25. Oktober 2007
TibetInfoNet
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Tibet feiert die Auszeichnung des Dalai Lama mit der Gold-Medaille des US-Kongresses

Es gibt Zeugnisse aus dem gesamten tibetischen Siedlungsraum, also den traditionell U-Tsang, Kham und Amdo genannten Regionen, daß an vielen Orten Tibeter die Verleihung der US-Kongreß-Goldmedaille an den Dalai Lama am 17. Oktober 2007 gefeiert haben. Diese Ereignisse beweisen wieder einmal mehr die Vergeblichkeit der Bemühungen seitens der chinesischen Behörden, die Tibeter von ihrer Verehrung für ihr im Exil lebendes Oberhaupt abzubringen. Da die Behörden befürchteten, daß die Bevölkerung öffentlich feiern könnte, hatten sie im voraus die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und in mehreren Gegenden jegliche religiöse oder sonstige festliche Zusammenkunft in der Öffentlichkeit verboten. Viele Tibeter setzten sich jedoch über die behördlichen Anordnungen hinweg und verbrannten Räucherwerk, zogen Gebetsfähnchen auf und veranstalteten Feiern, worin man den Einfluß sehen kann, den das tibetische Oberhaupt selbst nach vier Jahrzehnten im Exil immer noch auf Herz und Gemüt seines Volkes hat.

In Lhasa, wo die Überwachung schon Tage vor der Verleihung der Goldmedaille verstärkt worden war, tünchten Mönche von Drepung als eine symbolische Geste ihrer Loyalität zum Dalai Lama die Mauern ihres Klosters. Daraufhin umstellten drei Tausend paramilitärische Kräfte das Kloster. Auf welche Art und Weise sie gegen die abweichlerischen Mönche vorgingen, ist noch unklar.

Im Vorfeld zu politisch brisanten Tagen pflegen die chinesischen Behörden die Sicherheitsmaßnahmen in größeren Städten wie Lhasa und Shigatse routinemäßig zu verschärfen. Im vorliegenden Fall wurden derartige Überwachungsmaßnahmen im selben Umfang auch in entlegenen und sonst weniger beachteten tibetischen Gegenden getroffen. In Amdo, Nordost-Tibet (jetzt den Provinzen Qinghai und Gansu zugeschlagen), instruierten die Behörden auf Kreis- und Präfekturebene die örtlichen Beamten, daß sie der Bevölkerung den Kauf von Feuerwerkskörpern und die Durchführung von religiösen Ritualen zu verbieten hätten. Ein tibetischer Schüler aus Machu berichtete jedoch begeistert TibetInfoNet, den Behörden sei es nicht gelungen, die Tibeter am Feiern bis in die Morgenstunden zu hindern.

Am Tag der Preisverleihung in Washington DC patrouillierten zahlreiche Soldaten und Polizisten durch die Straßen der Stadt Machu. Die dort ansässigen Tibeter drängten sich in den Läden auf der Suche nach Feuerwerkskörpern, obwohl deren Verkauf verboten worden war. In einem Laden warf die Polizei tibetische Kunden zurück und es kam zu einem Handgemenge. Zwei Tibeter wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen, aber am nächsten Tag wieder laufen gelassen. Infolge des starken Militär- und Polizeiaufgebots gab es zwar keine öffentlichen Feiern, aber andere Arten des Ausdrucks der Freude wie die Verbrennung von Räucherwerk im Familien- oder im Freundeskreis oder dem Brauchtum entsprechend auf den Berggipfeln der Umgebung.

Aus Golok erfuhr TibetInfoNet, daß die Sicherheitsmaßnahmen dort auch in der Präfekturstadt von Golok aufgestockt wurden, wo Polizei und Armee durch die Straßen patrouillierten und Internet-Cafes geschlossen wurden. Viele Leute feierten jedoch privat, indem sie Räucherwerk verbrannten und Gebete für das lange Leben des Dalai Lama rezitierten. Zu Hunderten reisten die Tibeter zum Amnye Machen, einem der heiligsten Berge Tibets, auf dem ihrem Glauben zufolge die mächtige Gottheit Amnye Machen residiert. Hier brachten sie Räucherwerk dar und stellten Masten mit Gebetsfahnen zu Ehren ihres im Exil weilenden Oberhauptes auf.

Nach den Informationen eines Händlers dort, die außerdem von einem Lehrer und einem angesehenen älteren Mönch bestätigt wurden, feierten die Leute am enthusiastischen in Labrang, Amdo (chin. Xiahe, Gansu). In der Stadt Labrang selbst war der Verkauf von Feuerwerkskörpern zwei Tage vor der Verleihung verboten und Läden und Restaurants waren angewiesen worden, am 17. Oktober um 10 Uhr abends zu schließen. Die Mönche von Labrang hatten aber im voraus vorgesorgt und bereits vor Tagen Feuerwerkskörper eingekauft und gelagert. Einige Mönche hatten etwa 7.000 Yuan an Spenden gesammelt, um noch weitere Feuerwerkskörper in Kachu (chin. Linxia) zu kaufen, aber als sie auf ihrem Rückweg nach Labrang waren, beschlagnahmte die Polizei diese. Zuerst hatten sie geplant, das Feuerwerk um etwa 12.40 zu starten, um es zeitlich exakt mit der Zeremonie in Washington abzustimmen. Als sie jedoch gewarnt wurden, daß eine Polizeiaktion gegen sie geplant sei, ließen sie die die Feuerwerkskörper bereits früher, um 9 Uhr, aufsteigen. Die Tibeter im Ort schlossen sich den Mönchen voller Begeisterung an und alle riefen „Lha Gyalo“ („Sieg den Göttern“) und „Lange lebe der Dalai Lama“. Es waren auch sporadische Rufe nach Unabhängigkeit für Tibet zu hören.

Später stieß die fröhliche Menge der Tibeter mit der Polizei zusammen, die versuchte dem freudigen Treiben Einhalt zu gebieten. Aus unseren Quellen verlautet, daß einige LKWs voller Soldaten in der Stadt eintrafen und die Menge mit Wasserwerfern auseinandertrieb. Die Tibeter warfen daraufhin Steine und andere Gegenstände nach den Soldaten, wodurch etwa fünf oder sechs Personen auf beiden Seiten Verletzungen davontrugen. 25 Tibeter seien festgenommen und über Nacht in Gewahrsam gehalten worden.

Ein Mönch, der dem Vernehmen nach taubstumm ist, wurde schwer geschlagen. Schüler einer tibetischen Mittelschule wurden daran gehindert, sich der Feier und den Demonstrationen anzuschließen, obwohl viele versucht hatten, das Schulgelände zu verlassen. Ein Gerücht, nach dem zwei Schüler festgenommen worden seien, fand keine Bestätigung.

Zu Feiern kam es auch in Rebkong, Siling (chin. Xining), und anderen Gegenden Amdos sowie in Kham (Provinz Sichuan). Einigen Quellen zufolge hätten sogar in Lithang, wo auf die Verhaftung von Rongye Adrak im August hin das öffentliche Leben schweren Einschränkungen unterliegt und eine repressive Atmosphäre herrscht, viele Leute privat gefeiert, indem sie Räucherstäbchen zu Hause und auf den Bergen abbrannten.

Diese spontanen und weit verbreiteten Feiern lassen darauf schließen, daß die Tibeter in Tibet politisch auf dem Laufenden sind und daß ihr gemeinsames nationales Bewußtsein erstarkt ist. Das ist teilweise der modernen Technologie zu verdanken, etwa der elektronischen Kommunikation und der Informationsübermittlung über Satelliten sowie dem Internet. Die Behörden versuchten sofort, diese Kommunikationskanäle abzublocken, indem sie tibetische Websites schlossen und ausländische Radio- und TV-Programme massiv störten.

Im heutigen Tibet beschränkt sich politischer Aktivismus nicht nur auf die Autonome Region Tibet (TAR), das einzige Territorium, das Peking offiziell als Tibet bezeichnet. In den östlichen und nordöstlichen Teilen Tibets, wo die meisten Tibeter leben, werden die Menschen politisch immer bewußter und zeigen einen großen Erfindungsgeist beim Ausdruck ihrer abweichenden Meinung, wie es etwa bei der öffentlichen Verbrennung von Fellen gefährdeter Tierarten im letzten Jahr deutlich wurde. Die Ausweitung der Sicherheitsmaßnahmen in den Gebieten außerhalb der TAR zeigt, daß Peking nicht in der Lage ist, ganz Tibet ohne den Einsatz von Gewalt zu kontrollieren. Der Dalai Lama bleibt die Integrationsfigur der Tibeter und eine ständige Mahnung, daß Loyalität und Gehorsam der Tibeter nicht Peking gelten. Ein Schüler aus Golok, der die ganze Nacht über mit seinen Freunden gefeiert hatte, sagte: „Wir sahen die Freudenfeuer der Räucheropfer auf den Bergen der Umgebung und wir freuten uns alle in der Hoffnung, daß diese Medaille uns rangzen (Unabhängigkeit) einen Schritt näher bringen werde“.