13. Oktober 2008

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Acht tibetische Mönche wegen angeblicher Bombenattentate zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt

Kein fairer Prozeß – schwerste Bedenken wegen der Rechtmäßigkeit der Urteile

Wie aus einer zuverlässigen Quelle aus dieser Gegend verlautet, wurden im April 2008 acht tibetische Mönche verhaftet, weil sie angeblich am 23. März einen Sprengstoffanschlag auf ein staatliches Gebäude in der tibetischen Gemeinde Gyanbe (1) verübt hätten.

Die Mönche gehören alle dem Kloster Thangkya (chin. Tongxia) in Gyanbe (2), einer etwa 850 Meilen (1400 km) östlich von Lhasa gelegenen Stadt an.

Free Tibet Campaign erfuhr, daß die acht Mönche, deren Namen unten folgen, am 23. September von dem Volksgericht der Präfektur Chamdo verurteilt wurden. Der Quelle zufolge wurden im April insgesamt 11 Tibeter wegen des vermeintlichen Bombenanschlags festgenommen, aber am 23. September (3) wurde nur über acht von ihnen das Urteil gesprochen.

Ein Bericht in der der offiziellen Zeitung People’s Daily vom 14. April (4) besagt, daß alle Tibeter, die unter dem Verdacht an dem Bombenanschlag beteiligt gewesen zu sein, festgenommen wurden, die ihnen angelasteten Verbrechen gestanden hätten. Unsere Quelle aus der Region bestreitet dies jedoch und meint, die offizielle chinesische Darstellung des Ereignisses sei nicht glaubwürdig (5).

Das juristische Verfahren gegen die Mönche wurde völlig gemeingehalten, wie die Quelle angab. Üblicherweise würden die Angehörigen der Angeklagten über die Art der Anklagen informiert, ebenso wie über die Verurteilung. Es ist gleichfalls ungewöhnlich, daß im Falle eines angeblichen Bombenanschlags die Verurteilung nicht durch ein öffentliches Gericht erfolgte.

Unserer Quelle zufolge wurde der Fall gegen diese Mönche ohne die geringste gesetzliche Kontrolle und ohne ein faires juristisches Verfahren abgehandelt. Vom Zeitpunkt ihrer Verhaftung an bis zur ihrer Verurteilung war den Mönchen jeglicher Zugang zu ihren Angehörigen und einem Rechtsbeistand versagt, und das Gericht hat die Art der Anklageerhebung und die Verurteilung der Öffentlichkeit verschwiegen. Die Verwandten der Mönche rechneten damit, daß sie nach der Olympiade freigelassen werden würden. Statt dessen wurden die Mönche nach den Spielen verurteilt, ohne daß ihre Verwandten über den Urteilsspruch in Kenntnis gesetzt worden wären. Unsere Quelle erfuhr von der Verurteilung über einen nicht näher spezifizierten Kontakt.

Die Umstände dieses Sprengstoffattentats und der Verurteilung weisen eine verblüffende Ähnlichkeit zu den vielbeachteten Fällen von Tenzin Deleg Rinpoche, einem hochrangigen Lama, und Lobsang Dhondup (ein angeblicher Komplize von Tenzin Deleg) auf, die 2002 festgenommen und wegen der Beschuldigung der Mittäterschaft an einem Bombenattentat zum Tode verurteilt wurden (Tenzin Delegs Urteil wurde später in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt). Hierzu das US Congressional Executive Committee on China (CECC) (6): „Sowohl veröffentlichten als auch vertraulichen Berichten zufolge haben die Behörden der VRC beiden Männern den Zugang zu Besuchern und gesetzlichem Beistand verweigert und bei ihrer Vernehmung Zwangsmittel angewandt und sie während der Ermittlungsphase in der Untersuchungshaft geschlagen und gefoltert“.

Um die Direktorin von FTC, Stephanie Bridgen, zu zitieren:

„Dieser Fall demonstriert wie so viele andere die dringende Notwendigkeit, daß internationalen Medien und unabhängigen Gremien ein sofortiger und freier Zugang zu allen Gebieten Tibets ermöglicht wird, damit sie die Berichte willkürlicher Festnahmen und Mißhandlungen von Tibetern, die immer noch nach außen gelangen, unmittelbar überprüfen können. Die Spitzenpolitiker der Welt müssen mehr unternehmen, um einen wirksamen Druck auf die chinesische Führung auszuüben, damit sie Tibet endlich für eine unabhängige Untersuchungskommission öffnet.“

Siehe auch: "Zustände erinnern an die Kulturrevolution: Immer mehr Mönche werden aufgrund falscher Beschuldigungen verhaftet" vom 13. Mai 2008

Anmerkungen:

(1) Die offizielle tibetische Umschrift ist Kyabe im Bezirk Gonjo (chin. Gongjue) in der Präfektur Chamdo, TAR, des öfteren trifft man in Medienberichten auch auf „Gemeinde Gyanbe“ (chin. Xiangpi).

2) Die Urteile sind folgende:

  • Gyurmey Dhondup (chin. Jinmei Dunzhu), 28: lebenslänglich;
  • Kalsang Tsering, 20: lebenslänglich;
  • Dorjee Wangyal (chin. Duoji Wangjie), 31: 15 Jahre Gefängnis;
  • Rinchen Gyaltsan (chin. Renqing Jiangcun), 27: 10 Jahre Gefängnis;
  • Tsewang Yeshi (chin. Ciwang Yixi): 9 Jahre Gefängnis;
  • Kunga Phuntsok (chin. Genga Pingcuo),19: 10 Jahre Gefängnis;
  • Tsering Nyima, 21: 10 Jahre Gefängnis;
  • Trinley Wanggyal, 21: 5 Jahre Gefängnis.

(3) Zwei weitere Mönche des Klosters Thangkya wurden im April verhaftet. Einer, Tsering Wangdue (17), wurde entlassen, der andere, Sichod, 18, ist nicht unter den in Chamdo Verurteilten und war auch nicht mit diesen im Bezirksgefängnis von Gonjo inhaftiert. Seine Umstände und sein Verbleib sind unbekannt. Ein weiterer Tibeter, Tseten, 31, der in einem Laden im Kloster Tongxia arbeitete und auch im April im Zusammenhang mit der angeblichen Explosion verhaftet worden war, ist noch im Bezirksgefängnis von Gonjo. Tseten befindet sich nicht unter dem am 23. September Verurteilten.

(4) http://english.peopledaily.com.cn/90001/90776/90882/6392260.html

(5) Hintergrundinformationen:

Der Quelle zufolge herrschte bereits in den Monaten vor dem angeblichen Attentat eine gespannte Lage zwischen der Gemeindeverwaltung und den Mönchen des Klosters Thangkya wegen der Durchführung der patriotischen Umerziehung in dem Kloster. Die Mönche hatten 2007 auf den Verzehr von Fleisch verzichtet als Zeichen ihrer Unterstützung des Dalai Lama (2007 war das Jahr des Schweins, in dem auch der Dalai Lama geboren wurde, und die Tibeter glauben, die Wiederkehr eines Geburtsjahr sei unglückverheißend; sie gaben daher den Fleischgenuß auf, um etwas Verdienstvolles zu tun, damit der Dalai Lama sich guter Gesundheit und eines langen Lebens erfreuen möge.

Alarmiert über diese Solidaritätsbekundung der Mönche mit dem Dalai Lama, entsandten die lokalen Behörden im November 2007 eine Brigade in das Kloster, um dort die Mönche in Patriotismus zu unterrichten. Diese führte den Kurs einige Tage lang durch, beschimpfte dabei den Dalai Lama und verlangte von den Mönchen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem er verunglimpft wird. Die Mönche lehnten es ab, das Dokument zu unterschreiben. Die Kader kehrten nach drei Wochen zurück, doch die Mönche, die Angst hatten, daß sie den Dalai Lama kritisieren müßten, verweigerten die Kooperation und hängten statt dessen Free Tibet Plakate im Kloster auf.

Kurz bevor die großen Demonstrationen gegen die chinesische Herrschaft im März 2008 ganz Tibet erfaßten, traf Anfang März ein noch viel umfangreicheres Arbeitsteam für die patriotische Umerziehung in dem Kloster Thangyka ein. Es umfaßte Mitglieder des Amtes für religiöse Angelegenheiten sowohl auf Gemeinde- als auch auf Bezirksebene, und war von bewaffneter Polizei begleitet. Die Mönche mußten nun der Polizei melden, wenn sie das Kloster verlassen wollten, und sowohl Mönche als auch andere Tibeter wurden beim Überqueren der Brücke zwischen dem Kloster und der Stadt angehalten und durchsucht.

Der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge habe sich die Bombenexplosion am 23. März ereignet, aber seltsamerweise berichtete sie erst am 14. April darüber. Die Quelle berichtete, die Explosion habe sich in einem Gebäude ereignet, das sich auf demselben Gelände wie die Stadtverwaltung befindet, von dem man jedoch wußte, daß es leer stand und nicht mehr verwendet wurde. Die Regierungsgebäude liegen ziemlich nahe beim Kloster, weshalb die Mönche gewiß wußten, welches Gebäude leer war.

Die Quelle betont, wenn die Mönche wirklich Angehörige der Lokalverwaltung hätten töten wollen, wie Xinhua behauptet, dann hätten sie nicht in einem leeren Gebäude eine Explosion verursacht. Außerdem habe diese bei Nacht stattgefunden, und es habe keine Zeugen für das Geschehen auf dem Regierungsgelände gegeben.

Der Quelle zufolge wurden fünf Mönche auf die Explosion hin, bei der keine Personen zu Schaden kamen, festgenommen, wobei nicht klar ist, welche der oben genannten Mönche die zuerst Verhafteten waren. Daraufhin veranstalten die anderen Mönche eine Protestaktion in dem Kloster und forderten die Freilassung ihrer Mitbrüder. Dabei wurden weitere fünf Mönche und der Tibeter Tseten festgenommen.

Die Quelle meint, die zuerst verhafteten fünf Mönche hätten den Argwohn der Behörden auf sich gezogen, weil sie, lange ehe es zu der Bombenexplosion kam, der patriotischen Umerziehung Widerstand geleistet hätten, und fügt hinzu, die Explosion in einem unbenützten Gebäude sei von den Behörden selbst inszeniert worden, um die Festnahme der Mönche des Klosters Thangyka, die sich der patriotischen Umerziehung widersetzt hatten, zu rechtfertigen.

(6) http://www.cecc.gov/pages/news/lobsang.php