1. März 2006


Human Rights Watch
Quelle: www.phayul.com



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China: Ein Jahr nach Einführung neuer Richtlinien werden die religiösen Rechte unverändert eingeschränkt

Nach Aussage von Human Rights Watch werden die Bürger Chinas ein Jahr, nachdem die Regierung neue Richtlinien für religiöse Angelegenheiten einführte, in der Wahrnehmung ihrer Religionsfreiheit nicht weniger als zuvor und genauso willkürlich eingeschränkt. Als die nationalen Richtlinien am 1. März 2005 in Kraft traten, erklärte die chinesische Regierung, dieses erste umfassende Regelwerk in Sachen Religion in China stelle einen “wichtigen Schritt vorwärts beim Schutz der religiösen Freiheit der chinesischen Bürger” dar.

Dennoch unterdrücken Beamte vor Ort weiterhin alle religiösen Aktivitäten, die in ihren Augen über das hinausgehen, was das vom Staat kontrollierte religiöse System zuläßt. Ihre Entscheidungen treffen sie oft willkürlich und in einer Art und Weise, die mit dem Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit unvereinbar ist. Chinesische Behörden verhaften weiterhin Gläubige, schließen religiöse Einrichtungen und schränken die Geistlichen hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit, Kontakte, Besuche und Korrespondenz auf alle nur erdenkliche Weise ein.

Um Brad Adams, den Asien-Direktor von Human Rights Watch, zu zitieren: “Die Chinesen behaupten, die neuen Verordnungen schützten die Religionsfreiheit mit rechtsstaatlichen Mitteln, doch die absichtliche Verschwommenheit dieser Bestimmungen leistet der fortgesetzten Unterdrückung mißliebiger Personen oder Gruppierungen Vorschub. Es ist kein Zufall, daß sie so unklar gehalten sind – gerade dieser Umstand gibt den Behördenvertretern den Freiraum, den sie benötigen, um die Schließung von Moscheen, die Durchführung von Razzien bei religiösen Veranstaltungen, die Umerziehung von religiösen Würdenträgern und die Zensur religiöser Publikationen zu legitimieren.”

Human Rights Watch zufolge ist das größte Problem bei der neuen Regelung ihre Willkür. Es heißt dort, daß “normale” religiöse Aktivitäten gestattet seien, es wird jedoch nicht definiert, was unter “normal” zu verstehen ist, weshalb die Anhänger einer Religion nicht wissen, was erlaubt und was verboten ist. In den Bestimmungen finden sich noch weitere unklare und nicht definierte Schlüsselbegriffe wie etwa “religiöser Extremismus”, “Störung der öffentlichen Ordnung” und “Untergrabung der sozialen Stabilität”, die allesamt der Mehrdeutigkeit und der potentiellen Willkür bei der Anwendung Vorschub leisten.

In dem seit der Einführung der neuen Regelung verflossenen Jahr versuchten die Behörden immer wieder, selbst auf solche religiöse Aktivitäten, die eigentlich nicht der Überwachung unterstehen, Einfluß zu nehmen, um Gleichgesinnte von der gemeinsame Manifestation ihres Glaubens, der Errichtung neuer Andachtsstätten oder der gemeinschaftlichen Ausbildung ihrer Kinder abzuhalten. Sie legten es darauf an, den Umfang und die Teilnehmerzahl religiöser Zusammenkünfte einzuschränken, übten Druck auf Geistliche aus und erschwerten die Veröffentlichung religiöser Schriften sowie die religiöse Erziehung von Minderjährigen.

Im vergangenen Jahr nahmen die Behörden vor allem größere religiöse Versammlungen ins Visier. In der Provinz Hebei, wo zahlreiche Katholiken leben, nahmen sie Priester in Gewahrsam, die heimlich Messen für eine große Anzahl von Gläubigen zelebriert hatten. Bischof Jia Zhiguo wurde inhaftiert, weil er bei den Veranstaltungen der katholischen Untergrundkirche nicht diskret genug vorging.

Die chinesischen Behörden heben einerseits die wachsende Anzahl von Gläubigen, religiösen Stätten und Berufsgeistlichen hervor, gehen aber andererseits gegen Versammlungen vor, bei denen sich religiöse Persönlichkeiten aus den verschiedenen Regionen Chinas treffen, um dem Austausch von Erfahrungen, der Aufnahme neuer Mitglieder und der Ausbildung von Laien und Geistlichen einen Riegel vorzuschieben. Die im August bei einem Ausbildungskurs in der Provinz Jiangxi für ca. 35 Gymnasiasten und Studenten zu Sonntagsschullehrern durchgeführte Razzia ist nur ein Fall von vielen.

Religiöse Literatur wurde ebenso akribisch überprüft und kontrolliert wie die Geistlichen selbst. Wer sich nicht an die Vorgaben hielt, denen zufolge grundlegende Texte ausschließlich von akkreditierten Druckereien gedruckt und durch zugelassene Agenturen in Umlauf gebracht werden dürfen, landete im Gefängnis. Cai Zhuohua erhielt im November 2005 wegen angeblicher “illegaler Geschäfte” eine dreijährige Haftstrafe, denn er hatte versucht, religiöse Schriften ohne Genehmigung zu vertreiben. In Xinjiang wurden mehrere junge Leute festgehalten, weil sie nichtautorisierte religiöse Texte besessen hatten.

Obwohl die chinesische Regierung sowohl öffentlich als auch Vertretern der US-Regierung gegenüber ständig behauptete, daß Kinder religiöse Unterweisungen erhalten dürften, wurden in Xinjiang Lehrer und Schüler festgenommen und ihre Eltern mit übertrieben hohen Geldstrafen belegt, nachdem man einen Lehrer dabei ertappt hatte, wie er 37 Schülern aus dem Koran vorlas.

Während in den Bestimmungen nicht definiert wird, was die Regierung unter “religiösen Kulten” versteht, berichtet Falun Gong, daß in dem Jahr seit der Einführung der Neuregelung mehr als 400 Anhänger der Meditationsbewegung inhaftiert oder einer “Umerziehung” unterzogen wurden.

“Die Neuregelung hat nicht den versprochenen Freiraum für die ungehinderte Ausübung der Religion geschaffen. Statt dessen werden chinesische Bürger, die einfach nur ihren Glauben praktizieren, nach wie vor bedroht oder sie finden sich im Gefängnis wieder”, erklärte Adams.

In der Neuregelung von 2005 wird hervorgehoben, daß chinesische Bürger ein von der Verfassung garantiertes Recht auf Glaubensfreiheit haben. Doch Human Rights Watch stellt fest, daß darin von den religiösen Vereinigungen und Gläubigen verlangt wird, zur “Sicherung der Einheit des Landes“ und der gesellschaftlichen Stabilität” beizutragen und einer “Dominierung durch das Ausland” entgegenzuwirken.

Obwohl die Richtlinien betonen, daß religiöse Organisationen unabhängig und autonom sein sollen, enthalten sie eine ausführliche Beschreibung dessen, was von einer Glaubensgemeinschaft verlangt wird, wenn sie sich im Rahmen des Gesetzes organisieren und ihre Personalfragen, Finanzen und Aktivitäten regeln will. Obendrein gibt es noch eine ebenso lange Liste von Aktivitäten, für die eine Sondergenehmigung notwendig ist, und außerdem die Vorschrift, daß “Stätten für religiöse Aktivitäten” unbedingt “in eine Beaufsichtigung durch die Abteilung für religiöse Angelegenheiten einzuwilligen und über ihr Einkommen und ihre Ausgaben Bericht zu erstatten haben”.

“Wenn man genau hinschaut, wie die Religionsbestimmungen angewandt werden, besteht kaum Hoffnung, daß die chinesische Regierung willens ist, ihre bisherige Haltung zu ändern, die da lautet: Entweder du tust es so, wie wir wollen, oder du tust gar nichts”, meinte Adams.

Human Rights Watch wies darauf hin, daß China nur fünf Glaubensrichtungen den Status rechtmäßiger Religionen zuerkennt, nämlich Buddhismus, Taoismus, Islam, Katholizismus und Protestantismus, was eine gravierende Verletzung des Rechts auf Religionsfreiheit darstellt. Die chinesischen Behörden erwägen Berichten zufolge die Erweiterung dieser Liste um das Judentum, die Orthodoxe Kirche, den Bahai-Glauben sowie die Mormonen. Obwohl ein glaubwürdiger Bericht besagt, daß ein Ausschuß mit der Ausarbeitung angemessener Richtlinien, vernünftiger Kriterien und einer rationalen bürokratischen Umsetzung beauftragt wurde, ist das Thema “neue Religionen“ offenbar zu umstritten, um die Hoffnung auf eine baldige Lösung zu wecken.

Wie Human Rights Watch berichtet, hat die “Staatliche Verwaltung für religiöse Angelegenheiten” (SARA) Schritte im Hinblick auf eine gesetzliche Regelung der “Volksreligionen” unternommen. Dieser Terminus bezieht sich auf die Anbetung eines ganzen Pantheons von Göttern und Göttinnen, von denen einige nur von lokaler Bedeutung sind, sowie auf die Rituale und Vorstellungen, die mit ihrer Verehrung verbunden sind. Millionen von Chinesen praktizieren irgendeine Form davon.

Human Rights Watch betonte, daß Religionsfreiheit dem internationalen Recht nach kein Recht ist, das ein Staat zu gewähren hätte. Im Gegenteil, es ist die Aufgabe des Staates, die Ausübung dieses Rechtes, das heißt, die religiöse Praxis zu schützen. Nur unter bestimmten Umständen kann eine Regierung religiöse Aktivitäten auf vernünftige Weise gesetzlich einschränken. Als China 1998 das Internationale Übereinkommen über Bürgerliche und Politische Rechte unterzeichnete, das die Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit schützt, hat es sich dazu verpflichtet, keine Maßnahmen zu unternehmen, die den Geist dieses Abkommens verletzten. Dennoch gibt es in China weiterhin eine tiefe Kluft zwischen der Praxis und den internationalen Menschenrechtsnormen.

“Regierungen sollten nicht bestimmen dürfen, welche Religion oder Glaubensrichtung für eine Person angemessen ist”, sagte Adams. “Das ist eine Frage der persönlichen Überzeugung eines jeden einzelnen.”

Hintergrund

Angefangen mit dem Dokument 19, in dem “der grundlegende Standpunkt und die Politik in Sachen Religion in der sozialistischen Periode unseres Landes” 1982 dargelegt werden, verfolgt die Regierung mittels politischer Richtlinien und einer Reihe von Bestimmungen einen doppelten Zweck: Sie sucht die religiöse Freiheit zu beschneiden, gleichzeitig aber der willkürlichen Umsetzung der Regelungen und Richtlinien durch örtliche Kader (einer in China sehr verbreiteten Praxis) vorzubeugen. Bisher hatte jedes neue Dokument und jede Neuregelung in Sachen Religion nur weitere Einschränkungen und höhere Strafen für Gläubige zur Folge, die es gewagt haben, ihre Rechte außerhalb des engmaschigen Netzes der von der Regierung festgelegten “normalen religiösen Aktivitäten” wahrzunehmen.

Der erste Schritt war, daß die Regierung nur fünf Religionen für legitim erklärte. Der zweite Schritt bestand darin, nur die religiösen Aktivitäten, welche die Regierung als “normal” einstufte, zu schützen. Zur Überwachung wurde ein landesweites System eingerichtet, das es zur Pflicht machte, jede Moschee, jeden Tempel, jede Kirche und jedes Kloster, offiziell registrieren zu lassen. Nicht registrierte religiöse Institutionen sind illegal, und die betroffenen Glaubensgemeinschaften bzw. ihre Mitglieder müssen mit einer Anzahl von strafrechtlichen oder administrativen Strafen rechnen. Andererseits ist die Registrierung nicht ganz ohne Risiko, denn sie bringt die staatliche Kontrolle von Finanzen, Personal, Veröffentlichungen, Aktivitäten, Missionstätigkeit, sowie die Zensur ausgewählter religiöser Lehrinhalte mit sich.

Der Situation der religiösen Freiheit bei den verschiedenen Glaubensgemeinschaften

Uigurische Muslime

In Xinjiang, wo die turksprachigen Uiguren die vorherrschende Moslemgemeinschaft bilden, haben die örtlichen Behörden unter dem Vorwand des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus alle religiösen Aktivitäten verboten.

Man verhaftete Uiguren wegen Besitzes von “nicht genehmigten” religiösen Schriften, die Erlaubnis zur Instandsetzung von Moscheen wurde ihnen verweigert, mehrere Moscheen wurden geschlossen – eine davon mit der Begründung, das Gebäude sei “zu groß”. Unter Berufung auf den Artikel 43 der Bestimmungen, welcher eigen-organisierte Pilgerfahrten nach Übersee verbietet, haben lokale Behörden die Pässe von Uiguren konfisziert, die den Ramadan in Mekka verbringen wollten. Gestattet waren ausschließlich vom Staat veranstaltete Hadj-Pilgerfahrten, aber Personen im Staatsdienst, ja sogar pensionierte, benötigten eine Sondergenehmigung für eine Teilnahme.

Im Juli 2005 durchsuchten Polizisten die Taschen der an einer Bushaltestelle wartenden Menschen und verhaftete drei Uiguren, weil sie im Besitz eines “nichtautorisierten” islamischen religiösen Textes waren. Sie wurden innerhalb einer Woche wieder freigelassen und erhielten eine Geldstrafe. Am 1. August verschaffte sich die Polizei gewaltsam Zugang zum Haus der Uigurin Aminan Momixi, die gerade 37 Schülern, von denen einige nicht älter als sieben Jahre waren, den Koran erläuterte. Ersten Berichten zufolge wurde sie inhaftiert und des “illegalen Besitzes von religiösem Material und subversiver historischer Schriften” angeklagt. Bisher liegen Human Rights Watch keine weiteren Informationen über ihren Verbleib vor. Einige Kinder wurden erst freigelassen, nachdem ihre Eltern Geldstrafen zwischen 7.000 und 10.000 Yuan (875 – 1250 US$) bezahlt hatten – für auf dem Land lebende Uiguren ein kaum aufzubringender Betrag!

Gegen Ende August verboten die Sicherheitskräfte in der Autonomen Präfektur Xili in der Provinz Xinjiang die Sala-Sufi Gemeinschaft und verhafteten 179 von ihren Anhängern, weil sie sich illegal versammelt und dabei die Staatssicherheit gefährdet, sowie der offiziellen Religionsaufsicht durch die Behörden zuwider gehandelt hätten. Sie wurden nach Bezahlung der gegen sie ergangenen Geldstrafen wieder freigelassen.

Die religiöse Erziehung von Minderjährigen ist in Xinjiang ebenso wie in Tibet ein umstrittenes Thema. Als eine von mehreren Bedingungen für die Nichteinbringung einer chinakritischen Resolution bei der UN-Menschenrechtskommission im März/April 2005 verlangten die Vereinigten Staaten, daß China öffentlich erkläre, daß die “religiöse Erziehung von Minderjährigen in Übereinstimmung mit dem chinesischen Gesetz und der Politik erfolgt”. Der Sprecher des Außenministeriums Liu Jianchao antwortete am 17. März 2005 auf die Fragen eines Journalisten, es gebe gar kein Gesetz, das Minderjährigen verbiete, einem bestimmten religiösen Glauben anzuhängen. Er betonte jedoch, die Religion dürfe nicht die “schulische und soziale Erziehung beeinträchtigen”. Weiter sagte er, soweit er wisse, sei Religionserziehung durch die Eltern erlaubt. Im August 2005 erklärten Behördenvertreter in Xinjiang einer zu Besuch weilenden Delegation der US-Kommission für Religiöse Freiheit, daß es sich bei dieser Aussage um einen Irrtum handle. Mit Religionserziehung dürfe erst dann begonnen werden, wenn ein Minderjähriger die neun Pflichtschuljahre abgeschlossen hat.

Tibetische Buddhisten

Auch 2005 griff die Regierung unvermindert vehement in die religiösen Angelegenheiten der tibetischen Buddhisten ein. Typischerweise bezeichnete eine offizielle chinesische Veröffentlichung den von China eingesetzten Panchen Lama als das “Oberhaupt der tibetischen Buddhisten” und behauptete, er sei “der höchste Würdenträger des tibetischen Buddhismus”, obwohl bis zum heutigen Tag ausschließlich der Dalai Lama Anspruch auf diesen Titel hat. Der 16 Jahre alte Panchen Lama versprach seinerseits, er werde “den Erwartungen der Kommunistischen Partei Chinas und der Zentralregierung gerecht werden”. Der Aufenthaltsort des vom Dalai Lama anerkannten Panchen Lama ist weiterhin unbekannt.

Um mehr Unterstützung für den von China eingesetzten Panchen Lama zu gewinnen, unterzogen die Behörden in der TAR und den autonomen Präfekturen und Distrikten der Provinzen Gansu, Sichuan, Qinghai und Yunnan die Mönche und Nonnen einer neuen Runde der “Patriotischen Erziehung”. Diese schließt mit einer obligatorischen Prüfung ab, bei der es um die offizielle chinesische Version der tibetischen Geschichte, Religionspolitik, juristische Angelegenheiten, Ethik und die “Ausmerzung von Separatisten” geht. Diejenigen, die nicht akzeptieren, daß Tibet seit jeher ein Teil Chinas gewesen sein soll, oder sich weigern, den Dalai Lama zu verunglimpfen und den von den Chinesen eingesetzten Panchen Lama als rechtmäßig anzuerkennen, sehen sich mit dem Ausschluß aus ihren Klöstern konfrontiert. Im Juli wurde ein Würdenträger eines der führenden Klöster Lhasas seines Postens enthoben, weil er insgeheim den Dalai Lama unterstützt hatte. Mönche aus einem anderen Kloster in Lhasa wurden wegen desselben “Vergehens” des Klosters verwiesen, was einen stummen Protest durch zahlreiche andere dort lebende Mönche zur Folge hatte. Weiterhin ist von einem Ausschluß von ca. 40 Nonnen aus einem Kloster in Lhasa, ebenfalls aus demselben Grund, die Rede.

Wie berichtet, haben örtliche Behördenvertreter buddhistische Würdenträger in der Provinz Qinghai dazu aufgefordert, sich stärker für die Unterstützung der Religionspolitik Pekings einzusetzen, und sie mit Strafen bedroht, falls sie sich nicht entsprechend verhalten.

Katholiken

2005 gab es einen informellen Dialog zwischen dem Vatikan und Peking mit dem Ziel einer Annäherung, was durch Berichte erhärtet wird, daß beide Seiten der Ernennung von zwei neuen Bischöfen (einer Ernennung in Shanghai und einer in Xi’an) zustimmten. Gleichzeitig gerieten sogenannte katholische Untergrundpriester und Bischöfe, die sich ausschließlich dem Vatikan gegenüber zur Loyalität verpflichtet fühlen, zunehmend unter Druck.

Besonders in der Provinz Hebei, dem Zentrum katholischer Untergrundaktivitäten, unterwarfen die Behörden Geistliche und Bischöfe der “Umerziehung”, um sie zum Beitritt zur “Katholischen Patriotischen Vereinigung” zu bewegen,  sich also der offiziellen Katholischen Kirche Chinas anzuschließen. Obwohl es kaum Einzelheiten über diesen Prozeß gibt, wurde doch bekannt, daß die betroffenen Geistlichen für die Dauer ihrer Umerziehung an einem unbekannten Ort festgehalten wurden.

Zu bemerken ist, daß die Behörden häufig ein Auge zudrückten, wenn die Versammlungen von katholischen Gläubigen in kleinem Rahmen stattfanden und dabei diskret und unpolitisch waren. Verhaftungen gab es meistens nach Messen, die eine große Anzahl von Gläubigen anzogen, nach der öffentlichen Begehung wichtiger katholischer Feiertage und während pastoraler Klausuren.

Das alte Thema der Rechte an dem ehemaligen katholischen Kirchenbesitz flammte 2005 wieder auf. Nach Artikel 30 der Regelung von 2005 gilt: “Grund und Boden, welcher im Rahmen des Gesetzes von einer religiösen Organisation genutzt wird oder auf dem sich eine religiöse Stätte befindet, steht ebenso unter gesetzlichem Schutz wie Strukturen oder Einrichtungen, die sich im legalen Besitz einer solchen Organisation oder Stätte befinden… es darf keine Übergriffe, Plünderungen oder Beschlagnahmungen geben”. Dennoch wurde eine Kirche in Xi’an dazu gezwungen, ihre 1982 verstaatlichten Grundstücke, welche 2003 an einen Bauträger weiterverkauft worden waren, wieder zurückzukaufen. Der Fall geriet in die Schlagzeilen, nachdem unbekannte Angreifer Nonnen geschlagen und schwer verletzt hatten, die versuchten, die Gebäude vor der Zerstörung zu bewahren.

Protestanten

Kurz nach Einführung der neuen Richtlinien kam es zu Razzien gegen die sogenannten christlichen (protestantischen) Hauskirchen in Shanxi, Henan, Hubei und Jiangxi. Diese hielten bis ins Jahr 2006 an. Mehreren Hauskirchen wurde die Registrierung verweigert, während andere sie von vornherein ablehnten.

Der Begriff “Hauskirche” bezieht sich auf Kongregationen, die sich weigern, sich mit anderen protestantischen Gruppierungen wie Methodisten, Anglikanern und Lutheranern in einer konfessionslosen kirchlichen Struktur, welche die chinesischen Regierung als eine angemessene Dachorganisation für alle Protestanten vorgesehen hat, zusammenzuschließen. Mitglieder der Hauskirchen, die häufig als Fundamentalisten bezeichnet werden, fürchten, eine derartige kirchliche Organisation würde ihrer Lehre und liturgischen Traditionen nicht gerecht. Hauskirchen sind angeblich unabhängig, gehören aber gewöhnlich einer von mehreren großen, hierarchisch strukturierten Religionsgemeinschaften an.

2005 konzentrierten sich die Razzien der Behörden in erster Linie auf Großveranstaltungen, bei denen pastorale Mitarbeiter aus den verschiedensten Provinzen und Städten zusammenkamen. Viele Anwesende wurden festgenommen und mit Geldstrafen belegt, und ein paar auch inhaftiert. Bei zahlreichen dieser Veranstaltungen gab es auch Ausbildungskurse für Lehrer und Führungskräfte. Derartige Treffen erregen ganz besonderes Mißtrauen bei einer Regierung und Partei, deren Ziel die Kontrolle und Indoktrinierung der nächsten Generation von religiösen Würdenträgern ist, die “patriotisch” zu sein haben. Auch Kirchen, die sich aktiv um Mitgliederzuwachs bemühten, wurden aufs Korn genommen. In einer Kirche fand während der Taufzeremonie für 60 neue Gläubige überfallartig eine Razzia statt. Eine andere Razzia betraf einen Kurs, in dem Gymnasiasten und Studenten zu Sonntagsschullehrern ausgebildet werden sollten. Berichten zufolge wurden die Gläubigen von den Polizisten und Kadern der Abteilung für Religionsangelegenheiten, welche für die Durchführung der Razzien verantwortlich waren, übel behandelt, während die Festgenommenen von den Aufsehern mißhandelt wurden.

Bei einer Reihe koordinierter Razzien in der Provinz Jilin in rund einhundert Versammlungsräumen machten die Behörden im Mai 2005 ca. 600 Gläubige dingfest. Vermutlich wollten sie damit dem wachsenden Einfluß von Hauskirchen auf akademische Kreise ein Ende setzen. Einige Führer der Hauskirchen wurden in Gewahrsam genommen, um sie “Schulungen” zu unterziehen, wo ihnen der Beitritt zur “Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung”, der offiziellen Dachorganisation für Protestanten, nahegelegt wurde. Die meisten der Verhafteten – bei einer Versammlung waren es 100 Pastoren, zu einer anderen waren 50 Teilnehmer aus 20 Provinzen und Städten angereist – wurden nach der Entrichtung von Geldstrafen wieder freigelassen.

Die Verurteilung des Hauskirchenführers Cai Zhuohua und seiner Kollegen am 8. November 2005 wegen “illegaler Geschäftspraktiken” zeigt, wie wichtig den chinesischen Behörden die Kontrolle der religiösen Veröffentlichungen ist. Cai Zhuohua hatte mehrere Tausend Exemplare christlicher Texte gedruckt und damit das Mißfallen der Behörden erregt. Cai rechtfertigte sich damit, er habe diese Schriften verschenkt und nicht verkauft, weil eine so große Nachfrage danach bestanden hätte. Die Herausgabe religiöser Literatur wird durch die “Verordnung zur Verwaltung der Druckindustrie” geregelt.

In dem 1997 von der Regierung veröffentlichten Weißbuch “Freiheit der religiösen Überzeugung in China” heißt es: “Für ‚Hausgottesdienste’, bei denen vorwiegend Verwandte und Freunde zusammenkommen, um religiösen Aktivitäten wie Beten oder dem Bibelstudium nachzugehen, gibt es keine Registrierungspflicht.” Wenn diese Klausel offiziell umgesetzt würde, wäre es ein Schritt in Richtung Religionsfreiheit, weil es nämlich nicht verboten wäre, wenn jemand eine Hauskirche bei sich beherbergt. Wie berichtet, sind diese Versammlungen jedoch, falls sie überhaupt genehmigt werden, auf höchstens 25 Familienangehörige und deren Freunde begrenzt, und sie dürfen weder auf regelmäßiger Basis abgehalten werden, noch dürfen sich die Nachbarn gestört fühlen.

Falun Gong

Obwohl Sprecher dieser Bewegung ausdrücklich betonen, daß es sich bei Falun Gong um keine Religion handle, ist es doch ein strukturiertes Glaubenssystem, das Elemente des Buddhismus und des Taoismus vereint, womit ihre Anhänger ein Recht auf den durch Artikel 18 des Internationalen Abkommens über bürgerliche und politische Rechte garantierten Schutz haben.

Im Oktober und November 1999 definierten die chinesischen Regierungsbehörden, was “häretische Kulte” sind und erklärten Falun Gong zu einem solchen, wodurch die Strafverfolgung der Anhänger der Gemeinschaft gemäß dem in Kraft befindlichen Strafgesetz ermöglicht wurde. Nach den Duihua (einer Organisation, die Informationen über politische Gefangene sammelt und sich für deren Freilassung einsetzt) zugegangenen Informationen werden Falun Gong Anhänger weiterhin in alarmierend hoher Zahl verhaftet. Man nimmt an, daß über 2.000 Falun Gong Anhänger in Gefängnissen oder Umerziehungslagern inhaftiert sind. In dem seit Inkrafttreten der neuen Religionsverordnung vergangenen Jahr wurden über 400 Anhänger verhaftet und zu Gefängnis oder zur Umerziehung verurteilt. Die verfügbaren Informationen stammen vorwiegend von Falun Gong selbst und können nur in den seltensten Fällen durch andere Quellen bestätigt werden. Bei der Festhaltung von Falun Gong Anhängern hat die Regierung auch zu Methoden außergesetzlicher Haft wie der Zwangseinweisung in psychiatrische Krankenhäuser oder “Rechtserziehungsanstalten” gegriffen.

Die für “Kulte” existierenden Gesetze kamen auch bei der Verfolgung diverser christlicher Gruppen, die von der Regierung als heterodox einstuft werden, zum Einsatz.