30. Juni 2008 |
TibetInfoNet
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Strafexpeditionen, Plünderung von Klöstern und Schikanierung der BevölkerungObwohl auf die Unruhen im Frühjahr hin eine komplette Nachrichtensperre über die tibetischen Gebiete der VR China verhängt wurde, gelangen doch hin und wieder Mitteilungen aus unterschiedlichen Quellen in die Außenwelt, so daß ein recht deutliches Bild der massiven Repressionen entsteht, mit denen die Behörden Tibet überzogen haben. Die chinesischen Medien spiegeln vor, nur gewisse Einzelpersonen, die sich des Rechtsbruchs schuldig gemacht hätten, würden in objektiven und einwandfreien Verfahren abgeurteilt. Das widerspricht dem, was aus unabhängigen Quellen ans Licht kam. Diesen zufolge verdächtigen die Behörden nämlich ganze Teile der tibetischen Bevölkerung, mit den Aufwieglern zumindest zu sympathisieren; besonders Mönche und Nonnen haben sie dabei ins Visier genommen. Daraus folgt, daß die Regierung das, was sie behauptet, selbst nicht glaubt, daß die Unruhen nämlich nur das Werk einer „kleinen Gruppe von Separatisten“ seien. Sie scheint sich vielmehr voll bewußt zu sein, daß das Aufbegehren der Tibeter das Resultat einer generellen Ablehnung der praktizierten Politik und eine direkte Herausforderung der chinesischen Herrschaft über Tibet ist. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte, wozu auch die Verwüstung kulturellen und persönlichen Eigentums, die Einschüchterung und Unterjochung der Tibeter durch Maßnahmen, die von willkürlichen Geldstrafen bis zur Folterung reichen, zählen, wird von der Führung der VR China offenkundig geduldet, wenn nicht sogar aktiv unterstützt. Diese Strategie erinnert stark an die „Strafexpeditionen“, welche die einstigen Kolonialmächte unternahmen, um all diejenigen zu bestrafen, die die ihnen aufgezwungene Ordnung gestört hatten, und die anderen davon abzuhalten, weitere Unruhen anzufachen. Aus all dem wird ersichtlich, daß es unmöglich ist, eine von der Bevölkerung abgelehnte Fremdherrschaft auf Dauer mit anderen Mitteln als mit Gewalt aufrechtzuerhalten. Mehreren Augenzeugen aus der Gegend zufolge wurde das Kloster Labrang am 14. April 2008 nach Einbruch der Dunkelheit von Sicherheitskräften in zwei Reihen umstellt wobei es unklar ist, ob es sich um Polizei, Miliz (Bewaffnete Volkspolizei, PAP) oder Soldaten handelte. Diese besetzten außerdem den gesamten Klosterkomplex, so daß die Wege, die Tempel, Kollegien, Versammlungshallen und Wohnquartiere der Mönche miteinander verbinden, von bewaffneten Kräften wimmelten. Sie drangen auch in die Gebäude ein, zerstörten die Altäre und zerfetzten oder verbrannten Bilder des Dalai Lama vor den Augen der Mönche, sie konfiszierten Computer, Mobiltelefone und Geld. Bei ihrer systematischen Großrazzia, die sie bis zum nächsten Morgen fortsetzten, brachen die Soldaten oder Milizen in jede einzelne Mönchszelle ein. Was die Mönche am meisten aufbrachte, ist, daß die Sicherheitskräfte abgesehen von der Schändung der Bilder des Dalai Lama auch alte Thangkas und wertvolle Statuen, welche die Mönche einst vor den schlimmsten Exzessen der Kulturrevolution gerettet hatten, mit sich nahmen. Viele dieser Artefakte haben eine große emotionale, kulturelle, wirtschaftliche und in einigen Fällen auch historische Bedeutung. Entsetzt über diesen Vandalismus informierte der Oberlama des Klosters Labrang, Jamyang Zhepa, höhere Funktionäre in der Zentralregierung über das, was geschehen war, ohne jedoch bislang eine Antwort erhalten zu haben. Bei den wiederkehrenden Überfällen auf Klöster ist die Beschlagnahme von persönlichen Gegenständen, besonders von alten religiösen Objekten, nichts Ungewöhnliches. Ein Dokument, das TibetInfoNet zuging, enthält eine Aufzählung aller Artefakte, die bei einer Razzia im Kloster Tsandrok in der Provinz Gansu beschlagnahmt wurden, und gibt somit Aufschluß darüber, welche Art von Wertsachen die Sicherheitskräfte bei ähnlichen Überfällen auf andere Klöster mitnahmen. Das Kloster Tsandrok wurde am 18. April 2008 von ethnischen chinesischen Soldaten (Han) geplündert. Sie durchwühlten die Wohnquartiere der Mönche, die Versammlungshallen und Tempel unter dem Vorwand, sie müßten nach Waffen, vor allem Gewehren, suchen, die hier angeblich versteckt worden seien. Unter den mitgenommenen Gegenständen befanden sich Statuen, Thangkas und andere religiöse Objekte sowie alte Porzellanschalen und Schmuck. In Tibet ist es Brauch, daß die einzelnen Familien ihre wertvollsten Objekte einem Mönch und in jeder Familie gibt es mindestens einen Verwandten, der Mönch ist als Geschenk oder zur Aufbewahrung übergeben, denn die Klöster gelten als die sichersten Orte. Die Soldaten entwendeten Tsa Geleg, einem Mönch des Klosters Tsandrok, eine aus Kupfer und Gold gefertigte, 15 cm hohe antike Buddhastatue. Sie nahmen ihm auch eine Ritualglocke in einer alten Bambus-Lederhülle weg und acht alte Porzellanschalen. Von einem anderen Mönch, Amdo Tsultrim, wurden Goldstatuen von Palden Lhamo, der Beschützerin Tibets, und von Tara, einer wichtigen weiblichen Gottheit, konfisziert. Die bewaffneten Kräfte raubten auch sein Mobiltelefon im Wert von 2.500 Yuan. Die Liste der gestohlenen Gegenstände ist lang, aber für die Mönche und die Tibeter dort war das schlimmste Ereignis der Raub der heiligsten Statue des Klosters, nämlich seiner Schutzgottheit, Tha Og Chogyal, ein Geschenk des 7. Panchen Lama (1782-1853) an Shatha Palgyal. Die hoch geschätzte und viel geliebte Gold- und Silberstatue ist für die dortige Bevölkerung „der Inbegriff ihrer Seele und Geistigkeit“. So wurde doch das Kloster 1819 eigens zu ihrer Ehre erbaut. Die Beschlagnahmung persönlicher Besitzgegenstände ist nicht auf Klöster beschränkt, auch ländliche Gemeinden wurden in ähnlicher Weise heimgesucht. Alleine im Bezirk Machu sind Berichten zufolge zusätzlich zu den paramilitärischen Einheiten, die dort schon immer waren, 20.000 Soldaten stationiert worden. In den letzten zwei Monaten führten diese ihre Raubzüge durch und nahmen dabei willkürlich Menschen fest. Ein Nomade der Gegend berichtete, daß bewaffnete Polizei und Soldaten die Häuser durchsucht und den Bewohnern befohlen hätten, hinauszugehen und sich draußen aufzustellen. Die bewaffneten Kräfte beschlagnahmten nicht nur Bilder des Dalai Lama, sondern entführten auch den Familienschmuck aus Gold, Türkis und Korallen, außerdem andere wertvolle Gegenstände wie alte religiöse Statuen und sogar Bargeld. Außer in Vieh legen die Nomaden ihr Geld nämlich meistens in Schmuck, religiösen und rituellen Gegenständen und teurer Kleidung an. Sie deponieren es nicht bei den Banken, sondern pflegen es in ihrer Reichweite aufzubewahren oder in Preziosen anzulegen. Wiederholt wurde auch über die Beschlagnahmung der in Nomadengegenden allgegenwärtigen Motorräder, dem Stolz der jungen Männer und dem Ersatz für die traditionellen Pferde, berichtet. Die Verkehrspolizei in Machu konfiszierte Hunderte von Mottorädern von Nomaden, denen nun für die Auslösung eines jeden Stückes 1.500 Yuan abverlangt werden. Einer Quelle zufolge hat die Polizei so viele Motorräder beschlagnahmt, daß diese das gesamte Polizeigelände verstopften und sogar noch außerhalb auf den Straßen abgestellt werden mußten. Neben der willkürlichen Entwendung von Privatbesitz belegten die Sicherheitskräfte die Tibeter systematisch mit hohen Geldstrafen. Die Höhe variiert von Gegend zu Gegend, sie richtet sich nach den angeblichen Vergehen, die Informationen, die wir aus Machu, Golok, Ngaba und Luchu erhielten, lassen indes auf die allgemeine Größenordnung schließen. In diesen Gegenden muß jeder Tibeter, der festgenommen wurde, zwischen 5.000 und 20.000 Yuan Lösegeld zahlen, um frei zu kommen, egal ob er an einer Demonstration beteiligt war oder nicht. Diejenigen, die beschuldigt werden, „randaliert, zerstört und geplündert“ zu haben und es gibt kein Rechtsverfahren, um ihre Schuld oder Unschuld zu erweisen , werden mit einer Buße von 15.000 bis 40.000 Yuan bestraft. Wie gewaltig diese Summen sind, wird klar, wenn man bedenkt, daß das durchschnittliche Jahreseinkommen einer Nomadenfamilie bei etwa 20.000 Yuan liegt, wobei Bauern sogar noch weniger verdienen. Kobei aus der Gemeinde Ngora im Bezirk Machu, der am 16. März zusammen mit anderen demonstrierte, war einen Monat in Haft, wo er schwer geschlagen wurde. Er mußte wegen „Beteiligung an Krawallen“ 10.000 Yuan entrichten und weitere 350 Yuan für seine „Verpflegung“ während seiner Inhaftierung im Kreisgefängnis. Einundvierzig Leute aus der Gemeinde Ngara wurden am 16. April freigelassen, wobei jeder 5.000 Yuan Strafe zahlen mußte. Weitere fünfzehn Nomaden wurden Anfang Mai freigelassen, dabei wurden jedem 15.000 Yuan abverlangt. Ein angesehener Mönch der Gegend namens Lodoe Sangpo, der eine Privatschule für Nomadenkinder in Mera betrieb, wurde am 27. Mai freigelassen, nachdem er insgesamt 60.000 Yuan an Schmier- und Bußgeldern entrichtet hatte. Seine Schule wurde wegen seiner Beteiligung an den Protestaktionen geschlossen. Wenn man davon ausgeht, daß grob geschätzt alleine im Bezirk Machu über 2.000 Menschen inhaftiert waren, kann man sich vorstellen, daß die tibetischen Gemeinwesen durch die von den Lokalbehörden erhobenen Bußgelder auch in wirtschaftlicher Hinsicht gewaltig in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das Verhalten des Sicherheitspersonals, insbesondere seine Plünderung der Klöster und Privathaushalte, wirft die Frage auf, ob so etwas einfach mit einem Mangel an Disziplin erklärt werden kann. Ebenso läßt die Inkonsequenz bei der Festsetzung der Geldstrafen und das Fehlen einer einheitlichen Skala darauf schließen, daß die Sicherheitskräfte entweder das Gesetz "in ihre eigene Hand nehmen“, oder anfällig für Korruption sind, denn den Quellen aus der Region zufolge sind solche Geldstrafen unerlaubt. Es ist unwahrscheinlich, daß die vorgesetzten Behörden die Sicherheitskräfte ausdrücklich anwiesen, gesetzwidrig zu handeln. Auf der anderen Seite werden ähnliche Fälle von willkürlicher Erhebung von Geldstrafen und der Entwendung von persönlichen Besitzgegenständen, meistens nicht-politischem Material wie religiösen Artefakten, auch aus anderen Gegenden Tibets berichtet, darunter aus Ngaba, Machu, Rebkong, Labrang und Kardze. Dieses wiederkehrende Verhaltensmuster der Sicherheitskräfte legt die Vermutung nahe, daß die höheren Instanzen mit einer Art von stillschweigendem Einverständnis dem gegenüber stehen. Eine solche Haltung seitens der Behörden ist schließlich nichts Neues und liegt all den illegalen Prozeduren zugrunde, die überall in tibetischen Regionen anzutreffen sind, vor allem dem weitverbreiteten Gebrauch der Folter. Abgesehen von der Ausübung solchen materiellen Drucks ist die Verschärfung der patriotischen Erziehungskampagne ein typisches Merkmal der derzeitigen Repressionswelle, von der Klöster, Schulen, Arbeitseinheiten und Dörfer in ganz Tibet überrollt werden. „Patriotische Erziehung“ heißt, auf den Begriff gebracht, daß Tibeter gezwungen werden, vehement und öffentlich den Dalai Lama zu diffamieren und sich von ihm loszusagen und dann der VR China und der Parteiführung ihre Treue zu schwören. Viele Tibeter klagen bitterlich über den Zwang zur Teilnahme an den politischen Meetings und die ständige Überwachung, der sie ausgesetzt sind. Ein Tibeter aus Labrang erzählte TibetInfoNet, daß die Mönche mindestens zweimal am Tag zu den politischen Meetings gehen mußten, wobei sie in neun separate Gruppen unterteilt wurden und nicht miteinander sprechen durften. Daher wußte der Mönch nichts über den Verbleib der festgenommenen Mönche oder darüber, was mit jenen Mönchen passierte, die bei einer staatlich arrangierten Tour am 4. April ausländische Journalisten angesprochen und ihre Meinung geäußert hatten. Ein Student der Universität Lanzhu sagte, daß die tibetischen Studenten täglich politische Kurse besuchen mußten, die an die „Kampfsitzungen“ der Kulturrevolution erinnern. Sie mußten dabei Geständnisse ablegen, all ihre persönlichen Daten und Kontakte enthüllen, darunter auch die ihrer Angehörigen und Freunde, und die „Dalai Clique“ beschimpfen. Er klagte TibetInfoNet: „Es war psychisch und physisch dermaßen erschöpfend, daß ich es zeitweise eher vorgezogen hätte, ins Gefängnis gesperrt zu werden, als an diesen demoralisierenden Kursen teilzunehmen“. In ähnlicher Weise wurde von den Studenten in Lhasa verlangt, Aufsätze zu schreiben, manchmal mehrere am Tag, in denen sie die „Dalai Clique“ zu kritisieren hatten. Es wurde als Folge dieser Kampagnen über Verzweiflung unter den Studenten, Selbstmorde und neue Protestaktionen berichtet. Folterung, zumindest von nicht „zur Mitarbeit bereiten“ Häftlingen, ist bei der augenblicklich über die tibetischen Gebiete dahinrollenden Repressionswelle häufig und weit verbreitet. Eine Quelle, die in Kontakt zu mehreren Häftlingen aus Machu und Luchu steht, die freigelassen wurden, gab an, daß die Opfer geschlagen, getreten, gepeitscht und stundenlang von der Decke herunter hängengelassen werden, und daß die Vernehmungsbeamten außerdem die Sexualorgane der Männer und der Frauen mit elektrischen Schlagstöcken traktierten. Nach ihrer Freilassung müssen die Opfer sich selbst um medizinische Behandlung kümmern. Vier Mönche aus Labrang, Genja Sangnak, Genja Samten, Gedun, Jigme Goril, die Ende April aus dem Gefängnis kamen, wurden so heftig geschlagen, daß sie nicht mehr ohne fremde Hilfe gehen können. Genja Samten ist in kritischem gesundheitlichem Zustand, und alle haben sie innere Verletzungen davongetragen. Wie aus Ngaba (chin. Aba) verlautet, gibt es in der Gemeinde Jaro mindestens zwei bestätigte Fälle, wo die Häftlinge an den Folgen der Mißhandlungen während der Verhöre starben. Die 38jährige Nechung, Mutter von vier Kindern, wurde am 18. März wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Protestaktionen am 16. und 17. März in Jaro, wo sie ein Bild des Dalai Lama trug, festgenommen. Sie wurde ins Distriktgefängnis von Ngaba gesperrt und dort zusammen mit anderen Tibetern schwer geschlagen. Die Mißhandlungen wurden noch heftiger, als sie sich weigerte, ein Dokument zur Diffamierung des Dalai Lama zu unterzeichnen und der chinesischen Regierung Loyalität zu geloben. Sie weigerte sich auch, auf einem Bild des Dalai Lama herumzutrampeln. Daher droschen die Gefängniswachen so entsetzlich auf sie ein, daß sie halb ohnmächtig war, als die Polizei sie am 26. März nach Hause brachte; sie mußte gestützt werden und erkannte von ihren Angehörigen niemanden mehr. Als diese sie ins Krankenhaus bringen wollten, ließ die Polizei es nicht zu. Sie starb am 17. April, ohne daß sie wußte, wo sie sich befand oder ärztlichen Beistand erhalten hätte. Sie hinterläßt vier minderjährige Kinder; ihr Mann ist nach ihrer Festnahme untergetaucht, um der Verhaftung zu entgehen. Ein anderer Tibeter, Patsekyab, der ebenfalls bei den Protesten in Jaro dabei war, wurde ähnlich mißhandelt. Zuerst hatte er sich versteckt, stellte sich dann aber den Behörden auf deren Zusage hin, daß mit jenen, die sich freiwillig stellten, milde verfahren würde. Nach etwa drei Wochen im Haftzentrum von Jaro wurde er um den 27. April herum in das Distriktsgefängnis von Ngaba verlegt. Urplötzlich wurde seiner Familie am 25. Mai mitgeteilt, er sei an einem „Magenleiden“ gestorben und sie könnte seine Leiche aus dem örtlichen Krankenhaus abholen. Einer Quelle aus Ngaba zufolge war sein gesamter Oberkörper durch die heftigen Schläge angeschwollen und voller Prellungen. Er hinterläßt seine Frau und sechs Kinder. Wenn man bedenkt, daß die gegenwärtige Nachrichtensperre in den tibetischen Regionen eine systematische Berichterstattung unmöglich macht, dürften diese Schilderungen der Repressionswelle nur die Spitze des Eisberges der Menschenrechtsverletzungen sein, deren gesamtes Ausmaß noch ans Licht kommen und bekannt werden wird. Scharfe Sicherheitsmaßnahmen, Restriktionen und Kommunikationskontrollen gehören nun zum Alltag der Tibeter, und sie betreffen alle Schichten der Gesellschaft. Tibetischen Kadern in Städten wie Siling (chin. Xining), Lanzhou und Lhasa wurde erklärt, daß sie vor den Olympischen Spielen keinen Urlaub nehmen dürften. Jeder Tibeter, der einen Flug von Lhasa aus bucht, muß ein spezielles Formular am Flugplatz ausfüllen, während chinesische Reisende ohne Einschränkungen hin und her fliegen können. Einige Tibeter, die kürzlich China besuchten, erzählten, daß Tibeter, die nach chinesischen Städten wie Chengdu und Peking reisen, aufgefordert werden, sich bei der Ortspolizei zu registrieren und nur in den offiziell genehmigten Hotels zu übernachten. Allein schon die große Zahl an Militär- und Sicherheitsperson, das derzeit in den tibetischen Regionen präsent ist, erzeugt eine Atmosphäre ständiger Spannung. Die Tibeter ärgern sich über die Rohheit der Militärkräfte, ihren offenkundigen Rassismus und ihre völlige Mißachtung der Gefühle und Werte der Lokalbevölkerung. Wie sie sich Wildtieren gegenüber verhalten, kann man an dem Bild aus Amdo sehen, das ein Militärzelt zeigt, an dem Murmeltierfelle hängen, die in der Sonne getrocknet werden. Es wurde auch berichtet, daß die Soldaten die Wachhunde der Nomaden erschießen, so wurden beispielsweise über zehn tibetische Mastiffs in Ngora Shelkok getötet. Die starke Militärpräsenz, die Quasi-Ausgangssperre in den Städten und der Ausschluß der ausländischen Presse von der gesamten Region des tibetischen Hochlandes ermöglichen es den Behörden, die tibetische Bevölkerung fest im Griff zu haben. Gleichzeitig haben die Behörden alles daran gesetzt, um den Eindruck von Normalität und den Anschein zu erwecken, die Situation sei unter Kontrolle gebracht, ohne daß zusätzliches militärisches Personal abgestellt werden müßte. Aus mehreren Quellen in unterschiedlichen Gegenden wurde berichtet, daß am 28. März 2008, an dem Tag als eine kleine Gruppe ausgewählter Journalisten der Stadt Lhasa einen offiziellen Besuch abstattete, sich bewaffnete Soldaten auf dem Gelände von Regierungsämtern versteckten. Im Ruhestand befindliche Kader und Parteimitglieder wurden angewiesen, traditionelle tibetische Kleidung zu tragen, zum Jokhang, dem zentralen Tempel Lhasas, zu gehen und sich dort wie Gläubige oder Pilger zu verhalten. Die Mitarbeiter des Büros für Öffentliche Sicherheit und der Staatssicherheit legten zivile Kleidung an und gaben vor, entweder Touristen oder gewöhnliche Bürger Lhasas zu sein. In Labrang wurden am 9. April vor der Ankunft der ausländischen Journalisten die Soldaten entweder aus dem Kloster abgezogen und in die Täler der Umgegend geschickt oder sie verbargen sich in Regierungsgebäuden und auf deren Gelände. Die Ortspolizei und anderes Sicherheitspersonal waren als Pilger und Touristen verkleidet. In Machu, einer weiteren Station der Presseleute am 11. April, waren die lokalen Schulen geschlossen und den Schülern wurde gesagt, sie sollten nach Hause zu ihren Herden gehen. Ein großes Schild mit der Aufschrift „Bauarbeiten (im Gange)“ hing über dem Tor der örtlichen Mittelschule, in der eine große Zahl von Soldaten versteckt war. Die übrigen Soldaten zogen Zivilkleidung an oder sie gingen in die Berge. Diese Maßnahmen dienten einerseits dazu, die Präsenz der Sicherheitskräfte zu verheimlichen und die Truppen zu verstecken, die offiziell gar nicht in der Gegend hätten sein sollen, andererseits dazu, die tibetische Bevölkerung einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, während der Anwesenheit der Journalisten Protestaktionen zu inszenieren. Da all diese Maßnahmen die Tibeter in Lhasa und Labrang jedoch nicht davon abhalten konnten, ihre Meinung kundzutun, wurden in Machu noch weitere Vorkehrungen getroffen, um die zu Besuch weilenden Journalisten von der Menge zu isolieren. Hier legten die örtlichen Polizisten tibetische Tracht an und verkleideten sich als gewöhnliche Nomaden, dann scharten sie sich um die Journalisten. Die Mönche erhielten am Tag vor dem Besuch Anweisungen, wie sie auf Fragen zu antworten hätten. TibetInfoNet wurde eine Tonaufnahme zugespielt mit den Instruktionen, die ein chinesischer Beamter durch einen tibetischen Dolmetscher gab. Die Aufnahme zeigt, wie die Mönche dazu gebracht werden, die Parteilinie nachzubeten und wie sie unter anderem sagen mußten, daß sie „die Souveränität des Mutterlandes unterstützen und gegen die tibetische Unabhängigkeit sind“. Einige Bilder sowie die Tonaufnahme der Instruktionen an die Mönche finden sich auf der Website von TibetInfoNet unter http://www.tibetinfonet.net/content/update/121 |