13. Dezember 2016
Free Tibet, www.freetibet.org

Der Tibeter, der sich kürzlich selbst verbrannte, forderte Freiheit in Tibet, Demokratie in China

Es ist ein von Tashi Rabten, der sich am 9. Dezember selbst verbrannte, verfaßtes Schreiben aufgetaucht, in dem er die Gründe für sein Tun erklärte.

In dem Brief, der das Datum seines Todes trägt, schrieb Tashi Rabten, daß die Tibeter nun dazu bestimmt sind, sich selbst aus Protest gegen den Verlust ihres Glaubens und ihrer Nation zu verbrennen. Er blickt zurück auf die Geschichte der Besetzung Tibets, betont die friedliche Natur des tibetischen Widerstandes und stellt sie den Gewaltakten unter der chinesischen Besatzung gegenüber. „Wir Tibeter fürchten uns nicht von dem Tod“.

Tashi Rabten

Ein Thema, das Tashi Rabten aufgreift, ist die Zerstörung der tibetischen Klöster. Er beschreibt, wie Panzer und Bagger eingesetzt werden, um die Tempel und die Wohnbereiche der Mönche niederzuwalzen. Diese Zerstörung ist Teil eines allgemeinen Angriffs auf die Religion in Tibet, Mönche und Nonnen wurden geschlagen, mißhandelt und erschossen, Reliquien wurden geplündert.

Er vergleicht die Zerstörung Tibets durch die Chinesen mit den Verbrechen, die japanische Besatzungstruppen während des 2. Weltkriegs in China begingen. Dabei bezieht er sich auf die Politik der verbrannten Erde, mit welcher die Kaiserlich Japanische Armee vorging, und die in der chinesischen Geschichte als die „Politik der dreifachen Auslöschung“ bekannt ist, nämlich „alles niederbrennen, niedermetzeln, ausplündern“.

Tashi Rabten beendet seinen Brief in entschiedenem Ton: „Ich hoffe, ihr denkt nicht, daß ich scherze. Ich meine es wirklich ernst. Ich möchte den Menschen mitteilen, daß wir Tibeter uns nicht vor dem Tod fürchten; um die Sache jedoch friedlich zu lösen, blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbst zu verbrennen, um die Leute zu warnen“.

Zum Schluß bringt er den Wunsch zum Ausdruck, daß die Tibeter „als dort geborene Menschen in ihrem eigenen Land leben können“. Am selben Nachmittag noch zündete er sich auf einer Straße von Machu an und erlag später seinen Verletzungen.

Tashi Rabtens Brief ist auf Chinesisch geschrieben und scheint mit Hilfe eines Freundes verfaßt worden zu sein, unterschrieben ist er lediglich mit dem Pseudonym „Feuervogel“. Hier folgt der volle, übersetzte Text:

„Ich bin Tibeter, und deshalb bin ich kein Chinese. Als Tibeter, der einen chinesischen Paß hat, möchte ich laut hinausschreien: „Menschenrechte und Demokratie für 1,3 Millionen Menschen“. Und weil ich ein wahrer Tibeter bin, möchte ich sogar noch lauter aufschreien für uns Tibeter, für unsere Nation und unsere Freiheit.

Heute werde ich weit weg gehen von dieser Welt, aber ich glaube, ich komme dem näher, woran wir Tibeter glauben. Wir sind dazu bestimmt, so einem Pfad zu folgen, um das, was wir bereits verloren haben, wiederzuerlangen, und was uns immer mehr entschwindet: unser eigenes tibetisches Heimatland. Wir sind dazu bestimmt, uns selbst zu verbrennen aus Protest, daß man uns von unserem eigenen Glauben und unserer Nation getrennt hat.

Wir möchten unserem Rinpoche folgen. Wir verfolgen nur einen friedlichen Weg, um das Problem Tibet-China zu lösen. Was wir Tibeter auf keinen Fall wollen, und was wir verabscheuen, ist ein Massaker, wie es 1958 von den chinesischen Truppen veranstaltet wurde, oder die unmenschliche Invasion von damals.

Genauso wenig wollen wir des „brutalen Schlagens, Zertrümmerns und Plünderns“ angeklagt werden, wie wir es 2008 wurden. Abgesehen von den Han-Chinesen in China, glaubte fast niemand auf der ganzen Welt, daß Tibeter „brutal schlagen, zertrümmern und plündern“.

Die meisten Han-Chinesen in China wurden einer Gehirnwäsche unterzogen, und dieser Prozeß dauert so fort und fort seit der Gründung der Volksrepublik China. Sie singen die „kommunistische Nationalhymne“, behalten den „großen Führer“ in ihren Herzen und arbeiten hart für die „vier Modernisierungen“ Chinas. Das chinesische Volk hat jetzt solche Gedanken und wird daran festhalten.

Diejenigen, die 2008 wirklich das „brutale Schlagen, Zertrümmern und Plündern“ ausübten, waren niemand anderes als die von der chinesischen Regierung geschickten Streitkräfte und die Armee. In ganz Tibet waren sie es, die „um sich schlugen, zertrümmerten, plünderten, töteten“.

In jenem Jahr kritisierten die Chinesen die japanische „Politik der dreifachen Auslöschung“. Vielleicht ist das ein müßiges Thema, vielleicht ist diese Art von Tragödie schon geschehen. Ich kann es nicht sagen. In Wahrheit gibt es für mich als Tibeter keine historische Feindschaft zwischen mir und dem japanischen Volk. Ich mag Japaner, ich respektiere Japaner.

Doch die chinesische Armee hat diese Politik tatsächlich betrieben, in ganz Tibet, und besonders in einem jeden Kloster.

Sie schlugen uns Tibeter erbarmungslos, sie schlugen unsere tibetischen Mönche. Sie zerstörten die Statuen unserer Gottheiten in den tibetischen Klöstern. Sie plünderten die historischen Reliquien. Sie erschossen unsere tibetischen Nonnen, Mönche und Klosterschüler. Sie töteten auch viele Menschen, die auf Pilgerfahrt nach Lhasa waren.

Die Politik des Niederbrennens von Klöstern in tibetischen Gebieten 1958 wurde heute ersetzt durch Panzer und Bagger. In den letzten Jahren wurden viele Klöster und Wohnquartiere der Mönche durch Panzer und Baggern zerstört, sowohl von den von der chinesischen Regierung geschickten Truppen als auch der bewaffneten Polizei.

Das war meine Botschaft an euch. Ich hoffe, ihr denkt nicht, daß ich scherze, ich meine es ernst. Ich möchte, daß alle Leute wissen, daß wir Tibeter uns nicht vor dem Tod fürchten, aber um die Sache friedlich zu lösen, habe ich keine andere Wahl als mich selbst zu verbrennen. Ich möchte die Menschen warnen. Das tibetische Volk braucht den Segen anderer Leute und Mitgefühl. Wir sollten wie dort geborene Menschen in unserem eigenen Land leben können. Mögen die Tibeter lange leben! Möge Seine Heiligkeit der Dalai Lama lange leben!“

Machu, 8. Dezember 2016

Feuervogel