23. August 2018
Free Tibet, www.freetibet.org

Tashi Wangchuks Berufung gegen sein Gerichtsurteil zurückgewiesen

Im Mai war der Verfechter der tibetischen Sprache Tashi Wangchuk unter der Anklage der „Aufhetzung zum Separatismus“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Heute teilte Liang Xiaojun, der Anwalt dieses politischen Gefangenen, über Twitter mit, daß der Einspruch seines Mandanten am 13. August abgelehnt wurde. Sein Urteil auf fünf Jahre Gefängnis bleibt somit bestehen. In dem Tweet heißt es, daß „weder Tashi Wangchuks eigene Argumentation noch die Argumente seiner Verteidiger akzeptiert wurden“. Tashi Wangchuk wird nun bis 2021 in Haft bleiben müssen.

Tibet-Unterstüzungsgruppen in aller Welt sind frustriert über diese Nachricht. Um Tenzin Jigdal vom International Tibet Network, einem Netzwerk von weltweit 170 Initiativen, zu zitieren: „Chinas Zurückweisung von Tashi Wangchuks Einspruch ist ein Hohn auf die Gerechtigkeit und zeigt die Verachtung, die China für die internationale Besorgnis, die dieser Fall hervorrief, hegt. Unsere Bewunderung für Tashis Mut und Widerstandskraft ist größer denn je, und wir werden nicht nachlassen, uns um seine sofortige und bedingungslose Freilassung zu bemühen.“

Tashi Wangchuk, photo: UNPO

Wer ist Tashi Wangchuk?

Tashi Wangchuk ist ein 33 Jahre alter Ladeninhaber und Befürworter der Landessprache aus dem Bezirk Kyegudo in der Region Kham in Tibet (chin. TAP Yushu, Provinz Qinghai). Als die Behörden anordneten, daß die Tibetisch-Klassen geschlossen werden, begann er sich wegen des Mangels an tibetischsprachigem Unterricht Sorge zu machen, denn seinen zwei jungen Nichten bleibt nun keine Möglichkeit mehr, ihre Muttersprache zu lernen.

Ende 2015 wurde er von der New York Times über seine Bemühungen zur Förderung des Unterrichts in Tibetisch interviewt, woraufhin die New York Times einen Artikel herausbrachte und ein Dokumentarvideo auf ihre Website stellte.

Er bestand darauf, daß sein Interview trotz der starken Beschränkungen der Redefreiheit in Tibet, einem Land, das seit den Fünfzigern von China militärisch besetzt ist, dokumentiert wird. Er betonte auch, daß sein Einsatz für die Muttersprache nicht politisch sei und daß er die chinesische Regierung nicht kritisieren wolle und keine Unabhängigkeit für Tibet fordere.

Über ganz offizielle Kanäle versuchte er von der chinesischen Regierung eine Garantie für die Fortsetzung des Tibetisch-Unterrichts zu erlangen, denn er wollte unbedingt den Verfall der tibetischen Sprache und die damit verbundene Bedrohung der tibetischen Kultur aufhalten. Trotzdem wurde er im Januar 2016 festgenommen und an einem geheimen Ort inhaftiert. In der Untersuchungshaft hatte Tashi Wangchuk keinen Kontakt zu seiner Familie, und er wurde dort Folter und Mißhandlung unterzogen.

Erst im Januar 2018 wurde er vor Gericht gestellt, nachdem er seit seiner Verhaftung fast zwei Jahre hinter Gittern verbracht hatte. Der Prozeß fand schließlich hinter verschlossenen Türen statt. Journalisten und Diplomaten aus dem Ausland, die sich vor dem Gerichtsgebäude eingefunden hatten, um die Verhandlung zu beobachten, wurde der Einlaß verwehrt. Wir wissen jedoch, daß das Video der New York Times als ein Hauptbeweisstück gegen Tashi Wangchuk vorgeführt wurde. Einige Monate später, am 22. Mai 2018, wurde er der „Aufhetzung zum Separatismus“ schuldig gesprochen und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, wobei  die Zeit, die er in der Untersuchungshaft verbrachte, berücksichtigt wird.   

Inzwischen ist er zu einem der namhaftesten politischen Gefangenen Tibets geworden: Tibeter, Tibet-Unterstützer, Menschenrechtsorganisationen, UN-Experten, Sprachwissenschaftler und Regierungen, sie alle fordern seine Freilassung.

Erst kürzlich kam sein Fall bei dem Treffen des UN-Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung Anfang August zur Sprache, als die UN-Mitarbeiter von den chinesischen Delegierten eine Erklärung für seine Festnahme forderten. Die Delegation antwortete mit der Behauptung, Tashi Wangchuk sei wegen Handlungen gegen den „Bestand des Staates“ festgenommen worden.

Tashi Wangchuks Gerichtsdokument


Warum wurde die Berufung zurückgewiesen?

Das Gericht bestätigte Tashi Wangchuks ursprüngliche Verurteilung wegen „Aufhetzung zum Separatismus“. In einem Free Tibet zugespielten und übersetzten Gerichtsdokument ist die Argumentation des Richters nachzulesen:

„Das ursprüngliche Urteil lautet, daß der Angeklagte, Tashi Wangchuk, das Interview gab und aktiv an dem Video beteiligt war, wobei er Aussagen machte, welche die Solidarität in der Nation und die Einheit des Staates untergraben. Der Angeklagte hatte subjektiv die Absicht, zum Separatismus aufzuhetzen und unternahm objektiv Handlungen der Aufhetzung zum Separatismus. Deshalb stellen seine Handlungen ein Verbrechen dar, und er sollte bestraft werden. Das Verbrechen, dessen ihn der Ankläger beschuldigt, ist somit ermittelt. Die Verteidigung von Tashi Wangchuk und seiner Anwälte richtet sich sowohl gegen das Gesetz als auch gegen die Wahrheit, und sie werden daher nicht akzeptiert.

Ein Bürger darf Kritik üben und staatlichen Einrichtungen oder Beamten Anregungen geben, aber diese dürfen nicht erfunden oder entstellt sein. Tashi Wangchuk entstellte als eine Person, die voll fähig ist, rechtliche Verantwortung zu tragen, die Wahrheit, als er von den ausländischen Medien interviewt wurde, und er kritisierte die staatliche Politik den nationalen Minderheiten gegenüber, weshalb er den Tatbestand der Untergrabung der nationalen Solidarität und der staatlichen Einheit erfüllte. Mit seinen Handlungen verletzte er absichtlich die gesetzliche Untergrenze der Redefreiheit, weshalb die Argumentation seiner Berufung und die der Verteidigung nicht akzeptiert werden können“.

Eleanor Byrne-Rosengren, die Vorsitzende von Free Tibet, kommentierte hierzu:

„Nachdem China kürzlich vom UN-Ausschuß für die Beseitigung der Rassendiskriminierung Kritik erntete und die dritte Universelle Periodische Überprüfung des UN-Menschenrechtsrats im November bevorsteht, versäumte Peking eine Gelegenheit, eine schwere Ungerechtigkeit zu korrigieren. Statt dessen haben die Chinesen überdeutlich klargemacht, daß sie sich auf die nationale Sicherheit berufen, um jegliche Aktivität, die ihnen gegen den Strich geht, zu unterdrücken. Sie scheinen sich dabei ganz wohl zu fühlen, die Rechtsgrundsätze zu beugen, wenn es ihren eigenen Zwecken dient.“

Tashi Wangchuk ist nur einer von vielen Tibetern, die des Verbrechens der „Aufhetzung zum Separatismus“ überführt wurden. Dieses vage formulierte Staatssicherheitsgesetz wird von der chinesischen Besatzungsmacht immer wieder gegen einen jeden Tibeter herangezogen, dessen Aktivitäten sie für unerwünscht erachten. Tashi Wangchuk wurde gemäß diesem Gesetz für schuldig befunden, trotz der Tatsache, daß die Rechte ethnischer Minderheiten vom chinesischen Gesetz garantiert werden. Dazu gehört auch das Recht auf den Gebrauch der eigenen Sprache.

Der Datenbank des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy zufolge wird die Zahl der tibetischen politischen Gefangenen, die sich derzeit in Haft befinden, auf zweitausend geschätzt. Viele von ihnen sitzen hinter Gittern wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung, ihrer kulturellen und religiösen Rechte, weil sie Informationen über die Verletzung der Menschenrechte an die Außenwelt geschickt haben und wegen anderer Handlungen, die im internationalen Recht Schutz genießen. 

Tashi Wangchuk beging kein Verbrechen, weder nach dem chinesischen noch nach dem internationalen Gesetz, und sollte daher sofort freigelassen werden. Senden Sie einen diesbezüglichen Appell an den chinesischen Justizminister:

https://secure.freetibet.org/free-tashi-wangchuk?utm_campaign=TashiWangchuk&utm_source=news&utm_term=appealdenied_ta