9. Januar 2012 |
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Mani Gegos Yak-Fleisch-Verarbeitungsanlagenvon Woeser In einer Reihe von Blog-Einträgen über Woesers Sommerreisen durch Amdo und Kham nach Lhasa, ist der nachfolgende Beitrag die Fortsetzung zu „Das prachtvolle Kloster Dzogchen“. Bei diesem Bericht befindet sich Woeser noch immer in Kham, und dieses Mal bezieht sich der Eintrag auf die Einwände der ortsansässigen Tibeter gegen Verarbeitungsanlagen von Yak-Fleisch in dem Gebiet. Diese im Bericht beschriebenen Spannungen stehen im Zusammenhang mit den Ereignissen, die sich einige Monate später ebenfalls in der Präfektur Kardze entwickelten. Mani Gego [Mani Gango] ist ein Verkehrsknotenpunkt. Einige Menschen sagen, dass Mani Gego dem Kampfsportfilm „Dragon Inn“ aus Hong Kong ähnelt, denn die Luft ist erfüllt vom Heroismus der Khampa-Männer. Aber das ist eigentlich nicht die ursprüngliche Atmosphäre. Was Mani Gego tatsächlich bedeutet, ist dies: Der Hang ist eng gesäumt von Mani-Steinen, in die Worte aus den alten heiligen Schriften eingraviert sind. So sah die Landschaft früher aus, aber heute nicht mehr. Was ist mit all diesen Mani-Steinen geschehen? Wurden sie während der Kulturrevolution, oder während der früheren Republikanischen Revolution fortgeschafft? Wurden sie von den Revolutionären benutzt, um Baracken oder Regierungsgebäude zu bauen? Und was ist mit den übrigen Steinen, wurden die nicht von den Menschen gestohlen, um Unterkünfte für Mensch und Vieh zu bauen? Ende Juli eilten wir vom Kloster Dzogchen nach Mani Gego, und von weitem sahen wir ein riesiges Propaganda-Poster zur Familienplanung, das über die Straße gespannt war. Es zeigte ein Khampa-Paar in der traditionellen Kleidung von Derge, das lächelnd tibetische Khatas hochhielt; im Vordergrund war ein kleiner Junge zu sehen, der frische Blumen und einen kleinen Yak hielt, zusammen mit zwei Lämmern, wodurch im Ganzen der Eindruck eines glücklichen Lebens hervorgerufen wurde. Mani Gego hat seine „Dragon Inn“-Atmosphäre bereits verloren. Die Straßen sind voller Geschäfte und Restaurants, die von Menschen aus Sichuan eröffnet und betrieben werden. Ein Paar aus Nanchong (Sichuan) sagte uns, dass sie ihr Restaurant seit über 20 Jahren haben und bereits ihr eigenes Haus fertig gebaut haben. Die Yaks, denen man früher von Zeit zu Zeit auf der Straße begegnete, die mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen vollgestopft sind, waren auch wie vom Erdboden verschluckt. Vor fünf Jahren, im Sommer 2006, wurde in Mani Gego eine Verarbeitungsanlage für Yak-Fleisch, die von der chinesischen Regierung errichtet worden war, von den dort ansässigen Tibetern niedergebrannt. Einige von ihnen wurden verhaftet und verurteilt (1). Im Internet hieß es, dass die Art und Weise, wie die Yaks in den Anlagen rücksichtslos geschlachtet wurden, von den traditionellen tibetischen Bräuchen abwich, wodurch wiederum ein Konflikt auslöst wurde. Geht es nur darum? Als ich später einen Freund traf, der für die Medienabteilung der Präfektur Kardze arbeitet, fand ich heraus, dass diese Angelegenheit keineswegs so einfach war. Tatsächlich ging es vor allem um die kulturellen Unterschiede. Mein Freund erzählte mir, dass er einmal die modernen industriellen Schlachtmethoden miterlebt hatte. Die Arbeiter benutzen einfach ihre Finger, um einen zentralen Knopf zu drücken, und zwei Metallrahmen, die geöffnet waren, schließen sich plötzlich und packen so einen Yak von enormer Größe, so daß er sich nicht mehr bewegen kann. Noch einmal benutzen die Arbeiter ihre Finger, um noch einen Knopf zu drücken, und der eingeklemmte Yak wird plötzlich in die Luft gehoben und umgedreht. Was dann folgt ist eine Maschinenanlage, die mit der Schlachtung beginnt, was nur einen Augenblick zu dauern scheint, ein gerade noch unversehrter lebender Yak wird zergliedert, mitsamt Fleisch und Knochen. Mein Freund sagte, dass er, als der Yak umgedreht wurde, große Tränen aus den Augen des Tieres kommen sah. Natürlich töten Tibeter auch Yaks, aber nur eine begrenzte Anzahl und nie wie diese Verarbeitungsanlagen, in denen täglich pausenlos Yaks getötet werden. Wenn man das Blut aus den Fabriken fließen und die Wiesen sich rot färben sieht, und wenn man das Blut, das aus der Fabrik kommt und das die Luft mit seinem Gestank verpestet, riecht, ist es klar, dass die Tibeter in Mani Gego nicht ruhig bleiben können. Was die Lage für die Leute aber noch unerträglicher macht, ist, dass der Preis für so viele Yaks, die von den Ortsansässigen gekauft werden, völlig unangemessen ist. Das Unternehmen, das die Fabrik eröffnet hat, und die lokalen Beamten haben sich dahingehend geeinigt, dass die Kader die ansässigen Leute anweisen, ihre Yaks zu einem sehr niedrigen Preis anzubieten; jeder kann die dahinter verborgenen Motive durchschauen. Als sich dann die ortsansässigen Leute weigerten, ihre Yaks zu einem so billigen Preis zu verkaufen, und als die Fabrik so weit ging, einige geld- und raffgierige Leute dazu zu bekommen, dass sie die Yaks kauften, die gläubige Buddhisten aufgezogen hatten, explodierte der lange aufgestaute Groll der Bevölkerung, und die Tibeter brannten die Verarbeitungsanlage für Yakfleisch nieder. Natürlich mussten die wahren Gründe dafür von den Behörden vertuscht werden, und so wurde der Vorfall als ein kultureller Konflikt dargestellt. Ich hatte zuvor geschrieben: Unternehmen sind wie Monster, aber ein noch grausameres Monster ist die Regierung; oder anders ausgedrückt, es ist ein Monster mit zwei Köpfen. Dieses zweiköpfige Monster schwenkt die Fahne der „Öffnung“ und „Entwicklung“ hoch, um dann mit seinen Säbeln zu rasseln und in die Heimat der Tibeter einzufallen. Doch was bringt es noch? Ich denke, ich kann folgende Schlussfolgerung ziehen: Was es noch bringt, ist den Verlust der Menschenrechte der ortsansässigen Bevölkerung und aller Güter und Werte, also den Verlust von Produktionsmitteln von Land und Vieh; den Verlust ihrer Lebensweise sowie der Tradition und Gebräuche; den Verlust ihrer Kultur wie zum Beispiel des Rechtes Namen zu geben; es ist der Verlust ihres innersten Selbst; und schließlich der Verlust einer ganzen ethnischen Gruppe. Lhasa, 7. September 2011 (1) 11. Mai 2006, „Folter befürchtet: Fünf Tibeter nach Brand im Schlachthaus verhaftet“ |
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