Seit dem Ausbruch der friedlichen Proteste in Tibet am 10. März 2008 macht sich die chinesische Regierung den ungeheuren Einfluß der staatlichen Medien zunutze, um eine ganze Reihe von Behauptungen über die "Dalai Clique" zu verbreiten, die jeglicher Grundlage entbehren. Diese reichen von "Inszenierung der jüngsten Proteste in Tibet durch Seine Heiligkeit den Dalai Lama" bis zum "Versuch der Wiederherstellung des Feudalismus in Tibet".
Dies ist der dritte Teil der Antwortenserie der CTA (Central Tibetan Administration = tibetische Regierung-im-Exil) auf diese Anschuldigungen. Die chinesische Übersetzung dieser Erwiderung steht auf www.xizang.zhiye.org zur Verfügung; die tibetische findet sich auf www.tibet.net/tb/
Tibets traditionelle tibetische Gesellschaft und die Demokratie im Exil
Die chinesischen Behörden werfen S. H. dem Dalai Lama vor, er hätte vor, das wieder herzustellen, was sie als das alte tibetische Feudalsystem bezeichnen. Sie behaupten, das sei das ultimative Ziel des tibetischen Freiheitskampfes. Am 8. April zitierte die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua den Sprecher des chinesischen Außenministers Jiang Yu wie folgt: "Der Dalai Lama ist der Hauptrepräsentant des Sklavensystems, in dem Politik und Religion im alten Tibet verzahnt waren … Diese Art von Leibeigenengesellschaft ohne irgendeine Form von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten ist das übelste aller Sklavenhaltersysteme in der Geschichte."
Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein als diese Einschätzung. S.H. der Dalai Lama betrachtet sich als freien Sprecher der Tibeter. Die Tibeter haben darüber zu entscheiden, wie Tibet in Zukunft regiert werden soll. Wenn die Zeit kommt und S.H. der Dalai Lama und seine Gemeinschaft im Exil unter Bedingungen nach Tibet zurückkehren können, die für die Mehrheit der Tibeter akzeptabel sind, wird die Exilregierung aufgelöst und Tibet weiterhin von denjenigen Tibetern verwaltet werden, die heute für die chinesischen Behörden tätig sind. S. H. selbst hat ausdrücklich gesagt, er werde von jenem Tag an kein politisches Amt mehr innehaben.
Es ist nicht korrekt, die alte tibetische Gesellschaft als "Feudalgesellschaft" oder "Sklavensystem" zu bezeichnen. Wahr ist hingegen, daß die traditionelle tibetische Gesellschaft - wie die der meisten asiatischen Gesellschaften und insbesondere der chinesischen - lange Zeit rückständig und dringend reformbedürftig war. Dennoch ist es völlig falsch, den Begriff "feudal" mit seinem Bezug auf das mittelalterliche Europa auf die traditionelle tibetische Gesellschaft anzuwenden. Tatsächlich war Tibet vor der Invasion wesentlich egalitärer als die meisten anderen asiatischen Länder in dieser Zeit.
Hugh Richardson, der als letzter britisch-indischer Gesandter und erster des unabhängig gewordenen Indiens insgesamt neun Jahre in Lhasa verbrachte, schrieb: "Sogar die kommunistischen Schriftsteller mußten zugeben, daß die Unterschiede zwischen Reich und Arm in Tibet (vor 1949) nicht besonders groß waren." In ähnlicher Weise führt die International Commission of Jurists aus: "Nach unseren Untersuchungen basieren die chinesischen Behauptungen, es hätte vor dem Einmarsch Chinas keine Menschenrechte für die Tibeter gegeben, auf entstellten und übertriebenen Berichten über das Leben in Tibet."
Die tibetische Regierung in Lhasa war sogar deutlich repräsentativer für die Bevölkerung als irgendwo sonst in Asien. In seiner Autobiographie schreibt S.H. der Dalai Lama: "Die Nationalversammlung konnte auf dreierlei Weise einberufen werden. Die Minimalzusammensetzung tagte fast durchgehend und bestand aus den acht Beamten des Yig-tsang und des Tse-khang sowie weiteren Laienbeamten und Vertretern der drei großen Klöster von Lhasa - alles in allem etwa 20 Personen. Um spezielle Themen zu besprechen, konnte diese Kernversammlung ein größeres Gremium von ca. 30 Personen einberufen. Bei besonders wichtigen Angelegenheiten, wie der Bestätigung der Entdeckung einer neuen Reinkarnation des Dalai Lama, wurde die Vollversammlung einberufen, die über 400 Amts- und Privatpersonen umfaßte."
Hinsichtlich der sozialen Beweglichkeit und der Verteilung des Wohlstands unterschied sich das unabhängige Tibet vorteilhaft von den meisten anderen asiatischen Ländern dieser Zeit. Das tibetische Gemeinwesen war nicht theokratisch, so wie es China uns immer glauben machen will. Das Regierungssystem wurde als choesi-sungdrel bezeichnet, was ein politisches System beschreibt, das auf den buddhistischen Grundsätzen von Mitgefühl, moralischer Integrität und Gleichheit basiert. Ein solches System verlangt von der Regierung ein hohes moralisches Niveau und den mit Liebe und Mitgefühl ausgeübten Dienst am Menschen - also so, wie Eltern für ihre Kinder sorgen. Dieses Regierungssystem gründet auf dem Glauben, daß alle fühlenden Wesen den Samen eines Buddhas in sich tragen und entsprechend geachtet werden müssen.
Reinkarnationen des Dalai Lama, der das spirituelle wie auch das weltliche Oberhaupt der seines Volkes war, wurden auf eine Weise identifiziert, die sicherstellte, daß die Herrschaft über Tibet nicht erblich werden konnte. Die Mehrzahl der Dalai Lamas, darunter auch der XIII. und der gegenwärtige XIV. stammen aus gewöhnlichen Bauernfamilien aus entlegenen Gegenden des Landes.
Alle anderen Verwaltungsposten waren von Mönchen und Laien in gleicher Zahl besetzt. Während die Positionen der Laienbeamten erblich waren, standen die den Mönchen vorbehaltenen Posten für alle von ihnen offen. Eine große Anzahl der Mönchsbeamten stammte aus einfachen Verhältnissen.
Des weiteren bot das monastische System in Tibet uneingeschränkte Chancen auf soziale Mobilität. Die Klöster standen nicht nur allen Tibetern offen, sondern auch allen anderen Nationalitäten wie Chinesen, Mongolen, Indern aus allen Teilen des Landes von Ladakh bis Arunachal Pradesh. Die große Mehrheit der Mönche - insbesondere diejenigen, die auf die höchsten Positionen vorrückten - entstammte bescheidenen Verhältnissen und kam häufig aus entlegenen Dörfern in Kham und Amdo. Das lag daran, daß in den Klöstern jeder einzelne die Chance hatte, auf Grund seiner eigenen Gelehrsamkeit zu jedem möglichen Rang aufzusteigen. Ein bekanntes tibetisches Sprichwort sagt: "Verfügt einer Mutter Sohn über Wissen, so wartet der goldene Thron von Gaden [die höchste Position in der Hierarchie der Gelugpa Richtung des tibetischen Buddhismus] auf ihn“.
Die Bauern, die von der chinesischen Propaganda stur zu "Leibeigenen" erklärt werden, verfügten über eine juristische Identität, die häufig durch Dokumente, in denen ihre Rechte festgehalten waren, belegt wurde. Sie hatten auch Zugang zu den Gerichten. Die Bauern konnten ihre Herren verklagen und ihren Fall zur Berufung einer höheren Instanz vortragen.
Frau Dhondub Choedon stammt aus einer Familie, die zu den ärmsten Schichten im unabhängigen Tibet gehörte. Im Rückblick auf ihr Leben vor der chinesischen Besetzung schreibt sie: "Ich gehöre zu denen, die die Chinesen heutzutage als tibetische ’Sklaven‚ bezeichnen… Unsere Familie bestand aus sechs Personen… Wir lebten in einem zweistöckigen Gebäude mit einem ummauerten Hof. Unser Vieh hielten wir im Erdgeschoß. Wir hatten vier Yaks, 27 Schafe und Ziegen, zwei Esel und verfügten über viereinhalb khel (0,37 ha) Land… Wir hatten nie Probleme beim Erwerb unseres Lebensunterhalts. In unserer Gegend gab es keinen einzigen Bettler."
Sitten und Gesetze im alten Tibet untersagten den Landbesitzern die Mißhandlung und Unterdrückung von Bauern. Seit der Regierungszeit von König Songtsen Gampo im siebten Jahrhundert haben zahlreiche tibetische Herrscher Gesetzestexte in Kraft gesetzt, die auf dem buddhistischen Prinzip der "Zehn Tugenden des Dharma" basieren. Im Kern besagte das, daß die Herrscher ihre Untertanen behandeln sollten wie Eltern. So stand es auch im Kodex von Songtsen Gampo mit seinen 16 moralischen Grundsätzen and dem Kodex der 13 Regeln für Gerichtsverfahren und Strafen, die im 14. Jahrhundert von Phagmodrupa herausgegeben und im 17. Jahrhundert vom V. Dalai Lama überarbeitet wurden.
Das Gesetz ließ allerdings Verstümmelungsstrafen wie das Abschlagen einer Hand oder eines Fußes sowie das Ausstechen eines Auges zu. Derartige Strafen wurden nie leichten Herzens verhängt und auch nur bei Wiederholungstätern. Die übliche Strafe war das Auspeitschen. Selbst im 19. Jahrhundert, als Verstümmelungen theoretisch noch erlaubt waren, wurden sie nur in Ausnahmefällen angeordnet. Die Todesstrafe war in Tibet verboten und Verstümmelungen konnte nur die Zentralregierung in Lhasa anordnen.1898 wurde in Tibet ein Gesetz erlassen, das derartige Strafen nur noch bei Hochverrat oder Verschwörung gegen den Staat zuließ. Der XIII. Dalai Lama setzte eine Vorschrift in Kraft, die es allen Bauern erlaubte, sich bei Mißhandlungen durch Landbesitzer direkt an ihn zu wenden.
Alles Land gehörte dem Staat, der wiederum an Klöster und verdienstvolle Privatpersonen Lehen vergab. Im Gegenzug dazu standen dem Staat Abgaben und Dienstleistungen seitens der Landbesitzer zu. Waren diese Laien, so entrichteten sie entweder ihre Steuern oder stellten in jeder Generation ein männliches Familienmitglied für den Staatsdienst zur Verfügung. Die Klöster hielten religiöse Zeremonien für den Staat ab und dienten vor allem als Schulen, Universitäten und Zentren der tibetischen Kunst, des Kunsthandwerks, der Medizin und Kultur. Die tibetischen Klöster mit ihrer hochdisziplinierten Ausbildung waren der Schlüssel zum traditionellen tibetischen Leben. Sie trugen alle Kosten für die Ausbildung ihrer Schüler und versorgten diese mit kostenlosem Obdach und Verpflegung. Einige Klöster besaßen große Ländereien, andere investierten ihr Kapital. Manche verfügten über nichts davon. Sie erhielten sich dank der Spenden und Schenkungen von Gläubigen und Gönnern. Oft waren diese Beträge nicht ausreichend für den Erhalt einer großen Mönchsgemeinschaft, weshalb die betroffenen Klöster auch Handel trieben und Geld verliehen.
Der größte Teil des Landes war im alten Tibet im Besitz der Bauern. Sie zahlten ihre Abgaben in Naturalien an den Staat und schufen so die Grundlage für die Lebensmittellager der Regierung, deren Bestände an die Klöster, die Armee und landlose Beamte verteilt wurden. Manche beglichen ihre Steuern auch durch Arbeit and einige leisteten Transportdienste für Regierungsbeamte oder Klöster. Das von den Bauern bearbeitete Land war erblich. Der Bauer konnte es verpachten oder mit Hypotheken belasten. Es konnte ihm nur weggenommen werden, wenn er es versäumte, seine Abgaben - in welcher Form auch immer - zu leisten, und das kam nur selten vor. Er genoß praktisch die Rechte eines Grundeigentümers und zahlte seine Abgaben in der Regel in Naturalien.
Nur ein kleiner Anteil der tibetischen Bevölkerung war Pächter die meisten davon in U-tsang (Zentraltibet). Sie bebauten ihr auf den Gütern von Aristokraten oder Klöstern gelegenes Land und beglichen ihre Pacht an die Grundbesitzer in Naturalien oder indem sie ein Familienmitglied zum Dienst in deren Haushalt oder auf deren Feldern bestimmten. Manche dieser Pächter stiegen zu so mächtigen Positionen wie der eines Gutsverwalters auf. Dafür wurden sie von den kommunistischen Chinesen später als "Agenten der Feudalherren" beschimpft. Andere Mitglieder dieser Familien genossen vollständige Freiheit. Sie konnten ein Geschäft eröffnen, jeden Beruf ausüben, in ein Kloster eintreten oder ihr eigenes Land bearbeiten. Obwohl sie Pächter waren, konnte sie nicht nach Lust und Laune des Grundherren von ihrem Land vertrieben werden. Einige Pächterfamilien waren ziemlich wohlhabend.
Die Regionen Kham und Amdo waren schon seit jeher in zahlreiche benachbarte, aber von einander unabhängige Gemeinschaften oder soziale Gruppen gegliedert. Ähnlich wie in Zentraltibet war die Haupteinkommensquelle der Leute die Landwirtschaft oder die nomadische Viehhaltung. Diese Gebiete wurden entweder von einem hochrangigen Lama oder dem Oberhaupt eines Klans, man könnte sagen dem örtlichen Fürsten - manchmal auch von beiden - verwaltet. Ihre Positionen waren erblich. Viele von ihnen genossen auch die Anerkennung durch die tibetische Zentralregierung in Lhasa. Die Identifizierung der Reinkarnationen hoher Lamas in den Klöstern wurde in der Regel durch die Zentralregierung vorgenommen. Der höchste Grad in der religiösen Ausbildung mußte in drei großen Klöstern in Lhasa erworben werden und eine Anerkennung durch sie galt als höchster möglicher Rang im akademischen Leben eines Lama oder Tulku. Auch die anderen wichtigen Positionen in den Klöstern wurden auf der gleichen Grundlage vergeben.
In Kham und Amdo gab es an die 4.000 Klöster und jedes von ihnen verfügte über seinen eigenen, ihm dauerhaft zugesprochenen Grundbesitz. Wenn wir eine Karte mit allen Ländereien der Klöster zeichnen würden, könnten wir sicher sein, daß es in ganz Kham und Amdo keine einzige Gegend gab, die nicht in den administrativen Zuständigkeitsbereich eines der klösterlichen Gutsherren gefallen wäre.
Der XIII. Dalai Lama hat den Brauch aufgehoben, von den örtlichen Bauern Hand- und Spanndienste einzufordern. Seither mußten für die Nutzung ihrer Pferde, Maultiere und Yaks feste Gebühren an die Besitzer entrichtet werden. Der XIV. Dalai Lama ging sogar noch einen Schritt weiter und ordnete an, daß ohne Genehmigung der Regierung gar keine Transportdienste mehr eingefordert werden durften. Ferner erhöhte er die Preise, die für Transportdienste zu zahlen waren.
Ausländer wie Charles Bell, Hugh Richardson und Heinrich Harrer, die im unabhängigen Tibet lebten und arbeiteten, waren beeindruckt vom durchschnittlichen Lebensstandard gewöhnlicher Tibeter, denn er war höher als in den meisten anderen asiatischen Ländern. Hungersnöte waren vor dem chinesischen Einmarsch in Tibet unbekannt. Natürlich gab es Jahre mit Mißernten und Getreidemangel. Aber die Leute konnten sich dann etwas aus den von den Bezirksverwaltungen, Klöstern, Aristokraten oder reichen Bauern angelegten Vorratslagern leihen.
Als der XIV. Dalai Lama den Thron bestieg, berief er ein Reformkomitee, das grundlegende Landreformen einführen sollte, aber die chinesischen Kommunisten hinderten S.H. den Dalai Lama an der Durchführung dieser Reformen, weil sie befürchteten, diese könnten ihnen den Wind aus den Segeln nehmen. In seiner Autobiographie "Mein Land und mein Volk" schreibt Seine Heiligkeit "Ich nahm einige grundlegende Reformen in Angriff. Ich ernannte ein Reformkomitee mit 50 Mitgliedern - Laien und monastische Beamte sowie Vertreter der Klöster - sowie ein kleineres ständiges Komitee, um alle nötigen Reformen zu erörtern und dem höheren Gremium und mir selbst zu berichten."
Nach seiner Flucht in die Freiheit 1959 bildete S. H. in Dharamsala seine Regierung neu und leitete eine Reihe demokratischer Reformen ein. Es wurde ein Parlament-im-Exil eingerichtet, das sich aus gewählten Volksvertretern zusammensetzte. 1963 wurde eine Vorlage für die künftige Verfassung Tibets vorgelegt. Obwohl es heftigen Widerstand gab, bestand der Dalai Lama ausdrücklich auf einer Klausel, die das tibetische Parlament ermächtigt, ihm seine Exekutivgewalt entziehen, falls 2/3 der Parlamentsmitglieder nach Beratungen mit dem Obersten Gerichtshof dafür stimmen, sofern dies im Interesse der Nation liegt.
1990 wurden weitere demokratische Reformen durchgeführt, durch die die Versammlung der Vertreter des tibetischen Volkes (ATPD) gestärkt wurde, welche einem Parlament entspricht, indem ihre Anzahl von 12 auf 46 Personen erhöht wurde. Sie erhielt mehr konstitutionelle Machtbefugnisse wie etwa die Auswahl der Kalons (Minister), die zuvor direkt vom Dalai Lama ernannt wurden. Ferner wurde die Oberste Justizkommission gebildet, die die Beschwerden der Tibeter gegen die Zentralverwaltung prüft.
Auf den Rat S. H. des Dalai Lama hin ergänzte das tibetische Parlament im Jahr 2001 die tibetische Exilverfassung dahingehend, daß der Kalon Tripa (Vorsitzender des Kabinetts oder Kashag) direkt durch die Exilbevölkerung gewählt wird. Seither haben die Tibeter im Exil den Kalon Tripa zweimal gewählt.
Während der Jahre im Exil ist eine starke und lebhafte tibetische Zivilgesellschaft mit ihrer eigenen deutlichen Stimme und ihren eigenen Visionen herangewachsen. Es bildeten sich NGOs wie der Tibetische Jugendkongreß, der tibetische Frauenverband, die Tibetische Nationale Demokratische Partei, Gu-Chu-Sum [Vereinigung der ehemaligen politischen Häftlinge], das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie und viele andere, die sich im Bildungs- und Gesundheitswesen, auf kulturellem Gebiet und im Umweltschutz engagieren. Sie alle haben das Engagement für die Demokratie in der Exilgemeinschaft gestärkt und wirken als Forum für die Herausbildung künftiger Führungspersonen. Daß in den späten 70er Jahren sogar eine tibetische kommunistische Partei gegründet wurde, zeigt, wie weit die Öffnung der exiltibetischen Gemeinschaft geht.
Im Hinblick auf die Zukunft Tibets verkündete der Dalai Lama 1992 die Richtlinien für das künftige tibetische Gemeinwesen und die Grundlagen seiner Verfassung. Darin heißt es, er werde „kein Amt in der künftigen Regierung Tibets innehaben, ganz zu schweigen von der traditionellen politischen Stellung eines Dalai Lama“. Der Dalai Lama sagte, die künftige Regierung Tibets werde auf der Basis des Erwachsenenstimmrechts vom Volk gewählt werden.
In seiner Erklärung zum 10. März 2003 sagte S.H. der Dalai Lama: „Es muß unbedingt eingesehen werden, daß der tibetische Freiheitskampf nichts mit meiner persönlichen Position oder meinem persönlichen Wohlbefinden zu tun hat. Bereits 1969 habe ich deutlich gemacht, daß das tibetische Volk zu entscheiden habe, ob die jahrhundertealte Institution der Dalai Lamas fortgeführt werden soll oder nicht. In einer förmlichen Erklärung habe ich 1992 deutlich gesagt, daß ich kein Amt in der tibetischen Regierung und auch keine andere politische Position innehaben würde, wenn wir mit einem bestimmten Maß an Freiheit ausgestattet, nach Tibet zurückkehren könnten. Jedoch werde ich mich bis zu meinem letzten Atemzug für die Förderung menschlicher Werte und religiöser Harmonie einsetzen. Ich habe damals ebenfalls erklärt, daß die tibetische Regierung-im-Exil aufgelöst würde und die Tibeter in Tibet die Hauptverantwortung für die tibetische Regierung übernehmen müßten. Ich habe immer geglaubt, daß das Tibet der Zukunft eine säkulare und demokratische Regierung haben sollte. Daher ist die Befürchtung, wir betrieben die Restauration des alten tibetischen sozialen Systems, völlig grundlos. Kein Tibeter, ob im Exil oder in Tibet wünscht sich die Wiederherstellung der überholten ehemaligen Gesellschaftsordnung des Landes. Im Gegenteil, die Demokratisierung nahm schon kurz nach unserer Ankunft im Exil ihren Anfang und gipfelte 2001 in der Direktwahl unserer politischen Führung. Wir fühlen uns verpflichtet, energische Schritte zur weiteren Verbreitung demokratischer Werte unter den ganz normalen Tibetern zu unternehmen.“
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