1. Oktober 2020
Radio Free Asia, www.rfa.org

China benutzt die Kampagne gegen Bandenkriminalität, um tibetische gemeinnützige Gruppen auszuschalten

Im Zusammenhang mit einer Anti-Banden-Kampagne, die als Deckmantel diente, um lokale Gruppierungen aufzulösen, verhängte ein chinesisches Gericht lange Haftstrafen über zehn tibetische Dorfbewohner, denn soziale Zusammenschlüsse an der Basis werden als Bedrohung für die kommunistische Parteikontrolle wahrgenommen. Dies teilte eine tibetische Interessengruppe kürzlich mit.

Den Dorfbewohnern des Kreises Sangchu (chin. Xiahe) in der Tibetisch-Autonomen Präfektur (TAP) Kanlho (chin. Gannan) wurde im Rahmen einer auf drei Jahre angelegten chinesischen Kampagne zur Ausschaltung von „kriminellen Banden“ und „organisiertem Verbrechen“ der Prozeß gemacht, wie die International Campaign for Tibet in einem Bericht schrieb (1).

„Eigentlich zeigt der Prozeß nur, daß die Angeklagten - alle angesehene ortsansässige Persönlichkeiten - für die ihnen durch staatliche Autobahn-Projekte verursachten Vermögensschäden Entschädigung forderten“, heißt es in dem Bericht, der sich auf ein 10stündiges Video des Prozesses stützt, das vom Gansu-Fernsehen live übertragen wurde.

Die zehn Angeklagten vor Gericht:
Tashi Gyatso (stehend), Sonam Gyal, Tamdin Dorjee, Tsewang, Gyalo, Tagthar Gyal, Nyingchak, Tamdin Tsering, Tenpa Gyatso, Choepa Tsering

Die Angeklagten hatten zudem Bedenken wegen eines Schlachthauses an ihrem Wohnort, und sie hatten Geld gesammelt, um für ihr örtliches Kloster ein verlassenes Grundstück zu erwerben, heißt es weiter. Sowohl die Strafverfolger als auch die Richter hätten sich auf die vor Gericht stehenden Personen wiederholt als eine „böse Verbrecherbande“ bezogen.

Die Dorfbewohner - bei der Verhandlung vom 28/29. Juni für schuldig befunden - wurden zu Gefängnisstrafen von neun bis zu 14 Jahren verurteilt. Entschädigungszahlungen, die ihnen 2013 für die bei den Straßenbauarbeiten an ihren Wohnstätten verursachten Schäden zuerkannt worden waren, wurden vor Gericht als Beweis für „Erpressung“ dargestellt.

Eine Spende von einer Million Yuan, die im Vorjahr zum Trost für die Ortsbewohner, die über das Schlachten von Tieren entrüstet waren, von der Schlachthausfirma zum Bau eines buddhistischen Bauwerks, einer Stupa, entrichtet worden war, wurde ebenfalls als Beweismittel gegen sie verwendet.

„In dem Bericht heißt es, Tibeter machten sich generell Sorge wegen unzweckmäßigen, schlecht durchdachten Entwicklungsprojekten, die ihnen von oben her von Peking aufgezwungen werden“. So hätten die Tibeter im Kreis Sangchu schon seit Jahren immer wieder staatliche Entwicklungsprojekte in ihrer Gegend angefochten.

„Sie sind der Meinung, daß diese Projekte das Überleben ihrer traditionellen Lebensweise gefährden“, wobei die Form der tibetischen Infragestellung von wiederholten Beschwerden bei den chinesischen Lokalbehörden bis zu öffentlichen Protesten und sogar Selbstverbrennungen reicht.

Um solche vermeintlichen Herausforderungen der Parteikontrolle bereits auf der Dorfebene zu ersticken, definieren die chinesischen Behörden den gemeinnützigen Dienst der Tibeter und die Bildung von Zusammenschlüssen neuerdings als eine Form von „Bandenkriminalität“, wobei das „Volkskomitee“ für das Kloster Sangchu als Beispiel herangezogen wird.

Die Verteidigungsanwälte argumentierten, daß ihre Mandanten niemanden erpreßt hätten. „Sie bemängelten auch die jahrelange Verzögerung bei der Anklage der zehn Tibeter und andere Verfahrensformfehler“.

„Die Verurteilung der zehn Personen von Sangchu macht die Fehler der Anti-Banden-Kampagne und des Justizsystems in Tibet deutlich, das ungerechterweise die Tibeter aufs Korn nimmt“, sagte der Vorsitzende von ICT, Matteo Mecacci.

Die 10 Angeklagten stehen vor Gericht

„Die Menschen Tibets haben ein Recht auf ihre Grundrechte, auch dann, wenn sie strafrechtlich verfolgt werden, und die chinesischen Behörden sollten einsehen, daß sie, wenn sie Tibeter ungerechterweise bestrafen, die Lage nur verschlimmern und die Leute noch mißtrauischer gegenüber der Regierung machen“, fuhr er fort.

Entwicklungsprojekte in tibetischen Gebieten führten schon häufig zu Konflikten mit Tibetern, die den chinesischen Firmen und den lokalen Beamten vorwerfen, Geld zu veruntreuen, rechtswidrig Land zu besetzen und tief in das Leben der Einheimischen einzugreifen.

Gewaltsame Unterdrückung und intensive Druckausübung auf die Lokalbevölkerung, sich den Wünschen der Regierung zu fügen, sind die Folge. Die Anführer der Proteste werden dabei unter dem Deckmantel des Feldzuges gegen die sogenannten „kriminellen Unterwelt-Banden“ in den tibetischen Gebieten oft festgenommen und vor Gericht gestellt.    

  1. “The ‘Evil’ Trial of 10 Sangchu Tibetans”:

https://secureservercdn.net/198.71.233.163/4vo.170.myftpupload.com/wp-content/uploads/2020/09/The-Evil-Trial-of-10-Sangchu-Tibetans.pdf