23. Dezember 2021
Free Tibet, www.freetibet.org

Tibetische politische Gefangene kann nach Folter im Gefängnis nicht mehr gehen

Dolkar wurde zu einer Gefängnisstrafe und Zwangsarbeit verurteilt, weil sie die Wahrheit über die Verhaftung ihres Neffen gesagt hatte.

Dolkar, eine ehemalige tibetische politische Gefangene aus dem Bezirk Sershul in Kardze, Osttibet, ist bettlägerig, nachdem sie über ein Jahr lang im Gefängnis gefoltert und ihr die medizinische Versorgung versagt wurde.

Obwohl sie am 15. August 2020 freigelassen wurde, ist sie aufgrund der Verletzungen, die sie durch Schläge der Polizei, Folter und Zwangsarbeit erlitten hat, gelähmt und kann nicht mehr gehen. Während sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert, bleibt ihr Neffe Wangchen im Gefängnis und verbüßt eine viereinhalbjährige Haftstrafe; ihre beiden Kinder werden von Verwandten betreut.

Dolkar ist seit der Zeit im Gefängnis, in der sie Zwangsarbeit verrichten mußte, bettlägerig, von der Hüfte abwärts gelähmt und nicht in der Lage, selbständig zu gehen.

Einer lokalen Quelle zufolge „wurde sie im Gefängnis gefoltert, gezwungen, Steine zu heben und andere schwere Arbeiten zu verrichten, so daß ihr Körper völlig zerschunden ist. Sie wurde nicht rechtzeitig medizinisch betreut, weshalb ihre Gliedmaßen gelähmt und unbeweglich sind. Auch nach einjähriger medikamentöser Behandlung und mehreren Arztbesuchen hat sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert. Statt dessen ist sie bettlägerig und kann weder gehen noch stehen.“

Dolkars Verhaftung steht im Zusammenhang mit der Verhaftung ihres Neffen und drei weiterer Tibeter, die den 30. Geburtstag des Elften Panchen Lama, Gendun Choekyi Nyima, feierten (1). Er ist neben dem Dalai Lama eine der wichtigsten Persönlichkeiten des tibetischen Buddhismus. 1995 wurde der Panchen Lama im Alter von sechs Jahren von der chinesischen Regierung entführt. Seitdem fordern die Tibeter Informationen über seinen Aufenthaltsort und sein Wohlergehen. In den letzten Jahren begingen sie alljährlich am 25. April in der Stadt Domda seinen Geburtstag, indem sie vom 20. bis 29. April große Reinigungsaktionen durchführten und rituelle Opfergaben darbrachten.

Am letzten Tag dieser einwöchigen Reinigungsaktion im April 2019 brachten Wangchen, Lobsang, Yonten, alle um die 20, und ein nicht identifizierter Freund auf einem zum Kloster von Sershul gehörenden Hügel Gebetsfähnchen an und umrundeten es. Sie riefen Slogans und forderten die sofortige Freilassung des Panchen Lama und daß er wieder mit dem Dalai Lama vereinigt werde. Als sie gegen 10.30 Uhr nach Hause zurückkehrten, wurden sie sofort von der Polizei verhaftet. Der Unbekannte wurde freigelassen, als die Polizei merkte, daß er taubstumm war.

Am 3. Mai 2019 gegen Mittag kamen Sicherheitskräfte zu Dolkars Haus und verhafteten sie. Am 8. Mai 2019 verurteilte das Mittlere Volksgericht Sershul sie zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis wegen Zusammenarbeit mit illegalen Organisationen und Weitergabe von Informationen über die oben genannten Verhaftungen an Tibeter, die außerhalb Tibets leben. Wangchen, der ebenfalls vor dasselbe Gericht geladen war, wurde zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Yonten und Lobsang hingegen wurden zu einer Geldstrafe von jeweils 15.000 Yuan verurteilt und mußten sechs Monate lang an einem politischen Umerziehungskurs über „Fragen der nationalen Sicherheit“ im Fachbereich für nationale Bildung von Sershul teilnehmen.

Dolkar, Wangchen, Lobsang, Yonten 2019

Die Gefängnisstrafen waren Anlaß für eine Kampagne von Free Tibet, die sich gegen die örtlichen Behörden richtete. Tausende schlossen sich dieser Aktion an und forderten die Freilassung von Dolkar und Wangchen.
Seit Wangchen verhaftet wurde, durfte seine Familie ihn nur einmal besuchen, erklärte die Quelle. Da Wangchen weiterhin im Gefängnis sitzt und seiner Familie unter dem Vorwand von Covid-Bedenken Besuche von den chinesischen Behörden verweigert werden, „macht sich seine Familie große Sorgen um seine Gesundheit“, berichtete die anonyme Quelle. Zwei aktuelle Fotos von Dolkar, die Wangchen liebevoll Achi Dolkar, d.h. große Schwester, nennt, zeigen sie im Bett liegend am Fenster und auf einen Stapel Decken gestützt, um aufrecht sitzen zu können.

(1) 9. Mai 2019, Tibeter zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er für die Freiheit des Panchen Lama laut betete, http://www.igfm-muenchen.de/tibet/ftc/2019/Wangchen-und-Dolkar_9.5.19.html