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Tibetische NGOs streichen die Neujahrsfeierlichkeiten angesichts des „schwarzen Jahres“ 2008
Statt dessen sind als Zeichen der Trauer um all jene Tibeter, die 2008 von den chinesischen bewaffneten Kräften getötet wurden, Mahnwachen mit Gebeten geplant.
Dharamsala - Vier tibetische Exilgruppen ließen heute verlauten, daß sie das Tibetische Neujahr (Losar) nicht wie üblich mit Feiern begehen werden. Sie wollen vielmehr den Tod von über 200 Tibetern betrauern, die während des Aufstandes im vergangenen Jahr und danach von den Chinesen umgebracht wurden.
Dem tibetischen Mondkalender zufolge ist der 25. Februar der erste Tag des Jahres 2136, ein Jahr des Erd-Ochsen. Statt der üblichen Feierlichkeiten mit Gesang, Tanz und anderen Lustbarkeiten soll es schweigende Mahnwachen geben und in den Tempeln und Häusern sollen Butterlämpchen entzündet werden, um der Toten zu gedenken. Führende tibetische Persönlichkeiten riefen die Exil-Tibeter weltweit auf, in ihren jeweiligen Gemeinschaften ähnliche Veranstaltungen zu organisieren.
Auch die Tibeter in Tibet beachten eine einjährige Trauerzeit und wollen dieses Jahr auf öffentliche Festlichkeiten zu Losar verzichten. Tibet steht immer noch faktisch unter Kriegsrecht. Tibeter und ausländische Journalisten unterliegen im Hinblick auf ihre Bewegungsfreiheit strengen Restriktionen.
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Ein aus Tibet eingesandtes Poster
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„Dieses Jahr gedenken wir in Ehrfurcht des Opfers zahlloser Tibeter, die sich erhoben, um China und der Welt zu zeigen, daß die Tibeter selbst nach 50 Jahren brutaler Besatzung entschlossen sind, ihre Freiheit zurückzugewinnen“, sagte Dr. B. Tsering, die Präsidentin des Tibetischen Frauenverbandes. „Wir weinen um unsere Brüder und Schwestern, die durch Chinas exzessiven Gewalteinsatz zu Tode kamen, und wir beteuern unsere Solidarität mit jenen, die immer noch unter der totalitären Herrschaft Chinas leiden müssen“.
Das Tibetische Neujahr oder Losar ist eine der wichtigsten Festzeiten im tibetischen Kalender und wird mindestens drei Tage lang begangen. Dieses Jahr fällt Losar auf die Zeit vom 25. - 27. Februar, etwa zwei Wochen vor dem 50jährigen Gedenken des Tibetischen Volksaufstandes von 1959, als der Dalai Lama sich gezwungen sah, ins Exil zu fliehen. Am 10. März wird es auch ein Jahr sein, seit die Proteste von tibetischen Mönchen in Lhasa eine Erhebung auslösten, die sich rasch über das ganze Hochland ausbreitete.
„Indem wir auf die feierliche Begehung von Losar verzichten, ehren wir all jene Tibeter, die im vergangenen Jahr für die Freiheit unseres Heimatlandes ihr Leben ließen“, sagte der ehrwürdige Ngawang Woebar, der Präsident der Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener Gu-Chu-Sum in Dharamsala. „Heute, wo das Gedenken an zwei historische Volksaufstände, den von 1959 und den jüngsten von 2008, kurz bevorsteht, rufen wir alle Tibeter in der ganzen Welt auf, sich mit vermehrtem Eifer der Sache unseres Landes zu widmen.“
Tsering, ein Mönch des Klosters Kirti in Dharamsala meinte: „ Den Ruf ’Kein Losar’ hörte ich erstmals im November 2008 aus Tibet, und seitdem hat sich die Idee, es nicht feierlich zu begehen, mittels Blogs und mündlich unter Tibetern in Tibet und im Exil rasch verbreitet.
Während die Tibeter ihre Absicht kundtun, die Losar-Feierlichkeiten dieses Jahr ausfallen zu lassen, gibt es Berichte, daß die Behörden in China nun absichtlich die Tibeter auffordern, das Neujahr mit Glanz und Gloria zu feiern. Sie geben den Tibetern kleine Geldgeschenke, um sie zum Feiern zu animieren.
Ein anonymer Blogger kommentierte auf einer von Tibetern betriebenen chinesischsprachigen Website: „Es ist schon längst klar, daß Losar 2009 ungewöhnlich sein wird, weil so viele Menschen getötet wurden. In unserer Familie wird unser Vater nie mehr zurückkommen, unsere Mutter ist sichtlich gealtert, unser Onkels und Brüder wurden eingesperrt, von einigen wissen wir immer noch nicht, ob sie lebendig oder tot sind. Vergangene Nacht wurde in einer benachbarten Familie der älteste Sohn von der Polizei weggebracht. Ein Typ aus einem naheliegenden Dorf, der immer als fliegender Händler unterwegs war, war einige Monate im Gefängnis, kürzlich wurde er entlassen, aber er ist nun dermaßen schlecht dran, daß er nicht mehr aufstehen kann und seine Frau und Kinder ihn pflegen müssen. Man sieht zwar nicht mehr so viele bewaffnete Polizisten wie bisher auf den Straßen, aber als Heckenschützen sind sie auf den Dächern und wachen über „die soziale Stabilität“. Die Funktionäre gehen bei den Leuten herum und mahnen, Neujahr ja schön zu feiern… Ich selbst werde das neue Jahr nicht feiern, weil diejenigen, die starben, meine Landsleute waren und ich mehrere von ihnen selbst gekannt habe - sie wurden erschossen. Seit März vergangenen Jahres wagte ich nicht zu Hause anzurufen, weil ich die Meinen nicht in Schwierigkeiten bringen will. Daher weiß ich gar nicht, wie es ihnen geht.“
In einem Beitrag, der bei High Peaks Pure Earth erschien, mit dem Titel „Laßt uns Butterlampen darbringen und Kerzen anzünden, um für die Seelen der Verstorbenen zu beten“, schreibt die tibetische Schriftstellerin Woeser: „Die Begehung von Losar wird dieses Jahr anders als sonst sein. Der Unterschied ist der, daß so viele Mengen in einen Abgrund des Elends gestürzt wurden. In dem Land Tibet, in den Dörfern, dem Weideland und den Städten von Amdo, Zentraltibet und Kham widerfuhr vielen ergrauten Großeltern und Eltern das große Leid, daß sie den letzten Riten für die schwarzhaarigen Jugendlichen beiwohnen mußten. Noch schrecklicher ist, daß einige der „Weißhaarige“ diese Zeremonien nicht einmal durchführen konnten, weil die „Schwarzhaarigen“ verschwunden sind, ohne daß man jemals ihre Leichen gesehen hätte. Die Angehörigen kennen den Tag nicht, an dem sie gestorben sind, und deshalb können sie keine religiöse Zeremonie abhalten für das Wohl der dahingegangenen Seelen. Die Klöster wurden geschlossen und die Mönche ausgestoßen. Unzählige Geier ziehen ihre Kreise über den trostlosen Orten der Himmelsbestattung.
Im Gedenken an die Gestorbenen, deren genaue Zahl wir nie erfahren werden, laßt uns daher Butterlampen anzünden - in einer geheimen Ecke außerhalb der Reichweite der Überwachungskameras. Und diejenigen von uns, die in fremden Landen wohnen und keine Butterlampen haben, mögen sie Kerzen anzünden für die Verstorbenen, deren genaue Zahl wir nicht kennen“.
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