zu essen. Einige der anderen Insassen hatten einige Tsampa-Säckchen hereingeschmuggelt, was mich vor dem Verhungern bewahrte.
Die ganze Zeit über blieben wir auf diese Zelle beschränkt und durften nicht hinausgehen. Es gab kein natürliches Licht in dem Zimmer, und für unsere Notdurft hatten wir einen gemeinsamen Eimer. Den Polizisten war es ganz egal, daß auch Frauen in dem Raum waren. In der Tat wurden sie genauso mißhandelt wie wir. Wir hatten keinen Platz, um uns hinzulegen, und außerdem machte es uns der Umstand, daß wir zusammengekettet waren, fast unmöglich, uns auszustrecken. Zwei Monate lang mußten wir diese harten Bedingungen und den Gestank ertragen.
Jedes Mal, wenn ich zur Vernehmung und zu Schlägen geholt wurde, wurde auch der Rest der Gruppe irgendwie drangsaliert. Mehrere Milizionäre droschen zuweilen auf eine Person ein. Willkürlich holten sie uns zu verschiedenen Zeiten und schlugen uns. Der kleine Raum war überall von Blutspuren übersät. Die Peiniger pißten sogar einige Male in den Mund der Insassen. Diese Art der Demütigung blieb mir und ebenso den Frauen erspart. An einige Namen der Peiniger kann ich mich erinnern: Choekyap, Lolo, Yikhap, Yama Dorjee, Tsering, Namgyap, Yar-jar-ming, Yarchar, Phabying, Namgyab, Cha-zim-ming, Dra-pung-po-shor.
Am 20. Dezember 1999 kamen Beamte vom Mittleren Volksgericht der Präfektur Karze ins Haftzentrum. Acht von uns mußten sich vor der Zelle aufstellen. Sie machten ein Photo von uns und verlasen die Anklagen gegen uns und die Urteile. Nach ein paar Tagen wurden wir in das Gefängnis Menyang in der Stadt Menyang in der Provinz Sichuan verlegt. Ehe wir dorthin gebracht wurden, wurden uns fünf Minuten lang Besuche erlaubt.
Die Fahrt zu der Haftanstalt von Menyang dauerte vier Tage. Zuerst kamen wir in eine Einheit, wo wir militärartige Drill-Übungen absolvieren mußten, und zwar von 4 Uhr morgens bis 9 Uhr abends mit einer 10-minütigen Essenspause. Morgens zwangen sie uns auch manchmal, eine Stunde lang ein Video über die Größe der VR China anzuschauen. Zwei Monate lang wurden wir in dieser Einheit festgehalten, wo die Kost sehr dürftig und fast ungenießbar war. Wir litten fürchterlich.
Zwei Monate später kamen wir in die Arbeitseinheit No. 4 derselben Anstalt. Sie hatte etwa 4.000 Insassen - abgesehen von uns acht alles Chinesen. Wir mußten Ziegel herstellen. Die Bedingungen war entsetzlich, weil wir in brütender Sonnenhitze arbeiten mußten, dazu viele Stunden an einem Stück und das bei ungenügender Ernährung. Weil diese Anstalt so weit von unserer Heimat entfernt liegt, erhielten wir fast keine Besuche.
2001 wurde ich entlassen, aber auch nach dem Gefängnis war das Leben unerträglich. Ich wurde ständig drangsaliert. Im April wurde eines Tages wegen "mangelnder Dokumente" mein Fahrrad konfisziert. Ein andermal mußte ich ohne jeglichen Grund 400 Yuan Strafe zahlen. Schließlich beschloß ich, aus Tibet zu fliehen. Am 2. Januar 2003 erreichte ich Kathmandu.
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Teil 5 |
Nachruf auf Lobsang Damchoe, einen engagierten Freiheitskämpfer
Lobsang Damchoe, ein ehemaliger Häftling der Haftanstalt Nyari, starb am 31. Januar 2003 im Alter von etwa 65 Jahren nach langem Leiden an thyreoider Tuberkulose in Gyantse. Als ein entschiedener Streiter für Gerechtigkeit drückte Lobsang trotz starker Beschränkungen seitens der Behörden offen seine Unterstützung für die vom Dalai Lama anerkannte Reinkarnation des Panchen Lama (Gedhun Choekyi Nyima) aus. 1996 wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, aber bereits ein Jahr später aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes freigelassen.
Lobsang, der ursprünglich aus Yawu Drina Phuntsok Khangsar stammte, trat in jungen Jahren in das Palkor Choede Kloster in Gyantse in Südtibet ein. Kurz nach der Besetzung Tibets durch die Chinesen schloß er sich 1959 - er war damals 24 Jahre alt - der Widerstandsbewegung an. Er wurde verhaftet und saß mehrere Jahre lang im Gefängnis in Tsang Ema Gang. Nach seiner Freilassung 1979 versuchte er wieder in sein Kloster einzutreten, was ihm jedoch anfänglich verwehrt wurde. So verbrachte er seine Zeit, indem er bei Familien zu Hause Langlebens-Pujas (tib. shabs-brten) ausführte. Es dauerte jedoch noch ein Jahr, ehe er eine persönliche Haushaltsregistrierung (chin. hukou) bekam. 1993 wurde er Kustos (tib. sku-gnyer) des berühmten Kumbum Tempels von Gyantse, eine Stellung, die er bis 1996 innehatte.
Wegen seines unerschrockenen Auftretens rief Lobsang viel Ärgernis hervor. Die "Kampagne zur patriotischen Umerziehung", die 1996 in Gang gesetzt wurde, brachte auch das Verbot von Dalai Lama Bildern und seine Verunglimpfung mit sich. Religiöse Aktivitäten wurden genauestens überwacht, und die religiösen Institutionen wurden starken Beschränkungen unterworfen. Lobsang weigerte sich, das Bild des Dalai Lama aus seinem Tempel zu entfernen, so daß es von den Behörden gewaltsam beseitigt werden mußte. Bereits 1995 war Lobsang in den Besitz eines Exemplars des Langlebensgebetes für Gedhun Choekyi Nyima gelangt und während des Lhabab Duechen Festes 1996 verteilte er Kopien davon im Kloster und in der Stadt. Einige Tage darauf kamen chinesische Behördenvertreter ins Kloster und stellten bei Lobsang eine Durchsuchung an. Sie fanden von der Tibetischen Exilregierung gedruckte Schriften über Demokratie, die verbotene tibetische Nationalflagge, ein Bild des Dalai Lama und ein Exemplar des Langlebensgebetes.
Im November 1996 wurde Lobsang bei sich zu Hause festgenommen. Anfänglich war er 15 Tage lang im Haftzentrum von Gyantse eingesperrt, wo er Hand- und Fußschellen tragen mußte. Im März 1997 wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und in die Haftanstalt Nyari in Shigatse verlegt. Auch dort waren seine Hände und Füße zwei Monate lang gefesselt. Verwandte von ihm im Exil meinen, daß dieser Umstand - besonders in den kalten Wintermonaten in Tibet - sein Leiden verschlimmert haben könnte. Nachdem er etwa 1 Jahr und 18 Monate eingesperrt gewesen war, kam er 1997 aus medizinischen Gründen frei.
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Teil 7 |
Gesundheitszustand eines Gefangenen durch Folterung schwer beeinträchtigt
Der 31-jährige Lobsang Rinzin wurde im Kreis Pashoe (45 km südwestlich von Chamdo), Präfektur Chamdo, TAR, geboren. Er kommt aus einer Bauernfamilie und ist der Mittlere von sechs Kindern. In einem Alter, in dem Kinder gewöhnlich zur Schule gehen, lernte Lobsang das Thangka-Malen (religiöse Rollbilder).
Mitte 1995 kam Lobsang auf Pilgerfahrt nach Indien, wo er vorerst blieb. Er besuchte eine "Transit-Schule" (eine Schule für erwachsene Flüchtlinge, die sich im Exil weiterbilden möchten). Nach etwa einem Jahr an dieser Schule kehrte er nach Tibet zurück.
Nun verdiente er sich seinen Lebensunterhalt durch das Malen von Thangkas. Er war beim Serpung Kloster, einem lokalen Kloster in seinem Heimatdistrikt, angestellt. Dort leistete er auch politische Aufklärungsarbeit. Er hatte eine Menge Freunde im Kloster und war wegen seines Enthusiasmus für die Freiheit Tibets sehr populär.
Ende Juni 1997 schmiedete Lobsang zusammen mit sieben Mönchen desselben Klosters (Lobsang Dechen, Lobsang Topchen, Dawa Dorjee, Ngawang Choephel, Rinzin Choephel, Sherab Tsultrim und Tashi Phuntsok) Pläne für einen Protest im Kreis Pashoe. Während der Zeremonie zur Übergabe Hongkongs am 1. Juli 1997 marschierte die Gruppe zum Gebäude der Kreisverwaltung und rief Freiheitsparolen. Der Protest kam für die Behördenvertreter, die gerade den Anlaß feierlich begingen, völlig überraschend.
Da sie eine Massenansammlung befürchteten, riefen sie PAP (bewaffnete Volkspolizei) und PSB Milizionäre herbei, die kurzer Hand alle acht Demonstranten festnahmen und sie erbarmungslos schlugen. Sie wurden in das Haftzentrum des Kreises Pashoe eingeliefert und nach 10 Tagen in das PSB Haftzentrum der Präfektur Chamdo verlegt. Dort wurden sie intensiv und unter Mißhandlungen vernommen. Etwa 4 Monate lang wurden die Mönche in dem Haftzentrum Chamdo festgehalten, und während dieser Zeit durften sie von niemandem besucht werden.
Später verurteilte das Mittlere Volksgericht von Chamdo Lobsang zu acht Jahren, während Dawa Dorjee, Lobsang Thargay, Lobsang Dechen (alle um die Zwanzig) vier Jahre und die drei anderen sechs Jahre Gefängnis bekamen. Nach weiteren zwei Wochen wurden sie in die Einheit No. 5 des Drapchi Gefängnisses verlegt.
Im Oktober 1999 kamen Beamte vom Sicherheitsdienst Chamdo nach Drapchi, denn sie beabsichtigten Lobsang, Dawa und Sherab erneut zu vernehmen. Zu diesem Zweck wurden die Häftlinge in eine neue Haftanstalt der Staatssicherheit (chin. An Quan Thing) in der Nähe des PSB Haftzentrums der TAR verlegt, wo sie die nächsten zwei Monate intensiv verhört wurden. Sie wurden auch gefoltert und mit verschiedenen Gegenständen geschlagen, so daß Lobsang mehrere Male das Bewußtsein verlor. Hinkend und schwer verletzt wurden sie nach Drapchi zurückgebracht.
Am 16. März 2001 wurde Lobsang zusammen mit drei weiteren Mitgefangenen, Sonam Dhondup, Yeshi Genpo und Tenzin Norgay, wieder zur Vernehmung geholt: Ein Informant hatte sie angeschwärzt, sie würden sich heimlich bei der Toilette treffen. Sie wurden in separate Verhörszellen gesetzt und von vier Beamten unter Schlägen zwei Stunden lang vernommen. Yeshi Genpo blutete so sehr aus dem Mund, daß er beinahe gestorben wäre.
Auch Lobsang Rinzins Zustand ist infolge der fortgesetzten Schläge sehr bedenklich. Es heißt, er habe gebrochene Rippen und einen schweren Nierenschaden davongetragen. Mit seiner Entlassung ist erst 2005 zu rechnen.
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