18. Februar 2019
Central Tibetan Administration (CTA), www.tibet.net

Warum baut China neue Gulags in Tibet?

Satelliten-Bilder enthüllen: Isolierte Klöster werden zu Gulags ausgebaut

In einem alarmierenden, von The Print veröffentlichten Bericht ist von mindestens drei neuen im Bau befindlichen Gulags in Tibet die Rede, die auf Satellitenaufnahmen entdeckt wurden. Der Begriff „Gulag“ bezieht sich gewöhnlich auf die Zwangsarbeitslager der Sowjetzeit. In China heißen sie „Re-education through labour“ (RTL), also „Lager zur Umerziehung durch Arbeit“ oder laojiao.

Die Umerziehungslager wurden ursprünglich zur Säuberung von Konterrevolutionären, Großgrundbesitzern und Rechtsgerichteten eingerichtet, die sich der neuen Regierung der Kommunistischen Partei widersetzten. Aber im Laufe der Zeit wurden die Umerziehungslager ausschlaggebend bei der Zerschlagung aller Formen von Dissens. In ihnen wurden Menschen festgehalten und gefoltert, die ihre legalen Rechte wie freie Meinungsäußerung, Abhaltung von friedlichen Protesten usw. ausübten oder unter dem Verdacht standen, solches zu tun. Das chinesische Ministerium für Öffentliche Sicherheit hatte umfassende Entscheidungsbefugnisse, wer in die Lager geschickt wurde und für wie lange, ohne daß es ein ordentliches Gerichtsverfahren oder eine Überwachung durch die Justiz gegeben hätte. Oft verbrachten Leute 20 Jahre und länger in den Umerziehungslagern.

Satelliten-Bild eines Gulags in Tibet Photo von Vinayak Bhat

Unzählige tibetische Mönche, Nonnen und Laien, die gegen Menschenrechtsverletzungen Stellung nahmen, wurden seit 1955 in den Umerziehungslagern inhaftiert, längst bevor China die Existenz solcher Lager überhaupt zugab. 2012 gab es in 350 Umerziehungslagern in ganz China 250.000 offiziell verzeichnete Häftlinge. Und dem Sonderbericht des TCHRD von 2014 mit dem Titel „Gulags in Tibet“ (1) zufolge „wurden seit ihren Anfängen in den 1950ern vier Millionen Menschen in die Umerziehungslager geschickt. Sie sollten der Säuberung von Leuten dienen, die im Verdacht standen, sich der neu gegründeten Chinesischen Kommunistischen Partei (KPC) zu widersetzen“.

Nach einem heftigen internationalen Aufschrei über die in den Umerziehungslagern verübten Menschenrechtsverletzungen und der Forderung nach ihrer Schließung schaffte der Ständige Ausschuß des Nationalen Volkskongresses sie offiziell ab, wie sich die KPC in ihrer dritten Plenarentscheidung 2013 verpflichtet hatte. Das war aber eine rein kosmetische Korrektur am System.

Die Gulags oder Umerziehungslager wurden einfach unter einem anderen Namen fortgeführt, wie das TCHRD es in seinem 2014 veröffentlichten Sonderbericht bereits vorweggenommen hatte.

Der jüngste Bericht über neue Gulags, die in Tibet gebaut werden, ist alarmierend, besonders angesichts der Aufdeckung der Umerziehungslager in Xinjiang, die China jetzt „Berufsausbildungszentren“ nennt. Schon seit langem gibt es Berichte über die Existenz von Lagern zur Umerziehung durch Arbeit oder Gulags in Tibet. Es ist nicht überraschend, daß dieses System in Ost-Turkestan (Xinjiang) von Chen Quanguo eingeführt wurde, eben dem kommunistischen Parteisekretär, der dieses System in Tibet perfektionierte, als er Parteisekretär in der Autonomen Region Tibet war. Besonders verstörend an dem Bericht ist, daß Klöster jetzt zu Gulags umgestaltet werden und neue Gulag-Klöster eigens für die buddhistischen Nonnen und Mönche Tibets gebaut werden. Wie kann China jetzt noch „ein Land des Buddhismus“ genannt werden, wenn man die Prediger und Gläubigen zu eliminieren beabsichtigt?’, bemerkte Sonam Dagpo, der Sprecher der Central Tibetan Administration (CTA) und Sekretär des Department of Information and International Relations (DIIR).

Das Satelliten-Bildmaterial wurde vom pensionierten Oberst Vinayak Bhat analysiert, der über zwei Jahrzehnte lang als Experte für Satelliten-Bilder in der indischen Armee gedient hat. Während seiner Präsentation beim Tibet Policy Institute bemerkte er: „Das sind Gulags, keine Berufsausbildungszentren, es sind Umerziehungslager, deren einziger Zweck es ist, tibetische Mönche, Nonnen und Laien zu indoktrinieren. Sie werden in entlegenen, isolierten Gebieten gebaut mit moderner chinesischer Architektur und 5,5 m dicken hohen Mauern. Der Sicherheitslevel an diesen Orten ist ähnlich dem von nuklearen Anlagen.“

Dukthen Kyi vom DIIR zeigte sich sehr besorgt über diesen Bericht und bemerkte: „Die Frage erhebt sich, warum China solche hoch technisierten Hochsicherheits-Gulags in Tibet baut. Müssen wir uns auf weitere scharfe Sanktionen in diesem Jahr, das den 60. Jahrestag des tibetischen Volksaufstands darstellt, gefasst machten?“

(1) http://tchrd.org/wp-content/uploads/2017/02/200839882-Special-Report-Gulags-of-Tibet.pdf