27. Januar 2005

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Offizieller Bericht rechtfertigt Vorgehen im Fall Tenzin Delek Rinpoche

Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete am Mittwoch, den 26. Januar 2005, über die Umwandlung des gegen Tenzin Delek Rinpoche verhängten Todesurteils in eine lebenslange Haftstrafe und bestätigte damit Andeutungen, die chinesische Behörden bereits zuvor einigen westlichen Regierungen gegenüber gemacht hatten. Bei seinem Prozeß wurde Tenzin Delek ein zweijähriger Aufschub bis zur Vollstreckung des Urteils gewährt, und da er, wie von Xinhua berichtet, "die gesetzlichen Bestimmungen während dieses Zeitraums nicht weiter vorsätzlich verletzt hat", wurde die Strafe umgewandelt.

Der Xinhua-Bericht betont, er habe "das Verbrechen gestanden", und führt Einzelheiten des gerichtlichen Verfahrens gegen ihn an, womit bewiesen werden soll, daß der Fall streng nach rechtsstaatlichen Maßstäben verhandelt wurde. Der Bericht wiederholt, Tenzin Delek sei wegen des "Verbrechens von terroristischen Sprengstoffanschlägen und der Aufhetzung zu separatistischen Aktivitäten" verurteilt worden, und fügt hinzu, die Entscheidung zur Umwandlung der Strafe sei an dem Tag gefallen, an dem der Vollstreckungsaufschub ausgelaufen ist. Indem er den Fall in Anlehnung an das Urteil kurz zusammenfaßt, führt der Bericht weiter aus: "A'an Zhaxi (Tenzin Deleks chinesischer Name) wurde sowohl während der Ermittlung als auch während der mündlichen Verhandlung des Falles von den Justizbehörden über seine gesetzlichen Rechte als mutmaßlicher Täter belehrt". Die "relevanten rechtlichen Schriftstücke" seien ihm "in tibetischer Sprache" vorgelegt worden. Außerdem sei er von zwei Verteidigern vertreten worden. Abschließend wird betont, Tenzin Delek werde "im Gefängnis fair und gut behandelt".

Der Eifer, mit dem der Bericht sich bemüht, das Verfahren gegen Tenzin Delek als rechtsstaatlich und korrekt darzustellen, sollte im Kontext der weitverbreiteten internationalen Kritik an der willkürlichen Art seiner Verhaftung, der Härte, mit der er und seine Anhänger behandelt wurden, und dem Mangel an juristischer Transparenz gesehen werden.

Vor seiner Verhaftung, die am 7. April 2002 im Verlauf einer Polizeirazzia erfolgte, hatte Tenzin Delek in der Region von Lithang in Kham in Osttibet (Provinz Sichuan) ein Netzwerk von religiösen und wohltätigen Einrichtungen aufgebaut. Informellen Berichten zufolge herrschte nach seiner Verhaftung in der ganzen Gegend eine Atmosphäre der Repression und Furcht. Viele aktive Mitglieder seines Netzwerks wurden gleichzeitig mit ihm oder kurz danach verhaftet. Mit Ausnahme von Lobsang Dhondup, der beschuldigt wurde, am 3. April 2002 in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, eine Bombe zur Explosion gebracht zu haben, und der am 26. Januar 2003 hingerichtet wurde, sind die meisten von Tenzin Deleks Mitarbeitern in der Folge freigelassen worden. Allerdings wurde immer wieder über Mißhandlungen und über den schweren Druck, der auf die Opfer sogar noch nach ihrer Freilassung ausgeübt wird, berichtet. Als einer der letzten wurde Tashi Phuntsok am 6. Januar 2005 aus der Haft entlassen. In einer von Human Rights Watch am 26. Januar 2005 veröffentlichten Notiz heißt es, er sei heute "buchstäblich ein gebrochener Mann, der unter schweren, durch die Haft verursachten, körperlichen Verfallserscheinungen" leide. Er soll nicht mehr gehen und auch nicht deutlich sprechen können. Tashi soll bereits vor seiner Verhaftung an Tuberkulose gelitten haben. Berichte über die Folterung von Tenzin Delek Rinpoche und seinen Mitarbeitern können nicht überprüft werden, da die chinesischen Behörden ausländischen Beobachtern keinen Zugang zu den Betroffenen gewähren.

Das Gerichtsverfahren, das am 26. Januar 2003 zu dem Todesurteil mit zweijährigem Aufschub gegen Tenzin Delek führte, rief ebenso wie die Hinrichtung von Lobsang Dhondup international heftige Kritik hervor, insbesondere seitens der EU und der Vereinigten Staaten. Der verstorbene damalige UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Sergio Vieira de Mello, schrieb an die chinesischen Behörden und brachte seine Bedenken vor, daß "der Prozeß offenbar nicht einmal den Mindestanforderungen gerecht" geworden sei. Den Zusicherungen der chinesischen Behörden zum Trotz wurden bei der Gerichtsverhandlung keine internationalen Beobachter zugelassen. In einem Bericht vom Januar 2003 setzte Xinhua den Prozeß mit dem Kampf gegen den Terrorismus in Beziehung und rechtfertigte die Verhandlung hinter geschlossenen Türen folgendermaßen: "Das Gericht hielt keine öffentliche Verhandlung ab, weil die Straftaten, deren einige der Angeklagten beschuldigt wurden, mit Staatsgeheimnissen in Verbindung stehen." Bis zum heutigen Tag sind keine Beweise gegen Tenzin Delek Rinpoche bekannt gegeben worden.

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