Annual Report 1998
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy

TIBET: CRACKDOWN ON HUMANITY

JAHRESBERICHT 1998 ÜBER DIE MENSCHENRECHTSLAGE IN TIBET

Inhalt
  1. Begriffserläuterung
  2. Zusammenfassung
  3. BESCHRÄNKUNG DER AUSDRUCKSFREIHEIT
    1. Internationales Recht
    2. Einzelfälle von Verletzung der Freiheit des Ausdruckes und der Meinung
    3. Verweigerung des Rechtes auf ein faires Gerichtsverfahren
  4. WILLKÜRLICHE VERHAFTUNGEN UND FESTNAHMEN
    1. Internationales Recht
    2. Verhaftungen aufgrund der Ausübung dieser Rechte
    3. Verweigerung des Rechtes auf ein faires Gerichtsverfahren
    4. Fälle von erfolglosen Berufungen
    5. Festhaltung vor dem Prozeß
    6. Schluß
  5. POLITISCHE GEFANGENE UND GEWISSENSGEFANGENE
    1. Neue politische Gefangene von 1998
    2. Fälle von politischen Gefangenen mit überlangen Haftstrafen
  6. FOLTERUNG IN HAFTZENTREN UND GEFÄNGNISSEN
    1. Internationales Recht
    2. Das chinesische Kriminal-Verfahrensgesetz
    3. Folterung, die zum Tode führte
    4. Todesfälle im Drapchi Gefängnis
    5. Selbstmord
    6. Folterung und Mißhandlung von Gefangenen
    7. Schluß
  7. RELIGIÖSE VERFOLGUNG
    1 Internationales Recht
    2. Offizieller Feldzug der religiösen Verfolgung
    3. Verhaftungen von Mönchen und Nonnen
    4. "Patriotische Umerziehung" in der Laienbevölkerung
    5. Totale Kontrolle der religiösen Aktivität
    6. Hinauswurf von Mönchen und Nonnen
    7. Schließung von religiösen Institutionen
    8. Zusätzliche repressive Maßnahmen
    9. Schluß
  8. FRAUEN UND ZWANGSWEISE GEBURTENKONTROLLE
    1. Internationales Recht
    2. Die rechtliche Position Chinas
    3. Geburtenkontrollpolitik
    4. Geburtenkontrollmaßnahmen
    5. Fälle von Zwangssterilisierung
    6. Folterung und Mißhandlung von weiblichen Gefangenen
    7. Todesfälle als Folge von Folterung
    8. Schluß
  9. DIE RECHTE DES KINDES
    1. Internationales Recht
    2. Kinder als politische Gefangene und Gewissensgefangene
    3. Das Kind Panchen Lama
    4. Das Recht auf Erziehung
    5. Erziehung in religiösen Institutionen
    6. Kinder-Flüchtlinge
    7. Gesundheitsfürsorge
    8. Schluß
  10. BEVÖLKERUNGSTRANSFER
    1. Chinas offizielle Politik
    2. Bevölkerungsstatistiken
    3. Methoden
    4. Transferierung von chinesischen Kadern nach Tibet
    5. Konsequenzen
  11. VERLETZUNG DES RECHTES AUF LEBENSUNTERHALT
    1. Internationales Recht
    2. Entwicklungsprojekte
    3. Besteuerungspolitik
    4. Besteuerung in Landgebieten und Zwangsabgaben
    5. Besteuerung in Stadtbezirken
    6. Zwangsarbeit
    7. Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen
    8. Wohnungswesen
    9. Prostitution
    10. Schluss
  12. ZWANGSVERSCHLEPPUNG
    1. Internationales Recht
    2. Neue Fälle von Verschwinden
  13. RASSENDISKRIMINIERUNG
    1. Internationales Recht
    2. Öffentliche Repräsentation
    3. Beschäftigung
    4. Erziehung
    5. Gesundheitsfürsorge
  14. SCHLUSS
    1. Internationale Menschenrechts-Verträge, die von der VRC unterzeichnet und/oder ratifiziert wurden
    2. Empfehlungen
Teil I

Begriffserläuterung

Barkhor: Markt und Umrundungsweg um den Jokhang Tempel in Lhasa
CAT: Konvention der Vereinten Nationen gegen die Folter (Convention against Torture and other cruel, inhuman or degrading Treatment or Punishment)
CEDAW: Konvention der Vereinten Nation über die Ausschließung aller Arten von Diskriminierung gegen Frauen (Convention on the Elimination of all forms of Discrimination against Women)
CERD: Konvention der Vereinten Nationen über die Ausschließung aller Arten von Rassendiskriminierung (International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination)
Distrikt: (tib. dzong, chin. xian) Verwaltungseinheit, etwa Landkreis, Distrikt
Konterrevolutionär: juristisch-politischer Begriff für einen Staatsfeind oder irgendeine Handlung, "die mit dem Ziel des Sturzes der Politischen Gewalt der Diktatur des Proletariats und des Sozialistischen Systems begangen wurde" (chin. Kriminalkodex 1980, Art. 90). In dem revidierten Kriminalgesetz wurde der Begriff durch "Gefährdung der Staatssicherheit" ersetzt.
CRC: Konvention der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child)
Haftzentrum: (chin. kanshousuo) Ort, wo die Festgenommenen vor der Anklage und Urteilsprechung vernommen werden
Drapchi: Offizieller Name "Gefängnis No. 1 der Tibetischen Autonomen Region" (chin. Di yi jiangyu, "No. 1 Prison"), im Nordosten Lhasas gelegen
Gutsa (oder Gurtsa): (chin. Di si ke, "No. 4 Unit"), Haftzentrum für die Region Lhasa, drei Meilen östlich von Lhasa in der Nähe des Kyichu Flusses gelegen; für festgenommene Personen, die untersucht werden und noch nicht formell "verhaftet", also angeklagt wurden oder sich in Administrativhaft befinden.
Fließende Bevölkerung: (chin. liudong renkou) bezieht sich auf jene nichtregistrierten Siedler, die permanent und temporär in Tibet ansässig sind.
Gyama: (tib.) Maßeinheit, etwa gleich 500 g
Kham: eine der drei Provinzen Tibets
Khampa: Bewohner der Region Kham
Kongpo: ein anderer Name für die Nyingtri (chin. Ningchi) Region im Südosten der TAR.
ICCPR: Internationales Abkommen über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights)
Lhasa Stadt: Dieser Bezirk schließt die eigentliche Stadt Lhasa, die Hauptstadt Tibets, sowie acht ihr unterstehende Kreise ein.
Outridu (oder Authitu): als "Unit No. 5" bekannt (chin. Di wu zhidui), früher ein Arbeitsreformzentrum (chin. laogai), aber nun ein "Umerziehung-durch-Arbeits" Lager. Enthält fast keine politischen Gefangenen mehr, denn die meisten wurden Mitte 1992 nach Trisam verlegt.
Mu: Ein Flächenmaß, etwa 67 qm
PAP: People's Armed Police (bewaffnete Volkspolizei)
Powo Tramo: Umbenannt in TAR Gefängnis No. 2. Dieses Arbeitslager liegt etwa 500 km östlich von Lhasa in der entlegenen Gegend Dzona, Distrikt Tramo.
PRC: People's Republic of China (Volksrepublik China)
PSB: Public Security Bureau (chin. Gong An Ju), lokale Polizeibehörde, welche Verdächtige in der Vorprozeßphase verhaftet und festhält.
Patriotische Umerziehung: Indoktrination in chinesisch-kommunistischer Ideologie und nationaler Einheit; wird intensiv in Klöstern, Gefängnissen und Arbeitslagern in Tibet durchgeführt.
Sangyip Gefängnis: Gelegentlich auch als "Yitridu Unit No. 1" (chin. Di yi zhidui) bezeichnet, in den nordöstlichen Vororten Lhasas gelegen.
Seitru (oder Sitru): Auch als "No. 4 Branch" (chin. Di si chu) TAR Haftzentrum (tib. Tasungkhang Shipa) bekannt. Es ist die regionale Vernehmungszentrale und Strafanstalt der TAR (chin. kanshousuo) für Gefangene, die nicht "verhaftet" (d.h. nicht angeklagt) wurden.
Spaltertum: (tib. khadrel ringluk) ein von China zur Bezeichnung der Befürworter der tibetischen Unabhängigkeit oder des Dalai Lama geprägter Begriff.
Strike Hard: (chin. yanda, tib: dungdek tsanen) ist eine Kampagne, welche Korruption und Verbrechen bezwingen will. In Tibet konzentriert sie sich auf die "spalterischen" Aktivitäten.
TAP: Tibetisch Autonome Präfektur; 10 dieser Verwaltungseinheiten (unter der Stufe einer Provinz oder Region) wurden außerhalb der TAR von den Chinesen gebildet und liegen im Norden und Osten Tibets (meist in Kham und Amdo).
TAR: "Tibet Autonomous Region" (Autonome Region Tibet); formell von den Chinesen 1965 geschaffen, stellt dieses Gebilde aus Zentral- und Westtibet die einzige von China als "Tibet" anerkannte Region dar.
TCHRD: Tibetan Centre for Human Rights and Democracy in Dharamsala
TGIE: Tibetan government in-exile (Tibetische Exilregierung)
Thamzing: (tib.) öffentliche Form der Demütigung, erstmals in den 50-er Jahren eingeführt
Topdhen: (tib.) Person, welche die Himmelsbestattung ausführt, indem die Leiche zerschnitten und den Geiern zum Fraß hingeworfen wird.
TIN: Tibet Information Network, London
Trisam Gefängnis: Manchmal auch als Toelung Dechen oder Toelung Brücke bezeichnet, ein neues Umerziehung-durch-Arbeits-Lager für den Großraum Lhasa, liegt in Toelung, 10 km westlich von Lhasa.
Tsampa: (tib.) geröstetes Gerstenmehl und Volksnahrungsmittel der Tibeter
Tsuglhakhang (oder Jokhang): der heiligste Tempel in Tibet, im Zentrum Lhasas
UDHR: Universal Declaration of Human Rights (Universelle Deklaration der Menschenrechte)
Workteam: (chin. gongzo dui, tib. lae doen ru khag) speziell gebildete temporäre Abordnungen von Kadern, die zur Durchführung von Untersuchungen oder der Umerziehung in eine Institution oder Gegend entsandt werden.
Yuan: chin. Währung; acht Yuan entsprechen annähernd einem US$.

Teil II

Zusammenfassung

1998 wurde der 50. Jahrestag der Universalen Deklaration der Menschenrechte weltweit begangen. Trotz Anerkennung dieser Deklaration fährt die Volksrepublik China (PRC) fort, die Vorsätze dieser Vereinbarung zu brechen, weshalb es für die Tibeter kaum Anlaß zum Feiern gibt. Auch heute, 49 Jahre nachdem die PRC Tibet besetzte, gibt es dort keine Freiheit zur Ausübung der Menschenrechte.

Die Volksrepublik China hat erfolgreich den internationalen Druck wegen ihres Menschenrechtstandards von sich abgelenkt, vornehmlich aufgrund ihrer massiven Marktwirtschaft. Trotz einer Reihe von Besuchen durch ausländische Delegationen in diesem Jahr erfolgten kaum praktische Schritte zur Besserung der Lage. Sie zeigt eher einen rückläufigen Trend, nämlich eine immer härtere staatliche Kontrolle aller Bereiche des tibetischen Lebens, was eine schwere Gefahr für das bloße Überleben der einmaligen tibetischen Kultur und des Volkes darstellt.

Es scheint, daß die PRC beabsichtigt, die Tibeter ihrer eigenen Identität zu entfremden, um dem Dissens vorzubeugen. Die tibetische Bevölkerung wird in allen Bereichen an den Rand gedrängt. Extreme repressive Einschränkungen in der Religion, die ein wesentliches Element der tibetischen Kultur darstellt, ersticken die kulturelle Autonomie der Tibeter. Das Recht auf freie Meinung und freien Ausdruck derselben wird persistent verweigert, und viele Tibeter werden wegen solchen Tuns willkürlich verhaftet.

Die tibetische Autonomie wird auch schwer beeinträchtigt durch den Mangel an echter Repräsentation im politischen Sektor, und folglich sehen sich Tibeter diskriminierenden Politiken sowie weiterer Marginalisierung in ihrem eigenen Lande ausgesetzt. Die vom Staat begünstigte Bevölkerungsverlagerung von Chinesen nach Tibet verschärft diese Lage noch. Bevölkerungstransfer, vermehrte und drastische Geburtenkontrolle, die sogar im Widerspruch zu den eigenen chin. Gesetzen steht, haben schwerwiegende Folgen für das Überleben der Tibeter. Diese Politiken müssen gedrosselt werden.

Die brutale Unterdrückung einer friedlichen Demonstration im Drapchi Gefängnis, Lhasa, im Mai 1998 ist ein Anzeichen für die totale Mißachtung Chinas für das Recht der Tibeter auf Freiheit der Meinung. Es gibt bestätigte Berichte von 10 Gefangenen, die den Tod dabei fanden, und von vielen anderen verletzten. Andere an der Demonstration Beteiligte erlitten schwere Vergeltungen. Die Demonstration erfolgte während eines offiziellen Besuches von drei Botschaftern der Europäischen Union, doch das staatliche Monopol für Information verhinderte, daß die Delegation irgend etwas von dem Vorfall mitbekam, solange sie in der Region weilte. Die Information über den Vorfall ist immer noch sehr dürftig. Das ist ein Beweis der überwältigenden staatlichen Kontrolle in der Region und beunruhigt die Menschenrechtsverteidiger, weil die chin. Regierung offenbar uneingeschränkte Macht besitzt, die Verbreitung von Nachrichten über alle Menschenrechtsbelange zu manipulieren.

Nach dem Besuch der EU Troika wurde Tibet im August von Mitgliedern des außenpolitischen Ausschusses des Dänischen Parlaments besucht und im Sept. von der UN Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson. Alle Besucher drückten ihren Unwillen über die bei dem Besuch auferlegten Einschränkungen aus. Mit Tibetern war fast kein Kontakt möglich, außer in Anwesenheit von Regierungsvertretern, und alle Abschnitte der Reiseroute unterlagen der chin. Zustimmung. Bedauerlicherweise fielen die Berichte über die Besuche trotz Einräumung dieser Restriktionen diplomatisch zweideutig aus und übten nicht genügend Druck auf die chin. Regierung aus, ihre gegenwärtige üble Politik zu rektifizieren.

Am 5. Okt. 1998 unterzeichnete die PRC die Internationale Konvention über bürgerliche und politische Rechte. Diese Geste wird willkommen geheißen, aber sowohl Tibeter als auch die internationale Gemeinschaft warten noch auf die notwendigen passenden Adaptionen, um das chinesische Recht und die Praxis im Lande mit dieser Norm in Einklang zu bringen. Die gegenwärtig geübten Praktiken verletzen nämlich den weltweiten Menschenrechtsstandard, und wenn es auch in manchen Gebieten geringe Verbesserungen gibt, muß dennoch vordringlich ein umfassenderer Ansatz für den Schutz der Menschenrechte der Tibeter erfolgen.

Rede- und Ausdrucksfreiheit

Trotz ihrer Verpflichtung, die Freiheit des Ausdruckes und der Meinung aller ihrer Bürger zu gewährleisten, unterdrückt die PRC bewußt dieses Recht. Jeder Ausdruck einer Meinung, die der chinesischen kommunistischen Partei-Ideologie zuwiderläuft, kann zur Verhaftung führen.

Die repressive Politik richtet sich vor allem gegen die religiösen Institutionen, die den Chinesen als die Hauptquelle der abweichenden Ideen verdächtig sind. Seit dem Start der "Hart-Durchgreif" Kampagne 1996 hat die chin. Regierung systematisch die religiösen Institutionen in Tibet erfaßt, um die Ergebenheit an den Dalai Lama, den tibetischen Nationalismus und jeglichen Dissens völlig auszurotten. Tausende von Mönchen und Nonnen wurden in der Folge ausgestoßen und Hunderte verhaftet. Die Kampagne wurde nun auch auf den Laiensektor ausgeweitet, so daß kein Tibeter mehr von der repressiven Politik verschont bleibt. Dies bedeutet eine vorsätzliche Verleugnung des Rechtes auf Ausdrucksfreiheit, und wenn es so weitergeht, dann wird das tibetische kulturelle Erbe ernstlich Gefahr laufen, zu verschwinden. Dieser Politik der Regierung muß umgehend Einhalt geboten werden.

Willkürliche Verhaftung und Festhaltung

Die Änderungen von 1996 an dem chin. Kriminal-Verfahrens-Gesetz setzten leider keine Mechanismen in Gang, um Einzelpersonen vor willkürlicher Verhaftung zu schützen. Die internationale Vereinbarung über bürgerliche und politische Rechte, welche China im Okt. 1998 unterschrieb, enthält zwar Klauseln zur Gewährleistung der Rechte der Bürger, frei von derartigen Gefahren zu sein. Die entsprechenden Zusätze zu der nationalen Verfassung stehen jedoch noch aus.

Die Verhaftung der meisten der 135 Tibeter, die 1998 festgenommen wurden, war willkürlich, und sie wurden unter verschiedenen Formen der Anklage von "Gefährdung der Staatssicherheit" eingesperrt. Diesen Gefangenen, die wegen der Ausübung der Grundrechte einsitzen, werden auch in der Haft zahlreiche Rechte verweigert. Die juristischen Verfahren entsprechen nicht dem internationalen Standard, den Angeklagten wird häufig der gesetzliche Beistand verweigert, sowie das Recht auf Besucher und das Berufungsrecht. Sie werden oftmals der Folter ausgesetzt, um ein "Geständnis" aus ihnen herauszupressen, und viele werden überhaupt ohne jegliches Gerichtsverfahren festgehalten.

Politische Gefangene und Gewissensgefangene

Im Dez. 1998 betrug die Anzahl der uns bekannten tibetischen politischen Gefangenen in chin. Gefängnissen 1.083, wovon 246 Frauen und 12 Jugendliche sind. Weitere 93, die inzwischen Volljährigkeit erreicht haben, wurden als Jugendliche verhaftet und befinden sich immer noch in Einsperrung. 76 der Gefangenen haben ein Urteil von über 10 Jahren abzubüßen. Die Quote für Gefangensetzung wegen politischer Gründe ist in Tibet viel höher als in anderen Gebieten unter chin. Herrschaft. Dies ist ein deutliches Zeichen, wie umfassend und effektiv die Kampagne der Regierung in Tibet zur Ausmerzung aller Meinungen, die der offiziellen Linie zuwider sind, ist. Hier handelt es sich um eine direkte Verletzung der Grundrechte auf Leben, Freiheit und Ausdrucksfreiheit.

Folter in Haftzentren und Gefängnissen

Folter stellt einen schweren Mißbrauch der Menschenrechte dar. Doch obwohl die chin. Regierung verschiedenen internationalen Konventionen zur Ächtung dieser Praxis beigepflichtet hat, billigt sie stillschweigend ihren Einsatz in Haftzentren und Gefängnissen.

Die äußerste Verletzung der Menschenrechte ist die Beendigung des Lebens. Im Jahre 1998 starben 19 Tibeter vorzeitig in der Einsperrung. 11 dieser Todesfälle sind eine Folge der chin. Unterdrückung der friedlichen Demonstrationen im Drapchi Gefängnis vom Mai. Seit 1986 wurde von uns der Tod von 60 Tibetern in der Haft registriert.

Aussagen von ehemaligen politischen Gefangenen bestätigen, daß Folter weiterhin vorherrschend in den Gefängnissen in Tibet ist. Der Hauptzweck dieser Mißhandlungen ist, in der Vorprozeßphase aus den Gefangenen ein Geständnis herauszuziehen, aber die Berichte lassen schließen, daß sie auch die ganze Zeit während der Einsperrung gefoltert werden. Diese Praxis ist verwerflich und steht in direktem Widerspruch zu der UN Konvention gegen die Folter. Nach einem Jahrzehnt der Beipflichtung zu dieser Konvention ist China immer noch nicht seiner Pflicht nachtgekommen, Folter aus den Hafteinrichtungen zu verbannen.

Rechte der Frauen

Innerchinesische Gesetzgebung und internationale Verpflichtungen vermochten nicht, die Rechte der tibetischen Frauen zu gewährleisten. Die primäre Verletzung ihrer Rechte resultiert aus der Geburtenkontrollpolitik. Trotz nationaler Gesetze, welche Konzessionen für Minoritäten garantieren, unterliegen tibetische Frauen zwangsweiser Sterilisierung, Kontrazeption und Abtreibungsprozeduren. Sie haben nicht die Wahl der freiwilligen Verhütungsmethoden, noch werden sie nach den Eingriffen angemessen medizinisch versorgt. Die Furcht vor Sterilisierung schreckt viele Frauen davor ab, sogar bei anderen Beschwerden medizinische Hilfe zu suchen, wodurch die Gesundheit tibetischer Frauen aufs Spiel gesetzt wird.

Ebenso werden die Rechte der Frauen auf freien Ausdruck ihrer Meinung verletzt. Es gibt derzeit 246 uns bekannte weibliche tibetische politische Gefangene. Diese Frauen sind sexuellem Mißbrauch, Folter und harter physischer Arbeit ausgesetzt. China ratifizierte die Konvention über die Ausmerzung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen bereits 1980, aber hat ihre Vorkehrungen noch nicht erfüllt.

Die Rechte des Kindes

Entgegen internationalen und nationalen Vorschriften werden die Rechte tibetischer Kinder nicht voll von der chin. Regierung geschützt. Wegen der Schwierigkeiten der Familie, für den Lebensunterhalt zu sorgen, ungenügender Einrichtungen und diskriminierender Maßnahmen haben viele tibetische Kinder keinen Zugang zu angemessener Gesundheitsfürsorge und Schulbildung. Die Gesundheit tibetischer Kinder liegt unter dem Standardniveau. In einigen Landkreisen ist der Gewicht-per-Alter Quotient extrem niedrig, und Berichte deuten an, daß die chronische Unterernährung das Wachstum der tibetischen Kinder beeinträchtigt.

Im Erziehungssystem werden einheimische Kinder gewaltig diskriminiert. Da sie inzwischen Angehörige einer Minderheitsbevölkerung geworden sind, ist das Erziehungssystem nicht auf sie, sondern auf die chin. Einwanderer ausgerichtet. Folglich werden sie im Verlauf ihrer gesamten Erziehung benachteiligt, was wiederum auf ihre zukünftigen Berufschancen negative Auswirkungen hat.

Auch tibetische Jugendliche sind nicht ausgenommen von der Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Es gibt gegenwärtig 12 tibetische politische Gefangene unter 18 Jahren und 93 weitere, die als Kinder eingesperrt wurden, aber nun erwachsen sind. 2.206 Kindermönche und -nonnen wurden 1998 aus ihren religiösen Institutionen hinausgeworfen und so ihres Rechtes auf Freiheit der Religion, Kultur und Ausbildung beraubt. Um den dringenden Bedürfnissen der tibetischen Kinder Genüge zu tun, muß der allgemeine Standard der Lebensunterhaltung erhöht, und die diskriminierenden Praktiken abgeschafft werden.

Bevölkerungstransfer

Die Umsiedelung chin. Bürger nach Tibet stellt vielleicht die ernsteste Bedrohung für das tibetische Volk als ganzes heutzutage dar. Wenn die Chinesen so wie bisher ihre jetzige Politik der Bevölkerungsverschiebung fortsetzen, dann blickt Tibet einer völligen Marginalisierung, einem Schicksal ähnlich dem der Inneren Mongolei, der Mandschurei und Ost-Turkestans entgegen.

Die Auswirkungen der beabsichtigten Strategie sind augenfällig. Tibetern wird der Zugang zu dem politischen Sektor ganz verwehrt und sie stehen unter dem Joch des chin. Gesetzes. Als Folge hiervon werden sie leicht von Ausbeutung und Vernachlässigung betroffen. Massive wirtschaftliche Entwicklungsschemen, der Katalysator für den Großteil der Einwanderung, beuten das Land aus und zerstören die Lebensgrundlage vieler Einheimischer. Die traditionelle Subsistenzwirtschaft wird von einer Marktwirtschaft ersetzt, von der die Tibeter ausgeschlossen sind. Die Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, wurden ihnen schwer eingeschränkt, was alle anderen Rechte in Mitleidenschaft zieht. Die Tibeter sehen sich wegen des Zustroms von Chinesen physisch verdrängt und verlieren das Recht auf Autonomie über ihr Land.

Wirtschaftliche Probleme verbunden mit einer schreienden Diskriminierungspolitik vereiteln auch den Tibetern die Möglichkeiten in Ausbildung und Gesundheit. Die Verzweigungen solch einer Entfremdung sind sehr vielfältig. Wenn man all diese Faktoren zusammen mit den einschneidenden Geburtenkontrollmaßnahmen in Betracht zieht, dann bekommen die Motive der PRC einen noch viel arglistigeren Unterton.

Religiöse Verfolgung

Die umfassende Unterdrückung der Religion in Tibet wurde 1998 noch intensiviert. Die überwältigende Zunahme der Ausweisungen von Mönchen und Nonnen aus ihren Klöstern zeugt von Chinas Absicht, die religiöse Ausübung in Tibet noch mehr zu beschränken. 327 Mönche und Nonnen wurden verhaftet und 7.156 Religiöse wurden im Zuge der "Hart-Durchgreif" Kampagne im Laufe des Jahres aus ihren Institutionen ausgewiesen.

Die Kampagne wurde im Mai 1996 in ganz China mit dem Ziel der generellen Reduzierung von Verbrechen und Korruption gestartet. In Tibet war das Begleitprogramm der "patriotischen Umerziehung" der Fokus, der darauf abzielte, jedes subversive Gefühl und den tibetischen Nationalismus im Keim zu ersticken. Das TCHRD registrierte seit Start des Programms 9.977 Ausweisungen und 492 Verhaftungen von Mönchen und Nonnen.

China stempelte neulich Tibet zu einem nicht-buddhistischen Land ab, und nun verfolgt es die geeigneten Schritte, um dies zur Tatsache werden zu lassen. Der Dalai Lama, das spirituelle und weltliche Oberhaupt der Tibeter, und der von ihm anerkannte Panchen Lama wurden scharf angegriffen. Der neun Jahre alte 11. Panchen Lama ist seit Bekanntgabe seines Status in 1995 verschwunden. Sogar Bilder des Dalai Lama wurden verboten. Eine ganze Reihe von Einrichtungen wurde ganz geschlossen und religiöse Denkmäler zerstört. Das Recht auf Religionsfreiheit wird in Tibet permanent negiert.

Recht auf Lebensunterhalt

Die vermehrte chin. Einwanderung, die Diskriminierungspolitik und ungenügende soziale Leistungen schaffen zusammen ein für die Tibeter feindliches wirtschaftliches Umfeld. Über 70% der Tibeter in der TAR leben bereits unterhalb der Armutsgrenze. Die Zerstörung ihrer traditionellen Subsistenzwirtschaft schafft ein wirtschaftliches Vakuum für die Einheimischen, da sie der Marktwirtschaft, welche die bisherige ersetzen soll, entfremdet sind. Chinas Wirtschaftsentwicklungs-Programme versäumen immer wieder, die Armut zu lindern. Es müßten daher neue Methoden der finanziellen Subvention gefunden werden.

Diese Probleme werden zusätzlich durch die harte Besteuerungspolitik, welche ohne Nachsicht praktiziert wird, vervielfacht. Tibeter werden durch diese offiziellen Einforderungen, die oft ihr halbes Einkommen ausmachen, schwer in die Enge getrieben. China plant das Steueraufkommen aus der TAR dem des übrigen China anzugleichen, und bei so vielen in Armut lebenden Bewohnern der TAR stellt solch eine Absicht ein wahres Unding dar.

Wesentlich wäre, daß China die Besteuerungsschemen lockert und die jährliche Subvention auf die TAR umlenkt, damit der Lebensstandard der Tibeter gehoben werden kann. Solange dies nicht geschieht, können viele der Grundmenschenrechte einfach nicht garantiert werden.

Zwangsweise Verschleppung

Eine grobe Verletzung der Menschenrechte auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person stellen die Fälle von Verschleppung dar, d.h. wenn eine Person vom Staat in Gewahrsam genommen wird, aber die Umstände über die Festhaltung nicht bekannt gegeben werden. Solche Akte bedeuten für die Festgehaltenen und alle betroffenen Personen eine immense Belastung.

12 neue Fälle derartiger Verschleppung wurden dem TDCHD in 1998 berichtet. Die Einzelumstände aller Fälle bleiben im Dunkeln. Über das Befinden und den Aufenthaltsort von 18 der insgesamt 22 verschwundenen Personen wurden noch nichts bekannt gegeben. Die chin. Regierung wird aufgefordert, unverzüglich alle Informationen über den Verbleib dieser Entführten zu liefern.

Rassendiskriminierung

Die Einwanderung einer immer größeren Zahl von Chinesen nach Tibet drängte die Tibeter in einen Minoritäten-Status und machte sie für eine ganze Reihe von Formen der Diskriminierung verletzlich.

Obwohl China der Internationalen Konvention über die Ausschaltung aller Formen von Rassendiskriminierung beitrat, verfehlten die Landesgesetze, den Tibetern einen Lebensraum, der frei von Diskriminierung ist, zu bieten. Die von der Regierung gutgeheißenen Praktiken sind ganz offen diskriminierender Art, und das alles zum Schaden der Tibeter.

Die Rechte der Tibeter auf dem politischen Sektor wurden schwer eingeschränkt, was ihr legales Recht auf Autonomie beschneidet. Sie leiden auch unter einer ausgeprägten Benachteiligung in Erziehung und Gesundheit, was sich negativ auf ihre Kultur und ihre physische Entwicklung auswirkt.

Der fortgesetzte Zustrom von chin. Siedlern fördert zusätzlich die Diskriminierung auf dem Beschäftigungssektor. Die chin. Regierung müßte endlich Maßnahmen zur Berichtigung dieser Probleme einführen.

Schluss

Ende 1998 hatte die PRC schließlich alle drei Vereinbarungen, welche das internationale Staatengrundgesetz ausmachen, unterzeichnet. Das gibt Anlaß zu der Hoffnung, daß bald adäquate Maßnahmen ergriffen werden, um die nationale Gesetzgebung Chinas mit diesen internationalen Normen in Übereinstimmung zu bringen, wodurch den laufenden Menschenrechtsverletzungen Einhalt geboten werden könnte.

Das kulturelle und physische Überleben der tibetischen Bevölkerung in Tibet wird heute massiv von der kontinuierlichen Brechung dieser Rechte bedroht. China muß das Problem aktiv angehen. In der Vergangenheit war der Beitritt zu solchen Vereinbarungen jedoch keine Garantie, daß den darin enthaltenen Verfügungen auch entsprochen wird, weshalb die internationale Gemeinschaft aufgerufen wird, die Lage genau zu verfolgen.

Individuelle und kollektive Menschenrechtsmißbräuche fordern weiterhin das tibetische Volk in seinem täglichen Leben und in der weiteren Überlebenschance seiner einmaligen kulturellen Identität heraus. Die chin. Regierung hat die Pflicht, diese Lage sofort zu berichtigen, indem sie ihre inländischen Gesetze ändert, um den Schutz aller Rechte zu gewährleisten. Das Unterzeichnen der Internationalen Vereinbarung über bürgerliche und politische Rechte ist zwar ein willkommenes Zeichen, aber das tibetische Volk wartet noch auf den Beweis, daß China sich an diesen und andere Verhaltenskodexe auch hält. Beständiger internationaler Druck ist vonnöten, um die chin. Regierung immer wieder zu mahnen, sich an die Vorschriften der Menschenrechtskonventionen zu halten.

Teil III

BESCHRÄNKUNG DER AUSDRUCKSFREIHEIT

Die Internationalen Konventionen schützen die Rechte auf Freiheit der Rede, der Versammlung und des Zusammenschlusses ohne Einmischung vom Staat, doch die Tibeter, die eigentlich auch diese Rechte genießen sollten, riskieren langjährige Einsperrung und Folterung. Von den uns bekannt gewordenen 135 Fälle von Verhaftung in 1998, wurden 56 Tibeter nur deswegen festgenommen, weil sie ihr Recht auf Redefreiheit geltend machten.

Der letzte schwere Vorfall von Verletzung der Ausdrucksfreiheit erfolgte im Mai im Drapchi Gefängnis. Tibetische Gefangene in Drapchi protestierten friedlich am 1. und 4. Mai, indem sie Parolen riefen und Flugblätter unter den Gefangenen verteilten. Beide Male eröffneten die Milizen der PAP und des PSB das Feuer auf die etwa 500 tibetischen Gefangenen, um dem Protest Einhalt zu gebieten. Sie setzten auch Bajonette, Stöcke, Metallstangen und Elektrowaffen ein. Das Ergebnis waren 11 Tote und 200 Schwerverwundete. Diese Art der Repression beweist, daß die PRC alle internationalen Normen des Schutzes der Grundrechte auf Freiheit der Meinung rücksichtslos mißachtet.

Das Recht der Gläubigen auf freie Äußerung ihrer Meinung wurde von der PRC seit dem Start der "Strike Hard" Kampagne im April 1996 ins Korn genommen. Unter dem Vorzeichen dieser Kampagne wurde ein "patriotisches Umerziehungs" Programm in den religiösen Institutionen in Tibet durchgesetzt, um jede Meinung, die der Partei-Ideologie zuwider ist, auszurotten. Mönche und Nonnen werden gezwungen, Verpflichtungen politischer Treue zu China zu unterschreiben und den Dalai Lama zu beschimpfen, während jene, die nicht mitmachen, als "Spalter" abgestempelt und entweder aus dem Kloster verstoßen oder verhaftet werden. Die Kampagne wurde im Nov. 1997 offiziell auch auf die Laienbevölkerung ausgeweitet. 1998 vermerkte das TCHRD 7.156 Ausweisungen und 327 Festnahmen von Mönchen, Nonnen und Laien, weil sie ihr Recht auf Ausdrucksfreiheit geltend machten. Es gibt bisher kein Anzeichen einer Lockerung dieser repressiven Politik.

III 1)

Internationales Recht

Das Recht auf Freiheit von Ausdruck und Meinung ist in Art. 19 der Universalen Deklaration der Menschenrechte verankert: "Jeder hat das Recht auf freie Meinung und Meinungsäußerung; dieses Recht beinhaltet die Freiheit, ungehindert seine Meinung zu vertreten, Informationen und Ideen ungeachtet der Landesgrenzen und durch jedes Mittel zu suchen, zu empfangen und weiterzugeben".

Die Freiheit des Ausdruckes wird auch von Art. 19 der Internationalen Vereinbarung über Bürgerliche und Politische Rechte, die China unlängst unterzeichnete, anerkannt. Darin wird deutlich festgestellt: "Jeder muß das Recht haben, ohne fremde Einmischung seine eigene Meinung vertreten zu können".

Die nationalen Gesetze der Chinesen divergieren jedoch von dem Internationalen Recht, welches sie prinzipiell zu respektieren versprachen. Unter den Zusätzen von 1997 zu dem Kriminalverfahrensgesetz wurde die Anklage "konterrevolutionär" durch den Begriff der "Gefährdung der Staatssicherheit" ersetzt. Die Einzelheiten dieser neuen Terminologie wurden jedoch von den chin. Machthabern nicht deutlich definiert, und es scheint, daß die neue Anklageformel dieselben Vergehen wie unter "konterrevolutionär" umschließt. Jeder Ausdruck einer Meinung, die der Regierungsideologie zuwiderläuft, kann daher als eine Bedrohung der nationalen Sicherheit ausgelegt werden.

Daher wird dieses Recht durchwegs verleugnet. China ist seiner Verpflichtung der Beschützung des Rechtes auf Freiheit der Meinung und der Schaffung einer Atmosphäre, in der jeder dieses Grundrecht genießen könnte, nicht nachgekommen.

III 2)

Einzelfälle von Verletzung der Freiheit des Ausdruckes und der Meinung

Es folgen ein paar der Fälle, die dem TCHRD in 1998 zur Kenntnis gelangten und die symptomatisch für die fortgesetzte Verletzung des Rechtes auf Freiheit des Ausdruckes und der Meinung sind:

  • Palden Wangmo und ihre Tochter Kunchok Chodon wurden Anfang 1998 festgenommen, weil sie sich nicht an die Befehle des chin. Workteams hielten. Ebenso wurde Thupten Tenzin, ein ranghöherer Mönch von Kloster Rongpo Rabten, und Gyalchoe aus dem Kloster Pa Dha verhaftet, weil sie die Umerziehungskampagne in ihren Klöstern in Frage stellten. 6 Mönche aus dem Kloster Serpo wurden ähnlicher Vergehen wegen verhaftet.

  • Tenpa Rabgyal, ein 27-jähriger Mönch aus dem Kloster Tashi-ge-Kunphel Ling, wurde im Febr. 1998 verhaftet, weil er einige Gebetsworte für das lange Leben S.H. des Dalai Lama niedergeschrieben hatte.

  • Gedun Tharchin (25), Tenzin Lobsang (25), Gyaltsen Tsultrim (18) und Tenzin Tsultrim (17) wurden am 12. Febr. 1998 festgenommen, weil sie "Free Tibet" Plakate anklebten, als das chin. Workteam in ihr Kloster Rongpo Rabten in Distrikt Sog, Region Nagchu kam. Sie sind nun in dem Distriktgefängnis von Sog eingesperrt.

  • Samdup, ein 28-jähriger Mönch aus dem Kloster Drepung, wurde im Mai 1998 wieder verhaftet, weil er Unabhängigkeits-Plakate in dem Kloster angebracht hatte. Er wird nun in der Seitru Haftanstalt festgehalten, aber Einzelheiten seines Urteils wurden nicht bekannt. Erstmals war er im Mai 1992 verhaftet worden, als er zusammen mit 10 anderen Mönchen seines Klosters friedlich in Lhasa demonstrierte. Nach 2 Jahren Haft in Drapchi wurde er 1994 entlassen.

  • 18 Mönche aus dem Kloster Tashi Choeling wurden im Juni 1998 verhaftet, weil sie Plakate angeklebt hatten; sie wurden einen Monat festgehalten.

  • Ngawang Kyonmey, ein 28-jähriger Mönch aus Toelung Dechen, wurde im Sept. 1998 unter der Beschuldigung, er hätte der UN Hochkommissarin für Menschenrechte bei ihrem Besuch in Tibet einen Brief übergeben wollen, verhaftet.

  • Lobsang Sherab (33), Lopel (25), Palkho (25), Tingzin (34), Tenzin (25) und Palden (29) aus dem Kloster Kirti in Distrikt Ngaba, Provinz Sichuan, wurden verhaftet, weil sie Plakate für Unabhängigkeit in ihrem Kloster angebracht und sich dem chin. Workteam, das am 16. Okt. 1998 dort einzog, widersetzt hatten.

  • Bhu Dawa, ein 24-jähriger Laie aus Jamdun Dogo, wurde im Jan. 1997 verhaftet, weil er Plakate angeklebt hatte. Er ist nun im Drapchi Gefängnis.

  • Am 4. Mai 1997 gründeten 40 Schüler der Tibetischen Mittelschule in der Ngaba TAP den "Rig-Tsel Tsok Pa" (Kunst und Literatur Verein). Der 20-jährige Tsundu und einer seiner Gefährten waren die Gründer des Vereins. Diese Schüler traten in dem Schul-Auditorium vor alle anderen und sangen ein Loblied auf den Dalai Lama. Hinter ihnen hing eine selbstgebastelte Flagge mit einem Schneeberg in der Mitte und Sonne und Mond auf beiden Seiten. Am nächsten Morgen kam die Ortspolizei in die Schule und sieben der Schüler wurden festgenommen. Nach drei Tagen wurden fünf von ihnen auf Zahlung von 5.000 Yuan pro Person freigelassen. Sie wurden mit Ausweisung aus der Schule bedroht, falls sie nicht zahlten. Tsundu und sein Gefährte wurden 10 Tage festgehalten und mußten 5.000 Yuan Lösegeld zahlen. Da sie als die Anführer der Gruppe ausgemacht wurden, jagte man sie von der Schule. Drei Jahre lang sind sie nun von jeder anderen Schule oder Anstellung ausgeschlossen.

  • Im April 1997 wurden drei Mönche Nyima, Nyima Tsering und Gyaltsen zwischen 20 und 27 Jahren in dem Kloster Jamdun, Distrikt Drayab, festgenommen, weil sie Plakate geklebt hatten. Im März 1998 wurden sie zu 5 Jahren Haft verurteilt.

  • Im April 1997 rief in dem Dorf Rinchenling in Meldro Gongkar ein 50-jähriges weibliches Orakel in ihrer Trance die Menschen auf, die tibetische Unabhängigkeit zu unterstützen. Ihr Mann Drakdok versuchte sie zu stoppen, aber sie redete weiter. Die chin. Polizei beschuldigte beide, Unabhängigkeitsparolen geschrieen zu haben. Zusammen mit dem Vater der Frau wurden alle verhaftet und nach Drapchi gebracht.

  • Jampa, ein 30-jähriger Mönch aus Kloster Sera, wurde im Aug. 1997 unter der Beschuldigung, Flugblätter über die Reinkarnation des Panchen Lama zu verteilen, verhaftet. Er wurde zu 5 Jahren verurteilt und ist nun in Gutsa.

  • Tulku Ka Bukey (oder Nazod Tulku), ein 30-jähriger religiöser Lehrer aus dem Kloster Nubsur, wurde im Dez. 1997 zu 7 Jahren verurteilt und befindet sich derzeit in dem Distrikt Gefängnis Maowan Qiang, das zu dem Ngaba Arbeitslager gehört. Er wurde während des 40. Jahrestages der Gründung des Distrikts Serta im Mai 1996 verhaftet, weil er einen 25-km Friedensmarsch von Kloster Nubsur nach Serta anführte, dabei eine tib. Nationalflagge trug und Unabhängigkeitsblätter an die Leute verteilte.

  • Gonpo, ein 45-jähriger Geschäftsmann aus dem Dorf Thawa, bekam im Dez. 1996 sechs Jahre Gefängnis, weil er während einer Zeremonie in Ngaba im Juni 1996 Blätter verteilte. Er ist ebenfalls in dem Maowang Qiang Distrikt Gefängnis. Letzten Informationen aus Tibet zufolge wurde er schwer gefoltert, so daß zwei seiner Rippen gebrochen sind.

  • Im Okt. 1996 verhafteten die PSB Milizen 6 Mönche aus dem Kloster Taktsang Lhamo in der Provinz Gansu. Sie hätten angeblich eine Menschenmenge gegen die chin. Unterdrückung aufgehetzt und eine tib. Nationalflagge an einem zentralen Ort in der Präfektur Gannan gehißt. Die vier kamen in das Gefängnis der TAP Gannan und zwei in das Lu-Chu Distrikt Gefängnis.

  • Lobsang Choephel, 25, war Mönch in dem Kloster Thekchen Jangchup Choeling. Er wurde im Dez. 1996 verhaftet, weil er in Drepung ein Plakat angeklebt hatte. 12 Tage nach seiner Festnahme kam er in ein Arbeits-Reform-Lager. Dort wurde er verurteilt, aber die Höhe seiner Haft ist unbekannt. Angeblich hätte er seine "Schuld" der Anbringung des Plakates bekannt.

  • Kelsang Tenzin, 27-jährig aus Nyemo, war Mönch und Schriften-Drucker in Sera. 1996 wurde er beschuldigt, einen hölzernen Druckstock mit dem Wort "Freiheitsvereinigung" hergestellt zu haben. Danach wurde er zu 3 Jahren in Trisam verurteilt.

  • Lobsang Thokmey und Lobsang Tenphel, beide 22, aus dem Kloster Dongtse im Distrikt Gyaltse, Präfektur Shigatse, wurden 1996 verhaftet, weil sie Plakate an chin. Läden und Krankenhäusern angebracht hatten, auf denen "Tibet ist frei", "China beraubt die Tibeter absichtlich ihrer Grundmenschenrechte" zu lesen war. "Die Chinesen verkaufen in Tibet wertlose, schlechte Waren zu horrenden Preisen, sie betrügen die armen tibetischen Bauern und zwingen sie, ihnen ihr hart gewonnenes Getreide und andere Erzeugnisse zu Mindestpreisen zu verkaufen." Die zwei Mönche wurden vor das Distriktgericht von Gyaltse gestellt und der "Propagierung von Separatismus" beschuldigt. Lobsang Thokmey wurde zu 4 Jahren und Lobsang Tenphen zu zweieinhalb Jahren verurteilt. Beide sind derzeit im Drapchi Gefängnis.

Teil IV

WILLKÜRLICHE VERHAFTUNGEN UND FESTNAHMEN

Die UN Arbeitsgruppe über Willkürliche Verhaftung definiert diese folgendermaßen: "Fälle der Freiheitsberaubung, wenn der Tatbestand, der zu der Verfolgung oder Überführung Anlaß geben, die Ausübung von Rechten und Freiheiten, die von bestimmten Artikeln der Universalen Deklaration der Menschenrechte und der Internationalen Konvention über bürgerliche und politische Rechte geschützt werden, betrifft." Auch 1998 gab es weiterhin Menschen, die in Tibet willkürlich festgenommen und festgehalten wurden. Von den von uns verzeichneten 135 Festnahmen in 1998 können beinahe alle als willkürlich eingestuft werden.

Am 5. Okt 1998 unterschrieb die PRC den ICCPR, der sie prinzipiell an die darin enthaltenen Klauseln bindet, darunter auch den Schutz der Bürger vor willkürlicher Verhaftung und Festhaltung. Der Entschluß, der Vereinbarung beizupflichten, scheint nur ein Versuch zu sein, den internationalen Druck auf die chin. Regierung wegen der fehlenden Einhaltung der Menschenrechte abzulenken. China entwindet sich einfach diesen internationalen Verpflichtungen, indem es die Bedingungen der Konvention modifiziert.

In einer Revision des Kriminalverfahrensgesetzes (Criminal Procedure Law = CPL) in 1996 unterließ es die PRC, einen Schutz aller Bürger vor willkürlicher Verhaftung und unfairem Gerichtsprozeß mit einzubauen. Die Drohung der willkürlichen Verhaftung ist vielmehr durch diese Zusätze mit der Einführung der Anklage der "Gefährdung der Staatssicherheit" noch schlimmer geworden. Unter dem neuen CL kann die Polizei einfach die "Staatsgeheimnisse" als Grund für Verhaftung und Festhaltung heranziehen und den Verdächtigten während der ganzen Untersuchungs- und Vernehmungsperiode den Zugang zu rechtlicher Vertretung verweigern. Damit wird die willkürliche Festnahme noch leichter. Deshalb sind diese Revisionen weit davon entfernt, China in Übereinstimmung mit den internationalen Rechtsnormen zu bringen.

IV 1)

Internationales Recht

Art. 9 der "Universal Declaration of Human Rights" legt fest: "Niemand darf willkürlicher Verhaftung, Festhaltung oder Verbannung unterworfen werden."

In ähnlicher Weise heißt es im Art. 9 der Internationalen Konvention über bürgerliche und politische Rechte: "Jeder hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person. Keiner darf willkürlicher Verhaftung oder Festhaltung unterworfen werden. Keiner darf seiner Freiheit beraubt werden, außer aus den Gründen und nach den Verfahren, die vom Gesetz festgelegt sind."

Der Präsident der "Chinesischen Gesellschaft zum Studium der Menschenrechte" schränkte die Verpflichtung Chinas im Rahmen dieser Konvention folgendermaßen ein: "Da China nicht an der Aufsetzung der ICCPR beteiligt gewesen ist und seine inländischen Verhältnisse sich sehr von denen anderer Länder unterscheiden, wird die chin. Regierung sich nun in erster Linie den Fragen widmen, wie die Konvention umgesetzt und den vorhandenen chin. Gesetzen und Regulierungen angepaßt werden kann." Dies macht Chinas Beipflichtung zu den Verfügungen der Konvention praktisch null und nichtig und bezeugt den prinzipiellen Unwillen, seine Politik so zu ändern, daß sie dem internationalen Standard entsprechen würde.

IV 2)

Verhaftungen aufgrund der Ausübung dieser Rechte

Die häufigste Übertretung, die zu willkürlicher Verhaftung und Festhaltung Anlaß gibt, ist die "Gefährdung der Staatssicherheit". Diese Art von "Straftat" wurde durch die Änderungen von 1996 in das CL eingeführt und ersetzt den kontroversen Begriff der "konterrevolutionären Aktivität". Natürlich bringt diese Änderung der Bezeichnung überhaupt keine Einschränkung der willkürlichen Verhaftung mit sich, und die Tibeter laufen genauso wie zuvor Gefahr, für jeden Akt oder Ausdruck, welcher der chin. offiziellen Ideologie widerspricht, verhaftet zu werden. Die Arbeitsgruppe über Willkürliche Verhaftung, die im Okt. 1997 Tibet besuchte, drückte ihre Besorgnis aus: "Obwohl die Nomenklatur 'konterrevolutionäres Verbrechen' abgeschafft wurde, wurde die Rechtsgewalt des Staates nur noch vermehrt, und Akte von Personen in Ausübung des Rechtes auf Ausdrucks- und Meinungsfreiheit können sehr wohl als Akte der 'Gefährdung der Staatsicherheit' klassifiziert werden." Dies gestattet der PRC, ihre Praxis der willkürlichen Verhaftung zur Unterdrückung subversiver Meinungen ungestraft fortzusetzen, was eine direkte Verletzung des Rechtes eines jeden auf Freiheit und freien Ausdruck und freie Meinung darstellt.

Die Menschen können in willkürlicher Weise sogar nicht-politischer Handlungen wegen der "Gefährdung der Staatssicherheit" belangt werden, wozu schon der bloße Kontakt mit jenen, die bereits politisch aktiv waren, gehört. Es gab Berichte von Personen, die verhaftet wurden, nur weil sie Gefängnisinsassen oder deren Familien finanziellen oder moralischen Beistand leisteten. Ama Lhundup Wangmo, die seit Aug. 1998 verschwunden ist, wurde beispielsweise schon zweimal zuvor unter dem Verdacht der politischen Aktivität, weil sie politische Gefangene besucht hatte, verhaftet. Ihre jetzige Festhaltung ist vermutlich die Folge ihrer weiteren Gefängnisbesuche, doch wurden keine Details über die gegen sie erhobene Anklage bekannt gegeben.

  • Dawa Tsering, 27, aus Distrikt Phenpo, war ein Mönch des Klosters Dha Lobu. Er wurde beschuldigt, eine Liste von politischen Gefangenen zusammengestellt und diese nach Indien gesandt, sowie Dokumente aus Indien in Tibet verteilt zu haben. Er wurde zu 6 Jahren in Drapchi verurteilt.

  • Gyalkye ist ein hoher Mönch aus Kloster Pomda. Als das Workteam in sein Kloster kam, weigerte er sich, den Instruktionen zu gehorchen und äußerte seinen Unmut über dessen Anwesenheit. Am 8. Aug. 1997 wurde er in die Polizeistation geholt und später in das Präfekturgefängnis von Chamdo verlegt, wo er fast vier Monate saß. Nun ist er in Lhasa eingesperrt, aber sein Urteil ist unbekannt.

  • Lo-Ghuy, ein 18-jähriger Novize aus Kloster Sera Chabra, wurde im Sept. 1997 verhaftet, weil er Plakate mit "Free Tibet" angeklebt haben soll. Er wurde zu 6 Jahren Haft verurteilt und in das Toelung Gefängnis gesteckt.

  • Ngawang Dipsael ist ein 29-jähriger Mönch aus Kloster Drepung. Er wurde am 2. Dez. 1997 wegen einer Demonstration in Lhasa von dem PSB festgenommen. In dem Tsethang Gefängnis der Region Lhoka wurde er zu dreieinhalb Jahren verurteilt und nach Toelung gebracht. Bereits zuvor hatte er 4 Jahre in Drapchi eingesessen.

  • Tseten, eine 37-jährige Frau aus Distrikt Nyemo, wurde zu 7 Jahren Gefängnis im Aug. 1997 verurteilt. Sie wurde wegen Besitzes der Autobiographie des Dalai Lama festgenommen und der "Gefährdung der Staatsicherheit" beschuldigt. Tseten wurde bereits zweimal verhaftet, einmal 1988 wegen Anklebens von Freiheitsplakaten, und 1995 wegen desselben "Deliktes", wofür sie 8 Monate in Gutsa festgehalten wurde.

IV 3)

Verweigerung des Rechtes auf ein faires Gerichtsverfahren

Gemäß Art. 10 der "Universal Declaration of Human Rights" "ist jedermann bei der Feststellung seiner Rechte und Pflichten und irgendwelcher kriminellen Anklagen gegen ihn in voller Gleichheit zu einer fairen und öffentlichen Anhörung durch ein unabhängiges und unbefangenes Gericht berechtigt."

Die Existenz einer unabhängigen Anwaltschaft ist ebenfalls entscheidend bei der Wahrung des Rechtes auf einen fairen Gerichtsprozeß und den Schutz der Menschenrechte. Die Klassifizierung von Rechtsanwälten als von der Regierung bezahlte "staatliche Justizangestellte" wurde unter dem Rechtsanwaltgesetz von 1996 fallen gelassen. Sie werden nun als "Personal, welches rechtliche Dienste für das Volk leistet", eingeordnet. Rechtliche Dienstleistungen stehen aber nicht überall und immer zur Verfügung in China, und besonders die tibetischen politischen Angeklagten bekommen kaum eine gesetzliche Vertretung. Finanzielle Schwierigkeiten und die Abneigung der Rechtsanwälte sind zwei der Hauptgründe hierfür. Die Behörden übten nämlich in der Vergangenheit Vergeltung gegen Rechtsanwälte, die derartige Angeklagte vor Gericht vertraten.

Amnesty International stellte in seinem Bericht von 1998 fest, daß "die politischen Prozesse weit hinter dem internationalen Standard zurückbleiben, mit Urteilsprüchen und Verurteilungen, die vom Staat bereits vor der Verhandlung festgelegt werden, und Berufungsverfahren, die eine reine Formalität sind." Derartige Bedingungen im chin. Justizsystem nehmen den politischen Gefangenen ihr Grundrecht auf einen fairen und gerechten Prozeß weg.

Der Fall von Chadrel Rinpoche, dem Abt von Kloster Tashi Lhunpo und dem Leiter der Such-Kommission nach der Reinkarnation des 11. Panchen Lama, ist exemplarisch für die Verleugnung des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren. Er wurde mit "Verschwörung zur Spaltung des Landes" beklagt und wegen "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Die gesetzliche Vertretung wurde ihm verweigert, und sein Prozeß war wegen der angeblichen "Staatsgeheimnisse" für das Publikum unzugänglich. Details über den Prozeß wurden bis heute nicht herausgerückt.

IV 4)

Fälle von erfolglosen Berufungen

Trotz einiger Zusätze zu der Prozeßordnung scheint das Berufungssystem kaum Veränderungen erfahren zu haben. Das revidierte Gesetz spezifiziert die Verpflichtung der Gerichte unterer Ebene, auf Ersuchen des Angeklagten ein neues Verfahren zu einer weiteren Verhandlung zu organisieren.

Das "Lawyers Committee for Human Rights" kommt zu dem Schluß: "... keine einzige dieser Änderungen gehen das grundlegende Problem im Berufungsverfahren in China an: die mangelnde Bereitschaft der Angeklagten Berufung einzulegen. Untersuchungen ergaben den ständigen Rückgang der Appellationsraten, seitdem das CPL erstmals 1979 in Kraft trat". Die Berufungsrate lag 1994 gerade etwas über 10%, was ein bedeutendes Manko in dem System andeutet. Der mangelnde Wille der Angeklagten auf Revisionseinlegung kommt daher, daß die Berufungen meistens erfolglos bleiben oder die höheren Gerichte einfach nur die Entscheidung der niedereren bestätigen, ohne den Fall zu überprüfen. Ein weiterer bedeutender Hinderungsgrund ist, daß Personen, die Berufung einlegen, mit einem noch schwereren Urteilspruch zu rechnen haben.

  • Jampel Monlam, ein ehemaliger politischer Gefangener, der 5 Jahre in Drapchi einsaß, bestätigte, daß von allen politischen Gefangenen nur etwa 10 % versuchen, Revision einzulegen. Er meinte, daß die Angeklagten wegen der Nutzlosigkeit des Appellationssystems und des Risikos eines härteren Urteils dies nur ungern täten.

  • Ngawang Choephel, der 32-jährige tib. Musiker, verurteilt zu 18 Jahren Gefängnis und 4 Jahren Entzug der politischen Rechte, wurde in das TAR Gefängnis No. 2, früher das Powo Tramo Arbeitslager genannt, verlegt. Ngawang, der seit Aug. 1995 in der Nyari Haftanstalt war, soll mehrmals bei dem Höheren Volksgericht in Lhasa Berufung eingelegt haben, aber seine Appellationen wurden persistent zurückgewiesen.

  • Rinzin Choenyi, eine ehemalige Nonne von Shugseb, die im Sept. 1989 wegen Beteiligung an einer Demonstration verhaftet worden war, wurde von dem Mittleren Volksgericht im Okt. 1989 wegen "konterrevolutionärer" Aktivitäten zu 7 Jahren verurteilt. Man sagte ihr, wenn sie ihr Urteil für zu hart halte, könne sie innerhalb von 10 Tagen Berufung einlegen. Nach drei Tagen appellierte sie an das Höhere Volksgericht um eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter Art. 102 der CPL, der lautet: "Wer so immer zum Zweck der Konterrevolution irgendeine der folgenden Taten begeht, wird zu lebenslanger Haft, krimineller Einsperrung, Kontrolle oder Entzug der politischen Rechte verurteilt, während Anführer von Gruppen oder jene, deren Verbrechen enorm groß ist, zu über 5 Jahren Gefängnis verurteilt werden: Aufhetzung der Massen zum Widerstand oder der Sabotage der Staatsgesetze und Verordnungen; Anstachelung und Werbung durch konterrevolutionäre Parolen, Flugblätter und andere Mittel zum Sturz der politischen Macht der Diktatur des Proletariats und des sozialistischen Systems." Sie wurde am 10. Nov. 1989 benachrichtigt, daß das Urteil des Mittleren Gerichtshofes als die endgültige Entscheidung gelte. Nach einigen Tagen kam sie ins Drapchi Gefängnis, wo sie ihre Haft abbüßte.

  • Rinzin Wangyal, 52 Jahre alt, aus Lhasa, wurde zuerst 1966 verhaftet, weil er angeblich eine Untergrundbewegung gegründet hatte, und war 15 bis 17 Jahre lang eingesperrt. 1995 wurde er erneut unter dem Verdacht, die Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der TAR stören zu wollen, verhaftet, weswegen er zu einer Haftstrafe von 16 Jahren verurteilt wurde. Im Okt. 1997 wurde sein Urteil von dem Mittleren Volksgericht auf lebenslänglich erhöht. Ehe er eine Berufung an das Höhere Volksgericht einleiten konnte, wurde Rinzin verständigt, daß die Entscheidung des Mittleren Gerichtshofes bestätigt und endgültig sei, was jeden Berufungsweg ausschloß.

IV 5)

Festhaltung vor dem Prozeß

Die revidierte CPL eliminierte fünf verschiedene Formen der Haft in der Vorprozeßphase. Diese Änderung sah auch die Ausschaltung einer weiteren Form der Vorprozeßhaft vor, die als "Obdach und Untersuchung" (chin. shourong shencha) bekannt ist. Dies ist eine Art Administrativhaft, wo die Gefangenen in ein Umerziehung-durch-Arbeits-Lager kommen. Obwohl der Begriff "Obdach und Untersuchung" in den Zusätzen zu der CPL von 1996 nicht mehr existiert, bestätigen die uns 1998 zur Kenntnis gekommenen Fälle jedoch, daß es diese Art der administrativen Einsperrung immer noch gibt.

Die diesbezüglichen Beschlüsse werden meistens von der Polizei und der lokalen Verwaltung, unabhängig von gerichtlichen Verfahren, getroffen. Den so verurteilten Bürgern wird sowohl das Recht auf ein gerichtlich gefälltes Urteil als auch auf eine Anhörung und einen Rechtsbeistand verweigert .

Die für "Obdach und Untersuchung" festgesetzte Höchstfrist von 3 Monaten wird ebenfalls meistens außer Acht gelassen. Manche unter Verdacht Stehende wurden bis zu drei Jahren festgehalten, ehe sie vor Gericht gestellt wurden. Dazu meint das "Lawyers Committee for Human Rights": "Diese weitverbreiteten Mißstände entstammen der Tatsache, daß 'Obdach und Untersuchung' als eine Verwaltungsmaßnahme praktisch keiner Kontrolle unterliegt. Anders als eine formelle Verhaftung unter dem CPL erfordert diese Prozedur keine vorherige Billigung durch die Prokuratur."

In ihrem Bericht über ihre Reise nach Tibet und China im Okt. 1997 beklagte die Arbeitsgruppe über Willkürliche Festhaltung "die Abwesenheit eines Richters oder unabhängigen Tribunals, wenn ein Festgenommener von den Kadern zur Umerziehung-durch-Arbeit verurteilt wird". Bei der 54. Sitzung der UN Kommission für Menschenrechte im März und April 1998 brachte die Arbeitsgruppe erneut ihre Bedenken über die Fortsetzung dieser Praxis zum Ausdruck.

  • Ngawang Beyjey, ein 35-jähriger ehemaliger Mönch aus Drepung, stammt aus dem Ort Gurum in Distrikt Toelung Dechen. Als das Drepung Kloster im Sept. 1997 neu geweißelt wurde, riß Ngawang die chin. Flagge, die auf dem Klosterdach wehte, herunter und trampelte auf ihr herum. Er wurde sofort verhaftet und vier Monate lang in einer Polizeistation Lhasas festgehalten. Im Febr. 1998 wurde er nach Gutsa verlegt. Ein Urteil wurde noch nicht gefällt.

IV 6)

Schluß

Das juristische System der PRC verfehlt, die Rechte der tibetischen Bürger zu schützen. Willkürliche Festnahmen gingen auch 1998 unvermindert weiter, wodurch das Grundrecht der Tibeter auf die Freiheit der Person und des Denkens, Gewissens und der Religion verletzt wird. Auch die Praxis der Einsperrung vor dem Prozeß wurde fortgesetzt, wobei den Festgehaltenen viele Grundrechte, wie das Recht auf ein faires Verfahren, auf gesetzliche Vertretung und Berufung verweigert werden. Die chin. Regierung hat die Verpflichtung, Schritte einzuleiten, daß alle Bürger vor diesen ungerechten Verfahrensweisen geschützt werden.


Teil V

POLITISCHE GEFANGENE UND GEWISSENSGEFANGENE

Politische Gefangene oder Gewissensgefangene sind Personen, die wegen ihrer religiösen, politischen und ethnischen Überzeugungen festgehalten werden. Mit Stand vom Dez. 1998 sind uns 1.083 Tibeter bekannt, die aus diesen Gründen eingesperrt sind. Davon sind 246 Frauen und 12 Jugendliche. Dazu kommen 93 Gefangene, die nun volljährig sind, aber zum Zeitpunkt ihrer Festnahme Jugendliche waren. Es gibt derzeit 61 politische Gefangene, die ein Urteil von 10 Jahren und darüber abzubüßen haben.

Diese Gefangenen, die nur deshalb verhaftet wurden, weil sie die ihnen zustehenden Grundrechte ausübten, verlieren nach der Einsperrung noch viele andere Rechte. Sie werden oft physischer und mentaler Mißhandlung unterworfen und ohne Verbindung zur Außenwelt in Kerkern gehalten, deren Bedingungen weit unter den internationalen Richtlinien liegen.

Eine ganze Reihe von internationalen Kampagnen wurde 1998 von NGOs gestartet, um die chin. Regierung zur Freilassung von politischen und Gewissensgefangenen zu bewegen. So gab es Kampagnen zugunsten von Tanak Jigme Sangpo (72), dem politischen Gefangenen mit dem längsten Urteil, Gedhun Choekyi Nyima (9), dem 11. Panchen Lama, Ngawang Sangdrol (22), der weiblichen Gefangenen mit dem längsten Urteil, und anderen Gewissensgefangenen mit langen Haftstrafen: Ngawang Sungrab (27), Ngawang Jungney (28), Gyaltsen Choephel (27), Lodroe Gyatso (39) und Phuntsok Nyidron (39). Trotz starkem internationalem Druck gab die chin. Regierung diesen Bitten nicht statt und zeigte keinerlei Lockerung in ihrer Repressionspolitik.

V 1)

Neue politische Gefangene von 1998

  • Ama Lhundrup Wangmo, ursprünglich aus Distrikt Phenpo Lhundrup, wurde im Aug. von dem PSB Lhasa festgenommen, das ihr Haus durchsuchte. Ihr Verbleib ist nicht bekannt. Sie war zweimal in Indien gewesen und pflegte politische Gefangene zu besuchen. Schon zweimal zuvor, 1987 und 1993, war sie vom PSB verhaftet worden.

  • Gyalchoe, ein Mönch aus dem Kloster Padha in Dist. Pashoe, wurde verhaftet, als er sich weigerte, die Umerziehungs-Klassen im Jan. zu besuchen. Die Kader des Workteams fanden eine tib. Nationalflagge bei ihm und steckten ihn sofort in das Pashoe Distrikt Gefängnis. Sein Urteil ist nicht bekannt.

  • Jamyang Tsultrim, 29-jährig aus Dist. Hualong, Tsoshar TAP, Provinz Qinghai, wurde im Mai erneut verhaftet. Bereits zuvor war er dreimal unter Verdacht von subversiven politischen Aktivitäten festgenommen worden. Der Grund seiner erneuten Verhaftung ist nicht bekannt. Über einen Monat war er in verschiedenen Haftzentren, ehe er auf eine Kaution von 10.000 Yuan freigesetzt wurde.

  • Jampa Tenzin und Ngawang Tsultrim sind beide Mönche aus dem Kloster Rongpo Rabten in Dist. Sog der Region Nagchu. Sie wurden von den Kadern des Workteams im Febr. 1998 festgenommen. Jampa hatte der Umerziehungs-Politik widersprochen, Ngawang hatte schon früher Tonband- und gedruckte Kopien von Reden des Dalai Lama verteilt. Sein Zimmer wurde durchwühlt und einige Dokumente für Free Tibet bei ihm gefunden. Beide kamen in das Distrikt Gefängnis von Sog. Ihr Urteil wurde im Sept. in dem Kloster bekanntgegeben: Jampa wurde zu zwei Jahren und Ngawang Tsultrim zu einem Jahr verurteilt. Nach inoffizieller Quelle befinden sie sich nun in dem Gefängnis von Toelung.

  • Lobsang Sherab (33), Lopel (25), Kalkho (25), Tingzin (34), Tenzin (25) und Palden (29) sind alles Mönche aus dem Kloster Kirti in Dist. Ngaba. Sie wurden im Nov. 1998 verhaftet, weil sie Plakate im Kloster anbrachten und mit den Kadern des Workteams zu argumentieren begannen. Die Details ihrer Festhaltung sind nicht bekannt.

  • Ngawang Kyonmey wurde im Sept. 1998 im Zusammenhang mit einem Brief, den er Mary Robinson übergeben wollte verhaftet. Die Polizei fand 100 Dalai Lama Bildchen, eine tib. Nationalflagge und einige Reden des Dalai Lama auf Cassetten in seinem Haus. Er wurde in die Gutsa Haftanstalt gesteckt, aber wo er sich derzeit befindet, ist nicht bekannt.

  • Ngawang Tenrab, ein Mönch aus dem Kloster Drepung, wurde im Mai 1998 zusammen mit Samdrup, ebenfalls aus Drepung, verhaftet. Er wurde nach einem Monat entlassen. Bereits 1989 war er wegen einer Demonstration in Haft.

  • Norsang, Chupar, Phagchog, Tsundue Tharchin und Gyaltsen Choephel wurden im März 1998 aus der Karchung Einsiedelei in der Region Nagchu geholt und festgenommen. Norsang wird beschuldigt, er hätte seinem Lehrer Drugpa Tharchin zur Flucht aus Tibet geholfen. Er wurde zu 3 Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt. Gyaltsen Choephel und Phagchog wurden nach 7 Tagen freigelassen. Der Verbleib von Chupar, Tsundue Tharchin und Gyaltsen ist unbekannt.

  • Samdrup, ein 28-jähriger ehemaliger Mönch aus Kloster Drepung, wurde zuerst wegen Beteiligung an einer friedlichen Demonstration im Mai 1992 zusammen mit einer Gruppe von 12 Mönchen desselben Klosters verhaftet. Im Sept. 1992 wurden sie von dem Mittleren Volksgericht zu 2 bis 8 Jahren verurteilt. Samdrup bekam zwei Jahre und wurde nach Drapchi verlegt. Im Mai 1998 wurde er wegen Verdachtes auf politische Betätigung wieder verhaftet. Er ist derzeit in der Seitru Haftanstalt. Bisher wurde sein Urteil noch nicht gefällt, er darf auch keine Besucher empfangen.

  • Sonam Wangdu, 33-jährig, wurde im Juni 1998 verhaftet, als er die Grenze zu Nepal überschritt. Über Nacht wurde er in einer nepalesischen Polizeistation festgehalten, wo er nichts zu essen bekam und statt dessen geschlagen wurde. Am nächsten Tag wurde er der chin. Polizei ausgehändigt. Dann wurde er fünf Tage in dem Haftzentrum von Shigatse festgehalten. Es gelang ihm von dort zu entwischen, aber als er die Grenze mit einer anderen Gruppe von 56 Personen überqueren wollte, wurde er erneut verhaftet.

  • Tenpa Rabgyal, ein 27-jähriger Mönch aus dem Kloster Tashi Ge Kunphel, wurde im März 1998 von dem PSB verhaftet, weil er Gebetszettel mit "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama!" einem Freund gegeben hatte. Er wurde 6 Monate festgehalten und im Sept. 1998 entlassen.

  • Tenzin Lobsang (25), Gyaltsen Tsultrim (18), Tenzin Tsultrim (17) und Gendhun Tharchin (25), alles Mönche aus dem Kloster Rongpo Rabten. Im Dez. 1997 hatten sie Freiheitssprüche an ein Fahrzeug der Ortsverwaltung gemalt. Im Febr. 1998 kündigte das PSB das Kommen eines Workteams in das Kloster an. Aus Furcht vor Verhaftung planten sie am 12. Febr. 1998 zu fliehen. Aber ihr Plan wurde dem PSB des Distrikts hinterbracht. Die 4 Mönche wurden auf ihrem Weg zum Gyalmo Ngulchu Fluß gefaßt und in das Haftzentrum der Region Nagchu gesteckt. Die Details ihres Urteils wurden von dem Workteam im Sept. in dem Kloster bekannt gegeben. Gegenwärtig sind sie in dem Distrikt-Gefängnis in Sog.

  • Wotse, ein 30-jähriger Geschäftsmann aus Dist. Ngaba in Provinz Sichuan, wurde im Okt. in seinem Haus unter Verdacht von subversiver politischer Betätigung festgenommen. Gegenwärtig wird er in dem Distrikt Gefängnis von Ngaba festgehalten.

V 2)

Fälle von politischen Gefangenen mit überlangen Haftstrafen

  • Tanak Jigme Sangpo ist ein 72-jähriger ehemaliger Grundschullehrer aus Lhasa und einer der politischen Gefangenen in Tibet mit der längsten Strafe. Wenn er im Jahre 2011 entlassen wird, dann wird er 85 Jahre alt sein, 28 Jahre ununterbrochen und im ganzen 44 Jahre im Gefängnis gesessen haben. Er wurde erstmals 1960 wegen "Korrumpierung der Gemüter von Kindern durch reaktionäre Ideen" verhaftet. 1964 wurde er zu 3 Jahren Gefangenschaft in Sangyip verurteilt, weil er sich gegen die chin. Unterdrückung der Tibeter gewandt hatte, worauf er in das Arbeits-Umerziehungslager in Lhasa kam. 1970 wurde er zu 10 Jahren Zwangsarbeit in Sangyip verurteilt, weil er seine Nichte zur Flucht nach Indien angeregt hätte, die dort dem Dalai Lama über die Grausamkeiten der Chinesen berichten sollte. Er wurde 1979 vom Gefängnis in das Arbeits-Reform-Lager No. 1, in Nyethang, 60 km westlich von Lhasa verschoben.
    Im Nov. 1983 wurde der nun 57-jährige Tanak Jigme Sangpo wegen "konterrevolutionärer Propaganda und Aufhetzung" zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte ein Plakat als Protest gegen die chin. Besatzung an das Tor des Tsuglakhang Tempels in Lhasa geklebt und sich mit einem weißen Banner als Symbol der Freiheit und Unabhängigkeit des tib. Volkes bedeckt.1988 wurde Tanaks Urteil um fünf Jahre verlängert, weil er im Gefängnis Unabhängigkeitsparolen gerufen hatte. Im Dez. 1991 soll er geschlagen worden sein, weil er während des Besuches einer Schweizer Regierungsdelegation im Drapchi Gefängnis Parolen rief, wonach er mindestens 6 Wochen in Einzelhaft gehalten wurde. Danach wurde sein Urteil wieder erhöht, diesmal um 8 Jahre. Er ist weiterhin im Drapchi Gefängnis. Bereits vor 1980 hatte Tanak Jigme Sangpo wegen ähnlicher Vergehen mindestens 13 Jahre im Gefängnis gesessen. Es besteht nun große Besorgnis um seine Sicherheit, weil er auch an dem Vorfall vom Mai beteiligt gewesen sein könnte. Er leidet unter Hypertonie, und Amnesty International startete einen Urgent Appeal für seine Befreiung.

  • Ngawang Choephel, ein 32-jähriger tibetischer Musiker, wurde im Aug. 1995 vermißt, einen Monat nach seiner Reise nach Tibet, wo er Forschungen in traditioneller tib. Musik betreiben wollte. Nach über einem Jahr gaben die Chinesen seine Festhaltung zu. Daraufhin wurde er im Dez. 1996 zu 18 Jahren Gefängnis und 4 Jahren Verlust der Bürgerrechte verurteilt, unter der Anklage für die tibetische Exilregierung spioniert zu haben. Im Nov. 1998 hörte man, daß Choephel in das entlegene, Hochsicherheits-Gefängnis Powo Tramo verlegt wurde. Sonam Dekyi, seine Mutter, machte seit der Verhaftung ihres Sohnes Kampagne für seine Freilassung, sowie für das ihr zustehende Recht, ihn im Gefängnis zu besuchen. Die chin. Regierung verfehlte bisher, ihren humanitären Appellen zu entsprechen.

  • Ngawang Sangdrol (auch Rigchog genannt) aus dem Kloster Garu ist die weibliche politische Gefangene in Tibet mit dem längsten Urteil, nämlich 18 Jahren. Sie wurde 1977 in Lhasa geboren und erstmals 1987, also als 10-jähriges Mädchen, 2 Wochen lang festgehalten, als sie an einer Demonstration teilnahm. Im Aug. 1990, mit 13 Jahren, demonstrierte sie zusammen mit anderen Nonnen im Norbulingkha. Sie galt als noch zu jung, um vor Gericht gestellt zu werden, aber wurde 9 Monate lang ohne Anklage festgehalten und durfte danach nicht mehr in ihr Kloster zurückkehren. Im Juni 1992 wurde Ngawang wieder verhaftet, weil sie zusammen mit anderen Nonnen von Garu und einigen Mönchen von Kloster Gaden in Lhasa zu demonstrieren begann. Diesmal wurde sie wegen "subversiver und separatistischer Aktivitäten" zu 3 Jahren verurteilt. Im Drapchi Gefängnis zeichnete Ngawang zusammen mit anderen Nonnen patriotische Lieder und Gedichte auf Band auf, wonach ihr Urteil im Okt. 1993 wegen "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda" um 6 Jahre vermehrt wurde.
    Im März 1996 protestierte Ngawang gegen die Indoktrinierung hinsichtlich der Panchen Lama Reinkarnation. Im Juli wurde ihr Urteil um weitere 9 Jahre verlängert, was es auf insgesamt 18 Jahre bringt. TIN erfuhr, daß sie auch an den Protesten in Drapchi beteiligt war. Nach einer verläßlichen Quelle befindet sie sich in Einzelhaft im Drapchi Gefängnis und wird unter Mißhandlungen und Schlägen harten Verhören unterzogen. 1998 starteten Amnesty International und Body Shop einen "urgent action appeal" zu ihrer sofortigen Freilassung. Ihr 67-jähriger Vater Namgyal Tashi ist auch für acht Jahre eingesperrt, weil er tibetische Nationalflaggen und Flugblätter verteilte.

  • Lobsang Tenzin, ein 32-jähriger ehemaliger Student der Tibet University, wurde im März 1988 verhaftet und angeklagt, am Tod eines PAP Offiziers während der Demonstrationen vom 5. März beteiligt gewesen zu sein. Lobsang wurde zu lebenslang verurteilt, was aber inzwischen in eine Gefängnisstrafe von 18 Jahren umgeändert wurde. Seit seiner Einkerkerung in 1988 durfte er nur 4 Besuche empfangen, alle vor 1990. Gegenwärtig wird er in dem Powo Tramo Gefängnis festgehalten.

  • Lodroe Gyatso, 39 Jahre alt, war ein Tanzkünstler und nahm dreimal an Schwergewicht-Wettbewerben im Dist. Sog, Region Nagchu, teil. Im April 1994 wurde Lodroe zu 15 Jahren verurteilt, weil er sich mit einem prochinesisch gesinnten Tibeter angelegt und diesen dabei getötet hatte. Im Gefängnis demonstrierte Lodroe ganz alleine und verteilte Broschüren und Plakate. Als er sich weigerte, ein Geständnis zu machen, wurde er in eine Folterzelle gebracht und mißhandelt. Die Nachricht über den Hinrichtungsbefehl für Lodroe wurde aus dem Gefängnis geschmuggelt, wonach der UN Sonderbeauftragte für außergerichtliche summarische oder willkürliche Exekutionen im Mai 1995 an die chin. Regierung appellierte. Die chin. Antwort war, daß es gar kein Hinrichtungsurteil gegeben hätte, vielmehr sei Lodroes Urteil um weitere 6 Jahre plus 3 Jahre Verlust der politischen Rechte erhöht worden, was sein Gesamturteil auf 21 Jahre bringt. Amnesty International startete im Juli 1998 eine "urgent action" zu seiner sofortigen Befreiung.

  • Ngawang Phulchung, ein 39-jähriger Mönch aus Drepung, wurde bei einer politischen Kundgebung im Nov. 1989 zu 19 Jahren Haft verurteilt. Er stand unter Anlage der Gründung einer konterrevolutionären Gruppe, die insgeheim politische Flugblätter im Kloster Drepung gedruckt hatte. Ngawang Phulchung wurde im April 1989 zusammen mit drei anderen Drepung Mönchen verhaftet. Unter der "reaktionären", von der Gruppe veröffentlichten Literatur war auch eine tibetische Übersetzung der Universalen Deklaration der Menschenrechte. Im März 1991 wurde er schwer geschlagen und in Einzelhaft gesetzt, weil er versucht hatte, einer US Delegation, die Drapchi besuchte, eine Petition wegen der Bedingungen im Gefängnis, zuzustecken.

  • Rinzin Wangyal ist ein 57-jähriger ehemaliger Arbeiter einer Zementfabrik. Er wurde erstmals 1966 verhaftet, weil er angeblich eine Untergrundbewegung organisierte. Im Drapchi Gefängnis wurde er regelmäßig gefoltert und verhört. 1982 wurde er von Drapchi entlassen, aber im Aug. 1995 erneut festgenommen, verdächtigt, er hätte Vorbereitungen getroffen, um die Feiern zum Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet am 1. Sept. 1995 zu stören. Rinzin wurde im Dez. 1996 zu 16 Jahren verurteilt. Im Okt 1997 wurde bekannt, daß Rinzins Gefangenschaft durch Order des Mittleren Volksgerichtes auf lebenslänglich ausgedehnt wurde. Der Grund dafür ist unbekannt. Gegenwärtig ist er im Drapchi Gefängnis. Seine Frau Sonam, die sehr krank ist, appellierte verschiedentlich, ihren Mann im Gefängnis besuchen zu dürfen, weil sie fürchtet, sie könne sterben, ohne ihn gesehen zu haben. Ihre Bitten wurden ignoriert.

  • Bhagdro, Jampa Tenkyong und Po Lhoy aus Kloster Gaden wurden im Mai 1996 während einer Demonstration in ihrem Kloster verhaftet. Sie wurden zu 15 Jahren Haft verurteilt.

  • Chime Dorjee, ein 31-jähriger Mönch aus Sera, wurde im März 1994 verhaftet. Er wurde zu 16 Jahren Haft und Entzug der politischen Rechte für weitere 5 Jahre verurteilt.
  • Dramdul, ein 28-jähriger ehemaliger Soldat von Lhasa, wurde im März 1989 verhaftet und zu 16 Jahren verurteilt; er ist gegenwärtig in Drapchi.

  • Gyaltsen Choephel, ein 27-jähriger Drepung Mönch, wurde wegen Teilnahme an einer Demonstration verhaftet. Er wurde von dem Gefängnispersonal schwer gefoltert. Einer Quelle zufolge soll er sich derzeit in dem Militärhospital der TAR befinden. Er büßt ein 15-Jahre Urteil wegen der Demonstration am 5. März 1988 und vermeintlicher Schuld am Tod eines Polizisten ab. Amnesty International startete 1998 einen urgent appeal zu seiner Freilassung.

  • Gyaltsen Dolkar ist eine 28-jährige Nonne aus Kloster Garu. Sie wurde im Aug. 1990 während des Opernfestes im Norbulingka Palast wegen Rufens von "Free Tibet" und "Chinese Quit Tibet" zusammen mit 12 anderen Nonnen verhaftet. Gyaltsen wurde zu 4 Jahren Gefängnis und einem Jahr Entzug der politischen Rechte verurteilt. Im Gefängnis nahm sie und 13 weitere Nonnen Unabhängigkeitslieder und Botschaften an ihre Familien mit einem Cassetten-Recorder auf, der heimlich ins Gefängnis gebracht worden war. Sie wurde daraufhin mit "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda" beschuldigt und zu weiteren 8 Jahren verurteilt. Sie hat nun eine Gesamtstrafe von 12 Jahren.

  • Jampa Tashi, ein 27-jähriger Sera Mönch aus dem Dorf Gyabdo, wurde im März 1994 verhaftet. Er wurde zu 12 Jahren Gefängnis und Entzug der politischen Rechte für weitere 4 Jahre verurteilt.

  • Jampel Jangchub, ein 37-jähriger Mönch aus Drepung, wurde im April 1989 verhaftet und bei einer Massenkundgebung in Lhasa im Nov. 1989 gerichtet. Er wurde der "konterrevolutionären" Befürwortung der tib. Unabhängigkeit bezichtigt und zu 19 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Er wird derzeit in Drapchi festgehalten.

  • Jampel Lobsang, 32-jährig, aus Dist. Taktse, Raum Lhasa, wurde im März 1989 verhaftet und zu 10 Jahren Haft und 3 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt.

  • Jigme Gyatso, 30, war Geschäftsmann und ein ehemaliger Mönch von Kloster Labrang in der Ganlho TAP, Provinz Gansu. Er wurde 1987 aus politischen Gründen verhaftet und 1988 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Gegenwärtig ist er im Drapchi Gefängnis.

  • Jigme Yangchen, 29, aus der Präfektur Lhoka, war Nonne im Kloster Shugseb. Sie hat eine 12-Jahres-Strafe in Drapchi abzusitzen. Zuerst wurde sie mit 14 anderen Nonnen von Shugseb bei einer Unabhängigkeits-Demonstration am Barkhor im Aug. 1990 festgenommen und zu 7 Jahren verurteilt. Jigme war auch eine der Nonnen, welche die Lieder im Gefängnis aufnahmen. Ihr Urteil wurde daher im Okt. 1993 um 5 Jahre erhöht, was es nun auf insgesamt 12 Jahre bringt.

  • Kunchok Dhondup, Kyi Truk Pa, Lobsang Dawa, Pasang Tsegyay, Penpa, Yonten Gyalpo, alle vom Kloster Gaden wurden zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie im Mai 1996 in Gaden protestiert hatten.

  • Kunchok Lodroe, ein 28-jähriger Bauer aus dem Dorf Dashar in Dist. Meldro Gongkar, Raum Lhasa, wurde im Juni 1992 verurteilt und zu 13 Jahren Haft mit 4 Jahren Verlust der Bürgerrechte verurteilt. Er ist in Drapchi.

  • Lhundrup Dorjee, ein 28-jähriger Bauer aus Meldro Gongkar, wurde im Juni 1992 verhaftet und im Okt. zu 15 Jahren Haft und 4 Jahren Entzug der Bürgerrechte verurteilt. Der Grund ist nicht bekannt.

  • Lobsang Gelek, ein 27-jähriger Sera Mönch aus Lhatse in der Präfektur Shigatse, wurde im Nov. 1989 verhaftet und zu 12 Jahren verurteilt. Er befindet sich derzeit in Drapchi.

  • Lobsang Palden aus Chamdo Pashoe, Region Chamdo, wurde 1991 wegen "reaktionärem Benehmen" zu 10 Jahren verurteilt. Er sitzt in Powo Tramo Gefängnis in der Region Nyingtri ein.

  • Lobsang Tsegyal ist ein 31-jähriger Mönch aus Kloster Serwa in der Region Chamdo. Er wurde 1994 verhaftet und zu 16 Jahren mit Entzug der politischen Rechte für 5 Jahre verurteilt.

  • Lobsang Wangchuk, Tsering Bhagdro, Ta Sang, alles Mönche aus Kloster Gaden, wurden im Zusammenhang mit der Gaden Demonstration vom Mai 1996 verhaftet und alle zu 10 Jahren Einsperrung verurteilt.

  • Loye, ein Mönch aus dem Potala, wurde im Dez. 1989 zu 15 Jahren Inhaftierung und 5 Jahren Verlust der politischen Rechte wegen angeblicher "Spionage" und "konterrevolutionärer" Propaganda verurteilt. Er wurde bezichtigt, Informationen "von dem Feind im Ausland" gesammelt zu haben.

  • Namdrol Lhamo, eine 31-jährige Nonne aus Kloster Chubsang, wurde im Mai 1992 verhaftet und zu 12 Jahren verurteilt. Sie ist gegenwärtig in Drapchi.

  • Ngawang Sungrab, ein 27-jähriger Drepung Mönch aus Phenpo, leistet 10 Jahre Strafe für seine Beteiligung an einer Demonstration 1989 ab. Er war auch bei dem Protest in Drapchi vom Mai 1998 dabei und wurde brutal geschlagen, so daß er ins Hospital kam. Amnesty International startete eine urgent action für seine Freilassung.

  • Ngawang Jamtsul, ein 39-jähriger ehemaliger Aufseher-Mönch im Potala Palast, Lhasa, wurde im März 1989 verhaftet. Er wurde bei einer Massenkundgebung im Dez. 1989 zu 15 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Er ist in Drapchi.

  • Ngawang Choephel, ein 34-jähriger Mönch aus Kloster Ghemo in Lithang in der Karze TAP, wurde im Aug. 1993 verhaftet und 1996 zu 10 Jahren verurteilt. Unbestätigten Berichten zufolge wird er in dem Distriktgefängnis von Lithang festgehalten.

  • Ngawang Choezom ist eine 26-jährige Nonne aus dem Kloster Chubsang. Sie wurde im März 1992 verhaftet und zu 11 Jahren verurteilt. Im Mai war sie an dem Vorfall in Drapchi beteiligt und wurde danach in Einzelhaft gesetzt und unter grausamer Mißhandlung vernommen. Amnesty International startete einen urgent appeal zu ihrer Freilassung.

  • Ngawang Gyaltsen ist ein 40-jähriger Drepung Mönch und stammt aus Toelung Dechen. Er wurde 1989 festgenommen und zu 17 Jahren mit 5 weiteren Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. Er befindet sich derzeit in Drapchi.

  • Ngawang Lochoe ist eine 27-jährige Nonne aus dem Kloster Nyengon, die im Mai 1992 verhaftet und zu 10 Jahren verurteilt wurde. Sie ist derzeit in Drapchi.

  • Ngawang Pekar, ein 36-jähriger Mönch aus Drepung, hatte bereits die Hälfte seiner 8-Jahres-Strafe abgebüßt, als seine Frist im März 1996 um 6 Jahre verlängert wurde. Im Aug. 1995 wurde er nämlich erwischt, als er eine Liste von politischen Gefangenen und ein Dokument über die Menschenrechtsverletzungen aus dem Drapchi Gefängnis schmuggeln wollte. Ngawang Pekar, der zuerst im Juli 1989 verhaftet wurde, weil er Plakate anbrachte und demonstrierte, büßt nun eine 14-jährige Strafe ab.

  • Ngawang Tensang, ein 29-jähriger Mönch aus Drepung, wurde im Sept. 1991 verhaftet und zu 10 Jahren verurteilt. Er befindet sich in Drapchi.

  • Ngawang Tsamdrol, eine 25-jährige Nonne aus Kloster Nyengon, wurde im Mai 1992 verhaftet und zu 13 Jahren verurteilt. Sie ist in Drapchi.

  • Ngawang Woeser, 26, aus Lhokha Dranang, wurde im April 1989 verhaftet und zu 17 Jahren plus 5 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. Er gilt als der Hauptschuldige an der Organisierung einer "konterrevolutionären Clique" und der Verbreitung von Propagandamaterial.

  • Ngodrup Phuntsog ist ein 40-jähriges ehemaliges Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz aus Lhasa. Er wurde im März 1989 verhaftet und zu 11 Jahren plus 4 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt.

  • Pasang, ein 20-jähriger Mönch aus dem Kloster Jang Ta Lung, wurde mit 3 anderen Mönchen desselben Klosters verhaftet. Sie wurden 5-6 Monate in Gutsa festgehalten, wo sie mit Elektrowaffen, während man sie mit kaltem Wasser übergoß, gefoltert wurden. Nach der Urteilsfällung kamen sie nach Drapchi. Bis auf Pasang, der zu 11 Jahren verurteilt wurde, ist das Urteil der anderen unbekannt.

  • Pema Tsering, ein 27-jähriger Sera Mönch aus Pashoe, Region Chamdo, wurde im März 1994 verhaftet und zu 16 Jahren Gefangenschaft plus Entzug der politischen Rechte für 5 Jahre verurteilt.

  • Phuntsok Nyidron ist eine 30-jährige Nonne aus dem Kloster Michungri. Sie ist gegenwärtig in Drapchi, wo sie ein 17-Jahres-Urteil absitzt. Sie wurde zuerst im Okt. 1989 verhaftet, weil sie eine Demonstration am Barkhor führte und nach einem Ende der chin. Besatzung von Tibet rief. In einem in Tibet Daily veröffentlichen Artikel wurde Phuntsok Nyidron als eine "Rädelsführerin" beschrieben. Sie wurde vor Gericht gestellt und bekam neun Jahre Haft. Auch sie war bei der Aufzeichnung der Lieder und Gedichte beteiligt, worauf ihr Urteil um 8 Jahre verlängert wurde. Phuntsok Nyidron wurde als Empfängerin des Reebok Menschenrechtspreises für 1995 nominiert.

  • Rinzin Choekyi ist eine 26-jährige Nonne aus dem Kloster Shugseb. Sie wurde im Aug. 1990 verhaftet und zu 12 Jahren verurteilt. Sie ist in Drapchi.

  • Sholpa Dawa, ein 58-jähriger Schneider in Lhasa, wurde im Nov. 1996 zu 9 Jahren Haft verurteilt, nachdem er fast 14 Monate ohne Anklage festgehalten wurde. Im Aug 1995 war er in Lhasa wegen "politischer Aktivitäten" verhaftet worden. Bereits 1981 war er festgenommen worden und verbrachte wegen angeblicher Verteilung von Druckschriften für die Unabhängigkeit Tibets 2 Jahre im Gefängnis. Im Nov. 1985 wurde er zum zweiten Mal wegen Verteilens von Flugblättern über die immer schlimmer werdende Lage der Tibeter festgenommen und zu 4 Jahren in dem Sangyip Gefängnis und 1 Jahr Entzug der politischen Rechte verurteilt. Wenn seine Entlassung schließlich ansteht, wird Sholpa Dawa 16 Jahre wegen Ausdruckes seiner Meinung eingesessen haben.

  • Sonam Dhondup, 25, kommt aus Phenpo Khatse in Phenpo Lundrup und war Mönch in dem Kloster Nalenda. Er wurde verhaftet, als man ein Büchlein über Tibet und eine tib. Nationalflagge in seinem Zimmer fand. Er büßt ein Hafturteil von 12 Jahren in Gutsa ab.

  • Sonam Rinchen ist ein 28-jähriger Bauer aus dem Dorf Dashar in Meldro Gongkar. Er wurde im Juni 1992 festgenommen und im Okt. 1992 zu 13 Jahren mit 4 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Er befindet sich in Drapchi.

  • Tendar Phuntsog ist ein 67-jähriger Aufseher-Mönch vom Potala und wurde im März 1989 festgenommen und zu 10 Jahren verurteilt. Er befindet sich in Drapchi.

  • Tenpa Wandrak, ein 53-jähriger ehemaliger Mönch aus Kloster Gaden, wurde 1991 zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in Drapchi versuchte, eine Petition über die Gefängnisbedingungen an James Lilley, den US Botschafter in China, zu übergeben. Tenpa Wangdrak wurde im März 1988 wegen Demonstrierens festgenommen. Im April 1991 wurde er in das Arbeitslager von Powo Tramo in der Region Nyingtri verlegt.

  • Tenzin Thupten, 28, aus Meldro Gongkar, ist eine Nonne aus dem Kloster Michungri und wurde bei einer kurzen Demonstration während des Shoton Festes zusammen mit weiteren 8 Nonnen aus Michungri und fünf aus Garu festgenommen. Tenzin wurde in die Gutsa Haftanstalt gebracht und zu 5 Jahren verurteilt. Danach kam sie nach Drapchi. Sie machte auch bei der Aufzeichnung der Lieder und Gedichte mit, wonach ihr Urteil um 9 Jahre, insgesamt auf 14 Jahre verlängert wurde.

  • Tsering Ngodrup, 57, wurde unter der Anklage, für den Dalai Lama zu spionieren und "konterrevolutionäre Propaganda" zu betreiben, zu 12 Jahren verurteilt.

  • Tsering Phuntsog ist ein 31-jähriger Mönch aus dem Kloster Palkor Choede, der im Aug. 1990 verhaftet und zu 13 Jahren verurteilt wurde. Gegenwärtig ist er in Drapchi.

Teil VI

FOLTERUNG IN HAFTZENTREN UND GEFÄNGNISSEN

Seit die PRC der UN Konvention gegen die Folter und andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung (CAT) 1988 beitrat, steht sie unter der gesetzlichen Verpflichtung, die Praxis der Folter in Tibet zu ächten und zu verbieten. Doch ein Jahrzehnt nach der Ratifizierung der Konvention beweisen die Zeugnisse von früheren tibetischen politischen Gefangenen, daß die Folter immer noch vorherrschend in Tibet ist. Die Mehrheit der gegenwärtig eingesperrten politischen Gefangenen sind irgendwann während ihrer Festhaltung schon einmal gefoltert worden. 1998 gingen dem TCHRD 19 Fälle von Tod infolge der Mißhandlungen in der Gefangenschaft in Tibet zu. 11 dieser Fälle ereigneten sich bei den Demonstrationen im Drapchi Gefängnis im Mai 1998, als die Gefängnismilizen auf die Protestierenden schossen. Bislang hat das TCHRD Nachweise über 60 Tibeter, die seit 1989 an den Folgen der Folterung in der Haft gestorben sind. Diese Zahl basiert auf bestätigten Berichten von tib. Flüchtlingen und Informationen, die aus Tibet erhalten wurden. Die tatsächliche Anzahl wird auf viel höher eingeschätzt.

VI 1)

Internationales Recht

Art. 1 der UN Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung definiert Folter als "... einen Akt, durch den einer Person absichtlich schwerer physischer oder mentaler Schmerz beigebracht wird, um von ihr oder einer dritten Person Information oder ein Geständnis zu erzwingen, um sie für eine Tat zu bestrafen, die sie oder eine dritte Person begangen hat oder verdächtigt wird, begangen zu haben, um sie oder eine dritte Person einzuschüchtern und zu zwingen, oder aus irgendwelchen auf Diskriminierung jeglicher Art basierenden Gründen, wenn dieser Schmerz oder diese Qual von einem staatlichen Handlanger oder einer Person, die in offizieller Eigenschaft, oder auf deren Anweisung oder mit deren Einverständnis handelt, zugefügt wird."

Im Okt. 1988, als sie die Konvention ratifizierte, hat sich die PRC rechtlich auf die CAT verpflichtet. Art. 2 der Konvention setzt fest, daß die Mitgliedstaaten "effektive legislative, administrative, juristische oder andere Maßnahmen ergreifen müssen, um Akte von Folterung auf jedem Territorium unter ihrer Jurisdiktion zu verhindern."

China ist also verpflichtet, auch in dem eigenen chinesischen Recht Folter als ein Vergehen zu klassifizieren. Dennoch stellte der Ausschuß gegen Folter auch 10 Jahre nach der Unterzeichnung der Konvention noch fest, daß China sich nicht an sie hält, weil es bisher keine nationalen Gesetze, die den internationalen Verpflichtungen gerecht würden, erlassen hat.

Aufstellung der uns bekannten Todesfälle durch Folter nach Jahren

1987 - 4
1988 - 8
1989 - 7
1990 - 2
1991 - 3
1992 - 2
1993 - 2
1994 - 3
1995 - 6
1996 - 6
1997 - 4
1998 - 13

VI 2)

Das chinesische Kriminal-Verfahrensgesetz

Das "Criminal Procedure Law of China (CPL), das erstmals 1979 promulgiert und im März 1996 ergänzt wurde, ist der Hauptgesetzeskodex der PRC, der Verfügungen hinsichtlich der Ächtung von Folter enthält. Art. 43 des revidierten CPL stellt unter "Beweisfindung" fest: "Die Anwendung von Folter, um Geständnisse zu erzwingen und der Gewinn von Beweismaterial durch Drohungen, Verlockungen, Betrug oder illegale Methoden sind streng verboten".

Das Juristen-Komitee für Menschenrechte, ein internationales Gremium, welches die revidierte chin. CPL einer Begutachtung unterzog, bestätigte, daß "China weit davon entfernt ist, mit der Konvention über Folter in einer Linie zu sein und den Ausschluß von illegal erhaltenem Beweis zu einem Grundprinzip seines Kriminalverfahrens zu machen". (Lawyers Committee for Human Rights, Opening to Reform? An Analysis of China's Revised Criminal Procedure Law, Oct 1996). Persönliche Berichte von politischen Gefangenen bestätigen, daß die Gefängnisaufseher foltern, bis ein Geständnis erlangt oder bis ein Urteil gefällt wird. "Nachsicht für die Reumütigen und Härte für die Widerspenstigen" ist ein Standardprinzip der PRC bei der Vernehmung von Gefangenen.

Art. 18 unter Kap. II der revidierten CPL stellt fest: "Fälle von Verletzung der persönlichen und demokratischen Rechte der Bürger, die durch einen Machtmißbrauch der Staatsdiener begangen wurden, wie illegale Festhaltung, Herauspressen eines Geständnisses durch Folter, Vergeltung und Unterstellung und illegale Durchsuchungen, sind von der Volksprokuratur zur Untersuchung einzureichen."

Die chin. Regierung entzieht sich aber dieser Verpflichtung, indem sie Statistiken und Informationen über Folterungsfälle in eine "Höchstgeheim" Kategorie einordnet, und "das Material, wo es um Staatsgeheimnisse geht, prinzipiell geheim gehalten wird". Daher ist anzunehmen, daß China die Fälle von Folterung vor dem Komitee gegen Folter einfach verbirgt, womit es seine Pflicht als ein Mitgliedstaat der Konvention versäumt.

VI 3)

Folterung, die zum Tode führte

  • Jampel Thinley: Im Frühling 1997 wurde der 28-jährige Jampel Thinley, ein Mönch in Kloster Chamdo, verhaftet und angeklagt, "konterrevolutionäre Poster" an das Kloster geklebt zu haben. Er wurde in der Haft gefoltert und daraufhin wegen schwerer Verletzungen in das Volkshospital von Chamdo gebracht. Er war bereits dem Tode nahe, und als ein Arzt sagte, daß er wahrscheinlich sterben würde, wurde ihm die Behandlung verweigert. Nach 4 Stunden starb er. Seine engen Freunde hörten ihn murmeln, daß er während der 9 Tage und Nächte, die er geschlagen und gepeinigt wurde, keinen einzigen Tropfen Wasser oder Bissen Nahrung bekam. Bei der Himmelsbestattung sahen die Mönche, daß sein Körper innen und außen ganz rot und blau war.

  • Ngawang Dekyi, eine 25-jährige Nonne aus Kloster Poto in Phenpo Lhundup, wurde in Gutsa festgehalten, nachdem sie an einer Demonstration in Lhasa beteiligt gewesen war. Sie wurde zu 6 Jahren in Drapchi verurteilt. Im Jan. 1998 kam sie bereits todkrank ins Krankenhaus und starb 16 Tage später. Eine tib. Quelle, die Ngawang jeden Monat besuchte, gab an, daß ihr Tod durch die schweren Schläge der Gefängnisaufseher verursacht wurde. Ngawangs Körper sei bis 23. Jan. in Drapchi Gefängnis geblieben. In dieser Zeit durfte niemand, nicht einmal ihre Eltern sich der Leiche nähern, um die traditionellen Totenrituale auszuführen. Als die Himmelsbestattung in der Nähe von Sera ausgeführt wurde, waren diese Quelle und ein Gefängniskader anwesend. Erstere sah, daß Ngawangs Kopf rot und blau gefärbt war. Später bestätigte der topdhen: "Von den Verletzungszeichen her scheint es, daß die Verstorbene schwere Schläge erlitten hat, weshalb der Kopf rotblau wurde. Auch die Male auf den Schulterblättern deuten auf Mißhandlungen hin."

  • Pasang, geb. 1973, war ein Mönch von Kloster Dechen Sangnak in Thaktse bei Lhasa. Er wurde nach einer Demonstration am Barkhor im Dez. 1994 verhaftet und zu 5 Jahren verurteilt. Im Drapchi Gefängnis benötigte er infolge der Schläge ziemlich bald medizinische Versorgung. Sein Zustand war so ernst, daß man ihm erlaubte, täglich ein Krankenhaus zur ambulanten Behandlung aufzusuchen, aber sein Zustand verschlimmerte sich dennoch und er starb am 17. Dez. 1997 in dem Chide Hospital der TAR.

  • Rinzin, ein 61-jähriger Mann aus Mugrum Trehte, Distrikt Labrang, Ngari, war drei Jahre lang eingesperrt, aber wurde nie vor Gericht gestellt. Er hatte offen ein Photo des Dalai Lama auf seinen Altar gestellt, lange nachdem die Chinesen ein Verbot dieser Bilder verhängt hatten. Als er die chin. Offiziellen herausforderte, wurde er einen Monat lang im Stadtgefängnis festgehalten, durfte aber keine Besuche empfangen. Er wurde zu drei Jahren verurteilt. Als er in das Ngari Gefängnis verlegt wurde, soll er bereits sehr schwach und unterernährt ausgeschaut haben. In der Haft litt er an Tuberkulose und soll gefoltert worden sein. Einen Monat lang war er im Gefängnishospital, wonach er entlassen wurde, weil sein Zustand sehr ernst geworden war. Nach seiner Entlassung lebte er nur einen Monat zuhause. Er war so krank, daß er kaum sprechen konnte und war völlig bettlägerig. Am 11. Febr. 1997 verschied er.

  • Yeshi Samten, ein 22-jähriger Mönch aus Kloster Gaden, wurde am 6. Mai 1996 verhaftet, als die Mönche gegen die chin. Umerziehungsklassen im Kloster protestierten. Zuerst war er in der Gutsa Haftanstalt und später in dem Trisam Gefängnis in Dist. Toelung. Im Gefängnis soll er gefoltert worden sein, aber erhielt keine medizinische Versorgung. Am Ende seiner Haftfrist wurde er im Mai 1998 entlassen, aber er starb bereits am 12. Mai 1998. Bei seiner Verbrennung bemerkte der die Begräbnisriten Durchführende, daß zwei seiner Rippen gebrochen waren.

VI 4)

Todesfälle im Drapchi Gefängnis

Der jüngste Gewalteinsatz großen Stiles durch die Chinesen erfolgte im Mai 1998 im Drapchi Gefängnis. Die Proteste am 1. und 4. Mai wurden von den Milizen der PAP und des PSB erstickt, die Luftschüsse abgaben und gegen die wehrlosen Gefangenen mit Bajonetten, Stöcken, Eisenstangen und Elektrowaffen vorgingen. Die erste Information besagte, daß die PAP Milizen auf etwa 150 politische Gefangene schossen, spätere Berichte meinten, daß bei der Schießerei 500 Gefangene anwesend waren. Seit dem Vorfall gab es keine bestätigten Berichte über die Toten und Verwundeten mehr. Die chin. Behörden verhinderten jedes Aussickern von Nachrichten: Sowohl die Belegschaft als auch Gefangene wurden an andere Orte versetzt, und die politischen Gefangenen durften keine Besucher mehr empfangen. Fünf Monate lang leugneten die Chinesen, daß überhaupt eine Störung stattgefunden hatte. Im Okt. 1998 erklärten die Machthaber schließlich einer europäischen Delegation, daß die Gefängniswachen in die Luft gefeuert hätten, aber die Todesfälle stritten sie weiter ab. Die folgenden Personen sind als Folge der chin. Vergeltung gegen die Proteste der Gefangenen gestorben. Die Liste wurde aus den Aussagen verschiedener Quellen kombiniert:

  • Karma Dawa war ein nicht-politischer Gefangener, der wahrscheinlich am 1. Mai mit dem Protest begann. Er und ein Mitgefangener verteilten Flugblätter für ein freies Tibet unter der Gefangenenschar, die zum Hissen der chin. Flagge zur Feier des Internationalen Arbeitstages zusammengerufen wurde. Diese Zeremonie sollte gefilmt werden, um der Delegation der EU Troika, die gerade Drapchi besuchte, ein positives Bild des Gefängnisses zu liefern. Karma wurde während der Demonstration erschossen. Anderen Berichten zufolge wurde er nach dem Vorfall hingerichtet. Er hatte eine 13-jährige Haftstrafe abzubüßen.

  • Khedrub war 26 Jahre alt und aus Meldro Gongkar. Er wurde am 10. März 1994 wegen Verdachts subversiver politischer Aktivität verhaftet. Er hatte ein 5-Jahres-Urteil abzubüßen. Man nimmt an, daß er nach dem Protest nach Outridu verlegt wurde. Dort starb er an den Mißhandlungen und der Folterung. Seine Leiche wurde seiner Familie übergeben, der gesagt wurde, er hätte Selbstmord begangen.

  • Lobsang Choephel (Laien-Name Thinley Phuntsog, von TIN als Lobsang Gelek bezeichnet) war ein Mönch in Kloster Khangmar, der am 4. Mai während des Protestes erschossen wurde. Er leistete ein 5-Jahres-Urteil in Drapchi ab, nachdem er im April 1995 wegen Anführens einer Demonstration am Barkhor verhaftet worden war. Die Gefängnisleitung erklärte Lobsangs Vater, daß er Selbstmord begangen hätte. Er war 24 Jahre alt und stammte aus Dist. Damshung.

  • Ngawang Tenkyong ist wahrscheinlich im Mai 1998 nach den Protesten gestorben, aber die bei TCHRD eingegangenen Berichte blieben bisher unbestätigt. TIN berichtet, daß er infolge der schweren Schläge gestorben ist. Er wurde am 7. Mai 1996 nach einer Unabhängigkeitsdemonstration verhaftet. Man nimmt an, daß er zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt war. Er war 28 Jahre alt, stammte aus Meldro Gongkar und war früher ein Mönch des Klosters Gaden.

  • Ngawang Tensangwar ein 26-jähriger Mönch, der im Sept. 1991 nach Anführen einer Demonstration am Barkhor in Lhasa, bei der er eine tib. Nationalflagge hielt, verhaftet wurde. Er wurde zu 10 Jahren Gefängnis und 4 Jahren Entzug der politischen Rechte verurteilt. Nach den Protesten in Drapchi wurde er in Einzelhaft gesetzt und intensiv verhört. Dabei wurde er gefoltert, und man nimmt an, daß er in der Verhörszelle starb. Der aus Toelung Dechen stammende Ngawang war früher ein Mönch des Klosters Drepung in Lhasa. Sein Tod ist derzeit noch unbestätigt.

  • Ngawang Tenzin wurde im Febr. 1995 nach einer Demonstration am Barkhor in Lhasa verhaftet. Sein Urteil ist unbekannt. Es wird angenommen, daß er nach dem Protest vom 4. Mai starb, während ein unbestätigter Bericht von TIN sagt, daß Ngawang am 7. Juni starb. Er stammte aus Dist. Phenpo Lhundrup und war Mönch des Klosters Taklung.

    Der Tod der folgenden 6 Nonnen wurde am 7. Juni bestätigt, als die Leichen ihren Familien übergeben wurden. Es war bekannt geworden, daß die Nonnen nach dem Protest vom 4. Mai in Drapchi in Einzelhaft gesetzt wurden. Die Behörden gaben ihren Tod als Selbstmorde aus, was aber wegen der getrennten Haft, in der sie sich zum Zeitpunkt ihres Todes befanden, in Zweifel gezogen wird. Im Sept. erhielt das TCHRD Hinweise der Bestätigung, daß die Körper von Tashi Lhamo, Ngawang Choekyi, Drugud Palmo und Kundon Yonten den Familien am 7. Juni ausgehändigt wurden, obwohl das genaue Datum ihres Todes unbekannt bleibt.

  • Choekyi Wangmo war eine 21-jährige Nonne aus dem Kloster Shar Bumpa in Phenpo. Die Gefängnisbehörden behaupteten, daß Choekyi sich im Gefängnis erhängte. Ihr Tod wurde dem TCHRD noch nicht bestätigt.

  • Drugud Palmo war eine 21-jährige Nonne aus Dist. Nyemo, 150 km westlich von Lhasa. Sie wurde 1994 oder 1995 verhaftet, doch ihr Urteil ist unbekannt. Sie wurde während der Proteste verletzt und erlag wohl ihren Verletzungen. Die Gefängnisleitung behauptet, sie hätte sich selbst erstickt, indem sie sich einen Schal in den Mund stopfte. Sie war zuvor Nonne in dem Kloster Nyemo Rangjung Choten in Dist. Nyemo.

  • Kundon Yonten war ebenfalls aus Nyemo, auch bei ihr wurde als Todesursache Erstickung mit einem Schal angegeben.

  • Lobsang Wangmo war auch unter den Todesfällen, doch im Augenblick ist dies unbestätigt. Vielleicht gab es zwei Nonnen desselben Namens. Eine war aus dem Kloster Phenpo und wurde im Dez. 1994 verhaftet. Die andere Lobsang Wangmo war aus dem Kloster Doternenga und wurde im Febr. 1995 verhaftet. Beide starben wohl nach den Protesten vom 4. Mai.

  • Ngawang Choekyi leistete eine 5-Jahres-Strafe ab, weil sie im Juni 1994 am Barkhor demonstriert hatte. Sie starb während der Proteste am 1. oder 4. Mai, aber ihre Leiche wurde den Eltern erst am 7. Juni übergeben. Sie war 26 Jahre alt und ehemals Nonne im Kloster Shar Bumpa.

  • Tashi Lhamo wurde 1994 aus Verdacht der subversiven politischen Betätigung eingesperrt. Ihr Urteil betrug wahrscheinlich 6 Jahre. Bestätigten Berichten zufolge wurde sie während der Proteste verletzt. Sie stammte aus Nyemo, 150 km westlich von Lhasa. Die Gefängnisleitung gab an, sie hätte sich mit einem Schal selbst erstickt.

  • Im Sept. 1998 ging eine Nachricht bei dem TCHRD ein, daß eine weitere Nonne, deren Name nicht bekannt ist und die aus dem Kloster Phenpo Jhopo in Dist. Phenpo Lhundrup kam, während der Proteste starb. Ihre Leiche wurde ebenfalls der Familie am 7. Juni übergeben.

VI 5)

Selbstmord

Folter bedeutet auch die Zufügung von psychischem Schmerz und Leid. Der psychologische Effekt der entsetzlich langwierigen Befragungen und grausamen Haftbedingungen trieb schon viele Tibeter zum Selbstmord. Das TCHRD erhielt auch dieses Jahr Nachricht von solch einem Selbstmord:

  • Jampa Choden war ein 21-jähriger Mönch aus Chamdo Tawa Teng. Während die Chinesen ihn wegen seiner Kooperation mit den "Spaltern" verhörten, wurde er brutal geschlagen. Man gab ihm Zeit zum "Nachdenken" und schickte ihn vorerst nach Hause. Im Juni 1997 erfuhr Jampa, daß er bald wieder verhaftet würde. Da beging er Selbstmord.

VI 6)

Folterung und Mißhandlung von Gefangenen

Die folgenden Fälle von Folterung in der Inhaftierung wurden vom TCHRD 1998 festgehalten und bestätigt:

  • Gyalchoe, ein Mönch aus dem Kloster Pa Dha in Dist. Pashoe, wurde im Jan. 1998 verhaftet und in das Distriktgefängnis von Pashoe gesteckt. Er wurde schwer geschlagen, seine Hände wurden mit Ketten gefesselt und er wurde mit einem Elektrostab, den man ihm in den Mund steckte, schockiert. Gyalchoe soll daraufhin sehr schwach und gebrechlich geworden sein und im Gefängnis immer noch mit dem Leben kämpfen.

  • Gyaltsen Choephel, 30-jährig, wurde im März 1988 unter Verdacht von subversiver politischer Betätigung verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis in Drapchi verurteilt. Er wurde mißhandelt, als er der Gefängnisleitung widersprach, die behauptete, die nach den Protesten vom Mai Gestorbenen hätten Selbstmord begangen. Letzten Berichten zufolge wurde er durch die Schläge ernst verletzt.

  • Kunchok Tsomo, eine 25-jährige Nonne aus der Ortschaft Meldro Gyama, Raum Lhasa, wurde im Mai 1993 wegen einer friedlichen Demonstration am Barkhor verhaftet. Bei ihrer Verhaftung wurde sie mit einem Gewehrkolben so schwer getroffen, daß ihr rechter Oberarm gebrochen wurde. Während der drei Jahre Haft in Drapchi erhielt Kunchok trotz ihrer vielen Bitten keine medizinische Versorgung ihres Armbruches. Die Verletzung wurde dadurch noch verschlimmert, daß sie Wolle putzen und trennen mußte. Bei ihrer Entlassung im Juni 1996 wurde sie gleich von Verwandten ins Hospital gebracht. In und um den gebrochenen Knochen hatte das Fleisch zu wuchern begonnen. Ihr Zustand ist immer noch jämmerlich und erfordert Medikation.

  • Kyaga, Anfang 30, wurde 1986 verhaftet, weil er ein Plakat in der Nähe des Klosters Pompa angeklebt und das chin. Büroschild heruntergerissen hatte. Er wurde darum zu 11 Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde inzwischen entlassen, aber als Folge der Folterung im Gefängnis hat er nun mentale Störungen. Die Gefängnisaufseher brachen auch seine Rippen. Kyaga lebt nun in dem Dorf Pompa.

  • Lodroe Gyatso wurde zum Tode verurteilt, weil er im März 1995 im Drapchi Gefängnis demonstriert hatte. Auf Druck der internationalen Gemeinschaft wurde sein Todesurteil auf eine 6-jährige Verlängerung seiner 15-Jahres-Haftstrafe reduziert. Berichten vom Juni 1998 zufolge wurde er in das Powo Tramo Gefängnis verlegt und leidet gegenwärtig an den psychologischen Folgen der Peinigung.

  • Ngawang Choezom ist ebenfalls eine Nonne im Drapchi Gefängnis, die Ngawang Sangdrol bei den Protesten im Mai begleitet haben könnte. Sie wurde ebenfalls intensiv vernommen, mißhandelt und in einen Einzelkerker eingeschlossen. Es besteht ziemliche Besorgnis um ihre Gesundheit, da ihr Zustand ganz erbärmlich sein soll.

  • Ngawang Jungney leidet vermutlich an psychologischen Traumen nach der Folterung im Gefängnis. Er ist derzeit in Powo Tramo, wo er ein 9-Jahres-Urteil abbüßen muß. Er ist 28 Jahre alt und wurde bei seiner Rückkehr nach Tibet verhaftet. Weil er in Dharamsala Tibetisch-Unterricht gegeben hatte, wurde er als ein Spion der Exilregierung gebrandmarkt.

  • Ngawang Lasang wurde 1997 verhaftet, als er nach Tibet zurückkehrte. Er hatte zuvor als Mönch in Kloster Sera in Indien gelebt. 5 Tage wurde er in einer Dunkelzelle in einem Armeelager in Dram in der Nähe der nepalesischen Grenze gehalten und 12 Tage lang bekam er nichts zu Essen. Als die Soldaten ein Dalai Lama Photo bei ihm fanden, befahlen sie ihm, darauf zu treten. Als er sich weigerte, schlugen sie ihn. Dann wurde er in das Nyari Gefängnis gebracht und dort 6 Wochen lang festgehalten. Dort müssen die Gefangenen die Gefängnisoffiziere salutieren. Als Ngawang das nicht tat, schlug ihn einer von ihnen so schwer mit dem Gewehrkolben über den Kopf, daß er bewußtlos hinfiel. Er wurde ins Hospital gebracht und leidet nun unter Gedächtnisausfällen. In dem Krankenhaus von Lhasa wurde der durch die Schläge erlittene Gehirnschaden bestätigt.

  • Ngawang Sangdrol, eine Nonne, befindet sich in ernstem Zustand im Drapchi Gefängnis, nachdem sie wegen der politischen Proteste im Mai schwer bestraft wurde. TIN berichtet, daß sie trotz der schweren Vergeltung sogar einen Monat nach den Demonstrationen vom Mai immer noch protestierte und nun in einer Einzelzelle schmachtet. Ihre Haftstrafe wurde bereits zweimal verlängert, und sie hat nun 18 Jahre Gefängnis, bisher die längste Haftstrafe für eine weibliche politische Gefangene in Tibet.

  • Ngawang Sungrab ist ein 24-jähriger ehemaliger Mönch von Kloster Drepung. Er wurde im Sept. 1991 zusammen mit 4 Mönchen aus Drepung, die am Barkhor demonstrierten, verhaftet. Er wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt. Neuesten Berichten vom September zufolge wurde Sungrab bei den Schießereien in Drapchi am 1. oder 4. Mai übel verwundet. Er stammt aus Dist. Phenpo Lhundrup.

  • Phuntsok Dorje ist ein ehemaliger Mönch aus Phenpo Lhundrup. Bei den Mai-Protesten wurde er durch einen Bajonettsstich geblendet. Man nimmt an, daß er nun permanent blind ist. Über sein Urteil weiß man nichts Näheres.

  • Phuntsok Thoesam, 28 Jahre und ehemals Mönch von Drepung, wurde im Juni 1993 während einer Demonstration in Lhasa verhaftet. Er büßt ein 7-Jahre Urteil in Drapchi ab und wurde vermutlich wegen der Proteste im Mai mißhandelt. Er stammt aus Phenpo Lhundrup.

  • Tsundu ist ein 20-jähriger Student, der zusammen mit 6 weiteren im Mai 1997 verhaftet wurde. Als die Studenten festgenommen wurden, legte man sie in Handschellen und band Säcke um ihren Kopf. Diese Säcke wurden zwei Stunden festgebunden gelassen und erstickten sie beinahe. Alle wurden jeden Abend in der örtlichen Polizeistation geschlagen, wobei sie gefesselt waren und Säcke über ihre Köpfe gestülpt wurden.

VI 7)

Schluss

Trotz all dieser Zeugenaussagen fährt die PRC fort zu leugnen, daß Folterung in den Gefängnissen in Tibet betrieben wird. Die Berichte zeigen, daß dieser Mißbrauch weitverbreitet und intensiv ist und bleibt. Die chin. Regierung hat nun 10 Jahre nach der Ratifizierung der Konvention gegen Folter immer noch keine Mechanismen in Gang gesetzt, um die Erfüllung ihrer Bestimmungen zu gewährleisten.

Teil VII

RELIGIÖSE VERFOLGUNG

Chinas unerbittliche Unterdrückung der Religion in Tibet setzte sich auch 1998 fort. Der "Strike hard" Feldzug, der 1996 begonnen wurde, wurde in diesem Jahr noch intensiviert. Das ihn begleitende Programm der "patriotischen Umerziehung", das ganz besonders den tibetischen Buddhismus ins Visier nimmt, wurde in vielen religiösen Institutionen vehement durchgesetzt, was entsetzliche Folgen hatte. Die Kampagne verfolgt den Zweck, den Dissens durch Kontrolle der religiösen Praxis der Tibeter einzudämmen, indem man von ihnen verlangt, jedem nationalen Gefühl zu entsagen. Die Tibeter werden gezwungen, Seine Heiligkeit, den Dalai Lama, zu lästern und Treue zur chin. Regierung zu schwören. Diese suppressiven Maßnahmen stellen eine ernste Verletzung des Rechtes eines Volkes auf Freiheit des Ausdruckes, des Gewissens und der Religion dar.

Gesamtzahl der 1996-1998 aus ihren Klöstern ausgewiesenen Nonnen und Mönche, soweit uns bekannt wurde

1996 - 1.295
1997 - 1.526
1998 - 7.156
Summe - 9.977

1998 erfuhr das TCHRD von der Verhaftung von 327 Mönchen, Nonnen und Laien, obwohl die meisten bereits 1997 stattfanden. Von der Ausweisung von 7.156 Mönchen und Nonnen im Zuge der "patriotischen Umerziehung" in Tibet wurde ebenfalls in diesem Jahr berichtet. Das ist eine dramatische Zunahme gegenüber den beiden vorherigen Jahren, was bestätigt, daß es überhaupt keine Anzeichen einer Lockerung des harten Durchgreifens der Chinesen gibt. Seit Einleitung des Feldzuges 1996 wurden von uns 9.977 Ausweisungen und 492 Verhaftungen registriert.

Die "Hart-Durchgreif" Kampagne, die bereits vorher schon in einigen Gegenden im Gange war, wurde Ende 1997 offiziell auf den Laiensektor der Bevölkerung ausgeweitet und über das ganze Jahr 1998 fortgesetzt. Sowohl Bauern in ländlichen Gegenden als auch Studenten und Lehrer an der Tibetan Medical University in Lhasa wurden "umerzogen". Es hat den Anschein, daß China seinen Feldzug intensiviert, um den Tibetern jede Gelegenheit zu nehmen, ihre eigene Kultur zu leben und weiterzuentwickeln.

Gesamtzahl der uns bekannt gewordenen Verhaftungen 1996-1998

1996 - 110
1997 - 5
1998 - 3
Summe - 492

VII 1)

Internationales Recht

Religiöse und kulturelle Rechte stellen weltweit anerkannte Menschenrechte dar. Die Verankerung dieser Rechte im Völkerrechtskodex steht Bürge dafür, daß die Wahrung dieser Werte von universaler Bedeutung ist. Das Recht auf Freiheit der Religion wird von der Universalen Deklaration der Menschenrechte hochgehalten. Art. 18 der UDHR legt ganz deutlich fest: "Jeder hat das Recht auf Freiheit des Denkens, des Gewissens und der Religion. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder Überzeugung zu ändern, entweder allein oder in Gemeinschaft mit andern und sowohl öffentlich als auch privat seine Religion oder seinen Glauben in Lehre, Ausübung, Anbetung und Befolgung zum Ausdruck zu bringen."

Dieses Recht wird in ähnlicher Weise von Art. 15 des ICCPR (International Covenant on Civil and Political Rights) definiert. Religionsfreiheit wird auch unter Art. 27 des ICCPR als Recht einer Minderheitsgruppe geschützt, wo es heißt: "In jenen Staaten, in denen ethnische, religiöse oder linguistische Minoritäten bestehen, wird diesen Volksgruppen angehörenden Personen das Recht nicht vorenthalten, in Gemeinschaft mit den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe, ihre eigene Kultur zu verfolgen, ihre eigene Religion zu bekennen und zu praktizieren oder ihre eigene Sprache zu verwenden."

In dem Weißbuch von 1998 über Menschenrechte in Tibet (New Progress in Human Rights in China's Tibet Autonomous Region, Information Office of the State Council of the PRC, Feb. 24, 1998) legt China fest: "Die chin. Verfassung setzt fest, daß die Freiheit des religiösen Glaubens eines der Grundrechte der Bürger ist. Die chin. Regierung respektiert und schützt das Recht ihrer Bürger auf die Freiheit der religiösen Überzeugung." China beteuert unentwegt, daß das tibetische Volk Religionsfreiheit genieße. Die chin. Gesetzgebung fordert auch, daß Regierungsbeamte, welche die Religionsfreiheit der Bürger antasten, mit bis zu 2 Jahren Gefängnis bestraft werden (Section 147 of the PRC's Criminal Law). Aber bis dato wurde trotz der massiven Verletzung der religiösen Freiheit noch kein einziger Funktionär dieses Vergehens willens belangt. Im Gegenteil, die chin. Regierung selbst begünstigt Politiken und Maßnahmen zur Unterdrückung der Religionsfreiheit des tibetischen Volkes.

VII 2)

Offizieller Feldzug der religiösen Verfolgung

1996 führte die chin. Regierung den "Strike Hard" Feldzug mit dem allgemeinen Ziel der Reduzierung des Verbrechens und der Korruption im ganzen Lande ein. In Tibet war der Brennpunkt der Kampagne auf die "patriotische Umerziehung" der Tibeter gerichtet, womit der Dissens ausgerottet werden sollte, indem jede Regung nationalen Empfindens bei den Tibetern, insbesondere in den religiösen Einrichtungen, angegriffen wurde. Eigens zu diesem Zweck wurden nun staatliche, sogenannte "Workteams" in die Klöster entsandt, um gewaltsam Mönche und Nonnen in ihren politischen und religiösen Überzeugungen "umzuerziehen". Sie werden aufgefordert, die chin. "sozialistischen" Grundsätze statt der traditionellen tibetisch buddhistischen Lehren anzunehmen. Hunderte von Religiösen wurden wegen ihres Widerstrebens gegen diese Umerziehung aus ihren Klöstern hinausgeworfen oder verhaftet.

So wurde 1997 der Tod von 14 Mönchen als das direkte Ergebnis der "patriotischen Umerziehung" verzeichnet. Todesursachen waren der entsetzliche Druck, welchen die Kader der "Workteams" auf die Klöster ausüben, sowie die nachfolgenden Mißhandlungen in der Haft. Aus einigen Teilen Tibets wurde auch von intensiven saisonalen Kampagnen berichtet. Im Dez. 1997 wurde eine umfassende Winter "Strike hard" Aktion in der ganzen Region Nagchu angestrengt. Frühlings-, Sommer- und Winterkampagnen wurden im Raum Lhasa durchgeführt und eine Sommer-Aktion in Shigatse. Kein Zeichen einer Milderung dieses Schemas macht sich bemerkbar.

Die Kader des PSB wurden darüber hinaus für die erfolgreiche Durchführung der "Strike Hard" Kampagne in den verschiedenen Klöstern Tibets geehrt und belohnt. Einer TAR Radio Sendung zufolge wurde im Jan. 1998 eine Auszeichnungsfeier in der Haitang Hall in Lhasa abgehalten, wo 71 von 800 Kadern für ihren "exemplarischen Dienst" in der Durchführung der Kampagne geehrt wurden.

VII 3)

Verhaftungen von Mönchen und Nonnen

1998 wurden, wie uns berichtet, 327 Mönche, Nonnen und Laien in Verbindung mit dem patriotischen Umerziehungs-Feldzug verhaftet. 1997 erfuhren wir von 55 Fällen von Verhaftung und 1996 von 110, was die Gesamtzahl seit Beginn der Kampagne auf 492 bringt. Verhaftet wurden die Tibeter wegen solcher Taten wie Ankleben von Plakaten in und um die Klöster, Ungehorsam gegenüber den Auflagen der Workteams, Protest gegen die Kader, Besitz eines Bildes des Dalai Lama, Nichtakzeptierung des von den Chinesen eingesetzten Panchen Lama und Weigerung, das politische Treuegelöbnis an China zu unterschreiben. Die verhafteten Personen wurden unter die Anklage der "Gefährdung der Staatssicherheit" gestellt.

Gesamtzahl der uns bekannten Verhaftungen im Zusammenhang mit der "Strike Hard" Kampagne in Tibet in 1998

Rongpo Rabten Chamdo Dozong - 5
Raeting Samtenling Kloster - 5
Sakya Kloster - 5
Gomang Loseling Kloster - 6
Tashi Gang Kloster - 6
Taktsang Lhoma Kloster - 6
Za Phu Khang Kloster - 6
Serpo Kloster - 6
Kashi Kloster - 7
Serwa Kloster - 7
Pomda Kloster - 9
Chubsang Nonnenkloster - 9
Tsering Chung Nonnenkloster - 12
Sagag Ghar Kloster - 12
Rongpo Rabten Kloster - 17
Drepung Kloster - 22
Sera Kloster - 29
Dhumbu Choekor Kloster - 30
Gaden Kloster - 57
andere - 71

VII 4)

"Patriotische Umerziehung" in der Laienbevölkerung

Im Nov. 1997 kündeten Pema Dragpa, der Präsident des Regionalen Höheren Volksgerichtes, und Nyima Tsering, der neue Stellv. Vorsitzende der TAR, die Ausweitung des Umerziehungs-Feldzuges auf die ganze tibetische Gesellschaft an. Bereits schon vorher war die Kampagne im Laiensektor in einigen Gegenden eingeführt worden. So etwa hatten bis Nov. 1997 nach offizieller Darstellung "54.597 Bauern des Dist. Lhuntse, Präfektur Lhoka, teilgenommen und 4.466 schriftliche Zeugnisse gegen die Dalai-Diktatur und die Knechtung im alten Tibet abgegeben. In allen Tempeln im Distrikt wurden 111 Kurse gehalten, die von 1.038 Mönchen und Nonnen besucht wurden, wobei 192 Mönche und Nonnen 639 Aufsätze zur Kritik am Dalai schrieben" (TIN: Background Briefing Papers, London 1998).

Nach dieser Ankündigung wurden Pilotprojekte für die Umerziehung der Laienbevölkerung in dem Dist. Gongkar und in Lhuntse, ebenfalls Lhoka Region, gestartet. Dabei sollte untersucht werden, wie die Kampagne mit bestem Erfolg bei der Laienbevölkerung umgesetzt werden kann. Ebenso wurde die Medizinische Hochschule von Lhasa ausersehen, und man nimmt an, daß die Kampagne bei der Bevölkerung weiter fortgeführt wird.

VII 5)

Totale Kontrolle der religiösen Aktivität

Die chin. Workteams üben weiterhin äußerst strenge Kontrolle über alle religiösen Aktivitäten in Klöstern aus. Patriotische Umerziehungsklassen werden regelmäßig seit Einführung der Kampagne durchgeführt. In der ersten Hälfte 1998 waren die Workteams immer noch in einigen Klöstern am Werk. Zusätzlich überfielen die Workteams 1998 erneut viele der Klöster, die bereits zuvor von der Kampagne erfaßt worden waren, um sich zu vergewissern, daß die "Umerziehung" auch erfolgreich war.

Die letzten Zeugnisse von tibetischen Mönchen und Nonnen, die ins Exil flohen, enthüllen ein ziemlich gleichbleibendes Muster der Umerziehungsmaßnahmen in den religiösen Einrichtungen über das ganze Jahr. Im Dez. waren mindestens 132 Klöster in Tibet von den Workteams während des Jahres 1998 erfaßt worden.

  • Choede Kloster (Ba, Karze TAP, Provinz Sichuan): Ein Mönch berichtete, daß ein 7-köpfiges Workteam Anfang 1998 in sein Kloster kam. Außer den Umerziehungsklassen beschränkten die Kader die Anzahl der Mönche auf 100. Von den 370 Mönchen im Kloster wurden alle außer 70 hinausgeworfen, einschließlich der Novizen unter 18 Jahren. Die Mönche müssen als eine Art Steuer von 10 Yuan und das Kloster von 1.000 Yuan an das Religionsamt des Distrikts zahlen.

  • Dhumbu Choekor Kloster (Dist. Gongkar, Region Lhoka): 30 Mönche wurden verhaftet und 6 ausgestoßen, als das Workteam erstmals 1996 kam. Im März 1997 kam ein weiteres Team von 12 Personen in das Kloster.

  • Drak Yerpa Einsiedelei (Dist. Taktse, Raum Lhasa): In dieser von Lama Azom Trulku geleiteten Einsiedelei gab es 120 Eremiten. Das Workteam ordnete den Abbruch der Haupthalle und der Meditationshöhlen an. Gebetsfahnen wurden zerrissen und mit der Schnur, an der die Fahnen hingen, wurden die Holzbretter der zerstörten Gebetshalle zusammengebunden. Gegenwärtig gibt es nur noch 11 Mönche in der Einsiedelei, die eine Art von Miete an die Regierung zahlen müssen.

  • Drigong Sha Lhagang Kloster (Dist. Meldro Gongkar, Raum Lhasa): Dieses Kloster wurde im März 1998 von einem Workteam heimgesucht. In dem Kloster gab es 300 Mönche und 200 Nonnen, die alle infolge der patriotischen Umerziehung zum Gehen gezwungen wurden.

  • Galo Kloster (Region Nagchu): Eine Nonne aus diesem Kloster berichtete, daß ein 17-köpfiges Workteam 1997 ankam. Es blieb etwas über 3 Monate, während derer die Umerziehungsklassen jeden Tag stattfanden. In dem Kloster gab es 250 Nonnen, von denen 20 unter 18 Jahren ausgewiesen wurden. Die Unterbringung und Verpflegung des Worksteams mußte von dem Kloster getragen werden.

  • Kirti Kloster (Dist. Ngaba, TAP, Provinz Sichuan): Es handelt sich um das größte Kloster mit 2.300 Mönchen. Das Datum des Kommens des Workteams ist nicht genau bekannt, aber es blieb 20 Tage lang im Kloster, während welcher Zeit die Mönche angewiesen wurden, sich gegen den Dalai Lama zu stellen und "Tibet als einen Teil Chinas" anzuerkennen.

  • Minyak Sukhu Kloster (Nyakchu Dist. Karze TAP): Gyama, 22, aus Dartse Do berichtete, daß ein chin. Workteam von 4-5 Kadern alljährlich im März, Juni und Okt. das Kloster heimsucht. Gegenwärtig gibt es 35 Mönche in dem Kloster, aber die Behörden haben eine Höchstgrenze von 20 Mönchen festgesetzt. Etwa 10 Novizen unter 20 Jahren wurden hinausgeworfen, und die Mönche brauchen nun Personalausweise, um im Kloster bleiben zu können.

  • Pembar Kloster (Dist. Pembar, Region Chamdo): Ein Mönch aus diesem Kloster berichtete, daß im Juli 1997 ein Workteam ankam, von dem 10 Tibeter und 20 Chinesen waren. Sie blieben jedoch nicht gleich, sondern sagten, daß sie im Nov. 1997 wiederkehren würden. Augenblicklich gibt es 63 Mönche in dem Kloster, aber es wurde eine Höchstgrenze von 30 festgelegt bei einem Mindestalter von 23 Jahren. Die Kader ermahnten die Mönche, sich dem Dalai Lama zu widersetzen, und Bilder des chinesisch-bestimmten Panchen Lama sowie rote Personalausweise wurden an die Mönche ausgegeben.

  • Potok Kloster (Dist. Phenpo Lhundrup, Raum Lhasa): Vor der Ankunft des Workteams im März 1997 gab es dort 190 Nonnen. Während der Umerziehung wurden 60 Novizinnen unter 16 Jahren hinausgeworfen.

  • Ragya Kloster (Dist. Thingtoe, Tso Lho TAP): Workteams kamen im April und Sept. 1998 in das Kloster. Ein Mönch berichtet, daß es derzeit 600 Mönche in dem Kloster gibt, aber daß das Workteam eine Grenze von 200 Mönchen über 18 Jahren festlegte. Bei seiner Abreise erklärte das Workteam, daß es wiederkommen werde.

  • Rakor Kloster (Dist. Toelung Dechen, Raum Lhasa): Hier wohnten 81 Nonnen. Nach dem Überfall des Workteams am 17. März 1997 wurden alle Nonnen hinausgeworfen und das Kloster geschlossen. Ihre Zellen wurden zerstört, während die Holzbretter ihrer Betten verkauft wurden.

  • Samdrup Kloster (Karze TAP, Provinz Sichuan): Ein Mönch dieses Klosters berichtete, daß dort stets etwa 200 Mönche waren, aber es jetzt nur noch 150 seien. 1996 suchten 10-15 chin. Kader das Kloster heim und blieben 2 Wochen lang. Die Behörden wollen die Mönchsgemeinde auf nur 30 Personen über 18 Jahren reduzieren. Letztes Jahr wurden über 100 Mönche hinausgeworfen. Bilder des Dalai Lama und des von ihm anerkannten Panchen Lama wurden geächtet.

  • Toerong Kloster (Region Lhoka): Ein Workteam aus 4 Personen suchte das Toerong Kloster in der Ortschaft Sho Re im Juli 1997 heim. Keine einzige der Nonnen akzeptierte die Richtlinien des Workteams. Als Folge wurden alle Nonnen hinausgeworfen. Das Workteam riß die Zimmer der Nonnen ab.

VII 6)

Hinauswurf von Mönchen und Nonnen

Ausweisung ist ein Hauptelement der Maßnahmen der Chinesen zur Ausrottung der politischen Aktivität in religiösen Institutionen. 1996 wurden 1.295 Mönche und Nonnen ausgewiesen und 1997 weitere 1.526. In 1998 dokumentierten wir 7.156 ausgewiesene Religiöse, darunter 2.206 jugendliche Mönche und Nonnen. Die Gesamtzahl seit Beginn der "Strike Hard" Kampagne beträgt nun unseres Wissens nach 9.977. Zusätzlich entschieden sich 1998 rund 306 Mönche und Nonnen, lieber ihre Klöster zu verlassen, als die von dem Workteam geforderten Gelöbnisse zu tun. Dies ist ein dramatischer Anstieg gegenüber den vorhergehenden Jahren. In 1996 gab es nur 52 solcher Fälle und 1997 nur 35.

Gesamtzahl der uns bekannt gewordenen Ausweisungen aus Klöstern im Zusammenhang mit der Strike Hard Kampagne in 1998

Sog Tsenden - 100
Tashi Choeling - 100
Drag-Yerpa - 109
Thendup - 122
Kumbum Jonang - 130
Ragya - 200
Garlog - 181
Samdrup - 200
Zaphu Khang - 204
Chubsang - 261
Drepung - 284
Ge Gay Gon - 330
Jampa Ling - 400
Rongpo Gonchen - 400
Sha Lhagang - 499
Drigong Sha Lhagang - 580
andere - 1.056
Labrang - 2.000
insgesamt -: 7.156.

Einmal ihres Klosters verwiesen, dürfen die Mönche und Nonnen sich keiner anderen religiösen Einrichtung in Tibet mehr anschließen. Durch diese Restriktionen wurde die Bevölkerung der religiösen Institutionen drastisch reduziert. Ma Yingchou, der stellv. Direktor des Büros für Minoritäten und Religionsangelegenheiten in Tibet bekräftigte, daß die Zulassung von Mönchen und Nonnen zu den Klöstern nun streng überwacht wird.

  • Dakkar Kloster (Dist. Pembar, Region Chamdo): Es wurde berichtet, daß 12 Mönche ausgewiesen wurden, weil die von dem Workteam offiziell auferlegte Grenze überschritten wurde.

  • Drak Yerpa Einsiedelei (Dist. Taktse, Raum Lhasa): Bis jetzt wurden 109 Mönche, darunter 20 fortgeschrittenen Alters, aus Drak Yerpa hinausgeworfen und in ihre jeweiligen Dörfer zurückgeschickt.

  • Garlog Nonnenkloster (Dist. Toelung Dechen, Raum Lhasa): Karma Tsultrim, eine 17-jährige Nonne, wurde schon zweimal aus diesem Kloster hinausgeworfen; zuerst während des Losar Festes 1997, weil ihr Name nicht auf der offiziellen Mitgliederliste stand und noch mal später in demselben Jahr, weil sie sich nicht dem Dalai Lama widersetzten wollte. Sie berichtete, daß 180 von 200 Nonnen ausgewiesen wurden.

  • Gegay Gon Kloster: Über 300 Nonnen wurden hinausgeworfen und gehindert, in ein anderes Kloster zu gehen. Das Workteam ordnete auch an, daß keine neuen Nonnen aufgenommen werden dürfen.

  • Ladrang Kloster (Region Tso Ngon TAP): Dieses Kloster beherbergte insgesamt etwa 5.000 Mönche, einschließlich der nichtregistrierten. Bei der patriotischen Umerziehung im Mai 1998 wurden 1.000 Novizen unter 18 Jahren hinausgeworfen. Zwei Monate später wurden noch einmal 1.000 Mönche ausgewiesen. Die Quelle berichtete, daß das Workteam 3 Monate lang in Ladrang bleiben würde.

  • Lhagon Kloster (Minya Lhagon, Karze TAP): 4 Mönche wurden aus dem Kloster ausgewiesen: einer 1996, weil er "schlecht studierte", zwei 1997, weil sie mit dem Workteam zu streiten begannen, und einer 1998, weil er zu jung war.

  • Lhakang Ser Po Nonnenkloster: 13 Nonnen wurden hinausgeworfen, nachdem sie ihren Unwillen über die Anwesenheit des Workteams geäußert hatten.

  • Lhari Daegyen Kloster (Region Nagchu): 7 Mönche wurden ausgestoßen, darunter waren auch drei Novizen.

  • Potok Nonnenkloster (Phenpo, Raum Lhasa): Das Workteam kam im März 1996 ins Kloster, und danach wurden 60 Nonnen unter 16 Jahren nach Hause geschickt.

  • Sakya Trul Pae Kloster: Das Workteam warf 6 Mönche hinaus.

  • Sera Choe Dring Kloster: Alle 15 Mönche des Klosters wurden im Jan. 1998 zum Verlassen gezwungen, und das Kloster wurde geschlossen.

  • Serpo Kloster (Dist. Pashoe, Region Chamdo): Ein Workteam kam im Febr. 1998 dort an. Von den 45 Mönchen wurden 6 verhaftet und die übrigen 39 hinausgeworfen.

  • Thekchok Ling und Shong Chey Nonnenkloster: Die Kader warfen 33 Nonnen hinaus.

  • Toerong Nonnenkloster: Ein 4-köpfiges Workteam suchte das Kloster im Aug. 1997 heim und warf 23 Nonnen hinaus. Es befahl auch den Abriß der Zimmer der Nonnen.

  • Youning Kloster (Dist. Huzhu): Die Behörden warfen 49 von 52 der über 60-jährigen Mönche hinaus, ebenso 28 Novizen unter 15 Jahren.

VII 7)

Schließung von religiösen Institutionen

Strikte Anweisung wurde von den chin. Besatzern gegeben, daß Klöster, in denen es politische Unruhen gibt, geschlossen werden. 14 Männer- und Frauenklöster in Tibet wurden aus diesem Grund 1998 geschlossen. In 1997 verzeichnete das TCHRD die Schließung von drei Institutionen. Die Chinesen behaupteten, diese seien ohne die notwendige Genehmigung erbaut worden. Sie rissen auch Klöster unter dem Vorwand nieder, daß sie mit ausländischen Mitteln erbaut worden seien. Die Mönche und Nonnen aus solchen Einrichtungen werden in ihre Dörfer zurückgeschickt und dürfen keinem anderen Kloster mehr beitreten, sondern müssen einer Laienarbeit nachgehen. Einige der als Folge der "Strike Hard" Kampagne geschlossenen Klöster sind:

Doalbo Kloster in Dist. Gongkar, Region Lhoka
Drak Yerpa Kloster in Dist. Taktse, Bezirk Lhasa
Drugung Yama Ri Kloster in Dist. Meldro Gongkar, Bezirk Lhasa
Karsang Kloster in Dist. Nangchen, Kyegudo TAP
Kumbum Jonang Kloster in Dist. Pashoe
Lachung Kloster in Dist. Nangchen, Kyegudo TAP
Namrab Samtenling Kloster in Dist. Gongkar, Region Lhoka
Rakor Kloster in Dist. Toelung Dechen, Bezirk Lhasa
Samdrup Gonsar Kloster in Dist. Lhatse, Region Shigatse
Samye Chimpu in Dist. Danak, Region Lhoka
Serpo Kloster in Dist. Pashoe
Shongchen Kloster in Dist. Ngamring
Warang Kloster in Dist. Nangchen, Kyegudo TAP
Yu Lung Kloster in Dist. Nakar Tse, Region Lhoka

VII 8)

Zusätzliche repressive Maßnahmen

  • Pangsa Kloster (Tashi Gang, Dist. Meldro Gongkar) wurde von einem 6-köpfigen Workteam im Sept. 1997 heimgesucht. Zu jener Zeit gab es dort 35 Mönche, aber nur 16 sind noch übrig. Als die Mönche sich weigerten, bei der patriotischen Umerziehung zu kooperieren, ließ das Workteam sie nicht mehr aus dem Gebäude hinaus. Die Türen und Fenster wurden verschlossen, und die eingesperrten Mönche regulären Indoktrinationsklassen und Prüfungen unterworfen. Im Febr. 1998 wurde berichtet, daß immer noch einige dort eingeschlossen seien. Außerdem wurden alle Klöster in der Gegend Meldro Gongkar streng angewiesen, keine religiösen Zeremonien abzuhalten.

Auch religiöse Monumente wurden von den Chinesen zerstört. In diesem Jahr wurden drei Tempel in Dist. Gyamda, Region Nyingtri, demoliert, weil sie angeblich ohne staatliche Genehmigung erbaut worden seien.

Die chin. Regierung weitete auch die Kampagne gegen den Dalai Lama aus. Alle Partei Kader und Regierungsangestellte müssen darauf gefaßt sein, daß ihre Häuser nach irgendeinem Anzeichen von Treue zum Dalai Lama durchsucht werden. Das betrifft alle Parteimitglieder, sowie Angestellte und Beamte in staatlichen Stellen. All dies beweist die feste Entschlossenheit der Regierung, jeden Einfluß des Dalai Lama auf allen Ebenen der tibetischen Gesellschaft auszurotten, was eine schwere Verletzung des Rechtes der Tibeter auf Religionsfreiheit darstellt.

VII 9)

Schluß

Der Hauptstoß der religiösen Verfolgung durch China richtet sich gegenwärtig gegen die Mönche und Nonnen Tibets. Aussagen von Mönchen und Nonnen aus allen Gegenden Tibets deuten darauf hin, daß Chinas Vorgehen gegen die Religion umfassend, systematisch und äußerst durchschlagend ist. Die Kampagne scheint sich noch zu verstärken mit einem exponentiellen Zuwachs der Anzahl von Ausweisungen und Verhaftungen in 1998, und den Anzeichen, daß diese Maßnahmen nun auch in den Laiensektor übertragen werden. Den Tibetern wird ihr Grundrecht auf eine freie Bestimmung ihres eigenen Glaubens verwehrt. Ihr ganzes kulturelles Erbe ist durch diese Entwicklung bedroht, und es müssen unbedingt Schritte unternommen werden, um diesem Prozeß Einhalt zu gebieten.

Teil VIII

FRAUEN UND ZWANGSWEISE GEBURTENKONTROLLE

Die Rechte der tibetischen Frauen werden von den ständigen repressiven Maßnahmen, die ihnen von der PRC auferlegt werden, zunichte gemacht. Entgegen der chin. innenpolitischen Richtlinie, in der Familienplanung bei Minderheiten Nachsicht zu üben, werden die tibetischen Frauen zu Sterilisierung, Kontrazeption und Abtreibung regelrecht gezwungen. Diese einschneidenden Geburtenkontrollmaßnahmen verletzen nicht nur das Recht der Frauen und gefährden ihre Gesundheit, sie kommen vielmehr einem von oben verordneten Völkermord gleich.

Die UN Konvention über die Verhinderung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes definiert Genozid als einen Akt, der mit dem Ziel begangen wird, teilweise oder im ganzen eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Volksgruppe zu vernichten, wozu auch die Auferlegung von "... Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten in dieser Gruppe" (Art. II d) zählt. 1998 erhielten wir Hinweise über 432 Tibeterinnen, die gegen ihren Willen sterilisiert wurden.

Tibetische Frauen werden auch von anderen Menschenrechtsverletzungen in Tibet betroffen. Ihnen wird das Recht auf Ausdrucks- und Meinungsfreiheit verleugnet, und sie haben keinen Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Einsperrung. Im Gefängnis werden Frauen häufig gefoltert, und es gibt zahlreiche Berichte von sexuellem Mißbrauch. Diese Praktiken stellen sowohl einen Bruch der internationalen als auch der chinesischen Gesetze dar. Es ist daher Chinas Pflicht, Schritte zum effektiven Schutz der Rechte der tibetischen Frauen zu ergreifen.

In 1998 verzeichnete das TCHRD 11 Verhaftungen von Frauen wegen Ausübung ihrer Ausdrucksfreiheit. 1.123 Nonnen wurden aus demselben Anlaß aus ihren Klöstern vertrieben, was die Gesamtzahl seit dem Beginn der "Strike Hard" Kampagne in 1996 auf 1.261 bringt. Von den uns derzeit bekannten 1.083 politischen Gefangenen in Tibet sind 246 Frauen.

VIII 1)

Internationales Recht

Seit 1980 ist die PRC ein Mitgliedstaat der Konvention zur Ausrottung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW). Durch die Ratifizierung dieser Konvention ist China verpflichtet, sich an ihre Vorkehrungen zu halten, und unter Art. 2 stimmte es zu, jede Diskriminierung gegen Frauen zu verurteilen. 1998 unterbreitete China seinen jüngsten Bericht über seine Einhaltung der CEDAW den Vereinten Nationen. Aussagen von tibetischen Frauen und andere Augenzeugenberichte beweisen jedoch, daß China fortfährt, seine Verpflichtungen unter dieser Konvention zu ignorieren.

Art. 1 der CEDAW definiert: "Unter Diskriminierung von Frauen versteht man jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung auf Grund des Geschlechtes, welche die Zuerkennung, den Genuß oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Frauen behindern oder annullieren, ungeachtet ihres Familienstandes und auf der Basis der Gleichberechtigung von Frau und Mann, und zwar im politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, zivilen oder irgendeinem anderen Bereich."

VIII 2)

Die rechtliche Position Chinas

In seinem letzten an das CEDAW Komitee der UNO am 29. Mai 1998 unterbreiteten Bericht umreißt China seine hauptsächlichen nationalen Gesetzte, welche zum Schutz der Rechte und Interessen der Frauen geschaffen wurden. Diese sind:

  • das Gesetz der Volksrepublik China über den Schutz der Rechte und Interessen von Frauen (im folgenden: 'Frauengesetz', 1992)
  • das Gesetz der Volksrepublik China über die Mutter-Kind-Fürsorge (seit 1995 in Kraft)
  • das Arbeitsgesetz der Volksrepublik China (1994)
  • das Programm zur Förderung der chinesischen Frauen (1995-2000).

Das Frauengesetz wird von der chin. Regierung als das "erste grundlegende Gesetz, das sich in spezifischer und systematischer Weise mit den Rechten und Interessen der Frauen beschäftigt", bezeichnet. Sie stellt auch fest, daß "das Gesetz den besonderen Schutz der Rechte und Interessen der Frauen unterstreicht... neue Vorkehrungen für die politische Beteiligung von Frauen, die Ernennung, Beschäftigung, den Arbeitsschutz, die Heirat etc. trifft." Das Gesetz über die Mutter-Kind-Fürsorge "legt fest, daß die Gesundheitsfürsorge Frauen und Müttern in ... dem Vorschwangerschafts-, Vorgeburts- und Nachgeburtsstadium zugute kommt, sowie bei der Sorge um den Säugling und das Kleinkind." Bis zum heutigen Tag gewährten diese Gesetze Chinas den tibetischen Frauen jedoch nicht den Schutz ihrer Rechte, der ihnen zusteht.

VIII 3)

Geburtenkontrollpolitik

In 1998 gingen bei dem TCHRD Berichte über 432 Frauen ein, die Zwangssterilisierung und kontrazeptiven Maßnahmen unterworfen wurden. Sie betreffen nur Vorkommnisse aus 1997, wobei 300 der von uns verzeichneten Sterilisierungen in dem Dist. Nyemo stattfanden, nachdem dort die Geburtenkontrollpolitik im Mai 1997 eingeführt wurde. Es gibt auch Hinweise, daß Männer einer sogenannten "Sieben-Stiche" Operation als einer Art Sterilisierung unterzogen wurden.

Trotz der Verpflichtungen der PRC im Rahmen des internationalen Rechtskodexes werden die Rechte der tibetischen Frauen, Kinder zu bekommen, durch eine einschneidende Geburtenkontrollpolitik beschnitten. Es hat den Anschein, daß die chin. Familienplanungspolitik die Methoden der freiwilligen Verhütung und Erziehung außer acht läßt. Statt dessen werden in allen tibetischen Gegenden Zwangsmaßnahmen auferlegt. Quoten wurden eingeführt, um die Anzahl der Geburten zu beschränken, und jede Familie, die mehr Kinder als erlaubt bekommt, riskiert Diskriminierung und empfindliche Geldstrafen. Alle Mütter müssen einen Erlaubnisschein bei sich tragen, in dem eingetragen ist, wie viele Kinder sie haben und wie viele sie haben dürfen. Die staatlichen Angestellten sind auf 2 Kinder beschränkt, den Landbewohnern werden 3 Kinder erlaubt. Wenn eine Frau über die erlaubte Quote hinaus schwanger wird, muß sie abtreiben. Andere Fälle zeigen, daß, wenn eine Frau ihre Schwangerschaft nicht unterbricht und sich den Behörden entzieht, sie nach der Niederkunft zwangssterilisiert wird.

In dem Dist. Rebkong, Amdo, wurde im Okt. 1997 angekündigt, daß eine Geldstrafe von 1.000 Yuan für jedes Kind, das über die festgesetzte Quote hinaus geboren wird, mit fortschreitend höheren Strafen für jedes weitere Kind auferlegt wird. Diese Kinder werden auch nicht registriert und genießen daher keine Grundrechte. Dasselbe Schema gilt für ganz Tibet. Für derartige Kinder wird keine Lebensmittelkarte ausgestellt, sie haben keinen Anspruch auf Erziehung, und das ganze Leben lang kein Recht auf Landerwerb.

Art. 16 der CEDAW verpflichtet die Mitgliedstaaten, auf der Gleichheit von Männern und Frauen basierend, allen "dasselbe Recht, frei und in eigener Verantwortung über die Anzahl und den Abstand ihrer Kinder zu entscheiden und Zugang zu Information, Unterrichtung und den Mitteln zur Ausübung ihres Rechtes zu haben", zu garantieren.

In Dist. Nyemo, Raum Lhasa, müssen Ehepaare einen Mindestabstand von 3 Jahren zwischen jedem Kind einhalten. Sie dürfen bis zu 3 Kindern bekommen. Falls ein Kind vor dieser Dreijahresfrist geboren wird, müssen sie 500 Yuan Strafe zahlen. Eine Frau berichtete 1998, daß ein Ehepaar sich in dem Gemeindeamt der Volksregierung eintragen muß, ehe es heiratet und außerdem ein Zertifikat benötigt, wenn es ein Kind möchte. Wenn eine Familie ohne Erlaubnis des Amtes ein Kind bekommt, wird sie mit 500 Yuan bestraft.

VIII 4)

Geburtenkontrollmaßnahmen

Das Gesetz der PRC über Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind legt fest, daß Frauen und Mütter im Vorschwangerschafts-, Vorgeburts- und Nachgeburtsstadium ein Anrecht auf Gesundheitsdienste haben. Die Vorgeburts-Versorgung schließt "Sorge für die Gesundheit des Fötus, des Neugeborenen und die sichere Entbindung" ein.

Ganz entgegen diesem Gesetz sind die an tibetischen Frauen durchgeführten Abtreibungs- und Empfängnisverhütungsprozeduren oft gefährlich und werden in Behelfseinrichtungen ohne medizinische Nachbehandlung oder Medikation ausgeführt. Augenzeugen sagen, daß viele Frauen das Bewußtsein verlieren oder nach so einer Operation krank und gebrechlich sind, was sie unfähig macht, ihre Arbeit wiederaufzunehmen. Andere sind nach den Eingriffen sogar gestorben. Die Operation bedeute meistens volle Sterilisierung oder die Verabreichung von langfristigen kontrazeptiven Mitteln. Die häufigste Form der Kontrazeption ist die Einsetzung einer intrauterinen Vorrichtung (IUD = Intrauterine Device). Die Frauen werden nicht in Kenntnis gesetzt über die Art der Vorrichtung und wissen oft gar nicht, daß sie ihnen eingepflanzt wurde. Das führte bei vielen Frauen zu Infektionen. Andere Formen der Kontrazeption sind die Verabreichung einer Injektion, die 3 Jahre lang anhält, oder ein Implantat im Arm, das Hormone zur Vermeidung von Schwangerschaft ausschüttet.

Es wurde von Fällen von Abtreibung gegen den Willen der Frauen im hochschwangeren Stadium berichtet. Man hörte auch von Föten, denen nach künstlich eingeleiteter Geburt eine tödliche Substanz injiziert wurde. Die Furcht vor Sterilisierung hält die Frauen auch sonst davon ab, von der allgemeinen Gesundheitsfürsorge Gebrauch zu machen.

  • Gedun Kyi aus Dist. Sangchu in der Ngapa TAP erzählte, daß dort eine Quote von 2 Kindern für die 400 tibetischen Bauern der Gegend eingeführt wurde. Wenn eine Frau mit ihrem dritten Kind schwanger ist, wird sie im Hospital einem Abort unterzogen. Wenn ein drittes Kind zur Welt kommt, muß die Familie 1.000 Yuan Strafe zahlen, und das Kind ist bis zum 18. Lebensjahr von allen Vorrechten ausgeschlossen. In manchen Fällen wird sogar nur ein Kind gestattet, wonach die Mutter zwangsweise ins Krankenhaus gebracht wird. Gedun sagte, daß die Mehrzahl der verheirateten Frauen des Kreises wegen der Geburtenkontrolle von der Gesundheitsbehörde erfaßt wurden.

  • Namgyal Choephel, 56, aus Dist. Nakar Tse, berichtete, daß sowohl tibetische Männer als auch Frauen seiner Gegend der Zwangssterilisierung unterzogen werden. Wenn eine Familie ihre Kinderquote erreicht hat, dann werden die Eltern zu dem Eingriff ins Krankenhaus zitiert. Namgyal erzählte, daß den Männern eine Injektion in den Unterleib gegeben wird, was eine Narbe und sieben Stiche auf dem Bauch hinterläßt. Frauen werden einer Operation unterzogen und nur angewiesen, Fleisch zu essen und einige Zeit lang nicht zu arbeiten. Die Leute würden den Ärzten Geschenke wie Nahrungsmittel anbieten, damit die Operation erfolgreich verlaufen soll, und zwar aus Angst, daß sie mißlingen könnte und ihnen dann weitere Schwangerschaften mit Geldstrafen bevorstünden.

VIII 5)

Fälle von Zwangssterilisierung

Die folgenden Aussagen von Tibetern, die jetzt im Exil in Indien und Nepal leben, wurden 1998 aufgezeichnet, obwohl die Ereignisse 1997 stattfanden.

  • Kunchok Tendar, der im Juni 1998 interviewt wurde, erzählte, daß 112 Tibeterinnen in Lhasung Yul in einem einzigen Monat in 1997 kontrazeptive Vorrichtungen eingesetzt wurden. Es war entweder ein langfristiges kontrazeptives Röhrchen im Oberarm oder eine intrauterine Spirale. Frauen mit zwei Kindern wurden auch zum Hospital gerufen, obwohl sie theoretisch ein Anrecht auf 3 Kinder haben.

  • Yangchen Dolkar, eine Nonne aus Dist. Penpo in der TAR sagte, daß die Behörden verlangten, daß alle Frauen über 16 Jahren, verheiratet oder unverheiratet, eine Injektion in den Arm als eine Art langfristiger Verhütung bekommen. In ihrem Dorf von 50 Familien wurden 7 Frauen auf diese Weise injiziert. Wenn sie sich weigerten, wurden sie mit einer Buße von 1.000 Yuan oder Gefängnis bestraft. Den Frauen gab man zuerst ein Anaesthetikum und dann das Kontrazeptivum. Yangchen sagte, daß die meisten der Frauen danach körperlich geschwächt oder bewußtlos waren. Jenen, die mit den staatlichen Handlangern argumentierten, wurde die Injektion ohne das Anaesthetikum verabreicht. Diese kontrazeptiven Maßnahmen folgten einer Anordnung in diesem Jahr, daß die Frauen einen Anspruch auf 3 Kindern haben, und jede Frau, die über diese Quote hinaus Kinder bekommt, mit einer Strafe von 10.000 Yuan belegt wird. Die meisten Frauen waren Bauern oder Nomaden.

  • Neun Frauen im Alter zwischen 18 und 45 aus dem Dorf Shabrang, Kreis Thonring, wurden im Okt. 1997 nachts in das staatliche Krankenhaus von Rekong zur Sterilisierung geholt. Man sagte ihnen, daß sie noch eine Woche lang nach dem Eingriff medizinisch behandelt würden. Die neun Frauen kamen schon nach 2 Tagen zurück, und 8 von ihnen wurden ernstlich krank, aber sie bekamen keine Behandlung. Die Distriktbehörden hatten mehrere Tage vor dem Eintreffen der Geburtenkontrollmannschaft verkündet, daß 100%ige Beteiligung erwartet würde, und jede Weigerung schwere Strafen nach sich ziehen würde. Auch für außerhalb der Quote geborene Kinder wurde eine Strafe eingeführt.

  • Dorf Gomar: vier Frauen, von denen zwei überhaupt keine Kinder hatten, wurden von den Geburtenkontroll-Sanitätern gepackt. Die vier litten nach der Sterilisierung an schweren Gesundheitsstörungen und eine von ihnen war dem Tode nahe.

  • Distrikt Nyemo: eine 40-jährige Quelle, die nicht genannt werden möchte, berichtete, daß sie annähernd 300 Frauen sah, die zur Sterilisierung im Mai 1997 in das Hospital von Nyemo zitiert wurden. Das Gesundheitsamt hatte insgesamt 1.000 Frauen zur Geburtenkontrolle ausgemustert. Den bis zu 3 Monate schwangeren Frauen wurden die Föten abgetrieben.

Gesamtzahl der von 1987 bis 1998 in Tibet eingesperrten männlichen und weiblichen Gefangenen, soweit uns bekannt

1987-1989: Männer - 24, Frauen - 1
1990: Männer 7, Frauen 9
1991: Männer 9, Frauen 1
1992: Männer 50, Frauen 26
1993: Männer 86, Frauen 29
1994: Männer 200, Frauen 57
1995: Männer 131, Frauen 62
1996: Männer 200, Frauen 41
1997: Männer 103, Frauen 16
1998: Männer 27, Frauen 4
insgesamt: Männer 837, Frauen 246
zusammen 1.083.

VIII 6)

Folterung und Mißhandlung von weiblichen Gefangenen

1992 klassifizierte die CEDAW unter dem Begriff geschlechtspezifische Diskriminierung auch die Gewalt gegen Frauen: "... Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist oder die Frauen besonders trifft, schließt solche Akte ein, die physischen, mentalen oder sexuellen Schaden oder Leiden zufügen, Androhungen solcher Taten, Zwang und ähnliche Beraubung der Freiheit."

Aber die Gefängnisbedingungen für Frauen in Tibet entsprechen nicht dem internationalen Standard. So wird überhaupt keine Rücksicht auf die Menstruation der Frauen genommen, was dadurch noch verschlimmert wird, daß sie oft lange Zeit keine Gelegenheit zum Waschen haben. Für die inhaftierten schwangeren Frauen werden keine Ausnahmen gemacht, weshalb es bei den Tibeterinnen nach den Mißhandlungen oft zu Fehlgeburten kommt. Nach den Protesten im Drapchi Gefängnis vom Mai 1998 sind sechs Nonnen gestorben. Weitere zwei Nonnen sollen sich in kritischer Verfassung befinden.

  • Jamdron, eine 23-jährige Nonne aus dem Kloster Phenpo Gyarak und nun politische Gefangene in Drapchi wurde vernommen, geschlagen und in eine Einzelzelle gesetzt, weil sie während des Losar-Festes im Febr. 1998 im Gefängnis offen ein Freiheitslied gesungen hatte. Bis ihr Hafturteil im Jahre 2002 zu Ende geht, wird sie wohl in Einzelhaft eingeschlossen bleiben. Das ist die längste Einzelhaft, von der das TCHRD je erfuhr. Sie wurde 1995 zu 7 Jahren verurteilt.

  • Ngawang Choezom ist eine Nonne im Drapchi Gefängnis, von der man annimmt, daß sie zusammen mit Ngawang Sangdrol im Mai 1998 protestierte. TIN berichtete, daß beide Nonnen brutal vernommen, mißhandelt und in Einzelkarzer gesteckt wurden. Man ist ernstlich um ihre Gesundheit besorgt, denn sie soll sehr leidend sein.

  • Ngawang Sangdrol soll sich auch in sehr schlechter Verfassung befinden, nachdem sie wegen der politischen Proteste in Drapchi schwerstens bestraft wurde. TIN berichtete, daß sie ihren Protest sogar nach dem 1. und 4. Mai noch einen Monat lang fortsetzte. Sie leistet ein 18-Jahre Hafturteil ab.

  • Nyima ist eine Nonne, die zu 5 Jahren in Drapchi verurteilt wurde. Im Febr. 1998 wurde sie in einen Einzelkerker gesteckt, weil sie zusammen mit einer anderen Gefangenen, Jamdron, ein Unabhängigkeitslied gesungen hatte. Sie wurde vernommen und geschlagen, und es scheint, daß sie bis zu ihrer Entlassung 1999 in Einzelhaft bleiben wird. Sie ist 18 Jahre alt und aus dem Kloster Phenpo Poto in Dist. Phenpo Lhundrup.

VIII 7)

Todesfälle als Folge von Folterung

Sechs Nonnen, Ngawang Choekyi (26), Tashi Lhamo (24), Choekyi Wangmo, Lobsang Wangmo, Dekyi Yangzom (21) und Khedron Yonten sind vermutlich als Folge ihrer Beteiligung an dem Protest vom 4. Mai in Drapchi gestorben. Die Nonnen starben alle am 7. Juni, nachdem sie in Einzelhaft gesetzt wurden. Die Behörden erklärten den jeweiligen Familien, daß sie Selbstmord begangen hätten.

Choekyi Wangmo aus dem Kloster Sharbumba hätte sich erhängt, während sich Tashi Lhamo, Dekyi Yangzom und Khedron Yonten mit Hilfe eines in den Mund gestopften Schals erstickt hätten. Der Tod von Lobsang Wangmo ist unbestätigt, und vielleicht gab es sogar zwei Nonnen desselben Namens.

VIII 8)

Schluß

Die PRC hat die Verpflichtung, sicherzustellen, daß alle Rechte von Frauen, wie sie sowohl in den internationalen als auch den chinesischen Gesetzen verankert sind, gewahrt werden. Aufgezwungene Geburtenkontrollmaßnahmen müssen abgeschafft werden, da sie einen tiefgreifenden Mißbrauch der Rechte von Frauen darstellen und in direktem Widerspruch zu dem internationalen Recht stehen. Mechanismen müssen eingeführt werden zum Schutz der weiblichen Gefangenen vor Folter, sexuellem Mißbrauch und anderen Formen der Mißhandlung. Die gegenwärtigen innerchinesischen Regelungen sind ungenügend für die Einhaltung dieser Rechte, und China muß diesen Mißstand unverzüglich berichtigen.

Teil IX

DIE RECHTE DES KINDES

Die Rechte von Kindern werden in umfassender Weise von einigen internationalen Gesetzen und Verträgen geschützt, an die auch die PRC gebunden ist. 1994 nannte sich China in seinem Erstbericht über seine Einhaltung der UN Konvention über die Rechte des Kindes (CRC) einen Staat, "der konsequent die Rechte der Kinder respektiert und verteidigt". Es gibt jedoch genügend Beweise dafür, daß diese Behauptung falsch ist.

Die Rechte von tibetischen Kindern werden beharrlich von der chin. Regierung verleugnet. Ihre Rechte auf Ausbildung und Gesundheitsfürsorge sind nicht geschützt, noch ihre Rechte auf Freiheit und Ausdrucksfreiheit. Solange der allgemeine Lebensstandard des tibetischen Volkes nicht angehoben wird, können die Rechte der Kinder auf diese und andere grundlegende Lebensbedürfnisse einfach nicht garantiert werden. Die PRC hat die Verpflichtung, ihre Bemühungen zur Anhebung des Lebensunterhaltsniveaus zu verstärken und Zugeständnisse zu machen, damit Kinder in den Genuß ihres Rechtes auf Ausdrucksfreiheit kommen. Die derzeit in Tibet gehandhabte Repressionspolitik nimmt den Kindern diese fundamentalen Rechte weg, und viele Eltern schicken ihre Kinder lieber ins Exil als sie unter der chin. Herrschaft aufwachsen zu lassen.

IX 1)

Internationales Recht

Am 29. Aug. 1990 unterzeichnete die Volksrepublik China die Konvention über die Rechte des Kindes (CRC) und ratifizierte sie am 2. März 1992. Die Unterzeichnerstaaten sind gebunden, jede Praxis, die den Zielen der Konvention entgegensteht, zu unterbinden. Die CRC kann auch nicht von anderen Konventionen gesondert werden, weil die darin enthaltenen Grundprinzipien ihrer Natur nach mit anderen Konventionen, so dem Internationalen Vertrag über bürgerliche und politische Rechte und dem internationalen Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in engem Zusammenhang stehen. Dies betont die Verantwortung des Staates, Bedingungen zu schaffen, damit die Entwicklung des Kindes in jeder Hinsicht und in vollstem Maße gefördert wird.

Auch Art. 24 des ICCPR enthält Vorkehrungen für den Schutz der Rechte der Kinder:

"Jedes Kind hat ohne Unterscheidung von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen oder Geburt das Recht auf solche Schutzmaßnahmen seitens seiner Familie, der Gesellschaft oder des Staates, wie sie sein Status als Minderjähriger verlangt."

IX 2)

Kinder als politische Gefangene und Gewissensgefangene

Derzeit gibt es 12 uns bekannte jugendliche politische Gefangene, die in verschiedenen Gefängnissen in Tibet festgehalten werden, weil sie versucht hatten, ihr Recht auf Ausdrucksfreiheit auszuüben. Die Behandlung der jugendlichen Häftlinge in Tibet verletzt sowohl das chinesische Recht als auch die internationalen Menschenrechtsverträge, zu deren Einhaltung China gesetzlich verpflichtet ist. Dies gibt Menschenrechtsgremien und Befürwortern Anlaß zu schweren Bedenken.

Es gibt Hinweise, daß in fast jedem chin. Gefängnis in Tibet auch Jugendliche eingesperrt sind. Sie werden in Gefängnissen für Erwachsene gehalten, ihnen wird die gesetzliche Vertretung und der Kontakt zur Familie verweigert und sie werden allerlei Mißhandlungen unterzogen. Diese Tatsachen verletzten den Art. 37(b) der CRC, der bestimmt: "Kein Kind darf ungesetzlich oder willkürlich seiner Freiheit beraubt werden. Die Verhaftung, Festhaltung oder Gefangenschaft eines Kindes muß in Übereinstimmung mit dem Gesetz erfolgen und darf nur als äußerste Maßnahme und für die kürzest mögliche Zeit erfolgen."

Diese Konvention steht im Anschluß an "die Erklärung über die sozialen und legalen Prinzipien für den Schutz und das Wohl der Kinder... und die Standard-Mindest-Regeln der UN für die Handhabung der Jugendjustiz" (UN The Rights of the Child, April 1991).

  • Lhakpa Tsering war erst 17, als er zusammen mit zwei anderen Freunden Plakate und eine tib. Flagge bastelte und sie am 31. Juli 1992 an das Rathaus von Lhoka Chideshol klebte. Alle wurden Ende Aug. verhaftet. Der "konterrevolutionären Propaganda" angeklagt wurde Lhakpa zu 2 Jahren Gefängnis und zu 1 Jahr Verlust der politischen Rechte verurteilt.

  • Tenzin Tsedup aus dem Kloster Taktse Phagmo in Dist. Takste war 11 Jahre alt, als er und seine Freunde im Aug. 1993 anläßlich des Shoton Festes am Norbulingka, Lhasa demonstrierten. Sie wurden unverzüglich verhaftet und brutal geschlagen. Ein chin. Polizist trat Tenzin in die Brust, so daß er bewußtlos hinfiel. Als er Momente später wieder zu sich kam, wurde er verhört. Im Sept. 1993 wurde Tenzin zu 1 Jahr Haft in Gutsa verurteilt. Die anderen zwei bekamen je 6 und 4 Jahre und wurden in Drapchi festgesetzt. Nach seiner Entlassung durfte Tenzin nicht mehr in sein Kloster zurückkehren. Er floh aus Tibet und erreichte Indien im Aug. 1998.

  • Tenzin Tsultrim war 17 Jahre alt, als er von den chin. Umerziehern im Febr. 1998 verhaftet wurde, weil er "Free Tibet" Poster aufgehängt hatte. Er war Mönch in dem Kloster Rabten in Dist. Sog, Region Ngachu. Derzeit ist er in dem Gefängnis von Sog.

  • Tsering Choekyi war erst 14 Jahre alt, als sie wegen Beteiligung an einer Demonstration im Dez. 1993 verhaftet wurde. Als ehemalige Nonne des Klosters Shugseb wurde sie zu 3 Jahren Umerziehung-durch-Arbeit in das Trisam Gefängnis gesteckt. Obwohl sie eine jugendliche Gefangene war, wurde sie mit älteren zusammengelegt und mußte dieselbe Arbeit wie diese verrichten.

IX 3)

Das Kind Panchen Lama

Seit Gedhun Choekyi Nyima im Mai 1995 verschwand, gab die chin. Regierung ausweichende Antworten über seinen Verbleib. Ein ganzes Jahr lang stritt sie lautstark alle Bezichtigungen von internationalen Organisationen, Regierungsgremien und der tibetischen Exilregierung wegen des Verschwindens des Kindes ab. Im Mai 1996 räumte der ständige Botschafter Chinas bei der UNO, Wu Jianmin, schließlich ein, daß sie das Kind "auf Bitten seiner Eltern" in Verwahrsam halten. Diese Antwort erfolgte erst nach hartnäckiger Nachfrage durch das UN Komitee für die Rechte des Kindes. Doch bis zum heutigen Tag wurde keiner Regierungsdelegation oder zuständigen Organisation noch unabhängigen Beobachtern erlaubt, das Kind zu Gesicht zu bekommen. Divergierende Angaben über seinen Aufenthaltsort wurden den Delegationen, die sich besorgt über Gedhun Choekyi Nyima äußerten, geliefert. Die australische Delegation, die 1997 nach Tibet ging, bekam zu hören, daß der Junge in dem Dorf Lhari, 250 km von Lhasa entfernt, festgehalten würde. Im selben Jahr hörten die US Delegation und andere Quellen, daß der Knabe in Peking sei. China fährt fort, den internationalen Druck wegen dieser Angelegenheit von sich abzuwenden, und war nun schon über drei Jahre lang in der Lage, diese grobe Menschenrechtsverletzung aufrechtzuerhalten.

IX 4)

Das Recht auf Erziehung

Die Konvention über die Rechte des Kindes garantiert in Art. 28(1) "... das Recht des Kindes auf Erziehung..". Das Bildungsgesetz des chin. Staates wiederholt ebenfalls: "... jeder Bürger genießt ungeachtet von Rasse, Nationalität, Geschlecht, Beschäftigung, finanziellem Status und Religion die gleichen Möglichkeiten zur Erziehung."

Die chin. Regierung sollte nun endlich das Problem des Schulwesens in Tibet in Angriff nehmen. Große Teile der tibetischen Jugend können keine Schule besuchen, was zu schweren Konsequenzen sowohl für den einzelnen als auch für das Überleben der gesamten tibetischen Kultur führt.

Art. 30 der Konvention über die Rechte des Kindes legt fest: "In jenen Staaten, in denen ethnische, religiöse oder linguistische Minderheiten oder Personen von einheimischer Herkunft leben, soll einem Kind, das solch einer Minorität angehört oder ein Eingeborenes ist, das Recht nicht verwehrt werden, in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern seiner Gruppe seiner eigenen Kultur nachzugehen, seine eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder seine eigene Sprache zu sprechen."

Ganz im Gegenteil hierzu kündigte die Obrigkeit der TAR im April 1997 an, daß die tibetische Sprache nicht mehr das alleinige Unterrichtsmedium in den Grundschulen sein wird, wobei in einigen Fällen Chinesisch in der Tat Tibetisch ganz und gar ersetzen wird. Tenzin, der stellv. Parteisekretär der TAR sagte, daß nur das Erlernen der tibetischen Sprache "für das Gedeihen der Kinder nichts Gutes bringt". Dies ist eine Weiterführung des von dem Parteisekretär der TAR, Chen Kuiyuan, formulierten Programmes, als er 1994 sagte: "Der Erfolg unserer Erziehung liegt nicht in der Anzahl der ausgestellten Diploms, er liegt vielmehr darin, ob unsere Absolventen ihre Herzen der Dalai Clique zuwenden oder sich von ihr abwenden und darin, ob sie unserem großen Mutterland und der sozialistischen Sache treu sind und sie lieben oder nicht." Der Lehrplan der Schulen in Tibet wird von der chin. Regierung bestimmt und stellt bewußt ein Mittel dar, um mit der kommunistischen Ideologie in Konflikt stehende Ideen zu unterdrücken. Chen Kuiyuan unterstrich, daß "die politische und ideologische Arbeit in den Schulen" intensiviert werden muß, indem ihr über die konventionellen akademischen Ausbildungsziele der Vorrang gegeben wird. Die Tatsache, daß die tibetische Sprache nun auf der Grundschulstufe abgelöst wird, zeigt, wie sehr dieser Prozeß im Gange ist.

  • Yangzom Dolma, eine 17-jährige Schülerin aus der Mirig Lobdra (Mittelschule für ethnische Gruppen) in der Dechen TAP, war eine von 500 tibetischen Schülern in einer Schule von 2.000. Sie berichtet: "Die chin. Schüler pflegten uns auf Chinesisch als 'schmutzige Minderheit' zu beschimpfen. In der Schule wurde überhaupt kein Tibetisch gelehrt und alles war durch das Medium Chinesisch. Sogar außerhalb des Unterrichts wurden wir davon abgehalten, Tibetisch zu sprechen, weil wir dann in unseren Studien zurückbleiben würden. Wenn wir auf Tibetisch sprachen, wurden wir einfach ignoriert. Die Lehrer kamen auch aus verschiedenen ethnischen Gruppen, aber alle hatten eine gute Kenntnis von dem chin. Unterrichtsstoff, während die tibetischen Lehrer von den tib. Fächern nur wenig Ahnung hatten. Unsere Fächer waren chin. Geschichte, Geographie, Politik mit Schwerpunkt auf Sozialismus und seinen Vorzügen, Chemie, Biologie und Astronomie. Chin. Sprache wurde nicht extra gelehrt, da vorausgesetzt wurde, daß wir sie schon genügend beherrschen. Ich hatte Chinesisch in der Grundschule gelernt."

Durch die Einschränkung der Verwendung der tib. Sprache behalten die Chinesen das Monopol über den Lehrplan und es gelingt ihnen auf diese Weise, weiterhin das Recht des Kindes auf seine angestammte Kultur zu reduzieren.

  • Pasang Dolma, ein 15-jähriges Mädchen, das im Dez. 1998 in Indien ankam, erzählte, daß alle Lehrer ihrer Schule Chinesen waren, und daß einige Fächer nur auf Chinesisch gelehrt wurden. Solche Verhaltensweisen entfremden die tib. Kinder sowohl gesellschaftlich als auch wissensmäßig, was in Zukunft viele ernste Konsequenzen haben wird.

Gyaltsen Norbu, der frühere Vorsitzende der TAR Regierung, räumte ein, daß Ende 1993 annähernd ein Drittel der tibetischen Kinder wegen finanzieller Bedrängnis nicht zur Schule gehen konnte. Der Hauptgrund für den geringen Schulbesuch ist ein deutlicher Mangel an finanzieller Unterstützung auf dem Bildungssektor durch die Regierung. 1993 unterstrich der Minister für die staatliche Erziehungskommission Zhu Kaixuan, daß "Finanzierungsprobleme der Hauptfaktor waren, welche die Entwicklung und Reform im Erziehungswesen (sowohl in China als auch in Tibet) hinderte."

Die Regierung fährt fort, sich zur Aufrechterhaltung der Erziehungsanstalten auf die "freiwillige" Arbeit und den finanziellen Zuschuß der örtlichen Bevölkerung zu verlassen, wobei diese Politik seit der Fünften Konferenz über Bildung der TAR in Kraft ist: "... "Die Lokalverwaltung muß die Bauern und Nomaden mobilisieren und organisieren, um baufällige Dorfschulen zu renovieren, neue Schulen zu errichten und die Unterrichtsmöglichkeiten zu verbessern, indem sie ihren Arbeitsdienst oder Baumaterial auf einer freiwilligen Basis zur Verfügung stellen." In Tibet, wo über 85% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, bedeutet dieser Rückgriff auf die persönlichen Mittel zum Aufbau des Schulwesens auf Lokalebene eine riesengroße Belastung für die Tibeter. Wo diesen Forderungen nicht entsprochen werden kann, wird den Kindern einfach das Recht auf Erziehung verleugnet.

Der geringe Schulbesuch kann auch auf einen Mangel an Schulen in ländlichen Gegenden, und dort wo es sie gibt, auf ungenügende Einrichtungen und schlechte Bedingungen zurückgeführt werden. Der niedrige Unterrichtsstandard, die häufige und manchmal sogar ausschließliche Verwendung der chin. Sprache und ein Lehrplan, der von der einheimischen Bevölkerung als inakzeptabel betrachtet wird, schrecken die Tibeter weiter davon ab, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Tibetische Kinder werden außerdem durch die selektiven Aufnahmeprozeduren und die verboten hohen Schulgebühren von den Erziehungsmöglichkeiten ausgeschlossen.

Die Unterzeichnerstaaten der Konvention über die Rechte des Kindes sind verpflichtet, "die Grundschulbildung obligatorisch und für alle frei zugänglich zu machen" Art. 28(a).

Der Art. 10 der Schulpflichtverordnung der PRC sagt: "Der Staat darf keine Gebühren von den Schülern erheben, welche die staatlichen Pflichtschulen besuchen".

Bei einem Interview, das mit 50 Kindern, die in den letzten 3 Jahren in Indien ankamen, geführt wurde, gab es nur 9 von 38 Schülern, welche in Tibet zur Grundschule gingen, die überhaupt keine Schulgebühren bezahlt hatten. Verschieden hohe Gebühren für den Grundschulunterricht wurden erhoben, von 20 bis 6.000 Yuan pro Jahr. 16 Schüler mußten über 500 Yuan Gebühren pro Jahr entrichten.

Diese Aussagen beweisen, daß China die Verfügungen seiner eigenen Verfassung mißachtet, indem es Zusatzbestimmungen, welche die Erhebung von außerordentlichen Gebühren erlauben, einführt. Während der Schulbesuch an sich in einigen Fällen frei sein mag, müssen die Schüler exzessive Gebühren für Papier, elektrischen Strom, Prüfungen, weitere Unterrichtstunden und die Benützung der Möbel und sogar des Klassenzimmers zahlen. Diese Gebühren versagen einem bedeutenden Teil der tibetischen Kinder die Ausübung ihres Rechtes auf Erziehung. Zusätzlich zu diesen verschiedenen Auflagen sehen sich die Schüler gezwungen, ihren Lehrern und der Schulleitung "Beschwichtigungsgeschenke" zu bringen, um der Diskriminierung zu entgehen. Das Erziehungssystem ist und bleibt daher in ganz Tibet ungenügend.

  • Pasang Dolma machte zwei Jahre Mittelschule in Tibet, ehe sie aus finanziellen Gründen die Schule verließ. Die lokale Verwaltung leistet keine finanzielle Hilfe an bedürftige Familien und daher können viele einfach die hohen Gebühren nicht aufbringen. Pasang berichtete, daß von den 37 Kindern ihrer Gemeinde nur 7 in der Schule blieben. Gebühren würden für den allgemeinen Unterricht (im Widerspruch zu der offiziellen chin. Politik) erhoben, was 800 Yuan jährlich ausmacht, mit zusätzlichen Gebühren für Prüfungspapier, Reinigungsmittel, Schuluniformen und Extrastunden. Auch für die Möbel mußte ein nicht-rückzahlbarer Betrag hinterlegt werden. Die Gebühren beliefen sich auf über 1.000 Yuan pro Jahr, eine Summe, die die Kapazität vieler tibetischer Familien einfach übersteigt. Pasang sagte, daß der Hauptgrund, warum sie ins Exil floh, der war, daß sie eine richtige Erziehung haben und Tibetisch lernen wollte.

Die chin. Regierung hat angeblich einen Hilfsfonds zur Förderung der tibetischen Schüler eingerichtet, um ihre Erziehung finanziell zu gewährleisten. Leider hängen viele Familien wegen der Probleme in der Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zum Überleben nur von dieser Beihilfe ab, was bedeutet, daß das Recht des Kindes auf Erziehung nicht garantiert ist. Von den 50 interviewten Schülern bekam jedoch kein einziger Beihilfe oder irgendeine Form der staatlichen finanziellen Konzession. China ist verpflichtet, dringend diesen Notstand zu beheben und neue Wege zu finden, damit gewährleistet wird, daß alle Kinder ihr Grundrecht auf Erziehung ausüben können.

IX 5)

Erziehung in religiösen Institutionen

Der Mangel an Erziehungsmöglichkeiten, die übermäßig hohen Schulgebühren, der Unterricht in chin. Sprache und die diskriminierenden Praktiken gegenüber den tib. Kindern machen die Schulbildung für Tibeter praktisch unzugänglich. Die wachsende Zahl von Kinderflüchtlingen, die nach Indien kommen, um dort eine Erziehung zu suchen, bestätigt die Verletzung des Rechtes auf Erziehung und die Frustrierung der Tibeter über das jetzige Erziehungssystem.

Die Klöster waren die einzigen Institutionen, die den Kindern bisher eine Gelegenheit boten, in tibetischer Kultur und Philosophie unterrichtet zu werden, weil diese Fächer von dem staatlichen Lehrplan völlig ausgeschlossen sind. Das Studium der buddhistischen Philosophie, entweder zur eigenen Bereicherung oder um der ganzen Gemeinschaft Wissen zu vermitteln, bleibt auf die Klöster beschränkt. Durch das Verbot der Aufnahme von jungen Mönchen und Nonnen und ihrem Ausschluß aus den religiösen Institutionen verletzen die Chinesen die Rechte der tib. Kinder auf Erziehung und den Genuß ihrer eigenen Religion, Kultur und Sprache. Diese Rechte werden aber vom Art. 30 der CRC geschützt.

Interviews mit geflohenen Mönchen und Nonnen bestätigen, daß China verfehlte, dieser Verpflichtung nachzukommen, indem es Vorschriften einführte, welche den jungen Menschen verbieten, in die religiösen Institutionen einzutreten. 1998 verzeichnete das TCHRD 2.206 Ausweisungen von jugendlichen Mönchen und Nonnen, was die Gesamtzahl seit dem Beginn der "Strike Hard" Kampagne auf 2.945 bringt.

Die minderjährigen Mönche und Nonnen, die aus verschiedenen Klöstern Tibets im Zusammenhang mit der "Strike Hard" Kampagne von 1996-1998 ausgewiesen wurden, stellen mit 2.945 = 30% und die Erwachsenen mit 7.032 = 70% der Ausweisungen dar.

IX 6)

Kinder-Flüchtlinge

Von den 3.570 Flüchtlingen, die im Jahre 1998 bis zum 22. Dez. in Indien eintrafen, waren 1.190 Kinder. Von diesen wiederum waren 10% unbegleitet von ihren Eltern. Jedes Jahr fühlen sich viele tibetische Familien bewegt, ihre Kinder ins Exil zu schicken, anstatt sie unter der chin. Doktrin aufwachsen zu lassen. Die Tatsache, daß so viele Familien diese Entscheidung treffen und das Leben ihrer Kinder riskieren, ist genügend Beweis, daß die chin. Regierung verfehlte, die Rechte der tibetischen Kinder zu schützen.

Einige Kinder sterben auf der gefährlichen Flucht, und wenn sie überleben, dann werden sie wahrscheinlich ihre Familie nie mehr sehen. So kamen fünf Kinder, die im Okt. 1997 aus Tibet fliehen wollten, unterwegs um: Karlo (10), Dolma Chotso (11), Phurdon (12), Shelo Dolma (13) und Sonam Tashi (16).

Viele werden unbegleitet von ihren Eltern in die Ferne gesandt, die ihre Kinder Fremden anvertrauen und dazu noch ihre mageren Ersparnisse hingeben müssen, um den Weg für ihren Sohn oder ihre Tochter in die Freiheit zu erkaufen. Manche von ihnen sind noch Kleinkinder, die auf dem Rücken über den Himalaya getragen werden müssen, ein Treck, der mindestens 4 Wochen in Anspruch nimmt. Dazu kommt, daß Eltern in Tibet, die ihre Kinder ins Exil schickten, um ihnen dort eine tibetische Erziehung zu ermöglichen, immer mehr von der chin. Regierung unter Druck gesetzt werden, ihre Kinder zurückzuholen. Kürzliche Informationen aus Tibet zeigen, daß weitere drei Familien unter der Drohung von Entlassung aus ihrer Arbeitsstelle zu diesem Schritt gezwungen waren. 1995 wurden 37 Kinder, die von der tibetischen Exilregierung geführte Schulen besuchten, gegen ihren eigenen Willen und den ihrer Eltern nach Tibet zurückgeholt. Diese Maßnahmen, die "separatistische" Neigungen unterbinden sollen, stellen einen direkten Angriff auf die Rechte der Kinder dar. 1998 kamen drei Elternpaare nach Indien, um ihre Kinder wieder abzuholen.

IX 7)

Gesundheitsfürsorge

Die Konvention über die Rechte des Kindes garantiert weiterhin "... Vorsichtsmaßnahmen und Fürsorge, einschließlich des angemessenen gesetzlichen Schutzes, sowohl vor als auch nach der Geburt".

Das Gesundheitsniveau der tibetischen Kinder bleibt weiterhin hinter dem chinesischen zurück. Chronische Unterernährung beeinträchtigt ernsthaft ihr Wohlergehen, sowohl vor als auch nach der Geburt. Die durch Armut bedingte Unterernährung und ungenügende Gesundheitsfürsorge in dem ganzen Land bedrohen das Recht der Kinder auf gute Gesundheit. Die tibetische Säuglingssterblichkeit von mehr als 9% in der TAR liegt dreimal so hoch wie in der übrigen PRC. 1990 führte die Gesundheitsbehörde von Lhasa eine Gesundheits- und Ernährungsstudie durch, wobei die Ergebnisse eine große Diskrepanz in der Größe und dem Gewicht von tibetischen Säuglingen von 3 bis 6 Monaten verglichen mit chinesischen, sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gegenden, ergaben. Diese Resultate zeigen, daß nach dem Standard der Welt-Gesundheits-Organisation der "Gewicht-pro-Alter" Quotient von tibetischen Kindern im allgemeinen "an der Grenze des Inakzeptablen" und in manchen Gegenden sogar "inakzeptabel niedrig" liegt.

Die Untersuchung kam auch zu dem Schluß, daß "viele Kinder innerhalb der TAR viel zu klein für ihr Alter sind, so klein, daß 60% weit unter den international anerkannten Werten für Körperwuchs liegen. Die Fakten lassen schließen, daß dieser geringere Körperwuchs eher eine Folge von ernährungsbedingter Verkümmerung, also chronischer Unterernährung in den ersten drei Lebensjahren, als von genetischer Veranlagung oder der Höhenlage wie bisher angenommen ist.

IX 8)

Schluss

Die Volksrepublik China muß dringend den Bedürfnissen der tibetischen Kinder mehr Aufmerksamkeit schenken. Viele ihrer Grundrechte werden heutzutage trotz der internationalen und nationalen Gesetzte verletzt, und dieser Mißstand muß geändert werden. Der Schutz der Rechte von Kindern ist unerläßlich für das Überleben der tibetischen Kultur.

Teil X

BEVÖLKERUNGSTRANSFER

"Die massive, staatlich geförderte Bevölkerungsverschiebung von Chinesen nach Tibet, mit der sie begleitenden wirtschaftlichen und physischen Verdrängung, Diskriminierung, Überbeanspruchung der empfindlichen Umwelt, Ausbeutung der Ressourcen, restriktiven Fortpflanzungspolitik und Bedrohung des leiblichen Wohlergehens der Tibeter verstößt nicht nur gegen die Menschenrechte, sondern stellt eine Bedrohung für das eigentliche Überleben des tibetischen Volkes und seiner Kultur dar" (Unterausschuß über die Verhinderung von Diskriminierung und Schutz von Minderheiten, 49. Sitzung, Punkt 10 der Tagesordnung, "Population Transfer in Tibet", 1997).

Die Hochkommissarin für Menschenrechte der UNO, Mary Robinson, sprach das Problem der Bevölkerungsverlagerung nach Tibet bei ihrem offiziellen Besuch in China im Sept. 1998 an. Li Dezhu, der Ministerialbeauftragte für ethnische Minoritäten, leugnete, daß Tibet in irgendeiner Weise von der staatlich geförderten Umsiedelung von Chinesen bedroht würde. Es gibt jedoch genügend Beweismaterial zur Bekräftigung der Tatsache, daß die Bevölkerungsumsiedelung eine "Verletzung der Grundsätze des konventionellen und gewohnheitsmäßigen Menschenrechtsgesetzes" darstellt.

X 1)

Chinas offizielle Politik

Die schon seit langem von China verfolgte Linie der Bevölkerungsverlagerung nach Tibet wurde erst 1994 auf dem Dritten Arbeits-Forum als eine offizielle Politik der chin. Regierung verkündet. Die Einschleusung von Chinesen nach Tibet wird schon seit 1949 betrieben. Seit dem Ende der 80-er Jahre, als Deng Xiaoping mit seiner Politik der "Entwicklung und Öffnung" hervortrat, gab es ganze Umsiedelungswellen. Die wirtschaftliche Entwicklung wird als Grund für diese vom Staat gewollte Bewegung vorgeschoben, wobei verschiedene wirtschaftliche, administrative und entwicklungsfördernde Maßnahmen die weitere chinesische Einwanderung erleichtern und ermutigen sollen.

1987 räumte Deng Xiaoping dem amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter gegenüber ein, daß die Migration von Chinesen nach Tibet gefördert würde, weil "die Bevölkerung der autonomen Region von etwa 2 Mio. ungenügend sei, um ihre Ressourcen zu erschließen." Das Dritte Arbeits-Forum von 1994 führte diese Linie der wirtschaftlichen Entwicklung weiter, während Dokumente einer Besprechung hoher Funktionäre der kommunistischen Partei vom 12. Mai 1993 geradezu auf ein subversives Motiv hinter dieser Politik schließen lassen. So wurde beschlossen: "Damit es den Tibetern unmöglich gemacht wird, sich zu erheben, wie es in der Mongolei und Xinjiang der Fall ist , muß eine bedeutende Anzahl von chin. Siedlern nach Tibet geholt werden, um den tibetischen Widerstand zu verwässern und zu schwächen." Seit damals wurden unzählige Entwicklungsprojekte gestartet, wirtschaftliche Anreize geboten und Kader versetzt, um den Anteil von chin. Siedlern in der Autonomen Region Tibet zu vermehren.

X 2)

Bevölkerungsstatistiken

Genaue Zahlen über die Bevölkerung in Tibet sind nicht leicht zu bekommen. Der jüngste offizielle Zensus wurde von der chin. Regierung 1990 durchgeführt, aber diese Zählung ließ einen wesentlichen Anteil der Bevölkerung einfach außer acht: die "fluktuierende Bevölkerung" nämlich (alle qualifizierten und nicht-qualifizierten chin. Arbeiter auf der Suche nach Beschäftigung), das gesamte militärische Personal, offizieller Projekte wegen transferierte Chinesen, solche, die Tibet vor dem 1. Juli 1985 betraten, sowie jene, die weniger als ein Jahr an einem Ort ansässig waren. Die offiziellen Zahlen von 4,59 Mio. Tibetern und 4,2 Mio. Nicht-Tibetern in Tibet sind daher irreführend. Die tibetische Exilregierung schätzt die Zahlen auf 6 Mio. Tibeter verglichen mit 7,5 Mio. Nicht-Tibetern. Unabhängige und objektive Volkszählungen gibt es nicht.

Seit der "Öffnung" Tibets und der Einleitung massiver Entwicklungsprogramme wird angenommen, daß sich die Anzahl von Chinesen in Tibet ganz bedeutend erhöht hat. Die 1995 in der TAR in Gang gesetzten 62 Projekte, die zu den 42 Projekten von 1985 hinzukommen, verbunden mit der Lockerung der Bewegungsfreiheit in ganz China und der Einführung von attraktiven Profitschemen haben ganz zweifellos den Anteil von Chinesen in die Höhe getrieben. Es gibt eine Schätzung von einer "fluktuierenden Bevölkerung" von 200.000 Chinesen alleine in Lhasa, und zwischen 200.000 und 500.000 chin. Soldaten in Tibet.

Diese Statistiken und Angaben lassen einen sehr hohen Bevölkerungsanteil von Chinesen in Tibet vermuten. 1997 kam der UN Unterausschuß über die Verhinderung von Diskriminierung und den Schutz von Minoritäten zu dem Schluß, daß "die Tibeter nun eine Minderheit in ihrem eigenen Lande sind". Wenn China in dieser Politik der absichtlichen Verlagerung seiner Bürger kein Einhalt geboten wird, dann werden die Tibeter weiter in einen Minderheitsstatus gezwungen und ihre Rechte werden ihnen noch mehr beschnitten werden.

X 3)

Methoden

"Die chin. Entwicklungspolitik für Tibet heißt Verbesserung der Infrastruktur, Investition in die Industrie, Förderung von Unternehmen und allgemein die Integrierung der Landbevölkerung in die chin. Marktwirtschaft" (K. Saunders, Birth Control and Population Transfer in Tibet). Es gibt Hinweise, daß die chin. Regierung sich die Entwicklungsprojekte zunutze macht, um sie als einen Katalysator für weitere chinesische Umsiedelung zu verwenden. Die neuen Arbeitsplätze werden gewöhnlich von Chinesen in qualifizierter und nicht-qualifizierter Stellung besetzt, während die Projekte selbst zu weiterem Bevölkerungstransfer einladen. Die landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekte ziehen nicht nur im Anfangsstadium chin. Arbeiter an, sondern sollen auch in der Folge chin. Bauern auf der Suche nach fruchtbarem Land anlocken. Tibeter sind oft ganz und gar von den Entwicklungsprogrammen ausgeschlossen.

Das umstrittene "Integrierte Landwirtschafts-Entwicklungsprojekt Panam" wurde dieses Jahr erneut von der EU gebilligt, obwohl es um dieses Projekt, seit es erstmals 1992 vorgeschlagen wurde, viele Kontroversen gab, worüber aber nur ganz wenig in der Presse berichtet wurde. Im Aug. 1998 wurden China von der Europäischen Union 7,6 Mio. ECU als Zuschuß für das Programm gewährt, wobei die restlichen 14,2 Mio. ECU von China selbst zu übernehmen sind. Das Panam Projekt bildet einen Teil des umfassenden "Ein-Fluß-Zwei-Ströme" (One-River-Two-Streams = ORTS) Landwirtschaftsprojektes, das mit dem langfristigen Wirtschaftsfaktor der Einführung der Marktwirtschaft in Tibet angelegt wurde. Das hauptsächliche Ziel des Panam Projektes ist die Steigerung der Getreideproduktion in dem 1.001 km2 großen Gebiet durch Einrichtung eines kompletten Bewässerungssystems, aber inzwischen hat die EU den Plan erweitert, um auch für Ausbildung, Aufforstung, Gesundheits- und Sanitätswesen zu sorgen. Es bestehen jedoch Bedenken, daß diese sekundären Aspekte in der Praxis einfach negiert werden.

Das neue Projekt betrifft eine Gegend, die bereits eine gewisse Infrastruktur mit einer Subsistenz-Wirtschaft besitzt und autark in der Nahrungsmittelproduktion ist, während viele andere ärmere Gegenden in Zentraltibet weit mehr von solch einem Schema profitieren könnten. Es will die komplette Marktwirtschaft in der Gegend einführen, aber dies bedroht den Lebensunterhalt der Lokalbevölkerung, weil die traditionellen Wirtschaftsprozesse dann bedeutungslos werden. Es hat den Anschein, daß das Projekt nicht zum Nutzen der Tibeter konzipiert wurde, sondern um den Getreidemangel und die wirtschaftliche Belastung, die durch den Zustrom von Chinesen in die Panam Gegend hervorgerufen wurde, zu verringern.

Es gibt zahlreiche Anzeichen, daß das Panam Projekt schwerwiegende Folgen in bezug auf die Umsiedelung von Chinesen nach Tibet haben wird. Bis heute wurden kaum Beratungen mit lokalen Tibetern durchgeführt, was schließen läßt, daß das Projekt in der Kontrolle der Chinesen bleiben wird. Wenn das ähnliche UN World Food Program (WFP) No. 3357 als ein Beispiel herangezogen werden kann, dann werden die Tibeter nur minimal an dem Projekt beteiligt sein. Das UN WFP kam schließlich "wegen des Mangels an technischer Kooperation und unethischem Verhalten der chin. Behörden" (Tibet Support Group, A Briefing Paper for the EP Committee on Development and Cooperation, London 1995) in Mißkredit. Es ist zu erwarten, daß die meisten der neuen Arbeitsplätze von Chinesen besetzt werden und daß das Projekt als ein Magnet für die "fluktuierende Bevölkerung" wirken und so weiter die Tibeter in der Gegend verdrängen wird. Das Projekt bezweckt, den Getreideertrag um 78% zu steigern, wobei Weizen den größten Anteil dabei bildet. Aber die Statistiken von 1991 zeigen in dem Distrikt Panam eine Weizenkonsumsrate von nur 10%, was beweist, daß das Programm "nicht zum Nutzen der lokalen Bewohner, sondern zur Stabilisierung der neuen, chin. Bevölkerung angelegt ist".

Da Ackerland in Panam mit der gesteigerten Getreideproduktion einen Geldwert bekommt, besteht das Risiko, daß die Chinesen private Verpachtung oder Erwerb von individuellen Farmen ermöglichen werden. Die Tibeter in Panam laufen daher Gefahr, völlig verdrängt und von der chin. Ansiedelung in der Gegend abhängig zu werden.

Das angebliche langfristige Ziel des Panam Projektes ist, "ein lebensfähiges Modell zur Selbsthilfe-Entwicklung zu schaffen, das auch in anderen Teilen Tibets repliziert werden könnte". Wenn dieses Schema der großmaßstäbigen Entwicklung weitergeht, dann gefährdet die damit einhergehende Verlagerung von chin. Bevölkerung in die tibetischen Gebiete ernsthaft das Überleben des tibetischen Volkes.

Das Dreischluchten-Projekt, das 2009 vollendet werden soll, bedroht weiterhin die tibetische Bevölkerung. Der Damm, der 84 Mrd. Kw-Stunden pro Tag erzeugen soll, wird die Umsiedelung von mindestens 1,2 Mio. Menschen mit sich bringen. Diese Bürger werden angewiesen, sich in den unterbevölkerten Gegenden von Gansu, Tibet und Xinjiang niederzulassen.

Zu dieser massiven Migration, die aus der Entwicklung in Tibet und in China resultiert, kommt noch die chin. Politik der direkten Versetzung von Kadern hinzu und der Einsatz von Lockmitteln, um individuelle Bürger zur Umsiedelung zu bewegen. So sind die Chinesen in Tibet von der sonst in China gültigen "Ein-Kind" Politik ausgenommen, und ihre Kinder erhalten freie Erziehung. Sie können in Tibet bis zu fünfmal mehr als in China verdienen und genießen günstige Investitionsbedingungen und Steuererleichterungen. Den Kadern werden höhere Pensionen, Einkommensverbesserung und Vorrang in der Arbeitsplatzvergabe für ihre Kinder in Aussicht gestellt. Alle Chinesen in der TAR sind zu schnellerer Beförderung, höheren Löhnen und Sozialleistungen berechtigt, als ihnen in anderen Gegenden Chinas zustehen würden, während diese finanziellen Vergünstigungen nicht für die einheimische Bevölkerung gelten.

X 4)

Transferierung von chinesischen Kadern nach Tibet

Entgegen den Beteuerungen der Chinesen, daß sie "das autonome Recht des tibetischen Volkes, unabhängig seine lokalen und ethnischen Belange zu verwalten", respektieren, beeinträchtigt die in großem Maßstab betriebene Versetzung von chin. Kadern auf Schlüsselpositionen in Tibet weiterhin die Rechte der Tibeter. Die folgenden Fälle sind Sendungen von "TAR" Radio entnommen und symptomatisch für die absichtlich betriebene Politik der Transferierung von staatlichem Personal nach Tibet.

  • 4. Juni 1998: Es wurde berichtet, daß 88 chin. Kader aus der Provinz Huinan in Lhoka eintrafen, um offizielle Posten in der Region einzunehmen
  • 17. Juni 1998: 24 Kader aus der Provinz Fujian wurden in die Region Nyintri entsandt, um in örtlichen staatlichen Behörden zu arbeiten
  • 25. Juni 1998: 25 chin. Regierungsbeamte wurden zu administrativer Arbeit in der Region Ngari bereitgestellt
  • 3. Juni 1998: weitere 25 Regierungsbeamte wurden zum Dienst in staatlichen Stellen in die Region Ngari beordert
  • 5. Juli 1998: 66 chin. Kader aus Beijing und Jensu wurden in Lhasa eingestellt

X 5)

Konsequenzen

Die aktiv von den Chinesen betriebene Politik der Bevölkerungsverschiebung nach Tibet unter dem Deckmantel wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung bedroht sowohl das kulturelle als auch das physische Überleben des tibetischen Volkes. Die Tibeter sind nun eine Minderheit in ihrem eigenen Lande und in allen Bereichen der Gesellschaft an den Rande gedrängt worden. Die Chinesen dominieren die Wirtschaftsphäre, sie haben die Mehrheit der privaten Unternehmen in Besitz und alle Machtpositionen inne. Die Entwicklungsprojekte sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gegenden führten zu der physischen Verdrängung der Tibeter, indem mehr und mehr Chinesen hereinströmen, um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu decken. Die Häuser der Tibeter in den Städten wurden abgerissen, um Platz für die chin. Konstruktionen zu machen, während die auf dem Lande lebenden Tibeter ihre Lebensgrundlage verloren, weil die chin. Wohnanlagen und Entwicklungsprojekte das in privatem und kommunalem Besitz befindliche Land wegnehmen. Die wirtschaftliche Marginalisierung der Tibeter hat schwerwiegende Folgen für das Recht der Tibeter auf die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes, und ihre Kultur ist daher bedroht, weiter in die Enge getrieben zu werden.

Weil die Besatzungsmacht die Wirtschaft in ihrem Griff hat, ist die chin. Sprache nun unerläßlich geworden. Die tibetische Sprache wurde zu einer Minderheitssprache und spielt sogar im Erziehungssystem nur noch eine sekundäre Rolle. Erziehung, die ein integrales Instrument bei der Erhaltung einer Kultur ist, wird nun auf die chin. Neusiedler abgestimmt und wurde sogar zu einem weiteren diskriminierenden Faktor gegen die einheimische Bevölkerung gemacht. Die diskriminierenden Praktiken sind eine direkte Folge der massiven Bevölkerungsverschiebung und fordern nicht nur die tibetische kulturelle Autonomie heraus, sondern das bloße Überleben der Bevölkerung.

Obwohl der Zustrom von Chinesen zu der Einrichtung von mehr Krankenhäusern und medizinischen Stationen in der ganzen Region führte, schließen die diskriminierenden Auflagen die meisten Tibeter von diesen Diensten ganz aus. Die Verwehrung des Zuganges zu gesundheitlichen Dienstleistungen zusammen mit den extremen Geburtenkontrollmaßnahmen und der massiven Bevölkerungsverschiebung beweisen, daß hinter der staatlichen Förderung der Ansiedelung von Chinesen in Tibet eine noch viel heimtückischere Absicht steckt. "Die derzeitig von den Chinesen betriebene Politik der Bevölkerungstransferierung nach Tibet ist eine andere Weise der Eroberung des Territoriums... eher durch demographische als durch militärische Mittel" (UNO, China's Tibet: The World's Largest Remaining Colony: Report of a fact-finding Mission and Analyses of Colonialism and Chinese Rule in Tibet).

Teil XI

VERLETZUNG DES RECHTES AUF LEBENSUNTERHALT

1998 dokumentierte das TCHRD weitere Berichte von Tibetern, die einen sehr niedrigen Lebensstandard in Tibet enthüllen. Diese Zeugnisse werfen ein ganz anderes Licht auf die Beteuerungen der Chinesen, daß es einen gewaltsamen Fortschritt auf dem sozialen und wirtschaftlichen Sektor in Tibet gebe, und zeigen eher an, daß die einheimische Bevölkerung noch keinen Nutzen von diesem Wachstum erhalten hat. Dieses Jahr anerkannte die chin. Regierung die "Subsistenz" als ein grundlegendes Menschenrecht und als "die Voraussetzung für alle anderen Rechte". Diese Einräumung zusammen mit den Entwicklungsprogrammen vor Ort lassen schließen, daß die PRC ganz genau weiß, daß der Lebensstandard der Tibeter angehoben werden müßte. Dennoch besteht ziemlich viel Grund zur Sorge, daß die dazu eingeleiteten Maßnahmen sowohl unangemessen als auch fehlgeleitet sind. Das Beweismaterial zeigt, daß die Tibeter kaum von den Entwicklungsprogrammen der Chinesen profitieren und sie zur Deckung ihrer grundlegenden Bedürfnisse dringend einer effektiveren Versorgung bedürfen. Die Tibeter sollten die Freiheit haben, dieses wesentliche Recht für sich geltend zu machen.

Die chin. Regierung gewährte der TAR in den letzten Jahren einen jährlichen Zuschuß von 1,2 Mrd. Yuan ($ 150 Mio.) und beansprucht, "noch andere begünstigende Maßnahmen, wie Erleichterung der finanziellen Lasten, bevorzugte Investition, Investition in Berufsförderung und ein Hilfsprogramm für Arme" getroffen zu haben. Die meisten dieser Gelder kommen dem wirtschaftlichen Aufschwung zugute, von dem China behauptet, daß er "greifbar das Leben aller Menschen in Tibet verbessert hat". China behauptet, daß "1996 das durchschnittliche Prokopf-Einkommen von Bauern und Nomaden um 48,3% im Vergleich zu 1991 gestiegen ist". Diese Steigerungen sind begrüßenswert, aber sie bleiben ungenügend. Der Aussage der Internationalen Juristen-Kommission zufolge leben über 70% der Tibeter in Armut (ICJ, Tibet: Human Rights and the Rule of Law). Dieses Niveau des Lebensstandards ist einfach nicht zu akzeptieren, weshalb weitere Maßnahmen zur Berichtigung der Lage ergriffen werden müssen.

Das durchschnittliche Prokopf-Einkommen der ländlichen Bewohner der TAR betrug 1997 nur 1.040 Yuan ($ 130). Diese Zahl stellt etwa ein Fünftel des Durchschnittseinkommen der urbanen Bevölkerung dar, das doppelt so schnell wächst. Hier haben wir einen Beweis für die immer größer werdende wirtschaftliche Kluft in der Region, und bei 86,23% Tibetern, die auf dem Lande wohnen, ist es klar, daß ihnen das Recht auf angemessenen Lebensunterhalt nicht gewährt wird. Zu dem außerordentlich niedrigen Einkommensniveau kommt noch die mangelnde Subvention durch die Regierung und die von China weiterhin durchgesetzte harte Besteuerungspolitik hinzu.

XI 1)

Internationales Recht

Am 5. Okt. 1998 unterzeichnete die PRC den Internationalen Vertrag über zivile und politische Rechte (ICCPR), der vorsieht, daß alle ein Recht darauf haben,

"... ungehindert ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu verfolgen, und zu ihren eigenen, freien Zielen auf der Basis des Prinzips des gegenseitigen Nutzens und des Völkerrechts frei über ihren natürlichen Reichtum und ihre Ressourcen verfügen zu können, unbeschadet irgendwelcher Verpflichtungen aus der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Auf keinen Fall darf ein Volk seiner Mittel zur Gewinnung des Lebensunterhalts beraubt werden."

Ein Jahr zuvor unterschrieb die PRC den Parallelvertrag der UNO: den Internationalen Vertrag über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), der auch Vorkehrungen zum Schutze des Rechtes auf Lebensunterhalt enthält. Art. 11 setzt fest, daß "die Partnerstaaten der vorliegenden Vereinbarung das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und seine Familie anerkennen, darunter auch auf angemessene Ernährung, Kleidung und Wohnung, sowie auf die ständige Verbesserung der Lebensbedingungen."

Chinesisches Gesetz

Art. 9 der chin. Verfassung verfügt, daß "der Staat das Recht seiner Bürger auf ihr eigenes, legal verdientes Einkommen, Ersparnisse, Häuser und andere Mittel des Lebensunterhaltes schützt".

Trotz dieser gesetzlichen Vorkehrungen gibt es genügend Beweise, daß das Recht der Tibeter auf ihren Lebensunterhalt nicht geschützt ist. Die chin. Regierung fährt damit fort, sowohl ihr eigenes als auch das internationale Gesetz zu brechen.

XI 2)

Entwicklungsprojekte

"Chinas Strategie zur Linderung der Armut heißt wirtschaftliches Wachstum anstatt eigens für die Armen ausgearbeitete Hilfsprogramme" (ICJ). Der Brennpunkt richtet sich auf das Großunternehmen, auf den Aufbau einer Infrastruktur und die Ankurbelung der Produktion statt auf direkten Beistand für verarmte Haushalte und Gegenden. Folglich filtert nur wenig der chin. Investitionen zu den über 85% Tibetern, die in ländlichen Gemeinden leben, durch. Finanzielle Hilfe und Entwicklungsprogramme in Tibet müssen umbewertet werden, damit der Lebensstandard der Tibeter angehoben und ihr Recht auf Lebensunterhalt gewährleistet werden kann.

Massive Entwicklungsprogramme wurden im ganzen Lande verwirklicht, einschließlich der 62 Projekte, die bei dem Dritten Arbeits-Forum 1994 angekündigt wurden. In ländlichen Gegenden arbeiten trotz dieser Entwicklungsschemen gerade 2,5% der Tibeter in Bereichen außerhalb ihrer traditionellen Landwirtschaft. Die durch solche Projekte geschaffenen Beschäftigungsmöglichkeiten werden durchwegs von chin. Neusiedlern gefüllt, und sie sind es daher, die von der staatlichen Subvention profitieren. Die Mehrheit der Tibeter bleiben Bauern und Landwirte mit dem zusätzlichen Druck, für die Neusiedler Lebensmittel produzieren zu müssen. Ein weiterer beeinträchtigender Faktor der neuen Entwicklung im ländlichen Tibet ist der Ersatz der traditionellen Subsistenzwirtschaft durch eine Marktwirtschaft, welche die hergebrachte Einkommensstruktur in Tibet beeinträchtigt.

Auch die an der Marktwirtschaft beteiligten Tibeter sind nicht etwa der Probleme zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes enthoben. Die Chinesen dominieren den Markt und nehmen den Tibetern die Chancen weg, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Von den 1.061 Läden in der Hauptmarkthalle von Lhasa gehörten nur 305 Tibetern, und nur 101 von 1.458 Verkäufern auf den Gemüsemärkten Lhasas waren Tibeter (ICJ, Tibet: Human Rights and the Rule of Law).

Die diskriminierenden Maßnahmen beeinträchtigen weiterhin auch den Beschäftigungssektor. So wurden uns viele Fälle von rassischen Vorurteilen bei Einstellungen und Entlassungen berichtet. Die chin. Regierung ermutigt gelernte und ungelernte Chinesen, in Tibet nach Arbeit zu suchen, wobei den Tibetern ganz bewußt die Beschäftigungsmöglichkeiten weggenommen werden. Im ganzen Jahr 1998 war die tibetische Belegschaft in Regierungsämtern, Verwaltung, Justiz und Industrie besonders stark von Entlassungen betroffen.

Die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die geringen Aussichten auf Beschäftigung zwingen viele Tibeter, um ihren Lebensunterhalt zu betteln. Tenzin Kunga, ein Tibeter der im Nov. im Exil eintraf, berichtete von der Tendenz bei vielen verarmten ländlichen Familien nach Lhasa oder anderen städtischen Gebieten zum Betteln zu gehen. Er sagte, daß man auf den Straßen Lhasas, besonders um die Hotels herum und während der religiösen Feste viele Bettler sehe. Tibeter schätzen, daß die Anzahl der Bettler alleine in Lhasa bei etwa 3.000 liegt.

XI 3)

Besteuerungspolitik

Im Jan. 1998 berichtete Xinhua, daß das Steueraufkommen in der TAR in 1997 um 25% gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. 470 Mio. Yuan ($58,75 Mio.) wurden 1997 eingetrieben, wobei die Ziffer im Jahr 2000 auf 600 Mio. Yuan ($75 Mio.) ansteigen soll. Wenn dieses Ziel erreicht ist, dann wird die Besteuerungspolitik in der TAR derjenigen des übrigen Chinas angeglichen sein, ungeachtet der Tatsache, daß das ländliche Einkommen in der TAR nur die Hälfte desjenigen der Landarbeiter in anderen autonomen und chinesischen Regionen beträgt. Die Unterlassung, den Bedürfnissen der tibetischen Bevölkerung Genüge zu tun, stellt eine Verletzung der Verantwortung der Regierung zum Schutz des Subsistenz-Rechtes dar.

XI 4)

Besteuerung in Landgebieten und Zwangsabgaben

In dem jüngsten von der chin. Regierung am 24. Feb. 1998 herausgegebenen Weißbuch beansprucht China, daß "den Bauern und Nomaden in Tibet seit 1980 keine Abgaben auferlegt wurden und es dort keinen obligatorischen staatlichen Ankauf von Getreide gibt. Den Gewinn, den die tibetischen Bauern und Nomaden erzielen, gehört ganz und gar ihnen". Diese Behauptung wurde jedoch von den tibetischen Zeugenberichten als durchwegs unzutreffend erwiesen. Die Tibeter sind nicht nur intensiver Besteuerung unterworfen, sondern auch dem obligatorischem Verkauf von Getreide und anderen Erzeugnissen zu unter dem Minimum liegenden Preisen an den Staat. Die Landbevölkerung wird zusätzlich gezwungen, ungeachtet ihrer Bedürfnisse oder der wirtschaftlichen Praktikabilität, Waren von dem Staat zu kaufen, so wie Stacheldraht und Düngemittel.

Tibeter sagten aus, daß sie nicht mehr alleine von den Erzeugnissen der Viehwirtschaft oder des Ackerbaus leben können, weil über die Hälfte ihres Profits in Form von verschiedenen Steuern an die chin. Regierung entrichtet werden muß. Die Tibeter auf dem Lande zahlen u.a. Steuern auf Ackerland, auf Viehprodukte und Ernteerträge. Es besteht keine Einheitlichkeit bei der Handhabung dieser schroffen Steuerpolitik, doch scheint es, daß keine Gegend von Tibet ausgenommen bleibt, und nur wenige Konzessionen augrund von finanzieller Bedrängnis gemacht werden. Die folgenden Berichte stehen Beispiel für die Besteuerungsmaßnahmen, wie sie in ländlichen Gegenden im ganzen Land gehandhabt werden:

  • Nyegyang aus der Ortschaft Jobdra in Dist. Nangchen, Provinz Qinghai, traf am 6. Okt. 1998 im Exil ein. Er berichtete, daß er Steuern zahlen mußte für Ackerland, für Leute und Fleisch, aber die Politik sich ständig geändert hätte. 1996 mußte er 150 Yuan an Steuern mit zusätzlichen Beträgen für Butter und andere Nahrungsmittel entrichten. 1997 erhöhte sich die Summe auf 300 Yuan, was der Hälfte des Familieneinkommens gleichkam. Wegen dieser unzumutbaren Abgaben war die Familie gezwungen, ihr Heim zu verlassen und ins Exil zu fliehen. Im Juni 1998 erfuhr sie, daß ihr Bauernhof von den Chinesen konfisziert worden war.

  • Lobsang, ein 28-jähriger Einwohner des Dorfes Amarkham in Dist. Whokpa kam im Sept. 1998 ins Exil. Mit 19 Jahren begann er einen Kleinhandel durch Einkauf von Waren wie Kleidern und Süßigkeiten in Lhasa, die er dann auf dem Land und in Kleinstädten vertrieb. Lobsang mußte viele Arten von Steuern zahlen, im ganzen über 480 Yuan im Monat. Die Transportsteuer reichte von 100-200 Yuan pro Fahrt, abhängig von der Menge der beförderten Waren. 250 bis 500 Yuan wurden fällig für die Erlaubnis, die Waren verkaufen zu dürfen und eine Steuer von 80 Yuan wurde ihm für seinen Verkaufsplatz auf den Straßen abverlangt. 60 Yuan monatlich mußte er für die Erlaubnis, sein Zelt in Nomadengebieten aufstellen zu dürfen, entrichten, dazu in den letzten 2 Jahren eine Art Straßenbenützungsgebühr für seine Bewegung von einem Dorf zum anderen, was ihn jedes Mal weitere 6-7 Yuan kostete. Lobsang berichtete, daß vor drei Jahren noch eine andere Form der Steuer eingeführt wurde, bei der Personen, die nicht-chinesische Waren verkaufen, eine Sondersteuer von 1000-2000 Yuan zahlen müssen.

  • Sonam Wangdu, 33, aus dem Dorf Manya in Dist. Tandho, berichtete, daß er als Nomade vielerlei Steuern zahlen mußte: "Ich besaß 30 bis 40 Yaks, die wie folgt besteuert wurden: 12-12 Yuan jährliche Weidegebühr, Buttersteuer von 8 gyama (4 kg) pro Jahr, Wollsteuer von 6 gyama (3 kg) pro Jahr und eine Fleisch- und Fellsteuer von 1 Yak, was für die Belegschaft des Steueramtes war. Ich besaß 30 Schafe und für diese zahlte ich eine jährliche Weidegebühr von 3-4 Yuan pro Schaf und eine Fleischsteuer von einem halben Schaf pro Jahr. Für jedes meiner 10 Pferde war die Weidesteuer dreimal so hoch wie für einen Yak, weil sie mehr fressen. Wir mußten auch noch eine Personalsteuer von 10 Yuan pro Jahr für die Unterhaltskosten der Kader in der Steuerbehörde zahlen." Wegen dieser horrenden Besteuerung konnte Sonam Wangdu seine Familie nicht mehr alleine von seinem Einkommen unterhalten. Er war gezwungen, zusätzliche Arbeit in einem Goldbergwerk zu suchen. Inzwischen floh er ins Exil.

  • Dadon aus dem Dorf Tamdha in Dist. Palbar, Region Chamdo, kam im Nov. 1998 im Exil an. Er berichtete, daß er jedes Jahr im Okt. das Äquivalent von beinahe 10% seiner jährlichen Gersteernte an die Regierung zahlen mußte, 20% des Ertrages von Bohnen und zusätzlich 100 kg Gras. Wenn die geforderten Abgaben nicht entrichtet wurden, dann wurde ihm eine Strafe von 1.000 Yuan auferlegt. Viele Leute mußten Geld borgen, um überhaupt diesen Forderungen nachkommen zu können.

Die finanzielle Belastung wurde noch zusätzlich durch die Einführung der Zwangsverkäufe von Viehzucht-Produkten an die Behörden zu Mindestpreisen verschärft. Es wurden Fälle berichtet von chin. Kadern, die Butter zu gerade einem Viertel des Marktpreises und Fleisch zu weniger als der Hälfte des Einzelhandelswertes den Nomaden abkauften.

XI 5)

Besteuerung in Stadtbezirken

Auch die Tibeter in den Städten werden hart für Grund und Boden besteuert, während die Händler maßlos hohe Gebühren für ihre Verkaufstände zahlen müssen. Quellen aus Lhasa berichteten von der Erhebung von Steuern für einen Standplatz auf dem offenen Barkhor Markt. Die Händler müssen die Steuern direkt an das Steueramt oder das Verwaltungsamt bezahlen, zusätzliche Gebühren für den Marktstand und die Abfallbeseitigung, im ganzen 120 Yuan pro Monat. Unsere Quelle sagte aus, daß "die Leute in Lhasa keiner anderen Beschäftigung nachgehen können, als Verkaufsstände zu betreiben, was nun eine unglaublich hohe Steuer bedeutet. Das Leben ist für die Tibeter sehr schwierig geworden, und sie stecken in einer schrecklichen Krise der Arbeitslosigkeit."

Eine 22-jährige Tibeterin, die im Mai 1998 im Exil eintraf, sagte, daß sie 6 Jahre lang in Lhasa Gebetsfahnen in der Nähe des Tsuglhakhang verkaufte. Bei einem jährlichen Einkommen von nur 3000 bis 4000 Yuan mußte sie 984 Yuan Steuern bezahlen.

XI 6)

Zwangsarbeit

Unter Art. 8,3(a) des ICCPR heißt es: "Von niemandem darf verlangt werden, Zwangsarbeit zu leisten". Da China nun diesen internationalen Vertrag über bürgerliche und politische Rechte unterschrieben hat, wird erwartet, daß es die darin enthaltenen Verfügungen auch respektiert. Das TCHRD wartet aber noch auf Beweise, daß mit der Zwangsarbeit in Tibet aufgeräumt wird, eine Praxis die bis zum heutigen Zeitpunkt das Recht der Menschen auf ihren Lebensunterhalt verletzt.

Im ganzen Jahr 1998 erhielten wir Berichte über Zwangsarbeitsprogramme in verschiedenen Gegenden Tibets. Man forderte von den Tibetern, daß sie viele Stunden lang bei ganz geringer oder überhaupt keiner Entlohnung schwere Arbeit leisten. Solch ein Zwang hindert eine Person daran, andere Formen der Beschäftigung zu suchen und schränkt ihre Möglichkeiten zum Gewinn ihres Lebensunterhaltes weiter ein. Die folgenden Fälle zeugen von dem Fortbestehen dieser Art von Ausnützung.

  • Pema Lhamo aus Gonjo, Region Chamdo, TAR, berichtete, daß die Leute ihres Dorfes beim Straßenbau für die chin. Regierung ohne Entlohnung arbeiten mußten.

  • Migmar Tsering, ein 17-jähriger Landarbeiter aus Kyirong Dzong in Shigatse, berichtete, daß alle Leute seines Dorfes zwischen 15 und 60 Jahren 15 Tage lang für die chin. Regierung Zwangsarbeit leisten mußten. In Kyirong Dzong wurden dabei 110 Personen zum Straßenbau herangezogen.

  • Eine Tibeterin aus der Karze TAP, die im Nov. 1998 ins Exil floh, berichtete, daß die Chinesen in Zora Nang, Karze, ein Wasserkraftwerk bauen, wobei sie sich die unbezahlte Arbeitskraft der lokalen Tibeter zunutze machen.

  • In Lhodrak Venpa, Region Lhoka, TAR, werden die Tibeter gezwungen, jedes Jahr 20 Tage lang unentgeltlich für die chin. Regierung zu arbeiten, wie von einer 1998 aus Tibet geflohenen Quelle berichtet wird. Sie werden entweder zum Straßenbau oder im Bergbau eingesetzt, und mit einer Geldstrafe belegt, wenn sie sich weigern.

XI 7)

Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen

Art. 12 der ICESCR legt fest daß, "die Partnerstaaten dieses Vertrages das Recht eines jeden auf den Genuß des höchstmöglich erreichbaren Standards physischer und mentaler Gesundheit anerkennen." Er verpflichtet den Staat, für die Schaffung von "Bedingungen, welche für alle Bürger im Falle von Krankheit ärztliche Dienste und medizinische Versorgung sicherstellen", zu sorgen.

Obwohl viel Fortschritt in der Basis-Gesundheitsfürsorge, die mit unter das Subsistenz-Recht fällt, erzielt wurde, bleibt sie außerhalb der Reichweite für die Mehrheit der Tibeter. Entgegen dem Anspruch der Chinesen, daß die Gesundheitsfürsorge "in bäuerlichen und Nomaden-Gegenden frei ist", gefährden die maßlos hohen Gebühren weiterhin die Gesundheit der Tibeter. Dies wird durch die diskriminierende Art der Behandlung und den allgemeinen Mangel an Einrichtungen noch verschärft. Die Gesundheitsfürsorge ist meistens auf die Stadtgebiete konzentriert, aber sollte dringend auf die isolierteren ländlichen Gebiete, wo die Mehrheit der Tibeter wohnt, ausgeweitet werden.

  • Die Aufnahme in das Volkshospital von Lhasa kostet mindestens 1.000 Yuan, wie von einem Tibeter, der 1998 im Exil ankam, erzählt wurde. Die Quelle aus dem Dorf Shol in Lhasa berichtete, daß der Kranke erst nach Zahlung der verlangten Gebühr untersucht würde. Sein Vetter war 4 Monate lang im Krankenhaus, wofür die Familie im ganzen 10.800 Yuan zahlen mußte.

  • Dickey Dolker, 26-jährig aus der Region Ngari, berichtete, daß es in ihrer Gegend keine Klinik gebe, und jene, die krank würden, in den Hauptort des Distriktes gehen müßten. Sie sprach auch von einer obligatorischen Krankenhausaufnahmegebühr von 1.000 Yuan und einer weiteren wöchentlichen Entrichtung von 1.000 Yuan.

  • Dorje aus Dist. Zogon in Chamdo sagte, daß seine Gegend ganz ohne Krankenstation sei. In der Kreisstadt gibt es eine, aber die Kosten sind sehr hoch. Auch hier wird von 1.000 Yuan Aufnahmegebühr berichtet mit zusätzlicher Zahlung für Tabletten und Injektionen (70 Yuan für jede). Im Krankheitsfalle beeinträchtigen solche überhöhten Gebühren sehr das Vermögen der Tibeter, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen.

Soziale Versorgung fehlt ganz in Tibet. So gibt es überhaupt keine Unterstützung für die Arbeitslosen, die Behinderten und die Alten, und nur wenig Entschädigung für jene, die ihr Heim oder ihre Arbeit durch die chin. Umsiedelung verloren haben. Solch ein Mangel an staatlicher Unterstützung stellt eine weitere Verletzung der Verantwortung des Staates, für den Lebensunterhalt seiner Bürger zu sorgen, dar.

XI 8)

Wohnungswesen

1996 anerkannte die chin. Regierung das Grundbedürfnis nach einen Dach über dem Kopf, weil " eine angemessene Wohnung ein grundlegendes Menschenrecht" ist. Einem von der chin. Regierung im Febr. 1998 veröffentlichten Weißbuch zufolge "wurden seit den 80-er Jahren über 300.000 Quadratmeter von alten Wohnhäusern in Lhasa umgebaut, wobei 5.226 Familien in ihre neuen Wohnungen umzogen. All diese Maßnahmen verbesserten die Lebensbedingungen und die Lebensqualität sowohl der städtischen als auch der ländlichen Bevölkerung." Aber die tibetischen Bewohner scheinen aus diesen Neubauten nichts gewonnen zu haben. Viele von ihnen wurden bei nur geringer oder überhaupt keiner Entschädigung durch die Regierung aus ihren Häusern ausquartiert, um Platz für die chin. Wohnblocks zu machen.

Die chin. Regierung hält die Tibeter bewußt davon ab, in die Städte umzuziehen, während sie gleichzeitig weitere chinesische Niederlassungen dort begünstigt. Der Zugriff zu den urbanen Wohnmöglichkeiten wird nicht objektiv gehandhabt, und manche Wohnflächen sind für den ausschließlichen Gebrauch der in den staatlichen Arbeitskomplexen Beschäftigten reserviert. Unerschwinglich hohe Preise schließen die Mehrheit der Tibeter von vorneherein von der Anmietung von städtischen Immobilien aus, während privates Bauen in den meisten Fällen keine brauchbare Lösung darstellt. Die tibetische Landbevölkerung wurde ebenfalls durch die neue Entwicklung von ihren Häusern verdrängt. Ihr Hausbesitz wurde ihnen von dem Staat für militärische Zwecke, Entwicklungsprojekte und kommunale Bautätigkeit weggenommen, während die Kosten zum Bauen neuer Häuser die Mittel der meisten Tibeter bei weitem überschreiten.

–Tsentsok aus dem Dist. Ganze in Amdo berichtete, daß zum Bauen eines Hauses zuerst einmal 30.000 Yuan ($3.750) nötig sind, um das Grundstück von der Regierung zu kaufen. Und weil seine Familie diese Summe nicht aufbringen konnte, kam sie ins Exil.

XI 9)

Prostitution

Es gibt Anzeichen für eine dramatische Zunahme der Anzahl von Bordellen und der Verbreitung von Prostitution in Tibet, ganz besonders in den städtischen Ballungsgebieten wie Lhasa. Wirtschaftliche Bedrängnis ist wohl der Hauptgrund für den Boom in diesem Erwerbszweig. Ein 47-jähriger Mann aus dem Dorf Shol in Lhasa erzählte im Sept. 1998, daß viele junge Tibeterinnen zur Prostitution als dem einzigen Mittel zur Fristung ihres Lebensunterhalts gezwungen wären. Diese Frauen seien gewöhnlich Anfang zwanzig. Eine andere Quelle berichtete, daß tib. Prostituierte im Austausch für Nahrung oder den geringen Betrag von 10 Yuan sexuelle Dienste leisten.

XI 10)

Schluß

Für viele Tibeter sind die grundlegenden Existenzbedürfnisse wegen der anhaltenden Armut, dem Mangel an Möglichkeiten und den ethnisch diskriminierenden Maßnahmen nicht garantiert. "Kliniken, Schulen, Elektrizität und andere Dienstleistungen stehen alle in den chin. Bevölkerungsgebieten zur Verfügung, und nur Tibeter, die in der Nähe solcher Wohnareale leben, kommen nebenbei in den Genuß der staatlichen Annehmlichkeiten, die in ihrem derzeitigen Umfang überhaupt nur wegen der chin. Bevölkerung existieren" (Leckie, S., Destruction by Design: Housing Rights Violations in Tibet, 1994).

Teil XII

ZWANGSVERSCHLEPPUNG

"Verschleppte sind Personen, die von Agenten des Staates in Verwahrsam genommen wurden, aber deren Aufenthaltsort und Schicksal geheimgehalten und deren Gefangennahme geleugnet wird" (Amnesty International Report, 1993). In Tibet werden die Tibeter in vielen Fällen ohne Haftbefehl festgenommen und in Polizeihaft eingesperrt, ohne daß irgendwelche Angaben über ihren Verbleib gemacht werden.

Die Verschleppung von Staats wegen ist eine große Sorge für die Menschen in Tibet. 1998 verzeichnete das TCHRD 12 neue Fälle von plötzlichem Verschwinden von Personen. Von den 22 Fällen der Verschleppung, die 1997 verzeichnet wurden, bleibt der Verbleib und die Umstände von 18 weiterhin ungeklärt. Die völlige Mißachtung der internationalen Normen des Rechtes auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person durch die PRC wird am besten am Fall des 1998 neunjährigen Gedhun Choekyi Nyima, des 11. Panchen Lama, illustriert. Die Chinesen entführten den Knaben im Alter von 6 Jahren im Mai 1995. Trotz beharrlicher internationaler Appelle und wiederholter Bekundung von Besorgnis verschweigt China weiterhin den Aufenthaltsort und den Zustand des Kindes.

XII 1)

Internationales Recht

"Der Akt der zwangsweisen Verschleppung stellt eine schwere und ungeheuerliche Verletzung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, wie sie von der Universalen Deklaration der Menschenrechte proklamiert wurden, dar" (UN Declaration on the Protection of all Persons from Enforced Disappearance).

Jeder Staat muß für den Schutz seiner Bürger vor Zwangsverschleppung sorgen, doch China fährt fort, gegen die Grundrechte des tibetischen Volkes zu verstoßen, indem es jene, die wagen Kritik an dem herrschenden Regime zu äußern, einfach verschwinden läßt. Das schafft eine Atmosphäre von Furcht und Unsicherheit unter den Tibetern, weil häufig überhaupt keine Information über das Schicksal und den Verbleib der Festgehaltenen gegeben wird, und die chin. Regierung oftmals sogar ihre Gefangennahme ganz abstreitet.

Verschleppung verletzt eine ganze Reihe von Menschenrechten, insbesondere die Universale Deklaration der Menschenrechte, welche das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit einer Person anerkennt, sowie das Recht, keiner Folter und willkürlicher Verhaftung zu unterliegen. Akte von Zwangsverschleppung machen den Opfern auch weitere Menschenrechte streitig, so etwa das Recht auf humane Haftbedingungen. "... sowohl das Recht auf ein Familienleben, als auch jene Rechte wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Natur wie das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und das Recht auf Erziehung der Familie" (Human Rights Enforced or Involuntary Disappearance, Centre for Human Rights, Geneva, 1989) werden geleugnet. China wird daher aufgefordert, Auskunft über jene Personen zu liefern, die derzeit als verschleppt gelten, und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit ihnen ihre Grundrechte nicht weiter verleugnet werden.

XII 2)

Neue Fälle von Verschwinden

  • Alak Jamyang Gyatso ist ein hoher Mönchslehrer in dem Kloster Labrang, Dist. Sangchu, Provinz Gansu. Er wurde letztes Jahr von den Chinesen nach Peking gerufen, um dem von ihnen ernannten Panchen Lama Chinesisch zu lehren, aber er weigerte sich, der Order zu folgen. Im März 1998 wurde er gewaltsam nach China gebracht, und seitdem hörte man nichts mehr über seinen Verbleib.

  • Ama Lhundrup Wangmo, zwischen 60 und 70 Jahre alt, ursprünglich aus Dist. Phenpo, wohnte in Tsomonling in Lhasa. Am 20. Au. 1998 verschwand sie, nachdem die PSB Schergen ihr Haus überfielen. Ihre Familie appellierte an das PSB, ihren Aufenthaltsort bekannt zu geben und bat um die Erlaubnis, sie zu besuchen, aber ihr Gesuch wurde abgewiesen. Bis heute weiß man nicht, wo sie festgehalten wird. Lhundrup Wangmo wurde bereits zweimal wegen des Verdachtes, an Unabhängigkeits-Aktivitäten beteiligt zu sein und Gefangene zu besuchen, verhaftet. Aber bisher gelang es dem PSB nicht, genügenden Beweis gegen sie zu sammeln und sie wurde wieder entlassen. Zweimal besuchte sie auch Indien, das letzte Mal 1995.

  • Ama Sonam, 65, und Tashi, 67, sind beide aus Lhasa und wurden von dem PSB im Sept. 1998 verhaftet. Es ist nicht bekannt, wo beide Personen derzeit festgehalten werden. Es wird angenommen, daß beide Gefangene zu besuchen und ihnen Nahrungsmittel zu bringen pflegten, weshalb sie festgenommen wurden.

  • Dakpa Kalko, ein 48-jähriger Nomade aus Ngaba, Provinz Sichuan, wurde am 23. Mai 1998 verhaftet, weil er Bilder und Reden des Dalai Lama, sowie eine Broschüre mit dem Titel "Richtlinien für eine zukünftige Tibet Politik" verteilt hatte. Er wurde für eine nicht genannte Zeitspanne in dem Gefängnis von Barkham in Ngaba festgehalten und schwer gefoltert. Unserer Quelle zufolge wurde er in ein anderes, nicht bekanntes Gefängnis verlegt. Ebenfalls weiß man nichts über seinen gegenwärtigen Status.

  • Wado Samten, 70, aus Dist. Sog in der Präfektur Nagchu, wurde von der PAP im Mai 1998 verhaftet, weil er bei einer öffentlichen Versammlung in Sog gegen das "Workteam" protestiert hatte. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt.

  • Gedun Kelsang ist ein Mönch aus dem Kloster Golok Ragya in Dist. Golok Machen der Provinz Qinghai. 1997 besuchte er Indien und kehrte im selben Jahr zurück. Im Mai 1997 wurde er in Xining verhaftet und später den Behörden der Golok TAP ausgehändigt. Wo er sich jetzt befindet, ist nicht bekannt.

  • Kelsang Thutop ist ein 32-jähriger Mönch aus dem Kloster Taktsang Lhamo, Dist. Lu-Chu in der Provinz Gansu. Kelsang wurde im Dez. 1996 unter der Anklage, eine tib. Flagge gehißt und Unabhängigkeitsblätter im Kloster verteilt zu haben, verhaftet. Unserer Quelle zufolge, die Kelsang Thutops Ankunft in dem Gefängnis von Ganlho sah, wurde er nach drei Tagen an einen anderen, unbekannten Ort gebracht.

  • Tsering Dorjee, ein 33-jähriger Mönch aus dem Kloster Thekchen Jangchup Choeling, Dist. Nyagchu, Kham, verschwand, als das PSB ihn zum zweiten Mal im Dez. 1997 verhaftete. Erstmals wurde er im Sept. 1996 unter dem Verdacht, Flugschriften während der Einweihungszeremonie des Klosters Lithang verteilt zu haben, verhaftet.

  • Tsultrim, 23, aus dem Kloster Ragya, Dist. Machen, Golok TAP, wurde vom PSB im Nov. 1997 verhaftet. 1996 war er zu einer Pilgerfahrt nach Indien aufgebrochen, um den Segen des Dalai Lamas zu suchen, aber er wurde bei seiner Rückkehr verhaftet. Tsultrim wurde zwei Monate lang in Dram eingesperrt, aber wo er sich jetzt befindet, ist nicht bekannt.

  • Bhu-Khog (24) und Jigme Gyalpo (26), beide Bauern aus Meldro Gongkar, wurden im April 1995 verhaftet, weil sie Plakate vor dem Gebäude der Ortsverwaltung anklebten. Sie wurden zu 6 Jahren in Drapchi verurteilt. Im Mai 1998 verschwanden beide auf die Proteste im Gefängnis hin, nach Aussage ihrer Verwandten. Es wird angenommen, daß sie mitprotestierten und folglich gefoltert und an einen unbekannten Ort verlegt worden sind.

Teil XIII

RASSENDISKRIMINIERUNG

1981 bekannte sich die Volksrepublik China formell zu den Vorkehrungen der UN Internationalen Konvention über die Ausschaltung aller Formen von Rassendiskriminierung (CERD). Unter dieser von der PRC 1966 unterzeichneten und 1970 ratifizierten Konvention, ebenso wie unter den chinesischen Gesetzen haben die Tibeter unbeschadet ihrer Nationalität oder Herkunft Anspruch auf alle Rechte und Freiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich des öffentlichen Lebens.

Trotz dieser legalen Garantien sind die Tibeter, die von der PRC als eine ethnische Minorität klassifiziert werden, in allen Bereichen des täglichen Lebens von ernster Diskriminierung aus rassischen Gründen betroffen. Der anhaltende Zustrom von chin. Siedlern und die mit ihm einhergehenden diskriminierenden Praktiken, die von der Regierung noch geschürt werden, treiben die einheimische Bevölkerung immer mehr in einen Minderheitsstatus und beeinträchtigen ihre Rechte.

Tibeter werden auch im politischen Sektor benachteiligt, weil die Ernennung von Regierungsbeamten ein äußerst selektiver Prozeß ist. Als Folge davon wird ihnen ihr legales Recht auf Autonomie verweigert, und sie werden von der chin. Besatzung und dem chin. Einfluß bestimmt. Das vermindert wiederum die Möglichkeit der Tibeter, sich in wirksamer Weise gegen die chin. Politiken in Tibet zu stellen und setzt sie weiteren diskriminierenden Praktiken aus. Die Rechte der Tibeter im Beruf, der Ausbildung und der medizinischen Versorgung werden alle von dieser Diskriminierung in Mitleidenschaft gezogen, während die ständige Unterordnung unter die chin. Strukturen das Überleben der tibetischen Kultur ernsthaft bedroht.

XIII 1)

Internationales Recht

Die Internationale Vereinbarung der UNO über die Eliminierung aller Formen von Rassendiskriminierung (CERD) definiert im Art. 1,1 diese als "... jede Unterscheidung, Ausschließung, Restriktion oder Bevorzugung, die auf Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationaler oder ethnischer Herkunft basiert und den Zweck hat, die Anerkennung, den Genuß oder die Ausübung der Menschenrechte und der fundamentalen Freiheiten im politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen oder irgend einem anderen Sektor des öffentlichen Lebens zu annullieren oder zu behindern".

Chinesisches Recht

Ein von der PRC im Febr. 1998 herausgegebenes Weißbuch stellt fest, daß unter der chinesischen Verfassung und dem "Gesetz über Ethnische und Regionale Autonomie", die Autonome Region Tibet "umfassende Rechte auf Autonomie genießt, was die Gesetzgebung und den Gebrauch von lokalen Sprachen in Wort und Schrift, das Personalwesen, die Wirtschaft, Finanzen, Erziehung und Kultur, die Handhabung und Erschließung der Naturschätze und andere Bereiche einschließt". Das Weißbuch versichert auch, daß es über 60 lokale Verordnungen und Regulierungen in der TAR gebe, welche die ethnische Eigenständigkeit des tibetischen Volkes schützen. Es gibt jedoch zahlreiche Anzeichen dafür, daß diese Vorkehrungen verfehlen, das tibetische Volk vor Rassendiskriminierung zu bewahren.

XIII 2)

Öffentliche Repräsentation

Trotz der Vergewisserungen der PRC, daß es "umfassende Rechte der Autonomie gibt, welche die Administration des Personals einschließen" wird in der TAR der höchste Posten in dem Partei-Komitee der TAR von einem Chinesen besetzt. Chen Kuiyuan ist seit 1992 Parteisekretär. Die zweithöchste Stelle in der TAR, der Vorsitzende des "Ständigen Ausschusses des TAR Volkskongresses" wird von einem tibetischen Funktionär der kommunistischen Partei eingenommen.

Obwohl 48% der Kader, welche in den regionalen oder höheren Verwaltungsämtern in der TAR sitzen, Tibeter sind, ist dies kein Anzeichen für einen repräsentativen Regierungskörper. Es wird nämlich sehr darauf geachtet, daß alle in der Regierung angestellten Tibeter "politisch sauber" sind. Den Kadern ist strengstens verboten, den Dalai Lama oder irgendwelche Unabhängigkeitsbestrebungen zu unterstützen. Ihnen ist auch untersagt, "die Geschichte zu verdrehen und zu leugnen, daß Tibet ein unveräußerlicher Teil des Mutterlandes ist". Diese selektive Besetzung der Ämter nimmt den Tibetern ihr Recht auf Autonomie, weil die Regierung der TAR mit einer beeindruckenden tibetischen Front nur eine Marionette in der Hand der chin. Machthaber ist.

Ein Bericht der Internationalen Juristen-Kommission von 1997 stellt fest, daß die Chinesen einräumten, daß Chinesisch die einzige in offiziellen Stellen in der TAR gesprochene Sprache ist. Dies steht im Widerspruch zu der Erklärung von 1988, daß die tibetische Sprache die offizielle Sprache der TAR sein muß, die im Beruf, in der Erziehung und in der offiziellen Kommunikation zu verwenden ist. Tibetisch wird in den Regierungsämtern nicht verwendet, und diese Taktik setzt die Mehrheit der Tibeter außerstande, sich mit politischen Belangen überhaupt beschäftigen zu können. Dies stellt einen Bruch sowohl der internationalen als auch der nationalen Gesetze dar und steht im Widerspruch zu Chinas Behauptung, daß "... Personen aller Gesellschaftsschichten und Kreise in Tibet... an der Verwaltung und Handhabung der Staatsgeschäfte beteiligt sind".

Die in den autonomen, unter chin. Provinzen zusammen gefaßten Präfekturen lebenden Tibeter erleiden ebenfalls im politischen Sektor Diskriminierung. Weil sie als eine Minorität gelten, sind sie gewaltig unterrepräsentiert in der Verwaltung dieser Gebiete. Von den 270 Kadern in Führungspositionen auf Provinzebene in Qinghai, Gansu, Sichuan und Yunnan sind nur 26 Tibeter. In Qinghai haben 32 von den 41 Distrikten den Status von tibetisch autonomen Gebieten, doch nur 11 Tibeter haben führende Positionen inne. Dieser Mißstand muß rektifiziert werden, weil er die Tibeter als eine Bevölkerungsminderheit weiteren Diskriminierungen aussetzt.

Das TCHRD ist besorgt über Berichte, die es im ganzen Jahr 1998 über eine Reduzierung des Anteils von Tibetern in der Regierung zu hören bekam. Anfang 1998 wurde ein Programm durchgeführt, um die Regierungsämter in Lhasa größenmäßig zu reduzieren, was besonders die tibetischen Angestellten in Mitleidenschaft zieht. Tibetisches Personal in staatlichen Unternehmen, der Industrie, dem Verwaltungs- und Justizsektor wurde nach der Auferlegung von Quoten zum Zweck der Reduzierung der Belegschaft entlassen. Im Nov. 1998 floh einer höchsten tibetischen Regierungsvertreter, Agya Rinpoche aus Tibet in die USA. Er war einer von nur 25 Tibetern, die eine offizielle Position auf gesamtchinesischer Ebene innehaben, wobei er in drei Regierungskörpern vertreten war. Als Vizepräsident der Buddhistischen Vereinigung Chinas geriet er vermutlich unter Druck, den Chinesen bei ihrer Entscheidung, den chinesisch ernannten Panchen Lama in das Kumbum Kloster, den offiziellen Sitz des Panchen Lama, zu holen, beizupflichten. Hätte er der Ortsveränderung zugestimmt, so wäre er wahrscheinlich in Konflikt mit der Wahl des 11. Panchen Lama durch den Dalai Lama gekommen. Agya Rinpoche hatte auch den Posten des Vizepräsidenten der Allchinesischen Jugendföderation und des Zweiten Vorsitzenden des Siebten Provinzialausschusses von Qinghai der "Politischen Konsultativ-Konferenz des Chinesischen Volkes" inne.

XIII 3)

Beschäftigung

Unter Art. 5(e) des CERD garantieren die Vertragsparteien das Recht eines jeden ohne Unterscheidung der Rasse auf gleichen Genuß des "Rechtes auf Arbeit, die freie Wahl der Beschäftigung, angemessene und günstige Arbeitsbedingungen, den Schutz gegen Arbeitslosigkeit, die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, sowie eine gerechte und angemessene Entlohnung". Die Bevölkerungsverschiebung von Chinesen nach Tibet ist und bleibt einer der größten bedrohenden Faktoren. Die Betonung der Regierung auf wirtschaftlicher Entwicklung hat einen ungeheuren Zustrom von chin. Arbeitern und Unternehmern hervorgerufen. Das daraus resultierende Bevölkerungs-Ungleichgewicht in den meisten Stadtgebieten zugunsten von Chinesen zog eine benachteiligende Behandlung von tibetischen Angestellten nach sich.

Die Diskriminierung in der Beschäftigung erstreckt sich auf alle Sektoren. Im Sept. 1998 wurden drei tib. Belegschaftsmitglieder der staatlichen Lhasa Mittelschule der TAR mit Entlassung bedroht, falls sie nicht ihre Kinder aus dem Exil zurückholten. Ihre Arbeitsplätze wurden suspendiert, bis sie der Forderung nachkamen. Diese diskriminierende Maßnahme ist von der Regierung aus gesehen ein Schritt, um strenge Kontrolle über alle Aktivitäten auszuüben, doch stellt sie andererseits eine deutliche Verletzung des Rechtes der Eltern, über die Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden, dar. Seit 1995 sind 37 Kinder wegen der diskriminierenden Regierungspolitik der Chinesen aus dem Exil nach Tibet zurückgekehrt.

  • Khando Dekyi und Kelsang Dolma aus der Karze TAP waren unter 51 tibetischen Angestellten in einer staatlichen Tankstelle in Dhrango, die von der chin. Handelsbehörde des Distrikts betrieben wurde, und beide waren acht Jahre lang dort beschäftigt. Im Jan. 1998 setzte die Distriktverwaltung Belegschaftskürzungen in den verschiedenen staatlichen Sektoren an, was zu einer Streichung von 60 Stellen führte. Im ganzen wurden 50 Tibeter entlassen und von den bleibenden 7 Stellen wurden 6 an Chinesen vergeben.

Ein Bericht vom Aug. 1998 besagt, daß Mönche des Pashoe Klosters, deren Eltern in chin. Regierungsämtern arbeiten, aus dem Kloster hinausgeworfen wurden. Dies fand im Febr. 1998 statt, und man nimmt an, daß die Maßnahme etwa 20 Mönche und 20 Novizen betraf.

XIII 4)

Erziehung

Art. 5(e) der CERD garantiert unter wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten auch "... das Recht auf Erziehung und Ausbildung". Trotz der Behauptung Chinas, daß neue Mechanismen in der Erziehung eingeführt wurden, um "den Angehörigen der ethnischen Gruppen Priorität" zu geben, leiden die tibetischen Studenten unter beträchtlicher Diskriminierung auf diesem Sektor. Die unerschwinglichen und unterschiedlichen Gebühren, die unzureichenden Möglichkeiten in ländlichen Gegenden, die Entfremdung der Sprache und die daraus folgende soziale Diskriminierung gestalten das Recht der Tibeter auf Erziehung sehr kompliziert.

Die chin. Regierung trägt die Verantwortung für die Schaffung eines Erziehungssystems, das frei von Vorurteilen und Befangenheit ist, aber die derzeitigen Maßnahmen sind dazu unzureichend. Entgegen der in China sonst gepflegten Politik, die Grundschulausbildung frei zu vermitteln, bleibt vielen tibetischen Kindern gerade wegen finanzieller Bedrängnis der Zugang zur Grunderziehung verschlossen. Familien auf dem Lande müssen einen bedeutenden finanziellen Beitrag zu den Erziehungseinrichtungen leisten, und wenn man bedenkt, daß über 85% der tib. Familien auf dem Lande leben, während die Mehrheit der Chinesen sich in den Städten niederläßt, stellt dies eine Diskriminierung gegen die tib. Bevölkerung dar. Die meisten neuen Schulen in Tibet werden in Stadtgebieten gebaut und sind für die chin. Neusiedler da, was weiterhin das einheimische Volk benachteiligt.

Die Verwendung der chin. Sprache in der Erziehung verdrängt die tibetische weiterhin. Es hat den Anschein, daß die chin. Regierung die tibetische Kultur dadurch mindern will, daß die tib. Sprache in allen Bereichen überflüssig gemacht wird. Die Abt. für tibetische Sprache der Tibet-Universität in Lhasa verzeichnete in dem akademischen Jahr 1997/98 keine Neueinschreibungen. Die meisten höheren Schulen lehren nur mit Chinesisch als Medium, und im April 1997 wurde offiziell angekündigt, daß Chinesisch in allen Klassen der Grunderziehung eingeführt werden soll. Tibetische Kinder befinden sich daher von Anfang an in einem gewaltigen Nachteil und ihre Aussichten auf weitere Ausbildung werden schwer gemindert.

Ein ehemaliger Schüler einer Schule für "ethnische Minderheiten" in Dechen, Kham, berichtete, daß, obwohl ein Viertel der Schüler Tibeter waren, der gesamte Schulunterricht auf Chinesisch stattfand, überhaupt keine tib. Sprache gelehrt wurde und den Schülern sogar davon abgeraten wurde, außerhalb der Schule Tibetisch zu sprechen. Trotz der flexiblen Aufnahmeverfahren und der Bevorzugungsschemen kann die Erziehung von tibetischen Kindern nicht mit derjenigen der Chinesen gleichgesetzt werden und weitere Zugeständnisse sollten erfolgen.

XIII 5

Gesundheitsfürsorge

Das Recht auf öffentliche medizinische Fürsorge, soziale Sicherheit und Sozialleistungen wird unter Art. 5(e) des CERD für jedermann ohne Unterscheidung der Rasse garantiert. Obwohl es in der Verfassung der PRC keine Hinweise auf Gesundheitsrechte gibt, haben hohe Vertreter der Regierung die Notwendigkeit, "weiter das Gesundheitsniveau der Bevölkerung zu heben" anerkannt. Einer der primären Faktoren bei den diskriminierenden medizinischen Diensten ist die Verteilung von Krankenstationen. Die Mehrheit der Gesundheitsdienste liegt nämlich in den städtischen Gebieten, was wieder den chin. Siedlern im Gegensatz zu den Tibetern zugute kommt. Inkonsequente Behandlungsmethoden in den Gesundheitsdiensten beeinträchtigen auch schwer das Wohlbefinden der tib. Bevölkerung. Angaben von im Exil lebenden Tibetern deuten an, daß bei der Behandlung und den medizinischen Ausgaben bedeutsame rassische Unterscheidungen getroffen werden.

  • Tsundue aus Toelung Dechen, einem ländlichen Gebiet in Westtibet, sagte, daß Geld das Schicksal von vielen unterprivilegierten Bauern und Nomaden bestimmt. Er berichtete von 2 Todesfällen wegen Mangels an ärztlicher Behandlung. Eine Bauersfrau versuchte 1996 wegen einer Lungeninfektion Behandlung zu bekommen. Man verlangte rund 100 Yuan von ihr, um zur Behandlung zugelassen zu werden, aber sie hatte kein Geld. Nach einem Monat starb sie. Ein anderer Bauer hatte sich eine ernste Krankheit zugezogen, aber suchte keine medizinische Hilfe, weil er sie sich nicht leisten konnte. Er starb im Aug. 1996.

Tibetische Frauen sind auch im Rahmen der Geburtenkontrollpolitik von den diskriminierenden medizinischen Diensten betroffen. Trotz der angeblichen Zugeständnisse in der Geburtenkontrolle für Minoritäten werden tib. Frauen weiterhin der Sterilisierung und dem Abort gegen ihren Willen unterworfen. Da die meisten Tibeterinnen auf dem Lande leben, wo die medizinischen Einrichtungen nur dürftig sind, werden diese Eingriffe in schlecht ausgerüsteten Sanitätsstationen durchgeführt, wo das Risiko von Komplikationen besonders hoch liegt. Frauen vermeiden oft aus Angst vor Sterilisierung überhaupt, medizinische Hilfe zu suchen. Tibetischen politischen Gefangenen und den an Unabhängigkeitsdemonstrationen beteiligten Personen wird oft ganz offen jede Behandlung ihrer Verletzungen, die auf die Schläge und Folterungen zurückzuführen sind, verweigert. Von den 60 von dem TCHRD seit 1986 erhaltenen Berichten über Tod durch Folter starben 18, nachdem ihnen die ärztliche Behandlung verweigert wurde. Andere wurden durch nichtbehandelte Verletzungen zu Dauerinvaliden.

  • Lobsang Dolma, einer ehemaligen politischen Gefangenen und Nonne, wurde 1995 in Drapchi die medizinische Behandlung verweigert. Nachdem sie ernstlich erkrankte, und ihr zuerst die Behandlung von dem Gefängnisarzt verweigert wurde, kam sie ins Krankenhaus. Dort empfahl der Arzt eine Operation, aber die Gefängnisbehörde gab keine Einwilligung und sagte, sie könne bis zum Ende ihrer Haftfrist in 2 Jahren warten. Schließlich brachten ihre Eltern das Geld für eine Operation auf, die aber nur unter der Bedingung, daß Lobsang gleich danach wieder ins Gefängnis zurückkehre, durchgeführt wurde. Gleich nach der Operation mußte Lobsang wieder die Gefangenenarbeit (Toiletten reinigen und Wolle trennen) aufnehmen und wurde gezwungen, mit den anderen zu trainieren, was ihren Zustand noch mehr verschlimmerte.

  • Kunchok Tsomo verbrachte 3 Jahre mit einem gebrochenen, nicht behandelten Arm im Gefängnis. Den Knochenbruch zog sie sich bei ihrer Verhaftung im Mai 1993 zu, als sie mit einem Gewehrkolben getroffen wurde. Ihr Zustand wurde durch den ständigen Gebrauch des Armes, weil sie der Gefängnisarbeit nicht enthoben wurde, verschlimmert. Nach ihrer Entlassung stellte ein Arzt fest, daß wildes Fleisch um und in dem Knochen gewachsen war. Auch 1998 ist ihr Zustand noch schlecht und sie benötigt immer noch ärztliche Behandlung.

Teil XIV

1)

SCHLUSS

Aufstellung der Internationalen Menschenrechts-Verträge, die von der Volksrepublik China unterzeichnet und/oder ratifiziert wurden

  1. International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR), unterschrieben: 27. Okt. 1997, ratifiziert: - Ideale: Im Einklang mit der Universalen Deklaration der Menschenrechte kann das Leitbild von freien Menschen, die frei von Furcht und Not sind, nur verwirklicht werden, wenn die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, daß jeder in den Genuß der ihm zustehenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, sowie seiner bürgerlichen und politischen Rechte kommt.

  2. International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), unterschrieben: 5. Okt 1998, ratifiziert: -
    Ideale: Im Einklang mit der Universalen Deklaration der Menschenrechte kann das Leitbild von freien Menschen, die frei von Furcht und Not sind, nur verwirklicht werden, wenn die Voraussetzungen geschaffen werden, daß jeder seine bürgerlichen und politischen Rechte, sowie seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte genießen kann.

  3. International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination (CERD), unterschrieben: 31. März 1966, ratifiziert: 29. Dez. 1981,
    Ideale: Angesichts dessen, daß alle Menschen gleich vor dem Gesetz sind, haben sie Anspruch auf den gleichen gesetzlichen Schutz vor jedweder Diskriminierung sowie vor Aufhetzung zur Diskriminierung.

  4. Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women (CEDAW), unterschrieben 17. Juli 1989, ratifiziert: 4. Nov. 1980,
    Ideale: Die Konvention richtet sich gegen Diskriminierung von Frauen, weil diese die Grundsätze der Gleichberechtigung und der Achtung vor der Würde des Menschen verletzt, ein Hindernis für die Beteiligung der Frauen an dem politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ihrer Länder auf gleicher Basis wie die Männer darstellt, das Wachstum und Gedeihen der Gesellschaft und der Familie hemmt und die volle Entwicklung der potentiellen Fähigkeiten der Frauen im Dienst ihrer Länder und der Menschheit einengt.

  5. Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CAT), unterschrieben: 12. Dez. 1986, ratifiziert: 4 Okt. 1988,
    Ideale: Die Konvention will den Kampf gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung in der ganzen Welt effektiver gestalten.

  6. United Nations Convention on the Rights of the Child (CRC), unterschrieben: 29. Aug. 1990, ratifiziert: 2. März 1992, Ideale: Die Kinder sollten voll fähig werden, ein individuelles Leben in der Gesellschaft zu leben und sie sollen im Geist der von der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Ideale erzogen werden, insbesondere im Geist des Friedens, der Würde, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Solidarität.

XIV 2)

Empfehlungen

Es besteht kein Zweifel, daß China seine Verpflichtungen unter der UDHR und anderen Menschenrechtsinstrumenten grob mißachtet. Dieser Bericht liefert den Beweis für die kontinuierlichen Verstöße gegen diese Normen. Wir fordern die UN Kommission für Menschenrechte und die internationale Gemeinschaft auf, China zu folgenden Maßnahmen zu bewegen:

  • Freilassung aller politischen und Gewissensgefangenen in verschiedenen chin. Gefängnissen in Tibet
    (release all political prisoners and prisoners of conscience imprisoned in various Chinese prisons in Tibet).

  • Definierung des Begriffes der "Gefährdung der Staatssicherheit" in dem chin. Kriminalkodex, der in seiner gegenwärtigen Zweideutigkeit mehrere Rechte den Tibetern verwehrt, besonders das Recht auf Freiheit der Meinung und des Ausdruckes
    (define the term "endangering state security" in its Criminal Procedure Law, which in its present ambiguous state defeats various rights of the Tibetan people, particularly the right to freedom of expression and opinion).

  • Einhaltung der Verfügungen in den internationalen Konventionen, welche die Individuen vor willkürlicher Verhaftung und Festhaltung schützen
    (adhere to the regulations in international conventions which protect individuals from arbitrary arrest and detention).

  • Garantierung, daß die Häftlinge angemessene Gefängnisbedingungen erhalten, wie sie in den Standard-Minimum-Regeln für die Behandlung von Gefangenen festgelegt sind und den Einsatz der Folter verbieten. Ebenso die Zusicherung ihres Rechts auf gesetzliche Vertretung und ein faires Gerichtsverfahren
    (ensure that detainees receive adequate prison facilities as stipulated by the Stardard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners and prohibit the use of torture. Also guarantee their right of access to legal representation and proceedings).

  • Schutz der Rechte des tib. Volkes auf Religionsfreiheit, und damit Verzicht auf die Politik der religiösen Unterdrückung im Zuge der Strike-Hard-Kampagne
    (protect the rights of the Tibetan people to freedom of religion thereby eliminating the policy of religious repression through the "Strike Hard" campaign).

  • Abschaffung der Maßnahmen zur Bevölkerungsverlagerung, Zwangsabtreibung und Sterilisierung, welche das kulturelle und physische Überleben des tibetischen Volkes bedrohen
    (abolish policies of population transfer and forced abortion and sterilisation which threaten the cultural and physical survival of the Tibetan people).

  • Zusicherung der Rechte der tibetischen Kinder, etwa auf Schulbildung und Freiheit von Diskriminierung und der Verhaftung Minderjähriger
    (guarantee the rights of Tibetan children, including access to education, and freedom from discrimination and juvenile detention).

  • Abschaffung der übertriebenen Steuerauflagen, welche den Lebensunterhalt der Tibeter, besonders in den ländlichen Gebieten, in Gefahr bringen (prevent the imposition of unreasonable taxation policies that jeopardise the livelihood of the Tibetan people, especially in the rural areas).

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