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Vergeltungsmassnahmen gegen die Familie eines ehemaligen, in Indien lebenden politischen Gefangenen
Die chinesischen Behörden im Bezirk Pema (chin. Baima) in der TAP Golok (chin. Guoluo) hielten die Angehörigen eines ehemaligen politischen Gefangenen, vor allem seine ältliche Mutter, gesetzwidrig in Haft. Der Familie wurden ernste Folgen angedroht, falls sie Tenzin Woeser nicht den Behörden auslieferten.
Der 35jährige Tenzin Woeser teilte dem TCHRD mit, daß die Ortspolizei seine 69jährige Mutter Monlam Kyi am 23. Mai zu Vernehmungszwecken festgenommen und sie bis zum 6. Juni dabehalten habe. Zwei Wochen lang wurde sie an einem unbekannten Ort festgehalten, und es wurde ihr mit Fragen über ihren Sohn zugesetzt. Seitdem ist sie nicht mehr ihr altes Selbst. Sie scheint in der Haft traumatische Erfahrungen gemacht zu haben. „Ich hörte, daß sie zusammenhanglos vor sich hin redet. Ich mache mir große Sorgen um ihre Gesundheit, denn sie leidet bereits unter Herzbeschwerden“, sagte Woeser.
Monlam Kyi wurde einen Tag, nachdem die Ortspolizei am 22. Mai im Dorf Welshul in der Gemeinde Drubchen Woesers Familie heimgesucht hatte, festgenommen. „Anhand einer Akte, die sie dabei hatten, befragten sie meine Familie, wo ich mich aufhalte. In dieser Akte stand wohl einiges über mich und meine Verwandten“. Monlam Kyi hatte viele Jahre an der örtlichen Grundschule unterrichtet. Seit ihrer Pensionierung widmete sie sich als eine gyencho, eine Laienbuddhistin, ganz der spirituellen Praxis.
Seit dem 6. Juni haben die Behörden noch weitere Repressalien gegen die Familie ergriffen. So entließen sie Woesers Schwester, die als Krankenschwester im staatlichen Krankenhaus angestellt war, aus ihrer Arbeit. Ebenso wurde der Mann der Schwester von seinem Job als Verwaltungsangestellter bei einem Goldbergwerk gefeuert. Und die Lebensmittelkarte der Familie, mit der sie alles, was sie zum täglichen Leben brauchten, günstig erwerben konnten, wurde entwertet. Sogar ihr kleines Grundstück wurde konfisziert.
1997, als er 14 Jahre alt war, klebte Woeser zusammen mit seinem Cousin Dothuk und anderen Mönchsschülern in der Bezirksstadt überall Flugblätter mit der Forderung nach Unabhängigkeit für Tibet hin. Die anderen, die ihre religiöse Ausbildung im Bezirk Pema absolvierten, waren aus dem Bezirk Nyagrong (chin. Xinlong) in der TAP Kardze (chin. Ganzi), Provinz Sichuan. Woeser wurde festgenommen und, wie aus seinem Entlassungsdokument hervorgeht, wegen politischer Aktivitäten zu fünf Jahre Gefängnis verurteilt. Er mußte sein „Denken reformieren“; aber da er noch minderjährig war, wurde er nach sechs Monaten Haft freigelassen. Nun mußte er allmonatlich beim Public Security Bureau vorstellig werden, und es war ihm verboten, in sein Kloster, Do Drubchen Gon Sangchen Ngodup Palwar Ling, zurückzukehren.
Woeser kann nicht verstehen, warum die chinesischen Behörden seine Familie plötzlich dermaßen drangsalieren, denn seine „politischen Aktivitäten“ liegen doch schon ein Jahrzehnt zurück. „Es ist mir ein Rätsel, warum sie das tun. Am meisten sorge ich mich um meine Mutter, und natürlich auch um andere Familienglieder, die noch in Tibet sind. Sie sind völlig unschuldig, besonders meine Mutter, die ihr ganzes Leben dem Schuldienst gewidmet hat. Sie sollte nicht so behandelt werden. Ebenso mache ich mir Gedanken um meine Schwester und ihren Mann. Wie sollen sie denn ohne Arbeit leben können?
Dothuk, der jetzt Mitte Vierzig ist, war Mönch im Kloster Didah in der Gemeinde Didah, Bezirk Pema. Wegen der Anbringung der Flugblätter wurde er damals zu sechs Jahren Haft verurteilt. 2003 kam er frei. 2008 wurde er erneut wegen Beteiligung an einem Protest festgenommen. Er ist immer noch inhaftiert. Wie das Urteil von 2008 lautet, ist nicht bekannt.
Woeser floh im Jahre 2000 nach Indien. Nach dem Besuch der Tibetan Children’s Village School (TCV) in Suja absolvierte er die Shri Mahant Public School in Dehradun und machte dann eine Ausbildung als Automechaniker bei Shri Guru Ram Rai Automobile in Delhi. Jetzt arbeitet er an der Tibetan Children’s Village School in Selakui, Dehradun, Nordindien.
Das TCHRD verurteilt die systematischen Angriffe gegen Woesers Angehörige und ruft die chinesische Regierung auf, unverzüglich dessen Schwester und Schwager wieder einzustellen, und der Familie ihre Lebensmittelkarte und ihr Stückchen Land bedingungslos zurückzugeben. Es ist unerhört und schändlich, daß die chinesischen Behörden unschuldige Tibeter, besonders Woesers alte Mutter Monlam Kyi, einer so grausamen, unmenschlichen und herabwürdigenden Behandlung unterziehen. Die Behörden sollten diese Art von Einschüchterung und Verfolgung ehemaliger politischer Gefangener und ihrer Verwandten sofort einstellen. Als Unterzeichnerstaat internationaler Verträge ist die chinesische Regierung durch das Völkerrecht verpflichtet, die Menschenrechte aller Tibeter zu respektieren, zu beschützen und zu wahren. |