3. April 2017 |
Human Rights Watch, hrw.org
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Wir appellieren an China, die Umerziehung von den aus Larung Gar vertriebenen Mönchen und Nonnen einzustellenHuman Rights Watch appelliert an die chinesische Regierung, mit der Ausweisung und politischen Umerziehung von Mönchen und Nonnen einer bedeutenden tibetischen religiösen Institution aufzuhören. Wie ein Abt der Institution mitteilte, gaben chinesische Regierungsvertreter am 12. März 2017 bekannt, daß bis 30. April 3.225 Behausungen in Larung Gar, dem größten tibetisch-buddhistischen Lehrinstitut in aller Welt, zerstört werden.Viele der bereits aus Larung Gar und der anderen in der Nähe gelegenen religiösen Gemeinschaft Yachen Gar, beide in der Provinz Sichuan, vertriebenen Mönche und Nonnen wurden gezwungen, in die Autonome Region Tibet (TAR) zurückzukehren, wo sie außerordentlichen Einschränkungen und herablassender Behandlung ausgesetzt sind. Im November 2015 zwangen die Behörden mindestens eine Gruppe in Nyingtri im Südosten der TAR, sich der politischen Umerziehung zu unterziehen, und das unter demütigenden Umständen in aller Öffentlichkeit. „China demontiert in aggressiver Weise die religiöse Freiheit ebenso wie das religiöse Leben in Larung Gar, indem die ausgewiesenen Mönche und Nonnen zur Umerziehung gezwungen werden“, sagte Sophie Richardson, die China-Expertin bei HRW. „Die den ehemaligen Bewohnern auferlegten Restriktionen sollten aufgehoben werden, damit sie ihr volles Recht auf religiöse Praxis ausüben können, wozu auch gehört, daß sie sich religiösen Institutionen anschließen und religiöse Rituale ausführen dürfen.“ Am 23. März erklärte ein ranghöherer Abt in einer Rede an die Gemeinschaft, daß die Mönche und Nonnen, die gegangen sind, dies nicht aus freiem Willen getan hätten…. Und ob sie nun einen Ort hatten, wohin sie hätten gehen können, oder nicht, so mußten sie doch das Institut verlassen“. Er fügte hinzu, daß die „Demolierungen und Vertreibungen von höheren Regierungsstellen beschlossen wurden und daher nicht in Frage gestellt werden können“. Er bat alle Mönche und Nonnen, „sich mit großer Langmut und Geduld zu wappnen und nicht mit Protest, Selbstmord oder Ähnlichem zu reagieren“. Ausländische Medien berichteten, daß die Behörden der TAR 100 vermutlich aus Larung Gar vertriebene Mönche und Nonnen im November in der Stadt Nyingtri der politischen Umerziehung unterzogen hätten. Ein auf sozialen Medien zirkulierendes Video zeigt 25 junge Tibeterinnen mit geschorenen Köpfen, die wie Nonnen aussehen und Soldatenkleidung tragen, in einem im tibetischen Stil gebauten Polizei- oder Amtsgebäude aufgereiht stehen (1). Sie sangen im Einklang „Tibeterinnen und Chinesinnen sind Töchter derselben Mutter, und der Name der Mutter ist China“ - Teil eines häufig von den Offiziellen in Tibet benutzten Liedes, das propagieren soll, daß Tibeter ethnisch oder kulturell Chinesen seien. Ein damals umgehendes Foto zeigt dieselben Frauen in voller militärischer Montur, wie sie innerhalb eines eingezäunten Geländes im militärischen Stil exerzieren. Ein zweites Video, das wenige Tage nach dem ersten in Umlauf kam, zeigt 12 tibetische Nonnen auf der Bühne eines Theaters vor einem Publikum tanzen, das vermutlich aus Offiziellen bestand. Die in ihre Roben gekleideten Nonnen führen einen choreographierten Tanz zu dem „Lied der befreiten Sklaven“ auf. Dieses Lied, das das erste Mal 1959 vor dem Vorsitzenden Mao Zedong in Beijing dargeboten wurde, wird meistens bei offiziellen Feiern der kommunistischen Partei gesungen. Ein Banner mit der Aufschrift „Abschlußfeier zum Lehrgang in Gesetz und Politik für buddhistische Mönche und Nonnen, Kreis Kongpo Gyamda“ hängt über der Bühne. Kongpo Gyamda liegt im Regierungsbezirk Nyingtri und das Video könnte am 10. November 2016 entstanden sein. Der Zeitpunkt und die Umstände, unter denen die zwei Videos und das Foto aufgenommen wurden, lassen darauf schließen, daß die abgebildeten tibetischen Nonnen 2016 aus Larung Gar oder Yachen Gar ausgewiesen wurden. Buddhistische Nonnen geloben gewöhnlich im sechsten der zehn Novizengelübde (sramanerika), die sie bei der ersten Ordination ablegen, „sich des Singens, Tanzens und des Vergnügens zu enthalten“. Das weist darauf hin, daß diese Darbietungen unter Zwang erfolgten und daß die Offiziellen diese Nonnen singen und tanzen ließen, um sie zu demütigen und in Verlegenheit zu bringen. Bisher hörte man noch nie, daß vertriebene Nonnen in der TAR im Rahmen der politischen Umerziehung zum Singen und Tanzen gezwungen wurden. Der Umgang der Regierung mit diesen Nonnen verletzt ihr Recht auf Religionsfreiheit und kommt einer entwürdigenden Behandlung gleich, die in der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, der auch China zugestimmt hat, verboten wird. Im Sommer 2016 wurde zwei Nonnen, die aus Larung Gar ausgewiesen und zur Rückkehr in die TAR gezwungen wurden, nicht gestattet, in Lhasa zu bleiben, wo sie zuvor viele Jahre lang gelebt hatten. Sie mußten vielmehr in ihr Heimatdorf in einer ländlichen Gegend Südtibets zurückkehren. Die Behörden verlangten, daß sie sich in regelmäßigen Abständen bei der Lokalpolizei melden und erlaubten ihnen nicht, in der TAR oder anderswo in irgendein Kloster einzutreten. Aus anderen Quellen erfuhr HRW, daß sich generell keine ehemaligen Mönche und Nonnen, die in die TAR zurückgeschickt wurden, irgendeinem Kloster anschließen dürfen, was bedeutet, daß sie als „mobiles religiöses Personal“ gelten. Seit einer offiziellen Verlautbarung im September 2012 dürfen derartige keiner Institution angehörenden Mönche und Nonnen in der TAR keine religiösen Rituale außerhalb ihres Hauses durchführen, es sei denn, sie besitzen eine spezielle Erlaubnis dazu. Demzufolge können die zurückgeschickten Mönche und Nonnen auch keine religiösen Dienste für andere Leute übernehmen, was ihre normale Einkommensquelle wäre. Tibeter in der TAR haben es daher immer schwieriger, Geistliche zu finden, die bei Bestattungen und anderen Familienfeiern Gebete rezitieren. Im Juni 2016 befahl die Bezirksregierung in Serthar, Provinz Sichuan, den Mönchen, die für die Verwaltung von Larung Gar zuständig sind, die Zahl seiner Bewohner bis September 2017 auf ein Maximum von 5.000 zu reduzieren. Schätzungen zufolge hatte die Institution vor dem Beginn der Vertreibungen zwischen 10.000 und 20.000 Angehörige. Unklar ist, ob die Anordnung vom 12. März 2017, der zufolge 3.225 Behausungen demoliert werden müssen, die 1.500 oder mehr, die bereits abgerissen worden sind, enthält oder nicht. Ein ranghöherer Abt erklärte am 23. März, daß bisher 4.500 Bewohner zum Verlassen des Instituts gezwungen wurden. Es scheint, daß die Behörden auf die Bitten der Klosterverwaltung hin gewisse Zugeständnisse bezüglich der Demolierungen und Ausweisungen in Larung Gar gemacht haben. So gibt es unbestätigte Berichte, daß einige Mönche und Nonnen für ihre abgerissenen Häuschen entschädigt wurden, und daß etwa 1.200 der ausgewiesenen Nonnen in vier temporären Lagern in Nachbarkreisen in Qinghai und Sichuan untergebracht wurden. Dennoch stellen die Vertreibungen eine Verletzung des Rechtes der Betroffenen auf Freiheit der Religion und der religiösen Ausübung dar. Im November 2016 schrieben sieben UN-Sonderberichterstatter an die chinesische Regierung (2) und baten um genaue Informationen über die Massenausweisungen von Tibetern, Chinesen und anderen Mönchen und Nonnen aus den monastischen Siedlungen Larung Gar und Yachen Gar. Die chinesische Regierung wurde auch aufgefordert, Informationen über die rechtlichen Grundlagen für Demolierungen und Vertreibungen zu liefern und anzugeben, welche Maßnahmen getroffen wurden, um die nun obdachlos Gewordenen anderswo unterzubringen. In dem Schreiben wurde weiterhin um eine Erklärung wegen der unterbliebenen Rücksprache mit den dortigen religiösen Amtsträgern gebeten, aus welchem Grund Regierungsbeamte in religiöse Angelegenheiten involviert werden, und welche Schritte die Behörden unternehmen, um dem Recht auf Religionsfreiheit gerecht zu werden. Der UNO zufolge hat die chinesische Regierung am 5. Dezember 2016 auf die Fragen geantwortet, wobei die UNO Chinas Antwort veröffentlichen sollte. „Chinas Vorgehen in Larung Gar und Yachen Gar spricht für eine unnachgiebige Mißachtung der religiösen Freiheit“, kommentierte Sophie Richardson. „Die chinesischen Behörden könnten für Schadensbegrenzung sorgen, wenn sie die Zerstörung dieser Gemeinschaft beendeten, in fairer Weise auf die Notwendigkeiten der religiösen Gemeinschaft eingingen und transparente Erklärungen für ihre Maßnahmen in Larung Gar und Nyingtri lieferten. (1) Link zu dem Video: https://youtu.be/zjqVzwuYMi0 https://youtu.be/JdNcJCA1teA (2) https://spcommreports.ohchr.org/TMResultsBase/DownLoadPublicCommunicationFile?gId=22816 |
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