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Erinnerung an Tiananmen – Erklärung zum 4. Juni 2021
Die Mitglieder des International Tibet Network schließen sich heute dem Gedenken an den 32. Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking am 4. Juni 1989 an, als die chinesische Volksbefreiungsarmee das Feuer auf Zehntausende pro-demokratischer Demonstranten eröffnete und dabei unzählige friedlich Protestierende und Schaulustige tötete.
In den Wochen vor dem 4. Juni hatten sich immer wieder Studenten, Demokratieaktivisten und Arbeiter auf dem Platz des Himmlischen Friedens und in anderen chinesischen Städten versammelt, um friedlich gegen die herrschende Partei zu protestieren und Meinungsfreiheit, Verantwortlichkeit und Demokratie zu fordern.
Wir werden uns immer an dieses katastrophale Ereignis erinnern und an die Tapferkeit all derer, die an den Freiheitsprotesten von 1989 teilgenommen haben.
Drei Jahrzehnte später ist die Menschenrechtslage für alle, die unter der Herrschaft Chinas leben, auf einem historischen Tiefpunkt angelangt, und die Repression erstreckt sich über alle Regionen und besetzten Gebiete. Mindestens zwei Millionen uigurische, kasachische und usbekische Muslime sind derzeit in „Umerziehungslagern“ inhaftiert und werden systematisch gefoltert, vergewaltigt und politisch indoktriniert. In Hongkong hat die chinesische Regierung ein drakonisches Gesetz zur nationalen Sicherheit eingeführt, das dazu benutzt wird, Proteste und selbst milde Kritik an der chinesischen Regierung zu kriminalisieren. Die Situation im illegal besetzten Tibet hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch verschlechtert und im Januar 2021 wurde es neben Syrien als der schlimmste Ort der Welt für bürgerliche und politische Rechte gelistet. Proteste der Südmongolen, die ihre Sprache und Kultur von der Ausrottung bedroht sehen, werden mit Gewalt niedergeschlagen.
Wie in den vergangenen Jahren sind die Behörden im Vorfeld des Jahrestages in höchster Alarmbereitschaft, um Gedenkfeiern an das Massaker zu verhindern. Die Freiheit wird für jeden eingeschränkt, der als Dissident oder mit Verbindungen zum Tiananmen-Massaker gilt, einschließlich der Mitglieder der „Tiananmen-Mütter“, einer Gruppe von Angehörigen der Opfer des Tiananmen-Massakers.
In Hongkong hat die Polizei das zweite Jahr in Folge eine Mahnwache zum Gedenken an die Niederschlagung des Tiananmen-Massakers verboten. Infolge des Verbots 2020 war es das erste Mal seit 30 Jahren, daß die Mahnwache als illegal angesehen wurde.
Wir zollen dem anhaltenden Mut derjenigen Tribut, die sich weiterhin der drakonischen Herrschaft Chinas widersetzen, und wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, deutlich zu zeigen, daß sie die Greueltaten der Vergangenheit niemals vergessen wird, und ebenso, daß sie gegen die eklatante Mißachtung grundlegender Menschenrechte aufstehen wird. Wir rufen die Regierungen auf, gemeinsam China aufzufordern,
- die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung zu respektieren und die Drangsalierung und willkürliche Verhaftung von Personen einzustellen, die die offizielle Darstellung des 4. Juni in Frage stellen;
- unabhängigen internationalen Menschenrechtsexperten, einschließlich der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und den zuständigen UN-Sonderberichterstattern, sofortigen und ungehinderten Zugang zu China, Tibet und den uigurischen Gebieten zu gewähren;
- den Mißbrauch der nationalen Sicherheitsgesetze als Mittel zur Kriminalisierung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern, sowie der Meinungs-, Vereinigungs-, Religions- oder Glaubensfreiheit, und zur Untergrabung ordnungsgemäßer Gerichtsprozesse zu beenden;
- China nahezulegen zu diesem Zweck Unterstützung durch UN-Experten zu suchen;
- unverzüglich alle Personen freizulassen, die einem unrechtmäßigen und ungerechtfertigten Freiheitsentzug ausgesetzt sind.
In den letzten Monaten haben sich diverse Regierungen der Welt offen gegen die Menschenrechtsverletzungen Chinas ausgesprochen. Es muß jedoch noch mehr getan werden, damit die Reaktion der internationalen Gemeinschaft dem Mut und der Überzeugung derjenigen gerecht wird, die China von innen heraus Widerstand leisten.
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