6. August 2002
Tibet Information Network

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Pilgerreisen zum Kailash eingeschränkt, besonders für Regierungsbeamte

Tibetische Regierungsangestellte in Lhasa wurden dieses Jahr während der buddhistischen Festperiode Sagadawa im Mai und Juni (der in 12 Jahren glückverheißendsten Zeit für eine derartige Reise) daran gehindert, zum Berg Kailash zu pilgern. Der in der Präfektur Ngari (chin. Ali) gelegene Mt. Kailash, der sowohl Buddhisten als auch Hindus als eine heilige Stätte gilt, wird nun auch von der chinesischen Regierung als ein beliebtes Touristenziel gefördert. Aus den TIN zugegangenen Berichten geht hervor, daß dieses Jahr tibetischen Regierungsangestellten jedoch von ihren Vorgesetzten und von den "Nachbarschaftskomitees" erklärt wurde, daß sie riskierten, ihre Pension und sogar noch ihre Arbeitsstelle zu verlieren, wenn sie während Sagadawa zum Kailash pilgerten. Schon seit mehreren Jahren gibt es Einschränkungen allgemeiner Art für den Besuch des Kailash; so müssen sich die meisten tibetischen Pilger eine Erlaubnis besorgen, um den heiligen Berg umrunden zu dürfen. Zuweilen verbieten die Behörden ohne irgendeine Erklärung sowohl ausländischen Touristen als auch tibetischen Pilgern den Zugang zu der Kailash Gegend.

Die Restriktionen für tibetische Pilger zum Besuch des Bergs Kailash wurden dieses Jahr noch strenger gehandhabt, weil es als eine besondere günstige Zeit für eine solche Pilgerfahrt gilt. Dem Sagadawa Fest, welches die Erleuchtung und den Tod Buddhas und einigen Traditionen zufolge auch seine Geburt markiert, kommt nämlich im Jahr des Pferdes (2002) eine besondere Bedeutung zu (1).

Die Beschaffung einer Genehmigung zum Besuch des Kailashs bedeutet für Tibeter oft einen komplizierten und langwierigen bürokratischen Prozeß, besonders für diejenigen ohne Beziehungen zu den maßgeblichen Beamten. Ein tibetischer LKW-Fahrer aus der Präfektur Ngari berichtete TIN, daß Pilger aus seiner Gegend zuerst ihre Adresse von der Gemeindeverwaltung ihres Wohnortes bestätigen lassen und von dort ein Registrierungsformular holen müssen, mit dem sie dann zu dem Public Security Bureau (PSB) ihres Distrikts zur weiteren Bestätigung, und danach noch zu dem regionalen PSB gehen müssen. Die endgültige Genehmigung erteilt schließlich die Militärkommandantur der Region Ngari. Auf allen Stufen dieses Prozesses werden natürlich Gebühren erhoben. Andere von TIN befragte Tibeter berichteten von ähnlichen Prozeduren. Trotz dieser bürokratischen und anderen Hindernisse sollen dieses Jahr während Sagadawa mindestens 10.000 Pilger den Mt. Kailash besucht haben, wobei die Anzahl derjenigen, die aus Kham und Amdo kamen (Regionen in Osttibet, die jetzt zumeist in Qinghai und Sichuan inkorporiert sind) weit über der aus Zentraltibet lag.

Eine Touristin aus dem Westen, die während der Sagadawa Festzeit am Berg Kailash war, sagte, es sei dort zwar nicht viel an unformiertem Sicherheitspersonal zu sehen gewesen, doch habe sie den Eindruck gehabt, daß die Behörden ihre Gruppe ganz genau im Auge behielten und dafür sorgten, daß sie nicht von der vorgezeichneten Pilgerroute abwich. Die Touristin erzählte: "Am Tag unserer Ankunft stiegen wir einen Hügel hinauf, auf dem einige Gebetsfahnen wehten. Als wir außer Atem kamen und anhalten mußten, erklärte uns plötzlich ein Mann in Uniform, der unauffällig hinter uns hergelaufen war, daß wir nicht weiter gehen dürften, weil hinter dem Grat eine Sperrzone beginne. Einen Grund gab er nicht an. Er sprach gut Englisch und war sehr höflich".

Die Chinesen hatten den Mt. Kailash für dieses Jahr als ein besonderes Touristenziel ausersehen. Am 31. Dezember berichtete Xinhua: "Die Präfektur Ngari begeht 2002 das Jahr des Tourismus, ein Jahr, in dem Zehntausende von Pilgern kommen werden, um in dieser Region am heiligen Berg und am heiligen See (Manasarovar) zu beten... Die Behörden in der Präfektur haben sich bemüht, den Pilgern besondere Serviceleistungen zu bieten, indem sie eine spezielle Transportmöglichkeit zwischen der Präfekturhauptstadt, dem Berg und dem See einrichteten und entlang der Pilgerroute für bessere Unterkunft und Verpflegung sorgten." Die Behörden von Ngari bauten auch ein großes Tor im chinesischen Stil auf dem Anmarschweg zum Kailash.

Die von TIN in den letzten zwei Jahren dokumentierten Einschränkungen für Touristen und Pilger lassen darauf schließen, daß die Sicherheitsinteressen in der Region weiterhin gegenüber der Behandlung des heiligen Berges als Touristenattraktion Vorrang genießen. Die chinesischen Behörden betonten wiederholt, wie wichtig es sei, den Tourismus in der Gegend "zu managen". Die Kailash-Gegend, die nicht weit von den politisch heiklen Grenzgebieten entfernt liegt, durch welche auch einer der Hauptfluchtwege für Tibeter nach Nepal führt, wurde in den vergangenen zwei Jahren schon mehrmals sowohl für Pilger als auch für westliche Touristen gesperrt. Eine Trekker-Gruppe aus dem Westen, die den Kailash im Juni 2001 besuchen wollte, wurde von ihrer nepalesischen Reiseagentur informiert, daß die Kailash-Region für Touristen aus "innenpolitischen Gründen" geschlossen worden sei. Man glaubt, daß die Behörden das Reiseverbot aus Bedenken wegen eines von dem "Tibetan Youth Congress" (TYC) geplanten Friedensmarsches von Indien nach Tibet erlassen haben könnten (2). Der Marsch wurde dann von indischen Sicherheitskräften angehalten, noch ehe er die indisch-tibetische Grenzregion überhaupt erreicht hatte. Im September 2001 wurde die Gegend wieder dicht gemacht, wahrscheinlich wegen gewisser Truppenbewegungen in der Region. Kurz nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 berichteten Touristen, daß sie große Truppenkonvois, Panzer und Flugabwehrgeschosse gesehen hätten, die von Lhasa und Shigatse in Richtung der Grenzen der Autonomen Region Tibet bewegt wurden.

(1) Dem tibetischen Buddhismus zufolge bringt die Umwanderung des Berges Kailash und des Manasarovar Sees im Jahr des Pferdes, besonders während des Sagadawa Festes, viel größere Verdienste als zu jeder anderen Zeit. Man hatte daher damit gerechnet, daß in diesem Jahr während Sagadawa eine größere Zahl von Tibetern als in den Vorjahren den Berg besuchen würde. Das nächste Jahr des Pferdes ist 2014.

(2) Der Tibetische Jugendkongreß (TYC) ist eine Exil-Organisation mit Sitz in Dharamsala.

Bilder des Sagadawa Festes am Mt. Kailash 2002 sind auf der Website von TIN zu sehen unter:

www.tibetinfo.net/reports/trel/sagadawa1.htm
www.tibetinfo.net/reports/trel/sagadawa2.htm
www.tibetinfo.net/reports/trel/sagadawa2.htm

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