29. März 2009
World Tibet News

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Kunga Tsayang: Wer sind die wahren Separatisten?

(Quelle: http://www.tibetwrites.org/?Who-are-the-real-separatists)

Kunga Tsayang (Pseudonym, Gang-nyi) ist ein angesehener Schriftsteller, Intellektueller und Kunstschaffender der jungen Generation in Tibet. Er wurde am 17. März von den chinesischen Behörden in seinem Kloster Labrang in der Provinz Gansu verhaftet, weil er angeblich Essays politischen Inhalts über Tibet auf der Website „Notizen“ (tib. Zin-drils) veröffentlichte. Seitdem fehlt jede Spur von ihm.

Kunga Tsayang, ca. 20 J.

„Informationsweitergabe ist das wichtigste Werkzeug zur erfolgreichen Durchführung irgendeiner Kampagne oder Aktion. Wenn die Art der Informationsverbreitung jedoch den Rahmen üblicher Normen sprengt, dann wird das ganze zum sinnlosen Gestammel eines Betrunkenen.

Dieses Jahr wurden die friedlichen tibetischen Protestierenden von fremden Elementen infiltriert und in die Irre geführt. China Television, Lhasa TV und andere Medien haben in Entstellung der Wahrheit alle Tibeter als Separatisten gebrandmarkt. Damit wurden unheilbare Wunden in die Beziehungen unserer chinesischen Brüder und Schwerstern zu den Tibetern geschlagen, und das Ergebnis ist, daß die Chinesen nun die Tibeter verabscheuen, und die Tibeter feindselige Gefühle gegenüber den Chinesen hegen.

Als Individuum muß ich leider akzeptieren, daß dieser Faktor den größten Bruch zwischen den Nationalitäten herbeigeführt hat. Die Tibeter wurden in eine verzweifelte Lage getrieben, weil sie beschuldigt werden, Dinge getan zu haben, die sie nie taten, und kleine Vorfälle wurden aufgebauscht und der Welt als tatsächliche Ereignisse präsentiert.

Sogar Tibeter, die zwei oder drei Jahrzehnte lang für die Partei arbeiteten, wurden an den Pranger gestellt, und die Vertreter der chinesischen Nachrichtenmedien, die ja so geübt darin sind, Lügen zu fabrizieren, gingen in Schulen und Universitäten, an denen es nicht mehr als eine Handvoll tibetischer Studenten gibt, und schwärzten sie an und verursachten eine Hexenjagd auf sie. Ein solches Übermaß an Falschinformation und kränkenden Maßnahmen haben zu einem Bruch geführt und Verwirrung im Geist jener tibetischen Beamten und Studenten geschaffen, die ihre chinesischen Brüder und Schwestern wirklich liebten und die Kommunistische Partei hochschätzten. Es entstand ein Gefühl von Rassenhaß in ihren Gemütern. Das sind die negativen Folgen der inkompetenten Berichterstattung in den Medien.

Unter den derzeitigen Umständen sehen wir uns durch Straßenblockaden, Polizeikontrollen und die überall gegenwärtigen Sicherheitskräfte mit ihren auf uns gerichteten Gewehrläufen in unserer Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß die wahren Gründe für die Spaltung der Volksgruppen darin zu suchen sind, daß die Bilder Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, unseres geliebten Oberhauptes, verbrannt wurden oder Soldaten mit ihren Stiefeln darauf herumtrampelten. Die Festnahme von Tibetern wegen des Besitzes von Bildern Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und ihre öffentliche Herabsetzung, weil sie die Bilder Seiner Heiligkeit auf ihre Altäre stellen, sind die wahren Ursachen für die Entfremdung zwischen den Nationalitäten.

Es sei denn, es gelingt euch [den chinesischen Behörden], unsere Liebe zueinander und die Achtung, die wir in unseren Herzen füreinander hegen, zu brechen, werden all eure nutzlosen Kampagnen und Aktivitäten unsere Einheit und die Liebe unter uns tibetischen Brüdern nur noch stärken.

Ich glaubte immer, daß Soldaten Helden sind, die die Sicherheit der Nation schützen, die zur Harmonie unter den Bürgern beitragen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Dieses Jahr haben sich all diese Annahmen jedoch als falsch erwiesen wegen ihres von Rassismus bestimmten Verhaltens, weil sie so viele unschuldige Menschen umbrachten, weil sie unser Eigentum und unsere Läden plünderten, weil sie alle Andersdenkenden rigoros unterdrückten und unter Mißachtung der Gesetze marodierend umherzogen. Ich sage das und berufe mich dabei auf Fakten und wirkliche Ereignisse, so wie sie in den Regionen Ngaba in Amdo und Kanlho [in Osttibet] vorgekommen sind. Sollte dies wegen ein paar Militäroffizieren und Beamten in den Lokalverwaltungen geschehen sein, dann kann ich nur mit Nachdruck sagen, daß hier die wahren Akteure sind, die die Nationalitäten spalten.

Darüber hinaus haben die Mitarbeiter in den lokalen Büros für Öffentliche Sicherheit, die paramilitärischen Kräfte und die regionalen kommunistischen Parteikader eine Unmenge an negativen Informationen fabriziert und sie der Zentralregierung vorgelegt und dann Anträge gestellt, damit sie riesige Geldsummen bekommen, mit denen sie ihre sogenannten Siege über die Demonstranten finanzieren und ihre Unterdrückungsmaßnahmen fortsetzen können. Wie sollte ein solches Vorgehen die Nationalitäten nicht spalten? Es gab eine Reihe von politischen Fehlern großen Maßstabs, weil die lokalen Kader alles daransetzten, ihren Chefs und Vorgesetzten auf den höheren Verwaltungsebenen zu gefallen.

Wieso schweigt die KP wie ein Mann, der ein Auge zudrückt und sich taub stellt angesichts solcher alle Grenzen sprengenden Aktivitäten, die nur verübt werden, um die Einheit der Nation zu schädigen und die Stabilität des Landes zu beeinträchtigen? Lamas mögen Fehler machen, politische Führer mögen Fehler machen und auch die Regierung kann Fehler machen. Aber nun ist die Zeit gekommen, daß jene Leute, die für den Schaden und die Stiftung von Uneinigkeit verantwortlich sind, vor die Öffentlichkeit treten und für ihre Fehler Rechenschaft ablegen. Wenn sich das verwirklichen ließe, hätten wir noch einen Grund zu glauben und zu hoffen, daß sich unsere Beziehungen zu den anderen Nationalitäten bessern und eine harmonische Gesellschaft aufgebaut werden kann.

In den Geist sowohl der Chinesen als auch der tibetischen Brüder und Schwestern hat sich ein Bild von der jeweils anderen Seite als von Leuten eingegraben, die zu fürchten und zu hassen sind. Wir fragen nun: Warum schlagen und quälen sie unsere Brüder und Schwestern auf diese Weise? Durch Lügen und Erzeugung falscher Sichtweisen ist es so weit gekommen, daß sogar ein tibetischer LKW-Fahrer verachtet wird. Der allgemeine Eindruck, der so entstanden ist, ist der, daß die Tibeter als Volk nicht einmal wert sind, einen Blick auf sie zu werfen.

Um es etwas allgemeiner zu fassen, kann man sagen, daß Tibeter und Chinesen eine lange Tradition der gegenseitigen Hilfeleistung haben und sie stets tiefe Achtung und Bewunderung für einander hegten. Die Darstellung der Tibeter in den offiziellen chinesischen Medien in diesem Jahr hat jedoch das Bild von den Tibetern als Feinden hinterlassen. Ist das ein Faktor, der die Harmonie fördert oder wurde er zur Ursache für ihren Niedergang? Die Lenker der Nation sollten darüber nachdenken. Es lohnt sich darüber nachzudenken, weil sich die Harmonie der Nation auf dieser Grundlage aufbaut, indem man davon ausgehend positive Aktivitäten entwickelt. Es ist nie zu spät, in dieser Richtung zu wirken.“

(Übersetzt aus dem Tibetischen von Bhuchung D. Sonam)

Kunga Tsayang wurde in Golok Chikdril geboren, er erhielt seine Bildung in Labrang und Beijing. Später versuchte er eine Schule im Kloster Yakra aufzubauen, konnte aber das Projekt nicht vollenden. Er reiste weit und breit durch Tibet und dokumentierte die Umweltverschlechterung auf dem Hochland und deren Einwirkung auf die Bewohner. Er betätigte sich auch in der Nyenpo Yutsae Kyekham Umweltschutzorganisation. Seine Photographien werden in Tibet sehr geschätzt und ebenso seine tapferen und fesselnden Essays über Tibet, wie beispielsweise „Wer ist der wahre Spalter?“ „Wer ist der wahre Unruhestifter und zerstört die Stabilität?“ und „Wer ist der wahre Anstifter der Proteste?“

Seine Website: http://wokar.net/index.php?option=com_content&view=article&id=122:2009-03-24-05-31-13&catid=38:2009-03-08-07-22-43&Itemid=53