Human Rights Update

Januar 2003

Inhalt
  1. Zusammenfassung des Jahresberichtes 2002 des TCHRD
    Schluss
  2. Empfehlungen zum Jahresbericht 2002 des TCHRD:
    Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
    Bürgerliche und Politische Rechte
  3. Ein beim Volk beliebter Geshe von Karze sitzt wegen Gebeten für den Dalai Lama im Gefängnis

Teil 1

Zusammenfassung des Jahresberichtes 2002 des TCHRD

Angesichts des Mangels an Durchsichtigkeit und der geheimnistuerischen Arbeitsweise der chinesischen Behörden war es auch im Jahre 2002 eine schwierige Aufgabe für das TCHRD, die Menschenrechtsverletzungen in Tibet zu verfolgen und die Lage zu beurteilen. Hinzu kommt noch Pekings geradezu zynisches Verhalten, um der internationalen Kritik an seinem Umgang mit den Menschenrechten in Tibet zu entgehen. In Ermangelung eines freien und ungehinderten Zugangs zu Tibet untersuchte das TCHRD die akademischen Veröffentlichungen und die Weißbücher der Regierung, um etwas über die chinesische Politik in Tibet zu erfahren oder es nutzte die von unabhängigen Touristen gelieferten Informationen. Die größte Quelle stellen jedoch nach wie vor die Zeugnisse der Flüchtlinge aus Tibet dar, deren Aussagen für das Verstehen der Lage vor Ort entscheidend sind.

Das Jahr 2002 war von wichtigen Veränderungen im politischen Gefüge der VR China (PRC) geprägt. Der 16. Parteikongreß der Chinesischen Kommunistischen Partei (CCP) wählte im November Hu Jintao zum Parteisekretär und erkor ihn damit zum neuen Steuermann Chinas - einen Mann, der außerhalb Chinas kaum bekannt ist, der aber den Tibetern als jener Hardliner in Erinnerung ist, der 1989 für die Ausrufung des Kriegsrechts in Tibet und für die Einführung einer repressiven politischen Linie verantwortlich war, die einem relativ liberalen Jahrzehnt in der Region ein Ende setzte.

2002 war auch von Widersprüchen gekennzeichnet, die immer schärfer hervortraten. Chinas Menschenrechtspolitik und seine Praxis in Tibet waren nicht nur in sich widersprüchlich, sondern auch ohne jegliche Konsistenz. Peking pflegte eine Art von "Menschenrechtsdiplomatie", um unter dem Deckmantel von Zugeständnissen neue Attacken auf Dissidenten zu starten - in der Annahme, daß die Weltpolitiker nach einer Geste guten Willens weniger heftig reagieren würden.

Die 58. Sitzung der UN Menschenrechtskommission (UNCHR) war für die Völker Tibets, Ostturkestans (Xinjiang) und der Inneren Mongolei, ebenso wie für zahlreiche Bürger Chinas, sehr enttäuschend. Mit ihrer Ablehnung einer "Resolution zu China" unterließen es die Mitgliedstaaten der UNO wieder einmal, China wegen seines erbärmlichen Menschenrechtsgebarens zu rügen oder zu verurteilen.

Das Prinzip der Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte, welches von den UN-Delegierten nach der Wiener Erklärung von 1993 nachdrücklich bekräftigt wurde, fand sich in den Reden der chinesischen Diplomaten bei der UNO dieses Jahr unverfroren negiert. Dem chinesischen Vize-Außenminister Wang Guangya zufolge "ist es für die einzelnen Länder nur natürlich, wenn sie infolge ihrer verschiedenen Geschichte, Kultur, sozialen Systeme und ihrer wirtschaftlichen Entwicklungsstufe unterschiedliche Ansatzpunkte haben und unterschiedliche Wege bei der Verwirklichung der Menschenrechte einschlagen". China meint, das Recht auf eine besondere Form des Relativismus zu haben. Tatsächlich erhebt es damit aber den Anspruch darauf, von dem eigentlichen Prinzip der Universalität der Menschenrechte ausgenommen zu werden.

Das TCHRD verfolgte im ganzen Jahr 2002 die Menschenrechtslage in Tibet genau, bemerkte aber fast nichts von einer echten Anstrengung seitens der chinesischen Behörden, den Tibetern zu einem besseren Leben zu verhelfen oder ihnen ihre grundlegenden Freiheitsrechte zu gewähren. In diesem Jahr bemühte sich China auf jede nur erdenkliche Weise, die Stimme der Dissidenten sowohl im eigenen Land als auch außerhalb zum Schweigen zu bringen. Innerhalb des Landes wurden Dissidenten besonders heftig schikaniert und viele wurden verhaftet. Strenge Sicherheitsvorkehrungen herrschten während des 16. Parteikongresses um die Große Halle des Volkes in Peking. Hotels und Gästehäuser wurden streng angewiesen, keine Uighuren und Tibeter aufzunehmen.

Auf der internationalen Bühne machte sich China seine Stellung als Mitglied des UN-Sicherheitsrates zunutze, um die Akkreditierung von drei tibetischen Menschenrechtsgruppen (eine davon war das TCHRD) für die Teilnahme an Weltkonferenzen zu blockieren, etwa dem "World Summit on Sustainable Development" (Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung). An anderen Orten benutzten chinesische NGOs staatsbürgerliche Foren, um ihre Regierungspolitik vehement zu verteidigen - etwa das "Asian Civil Society Forum" (ACSF), das im Dezember 2002 in Bangkok abgehalten wurde.

"Ungeachtet der Intensivierung wirtschaftlicher Reformen widersetzte sich Chinas autoritäre Regierung allen Aufrufen nach politischer Liberalisierung und machte kaum Fortschritte bei der Verbesserung der bürgerlichen und politischen Rechte" – so der China-Ausschuß des US Kongresses (Congressional Executive Committee on China) in seinem Jahresbericht, August 2002.

In diesem Jahr unterzieht das TCHRD in seinem Jahresbericht Chinas Beachtung zweier internationaler Menschenrechtsverträge, nämlich der Internationalen Vereinbarung über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) und der Internationalen Vereinbarung über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (ICESCR), einer kritischen Prüfung. China ratifizierte den ICESCR am 27. März 2001, aber die Ratifizierung des ICCPR, den es am 5. Oktober 1998 unterzeichnete, steht immer noch aus.

Das Jahr begann mit einem positiven Zeichen, nämlich der Freilassung des prominenten politischen Gefangenen Ngawang Choephel im Januar. Dem folgte die Freilassung anderer bekannter Gewissensgefangener, wie Takna Jigme Sangpo und Ngawang Sangdrol, zwei von den politischen Häftlingen in Tibet, die die längsten Haftstrafen hatten. Das TCHRD erhielt Informationen darüber, daß insgesamt 90 politische Gefangene aus der Haft entlassen wurden, die meisten nach Verbüßung ihrer Strafe, ein paar auch vorzeitig. Indessen hörte das Zentrum von mindestens 40 neuen Festnahmen, so daß Ende 2002 auf der Liste der Gewissensgefangenen des TCHRD 208 Namen stehen.

Im September des Jahres war eine tibetische Delegation der Exil-Regierung in China – fast neun Jahre nach dem letzten Kontakt 1993. Dieser Besuch weckte neue Hoffnungen in der internationalen Gemeinschaft im allgemeinen und bei den Tibetern im besonderen. Obwohl die Delegation betonte, der Besuch sei hauptsächlich dazu erfolgt, um das Eis zu brechen und einen neuen und aufrichtigen Versuch zur Wiederherstellung der Beziehungen zu machen, spielte die Regierung in China die Sache auf einen Privatbesuch herunter. Selbst während des Aufenthaltes der Delegation in Tibet fuhren die Behörden in ihren Schmähreden gegen den Dalai Lama fort und nannten ihn einen "Spalter". Dem geistigen und weltlichen Oberhaupt aller Tibeter ein solches Etikett anzuhängen, erregt den Unmut seines Volkes. Das TCHRD ist der Ansicht, daß dieser Besuch insofern wesentlich ist, als ein positives Resultat in bezug auf eine echte Selbstbestimmung oder Autonomie mehr Grundrechte und Freiheiten für das tibetische Volk bedeuten würde.

Nach Jahren des sehr eingeschränkten Zugangs von Beobachtern aus dem Ausland zu der Region lud China im August und Oktober zwei Gruppen ausländischer Korrespondenten ein, die natürlich ständig eskortiert wurden. Geoffery York, einer der Journalisten, schrieb nach seinem Besuch in Tibets berüchtigtstem Gefängnis Drapchi, am 17. September 2002 in Globe and Mail:

"In fast jedem Zellentrakt präsentierte sich uns ein anderes inszeniertes Bild. So starrten etwa einhundert Insassen stur auf einen riesigen Fernsehschirm, auf dem ein Christmas Cartoon zu sehen war, ohne daß sie gewagt hätten, einen Muskel zu verziehen oder einen verstohlenen Blick auf die Besucher zu werfen... Nur etwa 100 Häftlinge waren sichtbar. Sie saßen ganz steif da und blickten schweigend auf einen amerikanischen Zeichentrickfilm in einem staatlichen chinesischen Fernsehkanal. Die Gefängnisleitung, die wegen eventueller Proteste nervös war, hatte sie offensichtlich davor gewarnt, einen Ton von sich zu geben oder sich zu bewegen."

Die geringere Häufigkeit von politischen Protesten in letzter Zeit ist jedoch kein Anzeichen dafür, daß die Tibeter unter der chinesischen Herrschaft etwa glücklicher geworden wären oder keine Sehnsucht nach Selbstbestimmung mehr hätten. Sie ist eher ein Resultat der verschärften Überwachung und der brutalen Unterdrückung durch die staatlichen Instanzen. Hinzu kommt die Angst der Dissidenten vor der schrecklichen körperlichen Mißhandlung, den Schlägen, der Folter und den langen Jahren hinter Gittern, wenn sie gefaßt werden. Mit der Neuauflage der Hartdurchgreif-Kampagne in Tibet gehen die Behörden jetzt auch gegen "illegale religiöse Aktivitäten" und jene vor, die "Tibeter illegal über die Grenze führen".

Die strategische Hardliner-Politik der PRC, die von ein paar wenigen Funktionären im Interesse des Staates konzipiert wird, geht an den echten Bedürfnissen der Tibeter vorbei: Nach der Charta der Vereinten Nationen sind sie ein Volk und haben daher das Recht auf Selbstbestimmung. Bereits in den UN-Resolutionen von 1961 und 1965 wurde die PRC aufgefordert, dem tibetischen Volk das "Recht auf Selbstbestimmung" zu gewähren.

Die Unterdrückung politischer, religiöser oder spiritueller Aktivitäten von Personen oder Personengruppen, die als eine Bedrohung für die Autorität des Staates oder die nationale Stabilität angesehen werden, hielt das ganze Jahr unvermindert an. Indem die Aktivitäten religiöser Würdenträger mit dem Terrorismus in Verbindung gebracht und Gerichtsprozesse hinter verschlossenen Türen abgehalten wurden, nahm die Verhängung extrem langer Haftstrafen auch in diesem Jahr weiter zu. Die Verurteilung von Tulku Tenzin Delek und seinem Gefolgsmann Lobsang Dhondup zum Tode am 3. Dezember provozierte internationale Schlagzeilen und traf das nach Selbstbestimmung strebende tibetische Volk als ein grausamer Schock.

Dem TCHRD gingen auch Berichte zu über zahlreiche Festnahmen von Tibetern, die aus dem Exil in die TAR zurückkehren wollten, sowie von Mönchen, die religiöse Zeremonien in Karze durchführten und über Menschen, die sich friedlich für die Unabhängigkeit einsetzten. Ehemalige politische Gefangene und viele andere, die im Laufe des Jahres aus Tibet flohen, berichten über willkürliche Festnahmen, Folter und Schläge. Ein Tibeter starb während der Haft.

Im religiösen Bereich wurde die Anti-Dalai-Lama Kampagne noch vehementer geführt, während traditionelle religiöse Praktiken und Glaubensäußerungen schweren Restriktionen unterworfen wurden. Die chinesischen Behörden zwangen den Klöstern Verwaltungsräte (Management Committees) und Besuche von Arbeitsteams auf, sie bestanden auf der Einhaltung der offiziellen Obergrenze für die Klostergemeinschaft, sie setzten das Mindestalter für Novizen auf 18 Jahre fest und führten politischen Unterricht für die Geistlichen durch. Im Jahr 2002 wurden einflußreiche religiöse Würdenträger in Tibet Opfer brutaler Verfolgung.

Auch die Zensur des Internets war 2002 ein hochbrisantes Thema. Man hörte, daß der Staat über 100.000 Cyberspace-Polizisten damit beschäftigt, eine strenge Kontrolle über das Internet auszuüben. Schlüsselworte wie Demokratie, Menschenrechte, Dalai Lama, Tibet und Taiwan, welche der PR China als verdächtig gelten, rufen Blockaden des Internets hervor. Nachrichten aus dem Ausland wurden streng kontrolliert und es gab fortlaufend Störungen von ausländischen Radio- und Fernsehsendern in Tibet.

Was nun die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte betrifft, so bleibt die Politik der Chinesen auf dem tibetischen Hochland weit hinter dem zurück, was nach internationalen Standards als eine gute Verwaltung gilt. Die chinesische Verfassung enthält Bestimmungen zum Schutz des Rechtes auf Lebensunterhalt, aber in der Praxis werden diese nicht beachtet. Aus den Zeugenaussagen der Flüchtlinge wird deutlich, daß eben diejenigen, welchen es obliegt, für die Geltendmachung dieser Rechte zu sorgen, Amtsmißbrauch treiben. Tibet bildet zusammen mit elf weiteren westlichen Provinzen eine der ärmsten und unterentwickeltsten Regionen Chinas. Es herrscht ein riesiges Einkommensgefälle zwischen Stadt- und Landbevölkerung.

Die gravierenden Probleme, welche die Tibeter mit ihrem Lebensunterhalt haben, sind letzten Endes darauf zurückzuführen, daß die PRC weder das Recht des tibetischen Volkes auf Selbstbestimmung anerkennt, noch ihm das Recht zu freier wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Entwicklung zugesteht, die das Kernstück des ICESCR bildet.

Im Rahmen des "Entwicklungsprogramms für den Westen" (Western Development Programme = WDP), das 1999 gestartet wurde, pumpt China Milliarden von Dollar nach Tibet und andere entlegene westliche Provinzen. Peking meint nämlich, solange die Wirtschaft des Landes floriere, würde alles andere schon von selbst ins reine kommen. Trotz des massiven Propagandarummels um das WDP sehen die Tibeter dessen Hauptziel in der Ausbeutung ihrer Naturschätze und in der Ansiedlung von Chinesen in ihrem Land. Zusätzlich zu der wirtschaftlichen Zielsetzung scheint das WDP auch die kulturelle Assimilierung zum Ziel zu haben. Die Gewinne daraus werden natürlich Regierungsbeamten, den lokalen Eliten und Unternehmern aus den wohlhabenden Küstenregionen Chinas mit Beziehungen zugute kommen. Die wichtigsten Projekte, nämlich die Eisenbahnlinie Golmud-Lhasa, die Erdgas-Pipelines, Wasserumleitungsprojekte und elektrische Überlandleitungen, bezwecken alle, die westlichen Ressourcen nach Osten zu lenken. Ein chinesischer Gelehrter hat das " Entwicklungsprogramm für den Westen" unverhohlen als eine Politik "der Ausbeutung des Westens und der Entwicklung des Ostens" bezeichnet.

Die PRC spricht in ihrem Weißbuch vom 22. Juni 2001 über tibetische Kultur von dem "großen Gewicht, das der Wahrung des dem tibetischen Volkes zustehenden Rechtes auf das Studium, die Verwendung und Entwicklung seiner Sprache in Wort und Schrift, beigemessen wird". Es hebt auch lobend die Erziehungspolitik in Tibet hervor und zitiert eindrucksvolle Statistiken über die Entwicklung des Bildungswesens in Tibet. Unter den 2.000 bis 2.500 tibetischen Flüchtlingen im Jahr ist der Prozentsatz derer, die des Lesens und Schreibens mächtig sind, jedoch nicht besonders hoch. Ein Großteil der jungen Leute flieht um der Freiheit willen und auf der Suche nach einer umfassenderen Erziehung außerhalb Tibets. In den ländlichen Gegenden Tibets wird die Bildung besonders vernachlässigt.

Bildungspolitik in Tibet bedeutet nichts anderes als Indoktrinierung mit kommunistischer Ideologie. Die Schüler werden gezwungen, den Dalai Lama zu verunglimpfen, die chinesische Version ihrer Geschichte zu lernen, und die Unterrichtssprache an den meisten Schulen ist jetzt Chinesisch, so daß die tibetische Sprache in den Hintergrund gedrängt wird. Als Folge hiervon sind viele Tibeter nicht mehr in der Lage, ihre eigene Sprache zu schreiben. Im Juli 2002 schlossen die chinesischen Behörden eine tibetische Privatschule in Lhasa: Die Schule "Tsangsul" legte nämlich große Betonung auf die Erhaltung der tibetischen Kultur.

In Tibet haben Tibeter nur einen sehr eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu den medizinischen Einrichtungen. Die Gesundheitsfürsorge für Tibeter bleibt weit hinter dem in China üblichen Durchschnitt zurück und entspricht nicht dem internationalen Standard für eine angemessene medizinische Versorgung. Die ständig ansteigenden Kosten für Krankenhausbehandlungen und der Mangel an ausgebildetem medizinischem Personal auf dem Lande tragen zu der sich zunehmend verschlechternden Gesundheitslage der Tibeter bei. Medizinische Versorgung ist kein allgemeines Recht mehr, sondern das Privileg derjenigen, die dafür zahlen können und die die richtigen Verbindungen haben.

Die Verhältnisse in den Gefängnissen in Tibet sind alarmierend und bleiben weit hinter dem internationalen Standard zurück. Sie sind überfüllt, die Belüftung ist schlecht, die sanitären Einrichtungen sind erbärmlich und die Ernährung ist miserabel. Das TCHRD verzeichnete den Tod von 79 Gefangenen seit 1986, die den unhygienischen und unmenschlichen Bedingungen in den Gefängnissen und der extensiven Folterung zum Opfer fielen.

Schluss

Die Welt konzentriert sich gegenwärtig hauptsächlich auf den Kampf gegen den Terrorismus. China hat sich der von den USA angeführten Anti-Terrorismus-Koalition angeschlossen, womit eine Kritik an Pekings Umgang mit den Menschenrechten durch westliche Regierungen, besonders den USA und die Europäische Union, unterbleibt oder zumindest sehr gebremst wird.

Das grundlegende Problem hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen und der Einschränkung der Freiheitsrechte für Tibeter ist der mangelnde Wille der chinesischen Regierung, entsprechende Gesetze durchzusetzen, oder ihr Mißbrauch der Gesetze. Es wird deutlich sichtbar, daß dort die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, die von ihrer universellen Anerkennung und Beachtung abhängen, nicht respektiert werden. "Leider werden diese Gesetze all zu oft nicht respektiert, oder die Gesetze eines Landes werden untergraben, um der Verletzung fundamentaler Menschenrechte oder dem Verstoß gegen bürgerliche Freiheiten einen Anstrich von Legitimität zu geben", sagte der UN-Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan anläßlich des Tags der Menschenrechte am 10. Dezember 2002.

Im Bewußtsein seiner zunehmenden globalen Bedeutung ist es gegenwärtig Chinas oberstes Ziel, sich der Welt als ein sauberes Land zu präsentieren. Sein wachsendes internationales Profil fand 2001 seinen Ausdruck in seiner Aufnahme in die Welthandelsorganisation und der erfolgreichen Bewerbung um die Abhaltung der Olympischen Spiele von 2008. Doch das kommunistische Regime bleibt der Welt wegen seiner Verletzung der Menschenrechte ein Greuel; außerdem sieht es sich der gewaltigen Opposition verschiedener Menschenrechtsgruppen, westlicher Länder und Sponsoren gegenüber, die dagegen sind, daß China Hilfe geleistet wird. Die internationale Kritik an seiner Tibet-Politik ist China ein ständiger Dorn im Auge, was sein globales Image betrifft.

Das TCHRD sieht einen Wandel in China jedoch als unvermeidlich an, und damit besteht Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Tibet-Problems. In Anbetracht der zu Tibet verabschiedeten Resolutionen, insbesondere des "Tibet Policy Act" des US Kongresses, der von Präsident George Bush am 31. September 2002 unterzeichnet und damit in das "United States Public Law 107-228" aufgenommen wurde, ruft das TCHRD die internationale Gemeinschaft dazu auf, den Druck auf die PRC solange aufrecht zu erhalten, bis es greifbare Anzeichen für eine Verbesserung im Umgang mit den Menschenrechten gibt. Peking muß sich an die internationalen Richtlinien für Menschenrechte halten, sowohl was seine eigenen Bürger als auch das Volk der Tibeter betrifft.

Um Xu Wenli, einen prominenten chinesischen Dissidenten, der Ende Dezember 2002 freikam, zu zitieren: "Innerhalb der chinesischen Gesellschaft zeichnen sich verstärkt Anzeichen für das Erwachen eines Bewußtseins für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte ab".

Teil 2

Empfehlungen zum Jahresbericht 2002 des TCHRD

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Das TCHRD bedauert, daß China dem UN Komitee für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte seinen ersten Bericht, der am 30. Juni 2002 fällig gewesen wäre, immer noch nicht unterbreitet hat.

Das TCHRD appelliert an China, seinen Verpflichtungen nachzukommen und geeignete Schritte zur Gewährleistung des Rechtes auf Arbeit und einen angemessenen Lebensstandard in Gang zu setzen.

Obwohl die chinesische Regierung den ICESCR ratifiziert hat, respektiert sie weder das Recht des tibetischen Volkes auf die Erhaltung seiner Kultur und Identität noch sein Recht auf Selbstbestimmung. Das TCHRD appelliert an China, den Tibetern zu erlauben, den Lehrplan und die Unterrichtssprache an tibetischen Schulen und Klöstern selbst zu bestimmen. Das TCHRD ruft China auf, mit seiner Umsiedlungspolitik, die den Lebensstandard der Tibeter so nachteilig beeinflußt, Schluß zu machen.

Das TCHRD bittet alle internationalen Entwicklungsgesellschaften, die mit China zusammenarbeiten, daß sie nachdrücklich auf der Beteiligung der Tibeter an den in Tibet begonnenen Entwicklungsprojekten, insbesondere dem "Western Development Programme", und zwar auf allen Ebenen, bestehen.

Das TCHRD fordert China auf, eine Gesundheitspolitik zu betreiben, die den Normen der medizinischen Versorgung, wie sie in den von der PRC ratifizierten internationalen Konventionen aufgeführt sind, entspricht. China muß sowohl seinen Bürgern als auch den Tibetern das Recht auf freie oder erschwingliche medizinische Dienstleistungen ermöglichen.

Das TCHRD bedauert, daß China es bislang versäumte, dem UN Komitee für die Rechte des Kindes seinen zweiten periodischen Bericht, der im März 1999 fällig gewesen wäre, zu unterbreiten.


Bürgerliche und Politische Rechte

Das TCHRD dringt darauf, daß die chinesische Regierung endlich die UN Übereinkunft über Bürgerliche und Politische Rechte ratifiziert.

Das TCHRD fordert, daß die chinesische Regierung die Reichweite und den Umfang des Begriffes "Gefährdung der Sicherheit des Staates" in ihrem Strafverfahrensrecht klärt. Die Zweideutigkeit dieses Begriffes wird nämlich ausgenützt, um eine ganze Bandbreite legitimer Rechte zu unterdrücken, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung und Freiheit der Rede.

Das TCHRD ruft die chinesische Regierung auf, alle Gewissensgefangenen freizulassen, die in den Gefängnissen, Arbeitslagern und Haftanstalten Tibets eingesperrt sind.

Das TCHRD fordert China auf, an alle Sonderberichterstatter der UN Menschenrechtskommission eine Dauereinladung auszusprechen, so wie es am 3. Dezember 2002 bereits 40 Länder getan haben.

Das TCHRD ersucht die chinesische Regierung, Tibetern, die innerhalb oder außerhalb Tibets Reisen unternehmen wollen, Freizügigkeit zu gewähren. Es muß ihnen gestattet sein, jederzeit ungehindert und ohne Furcht vor Schikanen oder Verhaftung in ihr Heimatland zurückzukehren.

Das TCHRD appelliert an die chinesische Regierung, die laufende Anti-Dalai-Lama Kampagne einzustellen und mit der "patriotischen Erziehung" von Mönchen und Nonnen aufzuhören. China darf nicht länger die Anzahl von Mönchen und Nonnen in den Klöstern des Hochlandes einschränken, noch die Mönchsgemeinden dazu zwingen, sich gemäß der kommunistischen Ideologie zu verhalten. Wir fordern die chinesischen Behörden ebenfalls auf, ihre atheistische Kampagne in Tibet einzustellen.

Das TCHRD wiederholt seinen Appell an die internationale Gemeinschaft und die Regierungen der Welt, den Fall von Gedhun Choekyi Nyima, des 11. Panchen Lamas von Tibet, der seit Mai 1995 verschwunden ist, zur Sprache zu bringen. Die chinesischen Politiker wiederholen immerzu nur, der Knabe sei in Sicherheit und es ginge ihm gut, aber bislang haben sie keinen Beweis dafür erbracht. Wir fordern die Befreiung von Gedhun Choekyi Nyima.

Das TCHRD appelliert an das UNHCR (UN Hochkommissariat für Menschenrechte), sich mit der Regierung des Königs von Nepal ins Benehmen zu setzen, um die Freilassung von 13 Tibetern zu erwirken, die wegen fehlender legaler Reisedokumente und Aufenthaltsgenehmigungen in Gefängnissen in Nepal einsitzen.

Teil 3

Ein beim Volk beliebter Geshe von Karze sitzt wegen Gebeten für den Dalai Lama im Gefängnis

Geshe Sonam Phuntsok ist in der Region Karze eine populäre Gestalt, die Leute dort verehren ihn als einen bedeutenden Gelehrten und buddhistischen Geistlichen. Geshe Sonam wurde 1955 im Kreis Karze, TAP Karze, Provinz Sichuan, geboren und wurde schon in jungen Jahren Mönch.

1996 war der Geshe auf Pilgerfahrt in Indien, wobei er einige seiner Schüler in dem Sera Thekchen Ling Kloster in Südindien wiedertraf. Während seines Aufenthaltes hatte er auch eine Begegnung mit dem Dalai Lama. Ende 1996 kehrte er nach Tibet zurück, wo er seine religiöse Lehrtätigkeit wiederaufnahm und Langlebens- Gebetszeremonien für den Dalai Lama vollzog. Seine Anhängerschaft wurde immer größer.

Am Morgen des 25. Oktober 1999, als er sich gerade zu einem religiösen Retreat (Schweigezeit) in der Gegend Wakhar in Karze zurückgezogen hatte, kamen etwa 60 Beamte des Public Security Bureau und nahmen Geshe Sonam Phuntsok fest. Barfuß und nur spärlich bekleidet wurde er mit vorgehaltener Pistole abgeführt. Nachdem sich die Nachricht über seine Verhaftung in Windeseile verbreitet hatte, versammelten sich noch am selben Tag annähernd 3.000 friedliche Demonstranten und riefen Parolen, in denen sie die sofortige Freilassung des Geshe forderten.

Nachdem die Leute trotz der Androhung schrecklicher Folgen durch die Behörden nicht aufhörten zu protestieren, wurde der Geshe um etwa 10 Uhr nachts aus dem Haftzentrum Karze zu dem Ort gebracht, an dem sich die Leute versammelt hatten. In Handschellen und schwer bewacht, ermahnte er die Leute, sich zu zerstreuen und nicht zur Gewalt zu greifen.

Um 9 Uhr des folgenden Tages versammelten sich die Anhänger des Geshe und andere Sympathisanten aus den benachbarten Landkreisen vor dem Gerichtsgebäude, zu dem der Geshe für einen nicht-öffentlichen Prozeß gebracht worden war. Als die Leute Parolen zur Unterstützung des Geshe riefen, warfen etwa 600 PSB und PAP Milizionäre Tränengaspatronen in die aufgebrachte Menge und gaben wahllos Schüsse ab, um sie auseinanderzutreiben.

Etwa 20 Protestierende mußten wegen der Schießerei ins Krankenhaus eingeliefert werden und an die 100 Personen wurden festgenommen. Nach eineinhalb Jahren wurde der Geshe im März 2001 offiziell zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er wurde unter anderem der "Aufhetzung der Volksmassen zu spalterischen Tätigkeiten, des Ersuchens um eine Audienz beim Dalai Lama und der Abhaltung von Gebeten für ein langes Leben des Dalai Lama" beschuldigt.

Im Dezember 2001 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Geshe im Gefängnis, und es wurden Magengeschwüre und ein zu niedriger Blutdruck bei ihm diagnostiziert. Am 21. Mai 2002 kamen drei hochrangige Kader von der Distriktverwaltung Karze nach Rongbatsang, dem Herkunftsort des Geshe, und kündigten seine mögliche Freilassung an. Sie ermahnten die Leute, sich nicht zu erregen und keine Unruhe zu stiften, aber bisher geschah noch gar nichts. Geshe Sonam Phuntsok befindet sich immer noch in der Haftanstalt Chuangdong No. 3.

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