9. September 2011
Central Tibetan Administration, www.tibet.net

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Inhalt

Propaganda und Journalismus in Tibet - von Mark Johnston

1. Einleitung
2. Propaganda in der Autonomen Region Tibet
3. Tibet in der Auslandspropaganda
4. Mangel an Transparenz
5. Journalismus in der Autonomen Region Tibet
6. Ausländische Journalisten in der Autonomen Region Tibet
7. Fazit

1. Einleitung

Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) kontrolliert den Informationsfluss mittels eines komplexen Systems, das sensible Informationen zensiert, die Verbreitung regimekritischer Ideen einschränkt und beides durch mit der Parteiideologie konforme Propaganda ersetzt. Die Volksrepublik China (VRC) hat zwei Propagandaapparate, die sie nutzt, um die öffentliche Meinung in China und dem Rest der Welt zu kontrollieren. Der Mangel an Transparenz und der begrenzte Handlungsspielraum einheimischer und ausländischer Journalisten machen das Berichten über gewisse Nachrichtenthemen, Menschenrechtsverletzungen und tibetische Belange besonders problematisch. Folglich bleibt Tibet in einen Mantel der Geheimhaltung gehüllt, wobei Journalisten, die gezwungen sind, sich den die Informationsfreiheit stark einschränkenden Geboten der Partei anzupassen, viele Restriktionen auferlegt werden. Die VR China füllt die Informationslücke mit ihrer hochgestochenen Rhetorik in dem Versuch, ihre eigene Vorstellung von der Welt zu propagieren.

2. Propaganda in der Autonomen Region Tibet

Die Auswirkungen eines solchen totalitären Kontrollsystems wurde in unzähligen Berichten über offene Unterdrückung und mit Zwang einhergehende Propagandamethoden, insbesondere in der Autonomen Region Tibet dokumentiert, wo Nonnen, Mönche, Akademiker, sowie politische Regimekritiker eingeschüchtert, festgenommen und inhaftiert wurden, weil sie versuchten, Meinungen zu verbreiten, die als ‚staatsfeindlich’ oder ‚separatistisch’ bezeichnet werden.[i] In einer aufschlussreichen Erklärung von Zhang Qingli, dem Parteisekretär der Autonomen Region Tibet, heißt es:

„Die wichtigste Aufgabe des Propagandabüros der Autonomen Region Tibet besteht darin, alle Tibeter zu überzeugen und in die richtige politische Richtung zu führen... und darin, alle Tibeter noch effektiver davon zu überzeugen, dass sie die Autorität der Regierung bedingungslos hinnehmen… durch effektive und geeignete Programme können die Medien alle Tibeter dazu bewegen, sich gegen den Dalai Lama zu stellen.[ii]

Etablierte Formen expliziter Propaganda werden auch im Rahmen des staatlichen Schulsystems sowie erzwungener ‚patriotischer Umerziehungsprogramme’ benutzt.[iii] Die Institutionalisierung der Ideologie der KPCh durch das Schulsystem wird als effizientes Mittel der Indoktrination verwendet, indem die tibetische Sprache, Geschichte und Kultur nur eingeschränkt und in abgeänderter Version aus chinesischer Perspektive gelehrt werden.[iv] Den psychologischen Preis, den Kinder dafür zahlen müssen, dass sie mit zwei verschiedenen Versionen von Geschichte und ihrer Identität, nämlich dem was, sie in der Schule und zu Hause hören, kämpfen müssen, muss besonders belastend sein. Tashi, ein Neunzehnjähriger aus der Präfektur Shigatse erklärte in einem Interview mit dem Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie: „Nur eine Klasse in meiner Schule wurde in tibetischer Sprache unterrichtet. Alle anderen Klassen wurden auf Chinesisch unterrichtet. Die Lehrer sprachen nur über chinesische Themen [und] chinesische Geschichte.“[v] Die Auswirkungen solcher Lehrmethoden werden mehr und mehr offensichtlich, wenn Schüler die Schule abschließen und manche nicht in der Lage sind, ihre eigene Landessprache zu sprechen, was zu einer Entfremdung von der tibetischen Identität und Kultur beiträgt.[vi] Sie lernen verfälschte Darstellungen tibetischer Geschichte und, wenn es nach Padma Choling, dem Vorsitzenden der Autonomen Region Tibet, geht, sollen sie in dem Glauben gelassen werden, dass

„die vor 52 Jahren durchgeführte demokratische Reform eine existierende grausame und brutale Leibeigenschaft abgeschafft hat, durch die die Tibeter Tausende von Jahren ausgebeutet wurden. Die Reform hat eine Million Leibeigene befreit und es den Tibetern ermöglicht, in den Genuss von gesetzlichen Ansprüchen und rechtlich anerkannten Interessen zu kommen... allerdings haben der Dalai Lama und seine Anhänger versucht, Tibet von China abzuspalten und die feudale Leibeigenschaft wieder herzustellen.“[vii]

In ähnlicher Weise werden nun auch die ‚patriotischen Umerziehungsprogramme’, die einst hauptsächlich für Nonnen und Mönche gedacht waren, in Grundschulen und weiterführenden Schulen genutzt, um zu versuchen, separatistischen politischen Aktivitäten vorzubeugen.[viii] Gleichwohl werden Mönche und Nonnen oft gezwungen, langfristig Intensivkurse zu besuchen, um ihre Kultur ‚separatistischer‛ Ideologie zu bekämpfen.[ix] Trotz existierender Gesetze, die die freie Ausübung religiöser Praktiken gewährleisten, werden jene, die die Programme nicht besuchen der Klöster verwiesen, festgenommen oder inhaftiert.[x] Seit den Protesten im März 2008 wurden die Umerziehungskampagnen auf die unteren Schichten der Bevölkerung ausgeweitet, um die „Stabilität in Tibet zu fördern, mit besonderem Schwerpunkt auf der Untergrabung des Einflusses seiner Heiligkeit des Dalai Lama“[xi] durch Propagandafilme und seine Verdammung durch das Volk. Viele werden dazu genötigt, Filme anzuschauen, in welchen die tibetische Geschichte falsch, nämlich als die einer repressiven feudalen Gesellschaft dargestellt wird, und das Land erst durch eine ‚friedvolle Befreiung‛ der Volksrepublik China zur Freiheit gelangte.[xii] Die weitverbreitete Anwendung solcher Programme bezeugt das Ausmaß, mit dem die Volksrepublik China Propaganda als Mittel einsetzt, um die Meinung der Tibeter dahingehend zu formen, zu beeinflussen und sie so zu indoktrinieren, dass sie an die kommunistische Ideologie glauben.

Bei dem Versuch, die öffentliche Meinung zu lenken und die Sympathien lokaler chinesischer und tibetischer Gemeinden zu gewinnen, diffamiert die VRC heftig diejenigen Kräfte, sowohl westliche als auch tibetische, welche sich für das geschichtliche Erbe Tibets, die politische Autonomie oder seine Heiligkeit den Dalai Lama einsetzen. Dadurch dass sie Individuen und Nationen als Teil ‚reaktionärer Kräfte‛ hinstellt, sorgt die VRC für Unstimmigkeiten, die eine „wir-gegen-sie-Mentalität“ schaffen. In ähnlicher Weise versucht die VR China ihre eigene Position dadurch zu stärken, dass sie nur die Meinungen jener, die mit ihr übereinstimmen, zu Worte kommen lässt, was sich in Artikeln und Überschriften ausdrückt, in denen vehement diejenigen verurteilt werden, die sich nicht gegen parteikritische Journalisten, Aktivisten und alle Dissidenten richten. Lhapa, der Chef des demokratischen Verwaltungskomitees des Jokhang Tempels, soll laut einem Artikel, der 2011 auf der Website der Xinhua News erschien, gesagt haben, dass Mönche den Vizepräsidenten Xi Jinping bei einem Besuch geehrt haben, „als würden sie einem Familienmitglied begegnen, das sie länger nicht gesehen haben.“[xiii] Solch offenkundig romantisierte Empfindungen werden zitiert, um eine tibetisch-chinesische Verwandtschaft zur Schau zu stellen; für einen kritischeren Beobachter jedoch scheint es, als versuchte Lhapa, sein Gesicht zu wahren, indem er durch das Lob seines Vorgesetzten in angemessener Weise an das Ereignis erinnert.

Auffällige Überschriften dienen dazu, Parteimeinungen zu untermauern. So lassen mehrere Studien darauf schließen, dass nur zwei von zehn Lesern der Nachrichten tatsächlich den Artikel lesen, während die übrigen acht lediglich die Überschriften lesen können. Die KPCh nutzt dies zu ihrem Vorteil aus und bringt Titel wie zum Beispiel „Die Demokratie-Praktiken des Dalai Lama sind eine Lachnummer“ und „Erster Jahrestag der Emanzipation der Leibeigenen – das neue Leben der Tibeter“, welche wenig dazu geeignet sind, einen gemeinsamen Identitätssinn, Kompromissbereitschaft oder den Willen, in einen Dialog zu treten, zu fördern, und nur dazu beitragen, die Menschen weiter voneinander zu entfremden und zu trennen.

3. Tibet in der Auslandspropaganda

In der Absicht, die internationale Wahrnehmung von Tibet zu beeinflussen, greift die VR China bei ihrem Versuch, ihre Ansichten in der Außenwelt glaubhaft zu machen, auf die Auslandspropaganda zurück.[xiv] Bei der Darstellung ihres Images für das Ausland nutzt die KPCh das Internet und andere Medien wie Rundfunk und Fernsehen, um die Vorstellung einer ‚sanften Macht’ kontrolliert zu vermitteln.[xv] In einer internen Rede des höchsten Internet-Funktionärs der KPCh, die aus Versehen auf einer offiziellen Seite erschien, bevor sie umgehend wieder davon entfernt wurde, umreißt dieser ein breites Spektrum von Institutionen und Methoden zur Meinungskontrolle und „der Gestaltung eines Umfelds für eine internationale öffentliche Meinung, die objektiv, uns wohlwollend und freundlich gesinnt ist.“[xvi] Die VRC hat im Hinblick auf ihre Tibet-Politik viel internationale Aufmerksamkeit und Empörung auf sich gezogen, wenngleich solche Anschuldigungen als Gerüchte abgetan werden, als Teil eines Komplotts, das von pro-amerikanischen Verschwörern geschmiedet wurde, die China um seine wachsende Macht in der Welt beneiden. Zhao Qizheng, Minister des Staatsrats für Information, erklärte auf einer Konferenz am 12. Juni 2000:

„Die öffentliche Aufmerksamkeit des Auslandes für Tibet ist ein wichtiger Punkt bei der Auslandspropaganda unseres Landes. Sie ist außerdem ein sehr wichtiger Bestandteil unseres Kampfes gegen die Dalai-Clique und uns feindlich gesinnte westliche Mächte. Diese Anstrengungen stehen nicht nur im Zusammenhang mit der nationalen Einheit und der der Nationalitäten, sondern auch mit der Reformpolitik der offenen Tür, dem Fortschritt und der Stabilität unseres Landes. Die vom chinesischen Staat betriebenen Institute für Tibetologie... sollten die politische Linie unserer Regierung in Tibet und den Fortschritt in Tibet propagieren... Sie sollten hart daran arbeiten und erfolgreich darin sein, die ausländische offizielle Meinung hinsichtlich der Tibet-Frage zu ändern...Kurz gesagt, wir sollten jede Anstrengung auf uns nehmen, die Institute für Tibetologie und die Spezialisten in eine effektive Armee unserer Auslandspropaganda für die öffentliche Meinung über Tibet umzuwandeln.“[xvii]

Unter der Leitung des Büros für Auslandspropaganda hat die VR China über 500 Berichte, 100 Filme und Fernsehprogramme, sowie zwei Millionen Kopien von mehr als 60 Arten von mit Tibet zusammenhängendem Informationsmaterial zur Bloßstellung der ‚separatistischen’ Politik der Dalai-Clique veröffentlicht.[xviii] Bei dem Versuch, deutlich zu machen, wie viel Tibet von der ‚Befreiung’ durch China profitiert hat, betont die VRC ihre Modernisierungs- und Entwicklungsprogramme, sie weist auf Statistiken hin, die angeben, dass die Regierung über 60 Milliarden Yuan in Tibet investiert hat, oder dass 95,6% der tibetischen Kinder in die Schule gehen, daß sie glücklich, zufrieden und ihren chinesischen ‚Befreiern’ dankbar sind.[xix] Derartige Statistiken sind manipulierte Zahlen, die darauf angelegt sind, sich selbst in den Augen der internationalen Gemeinschaft eine Legitimation zu verschaffen. Solche Fakten können ja nie von unabhängigen Forschern überprüft werden, weil die VR China es Ausländern verbietet, private Untersuchungen durchzuführen.[xx] Wang Chen, Vorsitzender des Informationsbüros des Kabinetts, erklärte 2010 in einem Statement: „Wir werden die Blockierung gefährlicher Informationen, die von außerhalb Chinas kommen, verschärfen, um die Verbreitung gefährlicher Informationen innerhalb Chinas zu verhindern.“[xxi]

Ein verstörendes Beispiel vom November 2008, das veranschaulicht, in welchem Ausmaß die VR China dieses Vorhaben umsetzt, ist ein Bericht in einer amtlich zugelassenen Zeitung, wonach im Zusammenhang mit den Aufständen im März 2008 und dem Vorwurf, nationalistisches Material verbreitet und „Organisationen außerhalb Chinas“ mit Informationen zur „Staatssicherheit und Staatsangelegenheit“[xxii] versorgt zu haben, sieben Tibeter zu Haftstrafen verurteilt wurden, die von acht Jahren bis lebenslänglicher Haft reichten. Dieser Fall zeugt von der alarmierenden Bereitschaft des Staates, selbst die leichtesten Formen abweichender Meinungen schwer zu bestrafen. Obwohl die VRC sich darum bemühte, gegenüber der Außenwelt den Anschein von Reformwilligkeit und Offenheit zu erwecken, ist dies nur ein leeres vom Staat propagiertes Wunschbild, das nicht im Mindesten irgendwelche Gültigkeit hat.

4. Mangel an Transparenz

Die Regierung kontrolliert die Medien dermaßen streng durch Zensur und Propaganda, dass diejenigen, die außerhalb von China leben, nur eine vage Vorstellung von der Realität innerhalb des Landes haben können und folglich nur wissen, was die Behörden preisgeben.[xxiii] He Qinglian, ein ehemaliger Herausgeber, der nach China zurückkehrte, erklärte in seinem Buch, welches detailliert auf die komplizierte Zensurpolitik der VR China eingeht, kurz und bündig: „Das China, das ausländische Akademiker sehen, ist das China, von dem die chinesische Regierung will, dass die Welt es sieht, und die Neuigkeiten, die sie hören, sind die, von denen die chinesische Regierung will, dass die Welt sie hört.“[xxiv]

Der Bewahrung der autokratischen Herrschaft wird die größte Bedeutung zugeschrieben und für den Erhalt dieser Formen greift der Staat auf eine gewaltige Menge von Ressourcen zurück, um sich selbst vor ausländischen Einflüssen zu schützen. Obwohl solche Einschränkungen nicht alle potentiell sensiblen Informationen herausfiltern können, sorgen der Mangel an Transparenz, Verantwortlichkeit und Offenheit dafür, dass kritische Analysen oder investigativer Journalismus immer mit sachlichen Fehlern zu rechnen haben. Die Glaubwürdigkeit der vom Staat herausgegebenen Statistiken ist fragwürdig, seit die Regierung im Jahr 2000 ein Verbot durchsetzte, das ausländische Institutionen davon abhält, unabhängige Untersuchungen ohne die Genehmigung des Ministeriums für Staatssicherheit durchzuführen. Und da alle Untersuchungsdaten dem Ministerium vorgelegt werden müssen, ist die Zuverlässigkeit solcher Statistiken zweifelhaft.[xxv]

In ähnlicher Weise, benutzen ausländische Akademiker, die ihre Untersuchungen auf Zahlen des staatlichen statistischen Amtes aufbauen, Statistiken, die akribisch gefiltert sind und deren Verbreitung vom Ministerium für Staatssicherheit zugestimmt wurde.[xxvi] In seinem Buch, The Fog of Censorship, ging He Qinglian soweit zu erklären: „Bei Untersuchungen über China begründen ausländische Forscher ihre Folgerungen unbekümmert mit den Informationen aus Quellen, die im Grunde genommen nichts als eine Gerüchteküche sind.“[xxvii] Obwohl He Qinglian Recht hat, wenn er versucht zu zeigen, wie schwierig es in einem Land ist, das die Geheimhaltung zum Prinzip hat, der Wahrheit auf den Grund zu kommen, bedeutet ein solches Pauschalurteil dennoch nicht, dass man den verschiedenen Informationskanälen, Journalisten oder Organisationen Glauben schenken muss, die sich der Enthüllung der Wahrheit widmen. Es kann allerdings mit Sicherheit behauptet werden, dass ausländische Forscher dazu geneigt sind, aus den wenigen zugänglichen Informationen ausklügelte Argumentationen zu machen. Dies trifft sicherlich auf bestimmte auf biographische, historische oder ethnographische Daten gestützte Feldforschungen zu, da solche Studien wahrscheinlich von der ausgestreckten Hand des Staates beeinflusst werden, der befragte Personen einschüchtert, Aussagen verändert, Forschungsreisen überwacht und liberale Diskussionen abwürgt.

Der Unterschied zwischen dem Chinabild, das von der staatlichen Propaganda fabriziert wird und dem China, wie es die Mehrheit seiner Bürger erlebt, die in ländlichen Gegenden leben, ist gewaltig und kann anhand jener Umfragen, Berichte und Statistiken, die von der KPCh herausgegeben werden, nicht beurteilt oder ermittelt werden. Das China, das der Welt präsentiert wird, ist nur ein Schatten der Wahrheit, ein Schaubild, in dem seine Stärken herausgestellt werden, während es seine Schwächen verbirgt.

5. Journalismus in der Autonomen Region Tibet

Journalisten, die über die Autonome Region Tibet berichten und versuchen, Vorfälle zu schildern, die vom Staat als heikel angesehen werden – darunter alles von politischen Protesten und Korruptionsskandalen bis hin zu Naturkatastrophen und Industrieunfällen – erleben empörende Formen der Unterdrückung durch Staat und die lokalen Behörden. In ihrem Bemühen, ein gewisses Ausmaß von Ruhe unter der Lokalbevölkerung aufrechtzuerhalten, halten die Behörden solche Vorfälle vor den Journalisten geheim, oftmals indem Straßensperren errichtet werden, Nachrichten unterdrückt, Mobilfunk und Telekommunikation unterbunden werden, um die Verbreitung „reaktionärer Nachrichten“ zu verhindern. Die VR China benutzt auch andere Formen der Einschüchterung, sowohl um Journalisten zur Selbstzensur ihrer Berichte zu zwingen, als auch um normale Menschen davon abzuhalten, zu einheimischen Medienereignissen Informationen zu liefern.[xxviii] Folglich stellt jeder Enthüllungsbericht, der es schafft, in der Presse zu erscheinen, einen hart erkämpften Sieg der Journalisten dar, die oft ihr eigenes Leben in Gefahr bringen, um bestimmte Untersuchungsberichte veröffentlichen zu können.[xxix]

He Qinglian hat treffend formuliert, was Journalisten, die versuchen über solche Vorfälle zu berichten, durchmachen: „Es ist für diejenigen, die keine Journalisten sind, schwierig, die damit verbundenen Probleme einzuschätzen, nicht nur wenn es darum geht, einer Story auf den Grund zu gehen, sondern auch beim Kampf mit den unterschiedlichen Ebenen der chinesischen Bürokratie.“[xxx] Oft schwächt der Staat Einschränkungen ab und erweckt den Anschein von Pressefreiheit, nur um dann später umso härter gegen all diejenigen Journalisten vorzugehen, die sich beim Schreiben liberaler gezeigt haben. Es gab viele Berichte, die das Verschwindenlassen oder die Festnahme bekannter Journalisten, die ihrer Unzufriedenheit mit der KPCh Ausdruck verliehen hatten, genau schilderten, darunter Rangjung aus Kardze in der Autonomen Region Tibet und Chen Daojun, die jeweils eine dreijährige Haftstrafe erhielten, da sie in ihren Schriften angeblich ‚zur Subervsion anstacheln‛.[xxxi]

Offizielle Richtlinien für Journalisten, erlassen von der Zentralen Propagandaabteilung, sind unklar formuliert und unterliegen dem Ermessen von Beamten, die solche Gesetze subjektiv nach ihrer Beurteilung interpretieren und ändern können.[xxxii] Solche Protokolle werden oft rückwirkend von den Behörden durchgesetzt, die die Herausgeber oder Journalisten entlassen, oder ganze Verlagshäuser schließen, wenn Berichte als Einmischung in die Angelegenheiten der ‚Staatssicherheit‛ gesehen werden.[xxxiii] Der Generalsekretär der Partei, Hu Jintao, erklärte in einer im Juni 2008 gehaltenen Rede, dass Journalisten „die Entwicklung und Anliegen der Partei und des Staates fördern“ sollten und dass es „[ihre] oberste Aufgabe ist, die öffentliche Meinung in die richtigen Bahnen zu lenken.“[xxxiv] Dementsprechend erfordern solche Maßnahmen von den Journalisten oft, deutlich Selbstzensur zu üben, falsch zu berichten und Informationen zu verfälschen, um der Parteilinie zu entsprechen.

6. Ausländische Journalisten in der Autonomen Region Tibet

Die VR China kontrolliert genau die Bewegungen ausländischer Journalisten und Reporter, die es mit strengen Einschränkungen zu tun haben, wenn sie in der Autonomen Region Tibet arbeiten wollen. Vielen wird der Zugang nur durch die Teilnahme an staatlich geregelten Touren und von der Regierung organisierten Presseveranstaltungen möglich, bei denen sie angemessen bewacht werden können.[xxxv] Ausländische Journalisten werden routinemäßig davon abgehalten, in heiklen Provinzen Interviews durchzuführen, und es ist ihnen nicht gestattet, über Angelegenheiten zu berichten, die mit Menschenrechten, Familienplanung, ethnischen Minderheiten, Religion oder demokratischen Ideen zu tun haben.[xxxvi]

Der Foreign Correspondents Club of China (FCCC) rief die VR China dazu auf, die Autonome Region Tibet für ausländische Journalisten zu öffnen und die normalen journalistischen Praktiken zu respektieren, nachdem es zu 50 Fällen von Belästigung, zehn Todesdrohungen und sechs Festnahmen gekommen war, als Journalisten versuchten abgelegene Provinzen in der Autonomen Region Tibet zu besuchen.[xxxvii] In ähnlicher Weise zeigte eine Studie, dass 86% der Befragten erklärte, dass es ihnen aufgrund der Kontrolle und Überwachung durch die staatlichen Organe nicht möglich war, korrekt aus Tibet zu berichten.[xxxviii] 38 Befragte hatten 35 Anträge eingereicht, um innerhalb der Autonomen Region Tibets zu reisen, aber nur vier davon wurden genehmigt. Diejenigen, die eine Genehmigung bekamen, erhielten von der zentralen Propagandabehörde Orientierungsrichtlinien, in denen aufgelistet war, über welche Themen berichtet werden durfte, und sie hatten während der Interviews immer die obligatorischen Sicherheitsbeamten an ihrer Seite. [xxxix]

Tibeter, denen vorgeworfen wurde, mit ausländischen Reportern gesprochen zu haben, oder die versuchten, Ausländern oder Organisationen aus dem Ausland irgendwelche Informationen zukommen zu lassen, erhielten Haftstrafen und waren der Strafverfolgung ausgesetzt; versäumten sie es, den angeordneten Maßnahmen nachzukommen, wurden sie je nach dem „Grad des Schadens für die Nation“[xl] bestraft. Zu einigen der bekannten Vorfälle gehören der Fall von Drakpa, einem Mönch aus dem Kloster Gyuto, der 2008 vom örtlichen Amt für öffentliche Sicherheit verhaftet wurde, weil er ausländische Korrespondenten über Menschenrechtsverletzungen informiert hatte, und der Fall von Jigme Gyatso vom Kloster Labrang, der wegen eines Telefoninterviews mit einem ausländischen Journalisten ebenfalls verhaftet wurde.[xli] Zudem wurden 2009 neunundfünfzig Tibeter für die ‚Erstellung und Verbreitung von Gerüchten‛ während der Protestaktionen im März 2008 verurteilt.[xlii] Die zuvor erwähnten Vorfälle häuften sich insbesondere 2008, als die Behörden begannen, hart gegen ‚subversives Benehmen‛ vorzugehen, wobei sie ein breites Spektrum an Anklagen nutzten, um Demonstranten, die die Stabilität gefährdeten, zu bestrafen.

Bei dem Versuch zu verhindern, dass abweichende oder kritische Meinungen im Ausland zirkulieren, haben die Behörden den Bürgern, die bei ausländischen Medienorganisationen beschäftigt waren, harte Einschränkungen auferlegt. 2009 veröffentlichte der Staat einen Verhaltenskodex, der Angestellten, die mit jedweder Form von ‚unabhängiger Berichterstattung‛ beschäftigt waren, mit Entlassung drohte und sie anwies, nur Informationen bereitzustellen, die „ein gutes Bild des Landes vermitteln“.[xliii] Die VR China will den Eindruck von Solidarität und innerem Zusammenhalt im Land dadurch erwecken, dass sie für die internationalen Medien ein Hochglanzbild herstellt, während sie weiterhin auf repressive Maßnahmen zurückgreift, um alle Bewegungen, Reden und Meinungsäußerungen zu kontrollieren, und sich dabei der Illusion hingibt, alles im Griff zu haben.

7. Fazit

Die VR China hat viele Kontrollmethoden zur Hand, die sie benutzt, um die Informationsfreiheit einzuschränken. Durch die Kontrolle von Journalisten und Medien gelingt es ihr erfolgreich, die öffentliche Meinung zu manipulieren und die Verbreitung regimekritischer Ideen zu unterbinden. Die KPCh nutzt ihr höchst verschachteltes Propagandasystem, um effektiv alle Formen von Information über eine Vielzahl von Plattformen hinweg zu kontrollieren und bewachen. Dabei werden regimekritische Meinungen in den Medien gewissermaßen beseitigt und die Lücken in den Nachrichten mit Idealen gefüllt, die einer engen Sichtweise entsprechen, einer, die den rigiden Vorgaben der Partei entspricht.

Fußnoten

[i]     2008 Uprising in Tibet: Chronology and Analysis. Department of Information and International Relations (DIIR), Central Tibetan Administration (CTA). 2010.

[ii]    A Great Mountain Burned by Fire: China’s Crackdown in Tibet. International Campaign for Tibet. March 9, 2009.

[iii]    2008 Uprising in Tibet: Chronology and Analysis. Department of Information and International Relations (DIIR), Central Tibetan Administration (CTA). 2010.

[iv]   Human Rights Situation in Tibet. Annual Report 2009. Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD). 2010.

[v]   Ibid”

[vi]    Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[vii]   Tibet's achievements celebrated. Peoples Daily. March 28, 2011. http://english .peopledaily.com.cn/90001/90776/90882/7332537. html.

[viii]    Dissenting Voices. Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD). September 2010.

[ix]   2008 Uprising in Tibet: Chronology and Analysis. Department of Information and International Relations (DIIR), Central Tibetan Administration (CTA). 2010.

[x]    “Ibid”

[xi]   Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xii]  “Ibid”

[xiii]    China's vice president urges Tibetan monks to "stay clear from" separatist forces, July 20, 2011. Xinhua News Agency. http://news.xinhuanet.com/english2010/china/2011-07/20/c_13998087.htm.

[xiv]    Freedom of Information. Free Tibet Campaign. 2008-2009. www.freetibet.org /about/freedom-information.

[xv]    Garnaut, John. China’s Plan to Use Internet for Propaganda. The Sydney Morning Herald. July 14, 2010. http://www.smh.com.au/technology/ technolog-news /chinas-plan-to-use-internet-for-propaganda-20100713-109hc.html.

[xvi]    “Ibid”

[xvii]     Freedom of Information. Free Tibet Campaign. 2008-2009. www.freetibet.org /about/freedom-information.

[xviii]    Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xix]    Human Rights Situation in Tibet. Annual Report 2009. Tibetan Center for Human Rights and Democracy (TCHRD). 2010.

xx]     “Ibid”

[xxi]    A ‘Raging Storm,’ The crackdown on Tibetan writers and Artists after Tibet’s Spring 2008 Protests. International Campaign for Tibet. May 2010.

[xxii]    “Ibid”

[xxiii]    Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China.. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xxiv]    “Ibid”

[xxv]     “Ibid”

[xxvi]    Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China.. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xxvii]    “Ibid”

[xxviii]    Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xxix]     “Ibid”

[xxx]      Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xxxi]     Garnaut, John. China’s Plan to Use Internet for Propaganda. The Sydney Morning Herald. July 14, 2010. http://www.smh.com.au/technology/ technolog-news /chinas-plan-to-use-internet-for-propaganda-20100713-109hc.html.

[xxxii]    “Ibid”

[xxxiii]     Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xxxiv]     Congressional Executive Commission on China (CECC). 2009. Annual Report 2009.

[xxxv]     US State Department. Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor. “US Department of State: 2010 Human Rights Report: China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau)”. 2010 Country Reports on Human Rights Practices. April 8, 2011

[xxxvi]    Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xxxvii]    2008 Uprising in Tibet: Chronology and Analysis. Department of Information and International Relations (DIIR), Central Tibetan Administration (CTA). 2010.

[xxxviii]    US State Department. Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor. “US Department of State: 2010 Human Rights Report: China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau)”. 2010 Country Reports on Human Rights Practices. April 8, 2011.

[xxxix]    US State Department. Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor. “US Department of State: 2009 Human Rights Report: China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau)”. 2010 Country Reports on Human Rights Practices. March 11, 2010

[xl]   Quinglin, He. The Fog of Censorship: Media Control in China. Human Rights in China (HRIC). 2008.

[xli]   2008 Uprising in Tibet: Chronology and Analysis. Department of Information and International Relations (DIIR), Central Tibetan Administration (CTA). 2010.

[xlii]    US State Department. Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor. “US Department of State: 2009 Human Rights Report: China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau)”. 2010 Country Reports on Human Rights Practices. March 11, 2010

[xliii]    “Ibid”