16. Januar 2017 |
Canada Tibet Committee, www.tibet.ca
|
Heftige Online-Blockaden machen den Tibetern den Zugang zu den Kalachakra-Unterweisungen des Dalai Lama unmöglichCitizen Lab, Berichten zufolge hat die chinesische Regierung nahezu 7.000 Tibetern aus Tibet, die eine Pilgerreise zu dem Kalachakra planten, die Teilnahme unmöglich gemacht. Die Restriktionen reichen von der Konfiszierung von Reisepässen, der Festsetzung von Passieren, die ein Flugzeug besteigen wollten, bis zur Anordnung an Tibeter, die bereits im November nach Indien und Nepal aufgebrochen waren, unverzüglich zurückzukehren. Es wurden ihnen Repressalien gegen ihre Familien angedroht, falls sie der Aufforderung nicht Folge leisteten. Die chinesischen Behörden in Tibet nannten das Kalachakra eine „illegale“ Zusammenkunft. Eine offizielle Bekanntmachung aus Dechen in der Provinz Yunnan, von der Radio Free Asia (RFA) Kenntnis erhielt, untersagte jegliche Beteiligung an dem Kalachakra-Ritual sowie die Verbreitung von diesbezüglichen Informationen im Internet oder den sozialen Medien und warnte, daß „andere ähnliche Aktivitäten wie etwaige Treffen zur Unterstützung des Kalachakra ebenfalls verboten sind. „Wer immer so etwas tut, handelt gegen den Art. 55 des chinesischen Gesetzes für Öffentliche Sicherheit, was ernste Folgen nach sich zieht“. Ein jeglicher Verstoß wird mit einer Verhaftung von 10 bis 15 Tagen Dauer oder im Falle von gravierenden Verstößen mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft. In einem anderen im Dezember von den Behörden herumgeschickten Bescheid wird angedroht, daß ein jeder, der nachweislich am Kalachakra teilgenommen hat, nach seiner Rückkehr nach Tibet mit der Konfiszierung seines Reisepasses und seiner Lebensmittelkarte, und sollte es sich um Mönche oder Nonnen handeln, mit der Einbuße ihres Rechts auf Studium des tibetischen Buddhismus, zu rechnen hat. Xu Zhitao, der stellvertretende Direktor des Büros für Tibet-Fragen bei der Einheitsfrontabteilung beim Zentralkomitee der KP Chinas nannte das Ritual ein „politisches Werkzeug“ und behauptete, der Dalai Lama würde dabei Ideen des „Hasses gegen die chinesische Regierung“ propagieren. Die KP Chinas sieht den Dalai Lama als einen „üblen Spalter“, als eine Bedrohung ihrer Macht. International Campaign for Tibet beschrieb diese harten Restriktionen als die bisher systematischste Maßnahme gegen Belehrungen des Dalai Lama im Exil. Der Dalai Lama sagte daraufhin in einer Botschaft an die Tibeter: „Räumliche Entfernung kann die heiligen Bande zwischen einem Lama und einem Schüler nicht zerstören. Ihr könnt alle, auch von den entlegensten Winkeln Tibets aus, beten, und ich versichere euch, daß der vom Kalachakra ausgehende Segen euch zuteil werden wird“. WeChat ist der populärste Messenger in China (vergleichbar mit Facebooks WhatsApp) und wird von Tibetern in aller Welt ausgiebig genutzt. Wer so einen Messenger in China betreibt, muß die Gesetze und Regeln über Inhaltskontrolle und Monitoring befolgen. WeChat ermöglicht Schlüsselwörterfilterung für Nutzer, deren Konten mit chinesischen Telefonnummern auf dem Festland verbunden sind. Die Zensur von Schlüsselwörtern ist nicht transparent, und die Nutzer werden nicht benachrichtigt, wenn ihre Botschaft blockiert wurde. Eine Nachricht, die ein von WeChat blockiertes Schlüsselwort enthält, erscheint einfach nicht. WeChat blockiert bei Gruppen-Chats (die bis zu 500 Nutzer erreichen können) mehr Schlüsselwörter als bei Chats von Person zu Person. Die höhere Zensur von Gruppen-Chats könnte dem halb-öffentlichen Charakter von Online-Diskussionsgruppen zuzuschreiben sein. Nachrichten können nämlich in Gruppen-Chats ein größeres Publikum erreichen und potentiell zur Organisation von Protestaktionen und anderen Kundgebungen genutzt werden. Unsere früheren Recherchen ergaben schon, daß Tibet betreffende Inhalte bei WeChat zensiert wurden. Es gab auch Fälle der Festnahme von Tibetern, weil sie Nachrichten, Lieder und Bilder auf WeChat verbreiteten, deren Inhalte sich auf den Dalai Lama und die tibetische Kultur bezogen, und die nach Ansicht der Behörden „anti-chinesische“ Gefühle weckten. WeChat betreibt serverseitige Zensur. Wenn man eine Nachricht schickt, so geht sie durch einen Remote-Server, auf dem die Regeln für die Anwendung der Zensurmaßnahmen gespeichert sind. Wenn eine Nachricht ein Schlüsselwort enthält, das blockiert ist, wird die Botschaft einfach nicht gesendet. Um Zensur in einem System mit serverseitiger Implementierung wie bei WeChat zu dokumentieren, muß man ein paar Schlüsselwörter zum Testen zusammenstellen, diese Schlüsselwörter dann durch die App schicken und die Ergebnisse aufzeichnen. Unsere bisherige Arbeit ergab, daß die Zensur bei WeChat dynamisch ist und die Schlüsselwörterlisten anhand von Nachrichten in den Medien ständig aktualisiert werden. Wir führten Tests durch, um festzustellen, ob auf neueste Ereignisse bezogene Schlüsselwörter blockiert werden, indem wir Artikel von den Titelseiten internationaler und unabhängiger Zeitungen und Webseiten von Nachrichtenmedien (z.B. BBC Chinese, New York Times Chinese, Radio Free Asia Mandarin, Voice of Tibet, Deutsche Welle Chinese) sammelten und die Texte dann in einen Chat zwischen einem auf eine chinesische Telefonnummer registrierten Benutzerkonto und auf internationale Telefonnummern registrierten Benutzerkonten kopierten. Wenn wir fanden, daß der Artikel zensiert wurde, reduzierten wir den Text auf das erforderliche Minimum von Schlüsselwörtern, um gerade noch die Zensur auszulösen. Von diesem initialen Satz von Schlüsselwörtern ausgehend testeten wir dann andere verwandte Schlüsselwörter in unterschiedlichen Sprachen. Unsere Tests brachten eine Reihe von Schlüsselwörtern (Keywords) zu Tage, die etwas mit dem Kalachakra zu tun haben und auf WeChat in Englisch, Chinesisch, Tibetisch und Hindi im Gruppen-Chat Modus blockiert wurden, wenn es sich um ein auf eine chinesische Telefonnummer registriertes Benutzerkonto handelte. WeChat zensiert einzelne Keywords sowie eine Kombination von mehreren Keywords. Bei Keyword- Kombinationen tritt die Blockade ein, wenn gewisse Keywords zusammen in einer Nachricht erscheinen. Wenn dieselben Keywords einzeln gesandt werden, wird die Nachricht nicht blockiert. Soziale Medien in China zensieren routinemäßig und systematisch auf Tibet bezogene Inhalte. Unsere bisherige Arbeit dokumentierte den Umfang dieser Zensur auf Microblogs, Video-Websiten, Apps für Live-Streaming und Text-Chats, einschließlich WeChat. Die Blockierung von Kalachakra-Schlüsselwörtern zeigt, daß die Zensur auf WeChat dynamisch ist und die Schlüsselwörterlisten an die aktuellen Ereignisse angepaßt werden. Tibeter, die auf chinesische Telefonnummern registrierte WeChat Konten besitzen und versuchen, sich über das Kalachakra auszutauschen, merken bald, daß sie blockiert werden. Dies zeigt, daß die heftigen Beschränkungen, denen die tibetische Gemeinschaft unterliegt, nun auch Online greifen. * WeChat ist ein beliebter chinesischer Chat-Dienst mit 762 Mio. Nutzern
|
|