19. Juli 2008
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Die Antwort der Tibetischen Zentralverwaltung (CTA) auf die Unterstellungen der chinesischen Regierung (Teil 4-4)

Die Frage um die „Flagge der Spalter“

Am 31. März veröffentlichte Xinhua einen Kommentar von Cao Kai mit dem Titel „Der Dalai Lama, ein Politiker, kein einfacher Mönch“. Abgesehen von der stereotypen Wiederholung der immer gleichen Vorwürfe schreibt Cao Kai: „Um dem Status dieser Exilregierung (sic!) mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, schufen der Dalai Lama und seine Anhänger eine ‚Tibetische Nationalhymne’ sowie eine ‚Tibetische Nationalflagge’, die es vor 1959 gar nicht gegeben hat“.

Dieser Tage verwenden die chinesischen Behörden verschiedene Namen für die tibetische Flagge. Sie verurteilen sie als eine „reaktionäre“, „spalterische“ oder „separatistische“ Flagge. Manchmal wird sie auch „die Flagge der tibetischen Exilregierung“ genannt. Die chinesischen Staatsmedien reden von ihr als der „tibetischen Unabhängigkeitsflagge“. Manchmal erwähnen die chinesischen Behörden sie einfach mit „Schneelöwen-Flagge“.

Tibetische Flagge am 10. März bei einer Demo vor dem chin. Konsualt in München

Einer der seltsamsten Vorwürfe der chinesischen Regierung gegen die Verwendung einer tibetischen Flagge durch die Exiltibeter ist, wie es in diesen empörten Worten deutlich wird, daß die tibetischen Flüchtlinge für ihre Verwendung der Motive auf der Flagge keine Erlaubnis von der chinesischen Regierung eingeholt hätten, nämlich des Schneebergs und der Schneelöwen. In einem am 11. April in China Daily erschienen Artikel, der am folgenden Tag von Xinhuanet.com übernommen wurde, heißt es bezüglich der Verwendung des Schneebergs und der Schneelöwen. „Schlau und verschlagen wie sie sind, gebrauchen sie sogar das Bild unseres reinen Schneebergs und des so furchtlosen Löwen für ihre sogenannte ‚Schneelöwen-Flagge’, um wohlmeinende Leute zu täuschen“.

Der Ursprung der tibetischen Nationalflagge

Die tibetische Nationalfahne ist keine Erfindung der Exiltibeter. Es gibt sie in verschiedenen Erscheinungsformen seit Jahrhunderten und sie ist ein Teil der tibetischen Identität geworden. Die tibetische Fahne mit dem schneebedeckten Berg und den zwei Schneelöwen existierte schon lange vor der Besetzung Tibets durch das kommunistische China. Die Ursprünge der tibetischen Fahne lassen sich bis in die Zeit von König Songtsen Gampo im 6. Jahrhundert zurückverfolgen. Jedes Regiment seines Heeres hatte eine eigene Fahne. Die Standarte des Yu-ru To-Regiments zeigte zwei Schneelöwen, die sich gegenüberstanden; die Kriegsfahne des Ya-Ru Ma-Regiments nur einen, während das Tsang Ru-Regiment eine Fahne mit einem aufrecht gen Himmel springenden Schneelöwen trug. Diese Tradition wurde über Jahrhunderte fortgesetzt, bis der große XIII. Dalai Lama die heutige Fahne standardisierte. Seither wird sie von den Tibetern benutzt.

Die erste internationale Erwähnung der tibetischen Flagge

In der September-Ausgabe 1934 des National Geographic Magazine erschien ein Artikel über die Fahnen der verschiedenen Nationen. Eine davon war die tibetische Nationalflagge.

Das National Geographic Magazine schrieb in seiner Ausgabe vom September 1934: „Mit dem hoch aufragenden Schneeberg, vor dem zwei Schneelöwen um einen flammenden Edelstein kämpfen, ist die tibetische Fahne eine der apartesten in ganz Asien.

Das erste Mal, daß unserem Wissen nach die tibetische Fahne bei einer internationalen Zusammenkunft gehißt wurde, war bei der Konferenz für Asiatische Beziehungen 1947 in New Delhi. In einem Brief an Mahatma Gandhi schrieb der damalige indische Premierminister Nehru: „Wie Sie wissen, wird in der letzten Märzwoche in Delhi eine Konferenz über inter-asiatische Beziehungen stattfinden. Diese Konferenz ist von großer Bedeutung für Asien. Fast jedes asiatische Land vom Westen bis zum Osten und Süden wird vertreten sein - die arabischen Länder, Tibet, die Mongolei, die Länder in Südostasien und die asiatischen Republiken der Sowjetunion werden ihre führenden Männer entsenden.“

In dem neu erschienenen Buch „Tibet: The Lost Frontier“ von Claude Arpi wird Tibets Teilnahme an der Konferenz für Asiatische Beziehungen ausführlich beschrieben. Indien hatte eine Einladung an Tibet ausgesprochen. „Anfang März 1947 brachen die Delegierten in Lhasa auf“, schreibt Arpi. „Sie reisten über Dromo ins Chumbi-Tal, wo sie auf einen Boten des Kashag trafen, der ihnen die tibetische Flagge überreichte, die während der Konferenz gehißt werden sollte.“

In dem Buch heißt es weiter: „Die Plenarsitzung der Konferenz wurde in dem Purana Qila [Old Fort] abgehalten. Die Delegationsführer aller 32 Nationen saßen auf einem Podium und hatten eine Tafel mit dem Namen und der Flagge ihres Landes vor sich. Tibet zeigte seine Fahne mit den schneebedeckten Bergen und den zwei Schneelöwen, welche die zweifache Macht des Dalai Lama repräsentieren. Hinter den Delegierten befand sich eine riesige Landkarte Asiens, auf der Tibet als eigenständiges Land eingetragen war.“

Die tibetische Delegation bestand aus acht Personen unter der Leitung von Teiji Sampho Tsewang Rigzin und dessen Assistenten Khenchung Lobsang Wangyal. Sie wurden von Mahatma Gandhi empfangen und übergaben ihm Khatas (tibetische Grußschals). Gandhi bewunderte die feine Seide und fragte nach, woher sie stammte. Als er erfuhr, daß sie in China hergestellt worden war, empfahl er den Mitgliedern der Delegation mit sanfter Stimme, Tibet solle damit beginnen, seine eigene Seide herzustellen.

Sampho Tenzin Dhondup, der Sohn des tibetischen Delegationsleiters schreibt in seiner Autobiographie „My Life’s Turbulent Waves“: „Bei der eigentlichen Sitzung waren auf dem Podium zwei Plätze für die tibetischen Delegierten reserviert. An dieser Stelle war die Vorderseite des Podiums mit einer Abbildung der tibetischen Fahne versehen und auf dem Tisch befand sich eine weitere. Man konnte darauf den schneebedeckten Berg und die beiden sich gegenüberstehenden Schneelöwen sehen. Ferner war auf dem Tisch eine hölzerne Tafel, auf der groß das Wort TIBET in englischen Buchstaben stand.“

Mao und die tibetische Nationalflagge

Sogar Mao Zedong wußte von der Existenz der tibetischen Nationalfahne. S. H. der Dalai Lama sagte in seiner Ansprache an die Parlamentarier bei der 4. Weltkonferenz der Parlamentarier zu Tibet, die am 18. und 19. November 2005 in Edinburgh stattfand: „Lassen Sie uns nun zur tibetischen Nationalflagge kommen. Ich glaube, daß einige der heutigen chinesischen Funktionäre wütend werden, wenn sie diese Flagge sehen (zeigt auf die tibetische Nationalfahne). Sie denken, sie sei ein Symbol der Separatisten. Als ich in China war, fragte mich einmal der Vorsitzende Mao, ob wir eine Nationalflagge hätten oder nicht. Nach kurzem Zögern sagte ich: ‚Ja’. Der Vorsitzende Mao antwortete darauf: ’Sie sollten die tibetische Nationalflagge behalten und sie zusammen mit der roten Fahne zeigen.’

Der Gründer der kommunistischen Partei Tibets wird in seiner Biographie „A Tibetan Revolutionary: The Political Life and Times of Bapa Phuntso Wangye“ [von Melvyn C. Goldstein, Dawei Sherap, William R. Siebenschuh] wie folgt zitiert: „Mao bemerkte, daß der Dalai Lama durch seine Frage betroffen war und sagte sofort: ’Das ist kein Problem. Ihr könnt Eure Nationalfahne behalten’.“