6. Juli 2010
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Tsering Woeser: Rinchen Samdrup zu fünf Jahren verurteilt - seine Arbeit zur Bewahrung buddhistischer Texte zunichte gemacht

High Peaks Pure Earth übersetzte einen Blog-Eintrag von Woeser vom 3. Juli, in dem sie eine Reihe von privaten Bildern veröffentlichte, die sie 2004 von dem tibetischen Umweltschützer Rinchen Samdrup aufnahm, der unter der Anklage der „Aufhetzung zur Subversion“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Über die Verurteilung seines jüngeren Bruders Karma Samdrup zu 15 Jahren vor zwei Wochen wurde bereits in den internationalen Medien berichtet. Woeser, die mit den zwei Brüdern seit Jahren bekannt ist, schildert auf ihrem Blog ihre Erinnerungen an sie.

Woeser erwähnt auch das Buch „Himmlische Steine“ von Liu Jianqing, das der Volksverlag Tibet 2009 herausbrachte und in dem mehrere tibetische Umwelt-Aktivisten portraitiert werden, darunter auch Karma Samdrup und Rinchen Samdrup. Hier nun aus dem Blog:

„Heute am 3. Juli, wurde Rinchen Samdrup, der ältere Bruder des zu Unrecht zu 15 Jahren Haft verurteilten „Königs der Dzi“ (Himmlische Steine)* Karma Samdrup, unter der Anklage der Aufhetzung zum Separatismus von dem Mittleren Volksgericht von Chamdo in der TAR zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.

Ich grub meine Photos vom Sommer 2004 aus, die ich im Stadtteil Karma Kunsang von Lhasa gemacht habe und die Rinchen und seine Familie zeigen. Einige davon habe ich bereits in meinen Blog eingestellt, aber hier sind noch mehr, denn ich möchte, daß viele Leute diese Bilder sehen, um zu verstehen, was für eine großartige Person Rinchen Samdrup ist.

Besonders möchte ich betonen, daß Rinchen Samdrup und seine Familie über einen Zeitraum von 10 Jahren große Anstrengungen unternahmen, um die Werke des tibetischen buddhistischen Meisters Changchup Dorje und seine wertvollen Texte zu retten. Sie nahmen diese Wort für Wort digital auf und speicherten sie dann auf CDs. Aber bei dem Polizeiüberfall konfiszierten die übel gesinnten Beamten alles, und dem Vernehmen nach haben sie das gesamte Material verbrannt!

Was das bedeutet, ist wohl jedem klar, ich bin zutiefst schockiert. Jene, die Übles tun, sollten sich darüber im Klaren sein, daß das Gesetz des Karmas, wie die Gerechtigkeit, unweigerlich wirkt und sie ihm nicht entrinnen können.

Rinchen Samdrup, ein ehemaliger Mönch, ist auch heute noch ein sehr frommer Mensch, der seine Religion aufrichtig praktiziert. Er ist im Buddhismus bewandert und in tibetischer Medizin und der einzige Heilkundige in seinem Dorf. Außerdem ist er ein begabter Volkskünstler, Dichter, Thangka-Maler, er kann Stupas bauen und Texte in Druckstöcke eingravieren. In alledem ist er ausgezeichnet. Auf dem Boden in seinem Zimmer sind die Seiten der Hauptschriften des großen Meisters des tibetischen Buddhismus Changchup Dorje, des Gründers des Nyangla Tempels, verstreut. Es handelt sich dabei um buddhistische und Texte der tibetischen Medizin. Viele davon sind im Laufe der Zeit beschädigt worden und außerdem ist nur noch die Hälfte übrig, die andere fiel der Kulturrevolution zum Opfer. In den letzten 10 Jahren bemühte sich Rinchen auf jede nur erdenkliche Weise, sie zu retten. Als er einmal auf Reisen in Lhasa war, sah er einen Computer und war sofort begeistert. Er blieb daraufhin einige Zeit in Lhasa, um die Bedienung eines Computers zu lernen, in der Hoffnung, die heiligen Texte in den Computer eingeben und so für immer erhalten zu können.

In der Einführung zu dem Buch „Himmlische Steine“ (von Liu Jianqing, veröffentlicht 2009, aber inzwischen aus dem Verkehr gezogen und verboten): Die 8000 Seiten des Hauptwerks des großen Meisters des tibetischen Buddhismus Changchup Dorje handeln hauptsächlich von der Meditationspraxis und tibetischer Medizin. Er erfand über einhundert Arten neuer Heilmittel, deren Rezepte aber nie in die medizinischen Lehrtexte Eingang fanden. Außerdem schuf und dokumentierte er über 170 diverse Bauformen von Stupas, von denen einige noch nie in Tibet gesehen wurden.

Wang Lixiong [mein Ehemann] und ich wohnten einen Monat lang in dem Stadtviertel Karma Kunsang in einem tibetischen Haus mit Innenhof. Zufällig war Rinchen unser Nachbar, wir trafen uns oft, denn Rinchen hatte immerzu Probleme mit seinem Computer und bat Wang Lixiong um Hilfe. Rinchen hatte eine Menge Geschichten auf Lager, mir gefiel es besonders, wenn er die Legenden über Changchup Dorje erzählte. Die Gedanken und Werke von Changchup Dorje und anderer großer Lamas wurden zu einer Quelle der Inspiration für Rinchen, oft sprach er mit großer Dankbarkeit von diesen großen Meistern.

Dies sind die Bilder, wo Rinchen mir die Zeichnungen der Stupas zeigt, draußen sieht man den heiligen Berg Lhasas, den Bhumpa Ri.

* Zu den Dzi-Steinen oder Heavenly Beads siehe Wikipedia