21. Februar 2020
Central Tibetan Administration, www.tibet.net

Gedenken an die Verfechter der Rechte der tibetischen Sprache am Internationalen Tag der Muttersprache

Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmedium. Sie ist ein Fenster zum reichen kulturellen Erbe und zum traditionellen Wissen einer Gesellschaft, das ihre einzigartigen Traditionen, ihre Erinnerungen, ihre Ausdrucksformen und ihren Glauben bewahrt. Die UNO weiß um die Bedeutung der Sprache und die Notwendigkeit, die sprachliche Vielfalt und Mehrsprachigkeit zu erhalten, erklärte die UNESCO heute, dem 21. Februar, an dem seit 2000 der Internationale Tag der Muttersprache in der ganzen Welt begangen wird.

Die  UNESCO­-Generalkonferenz (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) verabschiedete im November 1999 die Resolution 30C/62, mit der dieser Tag ausgerufen wurde, was 2002 von der UN-Generalversammlung gutgeheißen wurde. Der Internationale Tag der Muttersprache war eine Initiative von Bangladesh. Der Tag ist eine Würdigung der Universitätsstudenten von Bangladesh, die sich 1952 für die Sprache Bangla oder Bengali einsetzten und bei einer Protestkundgebung gegen die Einführung von Urdu als Nationalsprache durch Westpakistan (heute Pakistan) getötet wurden.

Tashi Wangchuk, Sonam Palden, Wangchuk


Dieser Kampf findet seinen Widerhall in der aktuellen Situation innerhalb Tibets. Obwohl China auf dem Papier alle Sprachen respektiert, verfolgt es in der Praxis eine monolinguistische Politik. China hat den tibetischen Schulen verboten, Tibetisch als Unterrichtssprache zu verwenden, wenn sie tibetische Schüler unterrichten. Statt dessen muß Mandarin verwendet werden. Eltern, die ihren Kindern die tibetische Sprache beibringen möchten, pflegten sie in den Ferien zum tibetischen Sprachunterricht zu schicken, der von den örtlichen Klöstern angeboten wurde. China verbot jedoch auch das. So gaben die chinesischen Behörden im Bezirk Nangchen, Qinghai, eine zwingende Anordnung heraus, in der den Klöstern der Tibetisch-Unterricht verboten wird, und forderten eine „ideologische Erziehung von Eltern und Kindern“, um die „starke Opposition“ niederzuschlagen. Darüber hinaus verlieren tibetische Graduierte aufgrund der großen Konkurrenz durch chinesische Graduierte, die fließend Mandarin sprechen, Beschäftigungsmöglichkeiten.

Es gibt auch empfindliche Strafen für Sprachrechtsverfechter in Tibet. Tashi Wangchuk, der sich für die Rechte der tibetischen Sprache einsetzte, wurde festgenommen, verhaftet und von den chinesischen Behörden in einem Prozeß unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in seinem Interview mit der New York Times seine Sorge um die tibetische Sprache geäußert hatte. Trotz der weltweit weit verbreiteten Kritik an dem Urteil lehnte das chinesische Gericht seine Berufung ab und verweigert ihm nun den Zugang zu seinem Anwalt.

Sonam Palden, ein tibetischer Mönch aus dem Kloster Kirti, wurde im September 2019 im Bezirk Ngaba verhaftet, weil er auf WeChat, einer App für soziale Nachrichten, Chinas unterdrückerische Politik gegen die tibetische Sprache angegriffen hatte. Tsering Dorjee, Bewohner des Dorfes Peleb in der Gemeinde Tashi Zom, wurde am 20. Februar 2019 festgenommen und gefoltert, weil er mit seinem jüngeren im Exil lebenden Bruder ein Telefongespräch über die Bedeutung der tibetischen Sprache geführt hatte. Wangchuk aus der Präfektur Shigatse wurde im März 2019 festgenommen, weil er tibetische Bücher über Wechat verbreitet hatte. Dies sind nur einige der Fälle, die ans Licht gekommen sind. Es gibt noch viele weitere Befürworter der tibetischen Sprachrechte, die in Tibet eingesperrt sind und viel leiden.

Laut dem UNESCO-Atlas über gefährdete Sprachen verliert die Welt alle zwei Wochen eine Sprache, wobei „43% der geschätzten 6000 auf der Welt gesprochenen Sprachen“ gefährdet sind. Die tibetische Sprache an sich wird von der UNESCO noch nicht als gefährdet angesehen. Mögliche Ableger der tibetischen Sprache wie Ha-lung-Tibetisch (Walung), Langthang-Tibetisch, Limirong-Tibetisch und Loke-Tibetisch, die in den Grenzgebieten Nepals gesprochen werden, werden jedoch als gefährdet angesehen. Wenn China seine antitibetische Sprachpolitik im derzeitigen Tempo fortsetzt, wird bald der Tag kommen, an dem auch die tibetische Sprache als vom Aussterben bedroht eingestuft wird.

154 Tibeter haben sich seit 2009 in Tibet als Zeichen ihres friedlichen Protestes gegen die Unterdrückungspolitik Chinas selbst verbrannt. Viele der Feueropfer haben den bedauerlichen Zustand der tibetischen Sprache beklagt und zu ihrer Erhaltung und Förderung aufgerufen. Während sich Tibeter auf der ganzen Welt mit ihren Angehörigen versammeln, um das tibetische Neujahrsfest der Metallratte 2147 zu feiern, ist es wichtig, sich an die Verfechter der tibetischen Sprache zu erinnern, die in chinesischen Gefängnissen schmachten, und an diejenigen, die hart um die Erhaltung und Förderung der Sprache kämpfen. Denn wenn eine Sprache stirbt, dann stirbt auch eine ganze Zivilisation mit ihrem reichen kulturellen und intellektuellen Erbe.