6. Dezember 2006
Central Tibetan Administration, www.tibet.net

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Diskriminierung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen treibt tibetische Studenten auf die Strasse

Dharamsala: Behördliche Diskriminierung bei der Stellenvergabe, ein Bildungssystem, das eindeutig die Tibeter benachteiligt, und die massive Konkurrenz chinesischer Hochschulabsolventen zwingen tibetische Studenten, auf die Straße zu gehen, um auf dem konkurrenzbetonten chinesischen Arbeitsmarkt für Arbeitsstellen zu kämpfen.

Im Juni 2006 gingen an die 100 tibetische Studenten des in der Provinzhauptstadt Xining ansässigen Nationalitäteninstituts von Qinghai auf die Straße, wo sie für bessere Arbeitsmöglichkeiten demonstrierten. Berichten zufolge soll der Anführer der Protestaktion ins Gefängnis gekommen sein. Die anderen Teilnehmer sind vermutlich wieder frei.

Die Studenten stellten drei Forderungen:

Erstens müssen die Behörden ihr Versprechen, daß Kader und Gelehrte aus ethnischen Minoritäten besondere Förderung erhalten, in die Tat umsetzen. Obwohl dies die erklärte Politik der Regierung ist, wurde sie nie in der Weise umgesetzt, daß sich im Leben der zahlreichen Absolventen aus ethnischen Minderheiten tatsächlich etwas verändert hätte.

Zweitens forderten die Studenten ein Ende der Politik, chinesische Hochschulabsolventen für das Western Development Programme einzusetzen. Im Rahmen dieses Programms schickt die chinesische Regierung jedes Jahr über 200.000 Studenten in die rückständigen westlichen Regionen, um bei ihrer Entwicklung zu helfen. Tatsächlich aber nehmen diese chinesischen Studenten den Absolventen aus den Minderheiten die Jobs weg. Die Studenten aus China sollten sich eigentlich nur drei Jahre lang in den westlichen Gebieten aufhalten und danach in ihre Heimatgemeinden zurückkehren. In Wirklichkeit jedoch kehren viele nicht zurück, sondern bleiben einfach auf den Plätzen sitzen, die für Absolventen reserviert sind, die zu den Minoritäten gehören, und profitieren obendrein noch von den zahlreichen Privilegien und finanziellen Anreizen, die ihnen hier gewährt werden. Der Protest der tibetischen Studenten richtete sich gegen diesen Mißstand.

Die dritte und letzte Forderung der tibetischen Studenten ist die Beendigung der Manipulationen bei den Zulassungsprüfungen zu den Universitäten. Für Studenten aus Minderheiten, die an Universitäten in China oder in ihrer eigenen Region an der Universität studieren wollen, genügt ein etwas geringerer Notendurchschnitt als er von chinesischen Studenten erbracht werden muß. Nun machen sich chinesische Studenten, die in Minderheitenregionen leben, diese Sonderregelung zu Nutze, indem sie sich als Angehörige der ethnischen Minorität registrieren lassen oder sich einen Hukou (Haushaltsregistrierungs-Zertifikat) verschaffen. Die tibetischen Studenten fordern, daß auch dieser Mißbrauch aufhört.

Das gewaltige Ausmaß der Bevorzugung chinesischer Studenten durch die Behörden wurde am 30. September deutlich, als sich in der Autonomen Region Tibet (TAR) über 1.700 Studenten um 100 Verwaltungsjobs bewarben: 98 der Stellen gingen an chinesische und nur zwei an tibetische Studenten.

Die eklatante Diskriminierung der tibetischen Studenten in Amdo und ihre Forderungen fanden bei den Studenten der Universität Lhasa ein Echo, als diese sich im Oktober vor dem Sitz der TAR-Regierung in Lhasa versammelten und ihre Beschwerden vortrugen. Der zentrale Punkt ihrer Petition war die Forderung nach Arbeitsplätzen. Berichten zufolge wurden die Studenten von Kräften des Sicherheitsbüros Lhasa und der bewaffneten Volkspolizei umstellt, denn die Behörden fürchteten, daß sich die Proteste auf andere Regionen ausweiteten, und die Forderung nach besseren Beschäftigungsmöglichkeiten am Ende zu einem direkteren und politisch brisanteren Aufbegehren werden könnte.

Berichten zufolge gingen Regierungsvertreter aus der TAR schließlich auf die Studenten zu und versprachen ihnen Arbeitsplätze. Aus anderen Quellen verlautet, daß 27 von ihnen ins Regierungsgebäude der TAR zitiert worden seien, wo ihnen Konsequenzen für sich selbst und ihre Familien angedroht wurden, falls sie die Proteste nicht unverzüglich einstellten.

Bereits einige Zeit zuvor hatten Studenten in der zweitgrößten Stadt der TAR, in Shigatse, Arbeitsplätze und ein Ende der Korruption und Mißstände bei deren Vergabe gefordert. Der Ruf nach einer Zuteilung von Arbeitsplätzen an tibetische Hochschulabsolventen wurde zum ersten Mal laut, als zwischen dem 7. Oktober und dem 7. November 2004 dreihundert Studenten aus Golog in Amdo ihre Zelte in typischer Nomadenmanier vor den Regierungsgebäuden aufschlugen, um so auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Sie verlangten unter anderem, daß in Schulen und Büros sowohl die tibetische als auch die chinesische Sprache verwandt werden müsse. Wie es heißt, haben die Behörden in dieser Hinsicht bisher nichts unternommen.