6. Februar 2004
Tibet Information Network
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Zusammenfassung aus: Tibetan Review - March 2004

Immer mehr Tibeter außerhalb der TAR kommen ins Gefängnis

Wie das in London ansässige Tibet Information Network (TIN) am 6. Februar berichtet, waren Ende Januar 2004 insgesamt 145 Fälle von wegen politischer Vergehen inhaftierter Tibeter bekannt - das heißt in ganz Tibet, einschließlich Amdo und Kham, die jetzt Teile der chinesischen Provinzen Qinghai, Gansu, Yunnan und Sichuan bilden. Etwa die Hälfte davon verbüßen ihre Strafe im Drapchi-Gefängnis in Lhasa, das offiziell als "Gefängnis der Autonomen Region Tibet" bezeichnet wird (früher hieß es "Tibet Autonomous Prison No.1").

Das bedeutet einen starken Rückgang der politischen Häftlinge gegenüber einer Zahl von etwa 800 im Spitzenjahr 1996 und eine leichte Abnahme gegenüber den 149 im Vorjahr gezählten Häftlingen. Dem TIN-Bericht zufolge nahm die Zahl der politischen Gefangenen in Tibet in der Zeit von 1997 bis 2001 merklich ab, was darauf zurückzuführen ist, daß eine ganze Reihe nach Vollendung ihrer Haftstrafen entlassen wurde und es außerdem weniger Festnahmen gab.

Der Rückgang verlangsamte sich jedoch 2002 und kam 2003 infolge einer neuen Verhaftungswelle in den zur Provinz Sichuan gehörenden tibetischen Gebieten ganz zum Stillstand, was die Anzahl derjenigen, die nach Ableistung ihrer Strafe entlassen wurden, wieder ausgleicht. Die meisten der neuen Verhaftungen wurden in den tibetischen Präfekturen Kardze (oder Kandze, chin. Ganzi) und Ngaba (chin. Aba) vorgenommen, wo die Behörden die Unterdrückung der Religion und die Verfolgung populärer religiöser Würdenträger verschärften. Was die Provinzen Qinghai und Gansu betrifft, so sind TIN dort nur 10 Fälle politischer Inhaftierung bekannt.

Wie der Bericht betont, könnte die Gesamtzahl politischer Gefangener durchaus um 10 oder 20 über 145 liegen, und er räumt gleichzeitig ein, daß es auch noch weitere Fälle von Festnahmen geben könnte, die den Beobachtergruppen nicht zu Ohren gekommen sind. Neun der TIN bekannten politischen Gefangenen seien Frauen - sechs davon Nonnen. Zu den restlichen dreien gehöre eine ehemalige Nonne, die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme als Leiterin eines Kinderheims tätig war, und eine Näherin mit einer Beinamputation. Die Mutter von Gendun Choekyi Nyima, dem vom Dalai Lama anerkannten Panchen Lama, sitze entgegen chinesischen Beteuerungen ebenfalls im Gefängnis.

Zwei Drittel der 136 männlichen tibetischen politischen Gefangenen in der Liste von TIN sind Mönche, ehemalige Mönche oder reinkarnierte Lamas (Tulkus), die meisten davon aus den Klöstern Ganden und Drepung in Lhasa und Serwa im Distrikt Pashoe der Präfektur Chamdo. Etliche Mönche kommen auch aus Achog und Khangmar im Distrikt Kakhog (Hongyuan) der "Tibetisch und Qiang Autonomen Präfektur Ngaba", aus Kardze Gepheling im Distrikt Kardze, TAP Kardze, aus dem Buddhistischen Institut Serthar im Distrikt Serthar, TAP Kardze, aus Themthog im Distrikt Dzogang der Präfektur Chamdo und aus Tsanden im Distrikt Sog der Präfektur Nagchu (TAR). Bei den übrigen Häftlingen handelt es sich um Bauern, Hirten, Händler, Kaufleute, Geschäftsleute, Angehörige anderer Berufe und Studenten.

Ngawang Phuljung, Ngawang Gyaltsen, Ngawang Oezer und Jamphel Jangchub - alle aus dem Kloster Drepung - sind die Gefangenen mit den längsten Strafen. Ein jeder von ihnen verbüßt trotz eines geringfügigen Strafnachlasses 15 Jahre. China stempelte sie als die Anführer der Demonstration der Drepung-Mönche vom 27. September 1987 in Lhasa ab, die den Auftakt zu einer Welle von massiven Demonstrationen und Protestversammlungen über die nächsten 10 Jahre darstellte. Tenzin Deleg Rinpoche ist derzeit der bekannteste politische Gefangene.

Von den TIN bekannt gewordenen insgesamt 101 Festnahmen seit 2000 erfolgten zwei Drittel (68) außerhalb der TAR, und über die Hälfte (53) in den tibetischen Regionen der Provinz Sichuan. Der Prozentsatz der politischen Häftlinge in der TAR fiel zwischen 2002 und 2003 von 71% auf 62%. Siebzig Prozent der 90 politischen Gefangenen in der TAR sind in Drapchi inhaftiert. Der Anteil an politischen Gefangenen aus Gebieten außerhalb der TAR stieg von Ende 2002 bis Ende 2003 von 27% auf 37%.

Von den 145 TIN bekannten politischen Gefangenen wurden vermutlich 91 (63% der Gesamtzahl) vor Gericht gestellt und gerichtlich verurteilt. Von neun Häftlingen (davon acht aus dem Distrikt Kardze) wird angenommen, daß sie Administrativstrafen verbüßen (Umerziehung-durch-Arbeit oder laojiao). Bei 45 Fällen (31% der Gesamtzahl) ist nicht bekannt, ob sie durch ein Gericht verurteilt wurden und wie hoch ihr Strafmaß ist.

Es wird vermutet, daß fünf der weiblichen und 58 der männlichen politischen Gefangenen im Drapchi-Gefängnis in Lhasa einsitzen. Von 61 Drapchi-Häftlingen, bei denen die Länge der Haftstrafe bekannt ist, verbüßen bis auf 14 alle Strafen von über zehn Jahren. Fünf Männer verbüßen eine über 15-jährige Haftstrafe in der im Distrikt Pome, Präfektur Kongpo (TAR), gelegenen Haftanstalt Powo, die jetzt offiziell in Pome (Bomi) Gefängnis umbenannt wurde. Das Gefängnis von Ngaba (Aba) im Distrikt Maowun, Tibetisch und Qing Autonome Präfektur Ngaba, Provinz Sichuan, zählt neun tibetische politische Gefangene (die größte Zahl außerhalb der TAR), die Strafen von einem bis zu 14 Jahren verbüßen.

Neun tibetische politische Gefangene leisten vermutlich auf administrativem Wege erlassene Strafen ab: Einer in der TAR-Anstalt zur Umerziehung-durch-Arbeit Trisam, der Rest in Sichuan in dem PSB-Haftzentrum des Distrikts Kardze oder in dem laojiao Mianyang.

TIN berichtete weiterhin von bislang 41 bestätigten Todesfällen politischer Gefangener als Folge von Mißhandlungen in der Haft, wozu noch drei Fälle kommen, bei denen die Todesursache nicht geklärt ist, und einer, der noch nicht bestätigt wurde. Die meisten dieser Todesfälle ereigneten sich von Mitte bis Ende der neunziger Jahre, während es 2002 und 2003 je einen bestätigten Fall gab. TIN zufolge ist es ungewiß, ob der Tod des 71-jährigen Yeshe Gyatso aus Lhasa, der im Januar 2004 zwei Monate, nachdem er aus medizinischen Gründen aus Drapchi entlassen worden war, verstarb, körperlicher Mißhandlung zuzuschreiben ist.

Für den ausführlichen Originalbericht von TIN auf Englisch siehe: TIN Special Report 06 February 2004:
Current Trends in Tibetan Political Imprisonment: Increase in Sichuan; Decline in Qinghai and Gansu
http://www.tibetinfo.co.uk/news-updates/2004/0602.htm