2. Juli 2013
Radio Free Asia, www.rfa.org

Das Damoklesschwert der “Disneyfizierung” hängt mit der Planung eines neuen Hotels über Lhasa

Ein Fünf-Sterne-Hotel einer großen Internationalen Hotelkette, das in Lhasa im Bau ist, könnte in dieser einst altehrwürdigen Stadt zur Folge haben, dass noch weitere derartige kommerzielle Unternehmen sich dort niederlassen, die dann das kulturelle Erbe Tibets noch mehr aushöhlen werden.

„Free Tibet“, London, startete eine Kampagne zum weltweiten Boykott der Hotels der InterContinental Hotels Group (IHG) wegen des neu geplanten „Resort Lhasa Paradise“ dieser Gruppe, denn der Betrieb des neuen Hotels mit 1.100 Zimmern ignoriere das bedrückende, repressive, politische Klima, in dem die Tibeter dort leben müssen.

Der Boykott folgt auf ähnliche Kampagnen von Free Tibet und anderen Menschenrechtsgruppen gegen eine von der chinesischen Regierung unternommene Renovierung des traditionellen Altstadtviertels von Lhasa und des Barkhor um den heiligen Jokhang Tempel herum, sowie der Pläne für einen tibetischen Vergnügungspark an der Peripherie der Stadt.

Einkaufsmeile am Barkhor in Lhasa (Bild: Woeser)

Das Hotel von IHG, das jetzt etwa 4 km vom Barkhor entfernt am Stadtrand gebaut werden soll, wird noch mehr chinesische Touristen in die Gegend locken und indirekt weitere Projekte wie die Barkhor-Renovierung, die die tibetische Kultur ihres Gehaltes beraubt, nach sich ziehen.

„Mit 1.100 Zimmern wird es das bei weitem größte Luxus-Hotel in Lhasa sein und hauptsächlich vom Geschäft mit China abhängen“, sagte Alistair Currie, Sprecherin von Free Tibet.

„Es werden wohlhabende, hauptsächlich chinesische Touristen kommen, deren Interesse an tibetischer Kultur sich auf die „Disneyland-Version“, die China immer mehr propagiert, beschränken wird.

Free Tibet nahm unter anderen internationalen Investitionsprojekten in der Autonomen Region Tibet (TAR) dieses Hotel für den Boykott ins Visier, weil es „der chinesischen Regierung kostenlose PR [Public Relations] liefern wird, diesem Regime, das für so schreckliche Menschenrechtsverletzungen in ganz Tibet verantwortlich ist“.

Seit es 2008 zu dem tödlichen Aufstand in Lhasa und seit 2009 zu den 120 Selbstverbrennungen in Tibet kam, hat Peking dort seine Militärpräsenz drastisch erhöht.

Free Tibet erhebt auch Einwände gegen die Beschäftigungspraxis in dem anvisierten Hotel, die Tibeter, die kein Chinesisch sprechen, stark benachteiligen könnte, sowie gegen dessen Konnexionen zu einem Immobilien-Magnaten in Sichuan, der, wie chinesische Medien berichten, wegen Korruption verurteilt wurde.

Ein Sprecher von IHG sagte, die Gesellschaft habe mit Free Tibet gesprochen, um die Einwände zu diskutieren. Die Gesellschaft sei der Ansicht, dass das Hotel, das 2014 eröffnet werden soll, die wirtschaftlichen Chancen in der Gegend fördern würde:

„Die Hotels von IHG schaffen Arbeitsplätze und fördern das Einkommen aus dem Tourismus an den betreffenden Standorten und werden damit dazu beitragen, den Lebensstandard in Lhasa und allgemein in Tibet zu erhöhen“. „Wir nehmen unsere Verpflichtungen in Sachen Menschenrechte und der Förderung der lokalen wirtschaftlichen Möglichkeiten sehr ernst“.

Free Tibet hingegen erklärt, dass das Hotel eine Politik begünstigen wird, die die Tibeter wirtschaftlich marginalisiert. „Geschäftsunternehmen hingegen, die im Besitz von Tibetern sind, können der Erhaltung der tibetischen Kultur förderlich sein und somit einen positiven Effekt haben“, indem beispielsweise Leute, die Tibetisch sprechen, eingestellt werden und dort Tibetisch gesprochen wird.

„Doch insgesamt ist es in einem besetzten und unterdrückten Land für jedes ausländische Unternehmen, und besonders in der Tourismus-Branche, kaum möglich, der Besatzung nicht direkt oder indirekt förderlich zu sein und so dem Regime zu dienen“.

Über 2.000 Personen unterzeichneten bereits eine Online-Erklärung zum Boykott der IHG-Hotels wegen des Ferienortes Lhasa. Die Gruppe organisierte Proteste vor den IHG Hotels in London und New York (1).

Trotz ähnlicher Online-Kampagnen von Menschenrechtsgruppen gegen die auf 244 Millionen US$ veranschlagte Renovierung der Barkhor-Gegend in Lhasa wurde dieses Projekt nun abgeschlossen, wie die staatlichen chinesischen Medien berichteten.

Über 100.000 Leute unterzeichneten eine Petition von Students for a Free Tibet, New York, mit dem Aufruf das Projekt einzustellen, und ein Blog der Schriftstellerin Woeser „Please save Lhasa“ machte die Runde durch Chinas Mikro-Blogs, ehe es entfernt wurde.

„Lhasa wird zerstört durch exzessive kommerzielle Entwicklung“, schrieb Woeser, und fügte hinzu, dass die Erneuerungspläne auch die Anlage einer 150.000 qm großen Einkaufsmeile am Barkhor beinhalten, wozu die bisherigen Bewohner und Läden weichen müssen.

Vergangenen Mont sandten über 100 Tibet-Experten einen Brief an Xi Jinping und die UNESCO, worin sie ausführten, dass die Renovierung und diese neuen Projekte die traditionelle Architektur der Stadt zerstören und den Jokhang Tempel und den Barkhor in eine „oberflächliche Touristen-Attraktion“ verwandeln werden.

In den staatlichen Medien heißt es, das Barkhor-Renovierungs-Projekt bezwecke die Modernisierung einer überholten Infrastruktur, indem das Abwassersystem, die Wasserversorgung überhaupt und die Stromleitungen ausgebaut würden.

Die UNESCO nahm den Jokhang-Tempel - der als der wichtigste Tempel in Tibet gilt - sowie andere Teile Lhasas wie den Potala Palast, in die Liste ihrer Welterbestätten auf.

Dieser Tempel war das symbolische Zentrum der tibetischen Proteste gegen die chinesische Herrschaft und der Barkhor war das Zentrum des tibetischen Widerstandes 2008. Im Mai vergangenen Jahres verbrannten sich zwei Tibeter vor dem Jokhang-Tempel.

Außerhalb der Stadt werden Pläne für einen Freizeitpark mit Kosten von 4,8 Mrd. US$ umgesetzt, der die tibetische Kultur trivialisiert und die politische Repression in der Region vertuscht.

Lhasa Resort (Screenshot aus Video von Free Tibet)

Peking hat die Sicherheitsmaßnahmen und die Restriktionen für Touristen in den letzten Jahren in der gesamten TAR immer mehr verschärft, doch die Regionalregierung behauptet, sie wolle den Tourismus in der Gegend fördern.

Den Staatsmedien zufolge besuchten letztes Jahr etwa 10 Millionen Touristen die TAR, wobei die jährliche Besucherzahl bis 2015 noch verdoppelt werden soll. Die überwältigende Mehrheit der Touristen kommt aus China, denn für ausländische Touristen und Journalisten besteht immer wieder ein Einreiseverbot.

(1) Boycott Intercontinental

Video von Free Tibet