Seite drucken |
Tibetische Rechtsanwälte - Warum treten sie nicht hervor?
Blog von Woeser
High Peaks Pure Earth, www.highpeakspureearth.com, veröffentliche einen Blog-Eintrag von Woeser in englischer Übersetzung, der ursprünglich für Radio Free Asia verfaßt wurde und am 8. Juni 2009 auf ihrem Blog erschien.
Auf die Protestaktionen im März letzten Jahres und die darauffolgenden Festnahmen hin erklärten einige chinesische Anwälte öffentlich ihre Bereitschaft, die Tibeter vor Gericht zu vertreten. Wie Woeser schreibt, haben viel beachtete Fälle wie die von Phurbu Tsering Rinpoche in Kham und dem Mönch Lama Jigme des Klosters Labrang von deren Engagement profitiert.
Amnesty International berichtete zusätzlich, daß der Amateur-Filmer Dhondup Wangchen „jetzt von zwei von seinen Angehörigen angeheuerten Anwälten vor Gericht vertreten wird“. Es ist jedoch völlig ungewiß, wie der Fall enden wird.
Weitere Hintergrundinformationen in dem Artikel „Human Rights Lawyers 'Disbarred' by Paperwork“ vom 26. Juni 2009 in The Washington Post: TinyURL: http://www.flexform.de/tluorrdg
Hier nun Woesers Blog-Beitrag:
Am 31. Mai sahen sich 20 chinesische Rechtsanwälte der Gefahr ausgesetzt, daß sie ihre professionelle Tätigkeit vorübergehend oder für immer einstellen müssten. Nach dem „Tibet-Zwischenfall“ vom letzten Jahr hatten acht von ihnen zusammen mit 13 weiteren Anwälten eine Erklärung unterschrieben, daß sie die inhaftierten Tibeter gesetzlich vertreten und verteidigen möchten.
Diese acht Anwälte sind: Jiang Tianyong, Cheng Hai, Li Xiongbing, Li Dunyong, Li Jinglin, Liu Wei, Peng Jian und Wen Haibo. Die 21 Unterzeichner wurden von den Behörden streng verwarnt, und es wurde ihnen verboten, sich in Gerichtsfälle von Tibetern einzumischen. Allen Anwaltskanzleien, in denen die Anwälte arbeiteten, untersagte die Justizaufsichtsbehörde, Tibeter als Mandanten anzunehmen. Außerdem wurden sie gewarnt, daß sie vorübergehend von dem für die Erneuerung ihrer Registrierung notwendigen jährlichen Examen ausgeschlossen würden. Die Anwaltslizenz von RA Teng Biao wurde vorübergehend außer Kraft gesetzt; Jiang Tianyong wurde die Teilnahme an der jährlichen Advokatur-Prüfung für die Registrierung versagt. Um den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer des Stadtbezirks Peking zu zitieren: „Wir müssen klug vorgehen und den Anwälten, die die Erklärung unterzeichnet haben, die Mittel für ihren Lebensunterhalt entziehen“.
|
Tibetischer Häftling vor Gericht
|
Einer der von den Behörden genannten Gründe, warum diesen Rechtsanwälten die Vertretung der Tibeter vor Gericht versagt wurde, war, daß „es in Tibet genügend Anwälte gibt und daher keine Notwendigkeit besteht, die Hilfe von auswärtigen Anwälten in Anspruch zu nehmen“. Das stimmt zwar, denn einem Bericht von Tibet TV vom 20. Dezember 2008 zufolge gibt es in der Autonomen Region Tibet alleine 94 praktizierende Rechtsanwälte und 17 Anwaltskanzleien. Empörend ist jedoch, daß keiner von diesen tibetischen Anwälten nach dem „Tibet-Zwischenfall“ letztes Jahr die besagte Erklärung unterschrieb noch die verhafteten Tibeter in irgendeiner Weise unterstützte.
Normalen Tibetern fehlte schon immer das Bewußtsein für ihre Rechte und wie sie diese verteidigen können. Besonders, wenn starker politischer Druck auf ihnen lastet, wagen sie es aus übermäßiger Furcht nicht, um die ihnen zustehenden Rechte zu kämpfen.
Umgekehrt übertreffen die Gerichte sich gegenseitig in der Bestellung von Pflichtverteidigern. In anderen Worten, die Behörden behaupten, daß den Tibetern während der Untersuchungshaft Verteidiger zur Seite gestellt werden. In Wirklichkeit existieren diese aber nur auf dem Papier.
Am 2. Mai vergangenen Jahres stand in den offiziellen Medien über die Gerichtsverfahren der wegen des „Zwischenfalls vom 14. März in Lhasa“ vor Gericht gestellten Tibeter ein Artikel. Darin war zu lesen, daß 31 Rechtsanwälte 30 Angeklagte verteidigen würden. In der Tat handelte es sich aber samt und sonders um die vom Gericht ernannten Pflichtverteidiger. Zusätzlich zu den tibetischen Anwälten hatten die Behörden auch noch zwei Anwälte aus Peking hinzugezogen, und zwar solche, welche die Erklärung nicht unterschrieben hatten. Es dürfte allen klar sein, was das Ergebnis eines solchen Prozesses ist.
Ein gutes Beispiel für dieses Vorgehen ist die Beschreibung der tibetischen Anwältin Migmar Dolkar von ihrem Treffen mit dem Angeklagten Lobsang Samten: „Als ich das Gefängnis betrat, untersuchten gerade zwei Ärzte Tibeter, die einer Straftat verdächtigt wurden. Über zehn Verdächtigte standen in einer Reihe, um untersucht zu werden. Zusätzlich hingen gerade zwei Personen am Tropf“. Der Eindruck wurde hervorgerufen, daß die Tibeter im Gewahrsam medizinisch bestens versorgt werden.
Wie jedoch eine Umfrage bei Personen, die aus der Haft entlassen wurden, ergab, werden alle inhaftierten Tibeter geschlagen und mißhandelt, die einen mehr, die anderen weniger. Einige Mönche und auch Laien erlitten schwere Verletzungen oder starben sogar oder sie verloren auf die fürchterlichen Schläge hin den Verstand. Einige Tibeter, die durch die Mißhandlungen hin in gesundheitlich kritischem Zustand waren, wurden zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht, aber die Polizei warnte sie, daß sie niemandem sagen dürften, daß man sie gefoltert hatte, um Geständnisse zu erpressen.
Die 21 Anwälte aus Peking und anderen Städten, die die Erklärung zur Unterstützung der inhaftierten Tibeter unterzeichnet hatten, bekamen nicht nur den Zorn der Behörden zu spüren, sie wurden auch von „netizens“ („Netzbürgern“, Internetnutzern) unter Druck gesetzt. Einige radikale chinesische Nationalisten sandten Botschaften an die allgemeine Mailbox der betreffenden Anwälte, in denen sie sie beleidigten und bedrohten: „… wartet nur, bis ich euch Viecher erwische, und dann schaut, wie ich euch bestrafen werde, ich werde aktiv werden und die Augen aller werden sich auf mich richten“.
„Wer immer Ihr auch seid, die Ihr euch anbietet, die tibetischen Terroristen zu verteidigen, ich will euer Leben und das Leben eurer Familienmitglieder“. Das ist wirklich schlimm, denn wenn jemand das Licht der Öffentlichkeit suchen sollte, dann sollten doch zuerst die örtlichen Anwälte in Tibet zur Verfügung stehen. Aber wo sind sie? Warum haben die tibetischen Anwälte nicht das getan, was die Anwälte aus Peking und anderen Orten vollbrachten? Hatten die letzteren etwa größeren Mut? Oder ist der Grund der, daß die Behörden die tibetischen Anwälte mehr unter Kontrolle halten und nicht alle Anwälte gleichgestellt sind? Sie sind zwar alle Anwälte, aber als die tibetischen Anwälte davon erfuhren, daß ihre Kollegen aus Peking und anderen Orten sich auf das Gesetz beriefen, um die Rechte der Tibeter zu schützen, wie war es dann um ihren Seelenfrieden bestellt, schämten sie sich?
In der Tat, viele Tibeter müßten mit Anwälten kooperieren und brauchten ihren gesetzlichen Beistand. Kürzlich nahmen zwei Gerichtsverhandlungen in Amdo und Kham, nämlich die von Phurbu Tsering Rinpoche und Lama Jigme, dank des tapferen Einsatzes von zwei Pekinger Anwälten Li Fangping und Jiang Tianyong einen guten Ausgang. Wir haben Hochachtung vor ihnen. Wir sollten auch andere Menschenrechtsanwälte hoch schätzen, die willens sind, den Tibetern beizustehen. Wir wünschen, daß noch mehr echte Menschenrechtsanwälte aufstehen werden und sich der Fälle all jener Tibeter annehmen, die ungerecht behandelt wurden.
|