27. März 2007
TibetInfoNet
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Über die Loyalität zum Dalai Lama und wie gewisse Leute am Widerstand gegen den Separatismus verdienen

Die Massenveranstaltungen, auf denen, wie RFA berichtete, am 14. März 2007 in Lhasa für ein langes Leben des Dalai Lama gebetet wurde, bilden den bisherigen Höhepunkt der unter den Tibetern gegenwärtig weit verbreiteten Tendenz, ihre Loyalität zum Dalai Lama zu demonstrieren. Diese Bewegung ist ihre direkte Antwort auf die von staatlicher Seite betriebene Diffamierung des tibetischen Oberhaupts sowie auf die Aktivitäten der von der Regierung unterstützten randständigen Gruppierungen, die die Autorität des Dalai Lama ablehnen. Allem Anschein nach hat die derzeitige Entwicklung ihren Ursprung in zwei Ereignissen vom Januar 2007: die Aufstellung einer Statue der Gottheit Shugden und die öffentliche Verbrennung von Fellen wilder Tiere. Der Dalai Lama, der sich seit vielen Jahren gegen die Verehrung der Gottheit Shugden ausspricht, betonte, dieser Kult stünde im Widerspruch zur buddhistischen Lehre. Ferner forderte er im Januar 2006 die Menschen in Tibet dazu auf, keine Pelze und andere aus Tierhaut gefertigten Kleidungsstücke mehr zu tragen – eine Gewohnheit, die er als "grotesk" bezeichnete. Obwohl der Shugden-Kult von den chinesischen Behörden gefördert wird, stehen ihm die meisten Tibeter, abgesehen von ein paar eingefleischten Sektierern innerhalb der Gelugpa-Schule des tibetischen Buddhismus, ablehnend gegenüber. Die Unterstützer der Anti-Pelz-Kampagne des Dalai Lama und die vielen, die für ihn gebetet haben, stellen hingegen die breite Mehrheit des tibetischen Volkes dar.

Am 22. Januar 2007 wurde in der Ngari-Sektion (tib. Khamtsen) des in der Nähe von Lhasa gelegenen Klosters Ganden eine neue Statue der Gottheit Shugden aufgestellt und geweiht. Eine große Anzahl von Parteimitgliedern und Verwaltungskadern sowie Anhängern der Gottheit, die mehrheitlich aus Ngaba und Chatreng (chin. Aba und Xingcheng) in Osttibet (heute Sichuan) kamen oder aus Nepal angereist waren, nahmen an der Zeremonie teil. Der in Mailand lebende tibetische Lama Gangchen, ein ausgesprochener Kritiker des Dalai Lama, soll ebenfalls anwesend gewesen sein und die Statue sogar aus Kathmandu zum Kloster geschafft haben. Die nepalesische Hauptstadt ist seit einiger Zeit zu einer Art Zentrum der Shugden-Verehrung geworden. Obwohl die Mönche aus Ganden unter starkem öffentlichen Druck standen, boykottierten viele von ihnen die Zeremonie. Wie verlautet, war die Atmosphäre in Ganden zu jenem Zeitpunkt ziemlich gespannt.

Die neue Statue soll diejenige ersetzen, die am 14. Februar 2006 von Mönchen aus dem Ngari Khamtsen zerstört worden war, was damals große Unruhe in Ganden hervorrief und schließlich in der vorübergehenden Abriegelung der Anlage durch das Militär endete, womit die Lage unter Kontrolle gebracht werden sollte. Als nächstes wurde eine Arbeitsbrigade (tib. laedoen rukhag, chin. gongzuo dui) entsandt, um die Mönche der patriotischen Umerziehung zu unterziehen. Während 15 der 17 festgenommenen Mönche nach Verwarnung wieder freigelassen wurden, hat man zwei beschuldigt, mit der "Dalai Clique" in Verbindung zu stehen und zu 2 und 3 Jahren Haft verurteilt. Dadurch verschärfte sich die Lage in Ganden noch mehr. Es heißt, einige tibetische Kader hätten harte Strafen für die beiden Mönche gefordert, um für all jene, die dem Dalai Lama die Treue halten, ein Exempel zu statuieren. Sie waren es auch, die sich für die Errichtung einer neuen Statue ausgesprochen hatten.

Der prominenteste unter ihnen ist Chagra Lobsang Tenzin (chin. Luosang Danzing/Danzeng), der stellvertretende Vorsitzende der TAR-Regierung. Er ist ein reinkarnierter Mönch und ein Sprößling der Lhalu-Familie, bei der es sich um eine der bedeutendsten Aristokratenfamilien von Lhasa handelt. Als Kind wurde er als Reinkarnation des Abtes des in Chamdo, Osttibet, gelegenen Jampa-Ling-Klosters erkannt. Von den Chinesen gefördert, bekleidete er in Tibet zahlreiche Ämter. Unter anderem war er stellvertretender Vorsitzender des Büros für ethnische und religiöse Angelegenheiten der TAR, das für die Durchführung der Umerziehungsmaßnahmen in den Klöstern zuständig ist. Sein Kloster Chamdo Jampa Ling ist traditionsgemäß dem Shugden-Kult verbunden, und Lobsang Tenzin ist der maßgebliche Förderer dieses Kultes in Tibet. Berichten zufolge sind Provokationen seinerseits die Ursache für die Unruhen in Ganden, die schließlich zur Zerstörung der ursprünglichen Shugden-Statue führten.

Wie Informanten aus Tibet berichten, wollte das Gericht das Verfahren gegen die beiden Mönche anfänglich einstellen, da die zerstörte Shugden-Statue erst fünf oder Jahre alt war und somit keine Zerstörung oder Beschädigung von historisch wertvollem Nationaleigentum vorlag. Chagra Lobsang Tenzin soll daraufhin angeregt haben, die beiden Mönche, der "Aufhetzung zum Unfrieden" und der „Verursachung von Instabilität" unter dem Einfluß von Separatisten anzuklagen. Auch die Wiederherstellung der Shugden-Statue soll auf sein Betreiben zurückzuführen sein.

Der Shugden-Kult genießt augenscheinlich die Unterstützung sowohl der regionalen als auch der zentralen Parteiführung, denn beide lassen Shugden-Anhängern und ihren Programmen großzügige finanzielle und administrative Unterstützung zukommen.

Der Grund, warum die Kader den Shugden-Kult so eifrig fördern, ist vermutlich der, daß sie auf diese Weise leichten Zugang zu Fördermitteln erhalten und ihr eigenes Image aufzubessern hoffen. In einem kürzlich veröffentlichten Brief an den chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao bezeichnete Phuntsog Wangyal, ein altgedientes KP-Mitglied, diese Kader als Leute, "die ihren Lebensunterhalt verdienen, indem sie Widerstand gegen den Separatismus leisten, dabei noch beruflich vorwärts kommen und wohlhabend werden".

Diese Angelegenheit hat Gangchen Lama, der von einer Gelugpa Fraktion, die vom Exil aus tätig ist, als "lebendiger Buddha" ausgegeben wird, an die Spitze des ideologischen Kampfes gegen den Dalai Lama gebracht. Sein derzeitiger Hauptstützpunkt ist Kathmandu. Er ist ein häufiger Besucher in Lhasa und Shigatse, aber auch in Peking und hat gemeinsam mit Mitgliedern der Führungsriege der TAR und der Zentralregierung sowie dem von China eingesetzten Panchen Lama an religiösen Zeremonien teilgenommen. Unter der Bedingung, daß sie der Errichtung einer Shugden-Statue zustimmten, hat er mehreren Klöstern in Qinghai und Gansu großzügige Spenden zugesagt. So bot er beispielsweise 2006 dem Kloster Labrang (chin. Xiahe) in der Provinz Gansu an, er werde den Bau dringend benötigter Mönchsquartiere finanzieren, trat aber nach der unmißverständlichen Ablehnung seines Angebots eiligst den Rückzug an. Ein Zusammenhang zwischen Gangchen Lama und dem Vorfall in Ganden ist mehr als wahrscheinlich – schließlich ist er aus der westibetischen Provinz Ngari gebürtig, woher auch die meisten der Mönche des Ngari Khamtsen in Ganden stammen.

Das andere Ereignis fand in der letzten Januarwoche 2007 statt, als die Tibeter sich in Scharen an den Ufern des Kyichu Flusses bei der Kuru Zampa Eisenbrücke versammelten und ein Freudenfeuer aus Tierfellen und pelzverbrämten Kleidungsstücken veranstalteten. Die Menge der verbrannten Stücke soll eineinhalb LKW-Ladungen betragen haben. Obwohl eine große Zahl von Mitarbeitern des Public Security Bureau anwesend war, verlief alles friedlich, und diese machten keine Anstalten, die Leute an ihrem Tun zu hindern oder die Menge auseinanderzutreiben. 2006 mußten die Bürger Lhasas wegen der Drohungen der Behörden ein ähnliches Vorhaben, Felle zu verbrennen, aufgeben. Abgesehen von ein paar Einzelfällen, wo Ladenbesitzer ihre gelagerten Felle verbrannten, konnten die Tibeter in Lhasa keine öffentliche Aktion zur Verbrennung dieser Gegenstände durchführen. Die Verbrennung in diesem Jahr in Lhasa war der erste Vorfall dieser Art, von dem wir 2007 erfuhren. Er markierte auch den Jahrestag der Verbrennungen in allen tibetischen Regionen von Sichuan, Gansu, Qinghai und der TAR auf die Kalachakra-Belehrungen des Dalai Lama in Amravati im Januar 2006 hin, als dieser die Tibeter aufrief, sich der vom Wildlife Trust of India (WTI), von Care for the Wild und von indischen und britischen NGOs, die für den Schutz der Wildtiere eintreten, gestarteten Kampagne anzuschließen.

Während die Sache im Januar noch glimpflich ausging, nahmen darauffolgende Ereignisse einen weniger günstigen Verlauf. Ende Februar 2007 berichtete der Tibetan Youth Congress (TYC) aus Dharamsala von zwei Geschehnissen in Lhasa am 19. und 21. Februar, d.h. dem zweiten und vierten Tag des tibetischen Neujahrsfestes. Bei dem ersten wurden zwei Tibeter, die Kleidung aus Tiger- und Leopardenfellen trugen, von der Menge verdroschen und beim zweiten wurde eine größere Anzahl tibetischer Pilger auf einen hitzigen Wortwechsel mit einem Pelzträger hin, der als ein beauftragter Provokateur beschrieben wurde, von der Polizei geschlagen. Wie man hört, haben Tibeter in Lhasa wie auch in vielen anderen Teilen Tibets, die während Neujahr und ähnlichen Festzeiten pelzverbrämte Chubas zu tragen pflegten, diese komplett durch Brokatgewänder ersetzt, was zu einem beträchtlichen Anstieg der Importe aus Nordindien führte, wo derartige Brokatstoffe hergestellt werden.

Gebetsriten für das lange Leben des Dalai Lama mit Abbrennen von Räucherwerk, an denen zahlreiche Tibeter teilnahmen, fanden am 14. März parallel zu den gleichen in Dharamsala organisierten Zeremonien statt. Von ähnlichen Ereignissen wurde auch aus anderen tibetischen Regionen berichtet. In Lhasa fanden sich die Tibeter zu Hunderten an der Kuru Zampa Eisenbrücke ein, eben dem Ort, wo die Pelzverbrennung im Januar stattgefunden hatte, und ebenso vor dem Jokhang-Tempel und dem Tengyeling Kloster. Die Behörden hatten im Vorfeld Mitglieder der KP und öffentliche Bedienstete davor gewarnt, während dieser Zeit religiöse Veranstaltungen zu besuchen, aber bei den informellen Zeremonien, die früh morgens am 14. März begannen, wurden sie noch nicht nervös. Als dann unerwartet so viele Menschen zusammenkamen, stellten sie am Nachmittag mehrere Hundertschaften von Polizisten bereit, um die Menge zu zerstreuen, was Zusammenstöße, Festnahmen und Verletzungen zur Folge hatte. Durch ihr Verhalten bezeugten die Tibeter nicht nur ihren Glauben und ihre Treue zum Dalai Lama, sondern sie gaben auch ihrer Hoffnung und Sehnsucht Ausdruck, daß er eines Tages nach Tibet zurückkehren möge.