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Ein verwundeter Tibeter appelliert an die Medien der Welt: „Das unerträgliche Leid des tibetischen Volkes wird Euch zum Weinen bringen!“
Die Abteilung für Information und internationale Beziehungen (DIIR) der tibetischen Regierung-im-Exil hielt am 27. Mai eine Pressekonferenz, bei der sie vier soeben eingetroffene tibetische Flüchtlinge vorstellte. Diese waren bei den friedlichen Demonstrationen im März 2008 im Bezirk Kardze, Osttibet, dabei gewesen. Vor etwa 30 internationalen Pressevertretern schilderte einer von ihnen, Tsewang Dhondup, seine Erlebnisse. Er gesellte sich am 24. März 2008 zu den friedlich Protestierenden, weil er die Behauptungen der chinesischen Regierung über die angebliche Befreiung Tibets genausowenig hinnehmen konnte wie die ständige Indoktrinierung der Tibeter, Kinder nicht ausgenommen, die sich vom Dalai Lama lossagen sollen.
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Tsewang Dhondup zeigt die Narben an seinem linken Arm
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„Bereits während der Kulturrevolution wurde mein Großvater festgenommen und acht Monate lang eingesperrt, bloß weil er zu Hause ein Portrait des Dalai Lama aufgestellt hatte.
Wir sind Bauern, aber meine Familie hatte kaum genug zu essen. Am Tag der Demonstration legten wir in Gemeinschaftsarbeit gerade einen Bewässerungskanal für unsere Felder an. Als ich von der Demonstration erfuhr, machte ich mich sofort auf den Weg zu unserem Haupt-Nonnenkloster. Es war recht weit bis dorthin, und als ich ankam, war schon die Polizei da und schoß mit scharfer Munition auf die etwa 200 Laien und 300 Nonnen. Die Bewaffnete Volkspolizei (PAP) hatte den tibetischen Mönch Kunga ausdem Kloster Chokri niedergeschossen. Er war der Sohn von Tashi Gyaltsen und ungefähr zwanzig Jahre alt. Ich sah ihn auf der Erde liegen und rannte zu ihm, um ihm zu helfen, obwohl überall um mich herum die Chinesen mit äußerster Brutalität gegen die Demonstranten vorgingen. Sofort feuerten sie Schüsse auf mich ab und trafen mich am Arm und in den Rücken. Die erste Kugel lähmte meinen gesamten Arm, die zweite bohrte sich mitten in meinen Körper. Dennoch versuchte ich den getroffenen Mönch in Sicherheit zu bringen, aber ich verlor fast das Bewußtsein und konnte ihn nicht mehr weiter tragen. Mein Bruder nahm ihn mir schließlich ab. Schwer verletzt flohen wir in die Berge. Meine Wunden entzündeten sich und wurden von Maden befallen. Wir hatten keinerlei medizinische Versorgung. Die Schmerzen waren so unerträglich, daß ich nahe daran war, mir das Leben zu nehmen. Mein Bruder Lobsang Thubten konnte schließlich in einem nahegelegenen Dorf Medikamente besorgen, was ihn fast sein Leben gekostet hätte. Unterwegs war er extremer Kälte ausgesetzt und zog sich Erfrierungen zu. In unserem eigenen Land mussten wir wie wilde Tiere leben.“
Tsewang Dhondup wurde am 8. Oktober 1970 im Dorf Chokri Gorong geboren und ist der Sohn von Tenzin Dakpa (Tenlu) und Norbu Lhadon. Mit acht Jahren kam er in die Schule, aber wegen der schlechten Bildungsmöglichkeiten und dem ungeeigneten Lehrpersonal verließ er die Schule wieder und hütete das Vieh der Familie. Später betätigte er sich als Kleinhändler.
„Mein Bruder, der 1978 geboren wurde, mußte seine Frau, seine beiden Kinder und unsere 65 Jahre alte Mutter zurückzulassen, als er mir zur Flucht per Motorrad aus Tibet verhalf. Zur Vergeltung für meine Flucht wurde unser Onkel ins Gefängnis gesteckt.
Den Tibetern werden ihre grundlegenden Menschenrechte verweigert. Sie können in ihrem eigenen Land nicht frei leben. Sie werden strengen Beschränkungen unterworfen. Die Politik der chinesischen Regierung ist auf die langsame Ausrottung des tibetischen Volkes ausgerichtet. Tibeter werden häufig umgesiedelt und in Übergangsquartiere eingewiesen. Viele geraten in große Not, wenn die kurzfristige finanzielle Unterstützung der Regierung aufgebraucht ist. Ich überstand all dieses Schreckliche nur, weil mich die Hoffnung trug, irgendwann einmal einen Appell an die internationalen Medien richten zu können, und ihnen zu sagen, daß sie trotz aller Einschränkungen für Journalisten nach Tibet reisen sollen: ‚Wenn Ihr die jämmerlichen Lebensbedingungen der Tibeter und ihr unerträgliches Leiden seht, werden Euch Tränen in die Augen kommen!’.“
Am 25. Mai 2008 wurden fünf Tibeter vier Nonnen und ein Laie verhaftet und später zu je drei Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre Namen sind: Wangmo, Yepung Donyang, Dolma, Yangsto und Kelsang Dorjee. Drei weitere Nonnen namens Khandro Lhamo, Choedon und Yangtso wurden zu jeweils sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Der Geschäftsmann Sonam Yarphel wurde wegen „Weitergabe von Informationen ans Ausland“ zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Lobsang Yarphel bekam drei Jahre und Dorjee (Kampung) vier Jahre Haft. Kampungs Vater Jamyang wurde während einer friedlichen Demonstration im Bezirk Kardze angeschossen. Da ihm während seiner Inhaftierung keine medizinische Versorgung zuteil wurde, verschlechtert sich sein Gesundheitszustand zusehends, und es besteht wenig Hoffnung auf Genesung. Pelgah wurde am 9. März 2008 verhaftet und zu drei Jahren verurteilt. Am 20. März 2008wurden Sonam Dhondup, Norbu, Jampa Tashi, Yeshi, zwei Mönche aus dem Kloster Menyak, und ein Laie aus Dadowa verhaftet. Sonam Dhondup und Norbu wurden am 15. April 2009 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Namen von Rigzin Karma, Chodak, Rigzin, Tseyang und zahlreicher anderer erschienen wegen Separatismus-Verdacht 2008 auf einer Fahnungsliste des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) von Kardze.
Madhu Gonpo, der zusammen mit Tsewang Dhondup floh, fügte hinzu: „Ich möchte betonen, daß die Unterdrückungspolitik der Chinesen in Tibet unendliches Leid hervorruft. Am 18. März 2008 führte ich gemeinsam mit meinem Freund Ngoega aus Kardze und zehn anderen Personen einen Protestzug auf dem Marktplatz der Präfektur Kardze an. Zehn Demonstranten wurden verhaftet und zu Strafen zwischen drei und acht Jahren verurteilt. Mein Freund Ngoega bekam acht Jahre. Viele Tibeter aus Kardze werden nach wie vor vermisst. Unter ihnen sind Shaomeimei, Tsering Dorjee, Nangsal Wangden und Namgyal. Vier wurden durch Schüsse verletzt. Man vermutet, daß 20 Personen tödlich verwundet wurden. Vier Todesfälle wurden bestätigt: Ngoega, Jamyang, Pema Dechen und Tseten Dhundup. Die Chinesen setzen hochrangige Lamas und religiöse Würdenträger unter Druck; ein bedeutender Lama aus dem Kloster Bora namens Geshe Sonam Tsentsuk bekam 1999 Schwierigkeiten mit den chinesischen Behörden und verstarb schließlich, nachdem sie ihn vergiftet hatten.“
Ein weiterer Flüchtling der Gruppe, Tsering Gyurmey fügte hinzu: „Die chinesischen Behörden haben eine Belohnung für Informationen ausgesetzt, die zur Ergreifung von Flüchtigen führten. Dieses Jahr wurde sie von 20.000 auf 30.000 Yuan erhöht. Die Namen der Tibeter auf der Fahndungsliste sind: Tsering Neme (Tsering Gyurmey), Madhu Gonpo, Tseten Phuntsok und Tashi Namgyal (Kelsang)“. Sein Bruder Tenzin Ngodup und ein weiterer Mann wurden wegen ihrer Beteiligung an der Demonstration vom 20. März 2008 zu je drei Jahren Haft verurteilt. Sein Onkel Sonam Nyima wurde im April 2009 verhaftet, aber kurz darauf wieder freigelassen.
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