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China schränkt die Bewegungsfreiheit der Tibeter im Vorfeld der Belehrungen des Dalai Lama in Indien heftig ein
Letzte Woche nahm die nepalesische Polizei 41 tibetische Pilger an der Grenze von Nepal zu Indien fest, weil sie ohne gültige Dokumente unterwegs waren. Die Tibeter, die an der Kalachakra-Zeremonie in Indien teilnehmen wollten, wurden an dem zehn km von der Grenze entfernten Ort Dhangadhi festgenommen. Nach drei Tagen Festsetzung durch die Einwanderungsbehörde wurden sie dann freigelassen. 39 waren mit chinesischen Pässen versehen aus Tibet angereist, während zwei in Indien ansässige Flüchtlinge sind.
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Tibeter in dem Bus auf der Reise nach Indien
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Die Festnahme tibetischer Pilger durch nepalesische Behörden ist der jüngste Vorfall einer ganzen Reihe von Schikanen, von denen Tibeter in Tibet berichten, die daran gehindert wurden, zu den Kalachakra-Belehrungen nach Indien zu reisen. Der Dalai Lama wird vom 3. bis zum 14. Januar diese Zeremonie an dem buddhistischen Pilgerort Bodh Gaya im indischen Bundesstaat Bihar leiten.
Die Menschenrechtsorganisation HURON mit Sitz in Kathmandu informierte das TCHRD am 17. November darüber, daß die Polizei von Dhangadhi am 16. November 41 Tibeter zwei Stunden lang festgehalten hat und sie dann der Immigrationsabteilung des Kailali Distrikts im Südwesten Nepals überstellte. Diese wiederum schickte die Tibeter zur Immigrationsbehörde nach Kathmandu weiter. HURON brachte in Erfahrung, daß die 39 Tibeter mit chinesischen Pässen nach Nepal gereist waren, aber aus Angst vor den seitens der Chinesen zu erwartenden Repressalien kein Visum für ihre Weiterfahrt nach Indien beantragten wollten. Um HURON zu zitieren: „Wenn die chinesischen Behörden die indischen Visa in ihren Pässen sehen würden, könnten sie nach ihrer Rückkehr nach Tibet für sechs Monate bis zu fünf Jahren ins Gefängnis wandern.“
Obwohl HURON darum bat, die tibetischen Pilger zu entlassen, wurden am Abend des 15. November 24 tibetische Männer in das Dilibazar Sadakhor Haftzentrum eingeliefert, während 17 Tibeterinnen in der Verwahrung der Immigrationsbehörde blieben. Nachdem dann Mitarbeiter der chinesischen Botschaft gerufen wurden, um die Pässe der 39 Pilger zu überprüfen, wurden sie freigelassen. Auch die zwei Tibeter mit indischen Registrierungszertifikaten wurden nach Überprüfung ihrer Dokumente durch Angehörige der indischen Botschaft am folgenden Tag freigelassen.
Seit etwa einem Jahrzehnt übt China extremen Druck auf die nepalesische Regierung aus, strenger mit den aus Tibet fliehenden Tibetern oder den bereits in Nepal ansässigen umzugehen. Die chinesische Regierung gibt viel Geld aus, um die Grenze zwischen Tibet und Nepal so aufzurüsten, daß keine Tibeter mehr nach Nepal durchkommen. Ihr Ziel war es, von dort aus nach Indien weiterzureisen, um da eine bessere Schulbildung zu erhalten, es war zu Zwecken der Pilgerschaft oder um den Segen des Dalai Lama zu empfangen..
2012 wurden Hunderte von Tibetern, die sich nach Indien begeben hatten, um an den Kalachakra Belehrungen teilzunehmen, bei ihrer Rückkehr von chinesischen Behörden festgenommen und verhört. Wochen- oder gar monatelang wurden Leute aller Altersgruppen, darunter sogar Achtzigjährige, gezwungen, Kurse für patriotische Umerziehung zu besuchen, weil „ihr Geist durch den Besuch der Kalachakra-Unterweisungen korrumpiert“ worden sei.
Einige Monate später, im April 2012, gab die Regierung der TAR neue Richtlinien für die Ausstellung von Reisepässen heraus, die es Tibetern sehr erschwerten, an einen Paß zu kommen, ohne den sie nicht ins Ausland reisen können.
Jetzt, wo das Datum des Kalachakra immer näher rückt, haben die chinesischen Behörden angefangen, Tibeter mit gültigen Pässen immer mehr zu schikanieren, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, nach Indien zu reisen. Personen, die bereits eine Reise gebucht haben, werden gezwungen, sie zu stornieren. Eine beachtliche Zahl von tibetischen Pilgern, die bereits vor einigen Wochen in Indien ankamen, wurden gebeten, bis zum 20. Dezember zurückzukehren.
In einigen Gegenden haben Verwaltungsbeamte alle gültigen Pässe von Tibetern, die ins Ausland reisen wollten, eingezogen. So sagte ein Tibeter in Machu, der gewarnt wurde, daß er, falls er seinen Paß nicht zurückgebe, auf die schwarze Liste käme: „Ich hatte einen auf fünf Jahre gültigen Paß und wollte diesen Winter verreisen. Doch die Beamten von der Gemeinde und der Dorfchef forderten, daß ich ihn unverzüglich abgebe. Wenn ich das nicht täte, müßte ich mit Repressalien rechnen und würde in Zukunft von allen staatlichen Vergünstigungen ausgeschlossen“. Auch einige Tibeter im Bezirk Ngaba wurden aufgefordert, ihre Pässe abzuliefern, andernfalls dürften sie ihr Leben lang nicht mehr ins Ausland reisen.
Das TCHRD ist über die schwere Beeinträchtigung des Rechtes der Tibeter auf Freizügigkeit entsetzt. Dieses Recht ist im Art. 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert: „Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.“ Und: „Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“ Der Art. 12(2) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), der als zum internationalen Gewohnheitsrecht gehörend auch für China bindend ist, anerkennt ebenfalls, daß jeder das Recht auf Bewegungsfreiheit hat, einschließlich des Rechtes, sein Land zu verlassen.
In seiner maßgeblichen Auslegung dieses Rechtes stellt der Allgemeine Kommentar des Human Rights Committee Art. 27 fest, daß internationale Reisen nicht auf Grund ihres Zweckes oder der Dauer der Reise eingeschränkt werden dürfen. Das Recht auf Bewegungsfreiheit darf nur unter außergewöhnlichen Umständen eingeschränkt werden, wenn diese Einschränkung zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit oder der guten Sitten und den Rechten und der Freiheit anderer notwendig ist. Die von den chinesischen Behörden den Tibetern auferlegten Einschränkungen sind unberechtigt und nicht rechtfertigbar und deshalb willkürlich und widersprechen dem Gleichheitsgrundsatz.
Das TCHRD befürchtet, daß die 39 Tibeter, deren Identitäten den chinesischen Behörden durch ihre Botschaft in Nepal bekannt sind, nach ihrer Rückkehr nach Tibet höchstwahrscheinlich bestraft werden. Die Möglichkeit einer bis zu einem halben Jahr dauernden Inhaftierung ist besonders beunruhigend. Schließlich sahen sich diese Tibeter ja gezwungen, ohne Paß nach Indien zu reisen, weil China ihnen mit Bestrafung drohte, falls sie nach Indien reisten. Dies zeigt das Ausmaß, in dem das Recht der Tibeter auf Bewegungsfreiheit auch außerhalb der Grenzen der VR China bedroht ist. Die Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit verletzt ihrerseits eine ganze Reihe anderer Rechte, besonders das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, denn in diesem Fall werden zahllose Tibeter daran gehindert, das Kalachakra zu besuchen, eine der wichtigsten religiösen Zeremonien für tibetische Buddhisten.
Das TCHRD ruft die chinesischen Behörden auf, keine Vergeltung an tibetischen Pilgern zu üben, besonders die 39 oben genannten Personen von Repressalien zu verschonen.
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